Auch wenn es nur 21,1 Prozent der Wahlberechtigten waren, die im Volksentscheid so entschieden haben, war die Mehrheit für dieses neue Wahlgesetz eindeutig. Es ist nach den Quoren und Regeln zustande gekommen, die Sie von der CDU 2001 mit beschlossen haben; vergessen Sie das nicht, meine Damen und Herren.
Und wenn Ihr Landesvorsitzender laut "Hamburger Abendblatt" meint, die Bürger hätten nur so eine Richtung angegeben, so ist das eine unerträgliche Verdrehung der Tatsachen. Die Bürger haben ein fertiges Wahlgesetz beschlossen, nicht irgendwelche unverbindlichen Themen. Ein Jahr haben Sie mit wortreichen Dementis immer behauptet, sich daran zu halten. Und um dann wieder alle Vorurteile gegenüber Politikern zu bestätigen, haben Sie nach der Bundestagswahl im Windschatten der Bezirksreform die Katze aus dem Sack gelassen.
Nach dem gekippten LBK-Volksentscheid, nach Ihrem Kahlschlag bei den Regeln für die direkte Demokratie kommt nun die von Ihnen als Modifizierung getarnte Aushöhlung des neuen Wahlrechts. Sie leisten damit mal wieder einen großen Beitrag zur Politik- und Parteienverdrossenheit. Das ist ein Vertrauensverlust, der das Haus insgesamt trifft, vergessen Sie das nicht.
Diesen Vertrauensverlust sollten Sie noch einmal bedenken, aber Sie bedenken vor allem Ihre innerparteiliche Machtstruktur. Dass die Ihnen über alles geht, haben Sie 1993 vom Hamburgischen Verfassungsgericht schon einmal schriftlich bekommen und wie man sieht, haben Sie keinen Deut dazugelernt.
Deshalb wird Ihnen die SPD-Fraktion zu diesem Vorhaben nicht die Hand reichen, auch wenn wir ebenfalls viele und große Fragezeichen im neuen Wahlrecht sehen. Wir werden deshalb ausdrücklich nicht das neue Wahlrecht verteidigen, wohl aber das Ergebnis des Volksentscheids. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich direkt auf Herrn Dr. Dressel eingehe, zwei Worte zur Formulierung der Themenanmeldung für diese Aktuelle Stunde sagen. Sie sind nach der Geschäftsordnung sachlich und in einer Sprache abzufassen, die dem parlamentarischen Brauch entspricht.
Wenn ich an dieser Stelle einen Ordnungsruf einfangen wollte, dann müsste ich Frau Goetsch als doof bezeichnen
Derartige Verstöße gegen den Stil eines Parlaments wird die CDU-Fraktion zukünftig zum Anlass nehmen, eine Einberufung des Ältestenrats zu beantragen, damit ein derartiges Vergreifen unterbleibt.
Nun zum Inhalt, den Herr Dr. Dressel hier angesprochen hat. Laut hamburgischer Verfassung hat die Bürgerschaft das Recht, durch Volksentscheid zustande gekommene Gesetze zu ändern und es entspricht auch der Verantwortung der Bürgerschaft, Änderungen vorzunehmen, wenn diese erforderlich sind.
Die Änderungen, die wir vornehmen werden oder vornehmen wollen, sind nötig. Sie berühren aber nicht den Kern des Wahlrechts, das durch den Volksentscheid zustande gekommen ist.
Es bleiben die Grundsätze, dass jede Wählerin/jeder Wähler zweimal fünf Stimmen hat, dass sie und er kumulieren und panaschieren kann, dass Sitze über die Wahlkreise und über die Landesliste vergeben werden, genau wie es im Volksentscheid steht. Aber die so genannte Parteistimme oder eine Listenstimme muss auch bei einem Wähler zum Ausdruck bringen können, dass er mit dem Listenvorschlag und der Listenreihenfolge einverstanden ist. Diese Möglichkeit hat er heute nicht und das ist unbefriedigend.
Wenn ein Wähler oder eine Wählerin nicht einverstanden ist mit den vorgeschlagenen Personen in der vorgeschlagenen Reihenfolge, dann kann er weiterhin seine bevorzugten Kandidatinnen und Kandidaten ankreuzen und
damit auch die Listenreihenfolge verändern. Allerdings wird es möglicherweise extrem kleinen Wählergruppen nicht mehr möglich sein, solche Änderungen vorzunehmen, sondern es wird eine Relevanzschwelle eingebaut. Das ist eine maßvolle Korrektur des Wahlrechts
und die Formulierung "maßvolle Korrektur" ist genau die Formulierung des Kreisvorsitzenden des SPD-Kreises Hamburg-Mitte; es ist also kein moralischer Verfassungsbruch. Jetzt würde mich einmal interessieren, was der Stellvertreter von Herrn Kahrs denn zu der Aussage seines Kreisvorsitzenden zu sagen hat. Meine Damen und Herren von der SPD, hören Sie bitte endlich damit auf, uns in Vier-Augen-Gesprächen zu sagen, gut, dass ihr das anpackt, das ist dringend nötig und uns dann hier öffentlich irgendwelcher Verfassungsbrüche zu bezichtigen; das geht nicht.
Bekennen Sie sich auch zu Ihrer Verantwortung und korrigieren Sie auch, wie wir es vorhaben, die offensichtlich rechtswidrigen Teile dieses Wahlrechts. Eine Verlängerung der Wahlperiode nach der Wahl, wie sie bei den Bezirksversammlungen vorgesehen ist, ist ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Die Umverteilung von Sitzen im Wahlkreis von Partei A auf Partei B schließt aus, dass der Wähler über seine Stimmabgabe noch irgendeine Kontrolle hat. Mit diesem Wahlrecht wird in weiten Teilen wirklich das Gegenteil dessen erreicht, was diese Stadt braucht, und diese Stadt braucht ein handlungsfähiges Parlament; mit diesen Änderungen sichern wir dieses.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Reinert, ich wusste gar nicht, dass Sie so ein Sensibelchen sind und jetzt mit großen Drohgebärden kommen, einen Ältestenrat einzuberufen. Das ist nur ein teures Geschäft, weil das den Steuerzahler wieder 20 Euro pro Kopf kostet.
Ich möchte Sie, Herr Reinert, erst einmal bei Ihrem Wort nehmen. Sie haben im letzten Jahr nach der Entscheidung für ein neues Wahlrecht gesagt – Zitat –:
Mit dem Angriff, den Sie hier auf den Wähler, auf das neue Wahlrecht richten, brechen Sie klar Ihr Wort. Ich frage mich, wie Sie überhaupt noch vor den Bürgerinnen auftreten wollen, wie Sie ihnen in die Augen sehen wollen. Sie haben sich gemeinsam mit Ihrer CDU-Fraktion, dem CDU-Senat und Ihrem CDU-Bürgermeister zum Serientäter in Sachen Missachtung der Demokratie entwickelt.
Die Missachtung des Mehrheitswillens, die sich Ihre Fraktion, Ihr Senat und Ihr Bürgermeister schon beim Verkauf der städtischen Krankenhäuser erlaubt hat – da haben Sie sich schuldig gemacht –, ist nicht vergessen und nicht verjährt. Es ist vor allen Dingen nicht verjährt, denn der Schaden, den Sie angerichtet haben, ist auf Dauer angerichtet worden.
Keiner der Befürworter einer erweiterten direkten Demokratie hätte sich vorstellen können, dass Sie sich in einer funktionierenden Demokratie mit einer Mehrheit im Parlament trauen würden, die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler zu täuschen, ja darüber hinwegzugehen. Wir sind beim LBK-Verkauf schon bitter enttäuscht worden. Jetzt gehen Sie in Ihrer gesammelten Arroganz noch weiter, Sie gehen einen Schritt zu weit, Herr Reinert.
Sie setzen sich unter kalter Ausnutzung Ihrer parlamentarischen Mehrheit selbstherrlich über das klare Votum der Wählerinnen und Wähler hinweg. Ich frage mich, welches Demokratieverständnis Sie eigentlich in Ihrer angeblichen Volkspartei haben, jedenfalls keines, das für das Hamburger Volk da ist.