Protocol of the Session on September 28, 2005

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Nachdem Sie, Herr Senator Kusch, noch vor einigen Wochen auf das Heftigste bei einer Debatte über Gesundheit in der Haft gezeigt hatten, zu wie wenig Sachlichkeit auch Mitglieder des Senats in der Lage sind, hat Frau Spethmann Ihre würdige Nachfolge angetreten.

Diese Senatsmitteilung hat uns ein paar Zahlen mehr als damals bei der Großen Anfrage der GAL geliefert. Wenn man dem Fahrplan Glauben schenken darf, wollen Sie selbst diese Drucksache nicht an den Rechtsausschuss überweisen, obwohl sich eine vertiefte Debatte durchaus lohnen würde. Es ist sehr bedauerlich, dass Sie anscheinend davor Angst haben, dass im Rechtsausschuss Dinge zu Tage kommen, die in die offizielle Senatsselbstbeweihräucherung nicht hineinpassen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich glaube, Frau Spethmann, hat die Drucksache nicht genau genug gelesen, denn im Schlussteil werden viele Dinge angekündigt, die in der Realität machbar sind, aber anscheinend noch nicht gemacht werden. So sind, wenn diese Drucksache stimmt, qualifizierte Entgiftungen im Strafvollzug möglich, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen liegen vor. Aber warum wird das dann, wenn es schon geht, anscheinend noch nicht gemacht.

(Doris Mandel SPD: Ne, gar nichts passiert!)

Daher wäre es schön und gut, wenn wir das Thema im Rechtsausschuss vertiefen könnten. Das ist nicht gewünscht, Sie wollen nur öffentlich das Lob des Senats. Das ist parlamentarisch sehr bedauerlich. Schade, dass Sie sich im Rechtsausschuss nicht mehr zutrauen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Steffen.

(Olaf Ohlsen CDU: Till, hol die Drogen raus! – Ge- genruf von Klaus-Peter Hesse CDU: Wir werden gleich feststellen, ob er schon welche genommen hat!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir führen quasi die Wiederauflage einer Debatte, denn dieser Bericht reagiert auf einen Antrag, der unter anderem für uns Anlass war, diese sehr genauen Nachfragen im Rahmen der Großen Anfrage, die Herr Marx eben schon erwähnt hat, zu stellen. Wir wollten es damals als Ergänzung zum Antrag machen, aber wir haben gesagt, prima Sache, gute Idee, wenn die CDU-Fraktion einmal über die Situation von Drogen im Vollzug sprechen und auf eine sachliche Ebene kommen möchte. Wir hätten noch ein paar Fragen, haben wir damals als Zusatzantrag formuliert. Das wollten Sie nicht so genau wissen. Dann haben wir gesagt, an Informationen kommen wir als Opposition auch ohne Sie – das ist nicht das Problem – und das haben wir letztes Mal auch ausführlich diskutiert.

Sie waren nicht daran interessiert, die Wirkungen all dieser Maßnahmen, die in dieser Drucksache noch einmal aufgelistet werden, all die Einschränkungen, all die zusätzlichen Kontrollen und die Wirkungen im Hinblick auf den Drogenkonsum zu wissen. Das wollten Sie nicht. Wir haben nachgefragt, ob der Senat wenigstens etwas weiß, wenn schon die CDU-Fraktion nichts wissen will. Der Senat weiß auch nicht, was es eigentlich bringt. Wir haben ganz dürftige Informationen bekommen. In der Drucksache ist aufgezählt, wie viele Drogen gefunden worden sind. Wir wissen natürlich alle, dass alleine Aussagen über Grammmengen an Drogenfunden wenig aussagekräftig sind, weil steigende Drogenfunde entweder damit zusammenhängen können, dass es mehr Drogen gibt – das wäre natürlich ein schlechtes Zeichen – oder dass mehr kontrolliert wird. Das wäre erst einmal in Ordnung, aber auf welche Ursachen das tatsächlich zurückzuführen ist, ist im Einzelnen nicht zu erkennen, wenn man isoliert auf die Zahlen guckt, wie das in dieser Drucksache gemacht wird.

Aber wir haben im Rahmen der Antwort auf unsere Große Anfrage etwas Interessantes erfahren. Frau Spethmann, wenn Sie mir Ihre geneigte Aufmerksamkeit schenken würden, auch wenn Herr Warnholz unablässig auf Sie einredet. Drogenfreie Stationen bringen tatsächlich weniger – das war die einzige bewertbare Zahl, die wir in der Antwort bekamen – als Sie uns immer Glauben machen wollen. Sie haben ausgewertet oder evaluiert und es hat sich herausgestellt, dass die Personen, die in den drogenfreien Stationen sind, genauso häufig rückfällig werden wie diejenigen, die nicht in drogenfreien Stationen sind, und dass es signifikante Unterschiede nur gibt, wenn es nach der Haftentlassung eine Begleitung dieser Drogenabhängigen oder ehemals Drogenabhängigen

gibt. Das ist der entscheidende Punkt. Deswegen ist es schön und gut, wenn Sie sagen, die Therapie in der Haft soll ausgeweitet werden. Wenn es dazu tatsächlich kommt, dann ist es gut und absolut unterstützenswert, aber man bekommt große Zweifel, ob das nicht am anderen Ende wieder gestrichen werden soll, wenn die sehr spezialisierten Träger, die in diesem Bereich tätig werden, diese zusätzlich 18,5 Stunden – so steht es in Ihrer Drucksache, über die wir jetzt sprechen – durch Umsteuerung erbringen sollen. Da schwant mir Böses, ob das nicht an anderer Stelle im Vollzug oder bei der Hilfe für Drogenabhängige nach der Haftentlassung weggenommen werden wird.

Ich hatte gewisse Hoffnungen im Hinblick auf die geplanten Maßnahmen, dass ein bisschen greifbarer wird, was Sie eigentlich vorhaben. Bislang haben Sie kein echtes Drogenkonzept vorlegen können, aber auch hier bleibt es äußerst nebulös, was Sie eigentlich wollen. Außer den 18,5 Stunden steht keine greifbare Zahl in der Drucksache.

Frau Spethmann, Herr Warnholz redet wieder auf Sie ein, das ist unerträglich.

(Bernd Reinert CDU: Ich muss es auch ertragen, dass Sie hier auf mich einreden!)

Das ist jetzt hier meine Rolle, Herr Reinert.

(Bernd Reinert CDU: Ja, eben!)

Ein Punkt ist besonders interessant. Frau Spethmann hat gesagt, unter Rotgrün sei die Drogensucht regelmäßig gefördert worden und die Spritzenautomaten hätten regelrecht zum Drogenkonsum eingeladen. Sie haben davon gesprochen, dass die CDU eine gradlinige Drogenpolitik macht, die das konsequent ablehnt. Ich glaube, ganz so gradlinig ist Ihre Politik in dieser Sache nicht. Ich will nur auf eine Bürgerschaftsdrucksache aus der 15. Wahlperiode verweisen. Das ist schon ein bisschen her, Sie waren damals noch nicht dabei. Es gibt einen Antrag der CDU-Fraktion, Ole von Beust war damals Fraktionsvorsitzender. Damals war auch die Rede davon, dass der Senat seine Liberalisierungspolitik im Drogenbereich aufgeben möge. Es ging insgesamt um Drogenpolitik, nicht nur um Drogen im Strafvollzug. Aber unter Punkt 11 – ganz versteckt vielleicht, aber doch ganz eindeutig – wurde der Senat aufgefordert, den Strafgefangenen in Hamburger Gefängnissen ein kontrolliertes Spritzen unter hygienischen Bedingungen mit dem Ziel von Substitution, Entzug, Therapie und Ausstieg zu ermöglichen. Sie sind da auch nicht so ganz gradlinig in der eigenen Politik gewesen. Wenn Sie uns vorwerfen, dass das Aufstellen von Spritzenautomaten unverantwortlich gewesen sei, dann müssen Sie erst einmal an Ihre eigene Nase fassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Senator Dr. Kusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erstaunlicherweise hat mich gerade diese Debatte an den Wahlkampf erinnert, obwohl das in den letzten Wochen nicht das richtige Wahlkampfthema war.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Es ist eine CDU- Anmeldung!)

A C

B D

Deshalb muss ich bekennen, es war gar nicht der Wahlkampf zur Bundestagswahl, an den mich die Debatte erinnert hat, sondern der zur Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2004.

Es war entweder im Januar oder im Februar 2004 – ich erinnere mich nicht mehr genau –, dass eine Organisation von Schülerinnen und Schülern zu einer Podiumsdiskussion ins Audimax der Bucerius Law School eingeladen hatte. Das Forum war mit vermutlich 500 Schülerinnen und Schülern gefüllt, die sich anhörten, was Vertreter der verschiedenen Parteien zu den Programmen für die nächsten vier Jahre in Hamburg zu sagen hatten.

Es wird Sie nicht erstaunen, dass für Schülerinnen und Schüler Fragen des Umgangs mit Drogen durchaus relevant sind. Es wird Sie auch nicht erstaunen, dass ich mit meiner Antwort, gegenüber Drogen null Toleranz zu haben, nur mäßigen Applaus bekam.

Mein Nachbar bekam sehr viel mehr Applaus, was mich nicht erstaunte, aber was mir gut in Erinnerung geblieben ist. Mein Nachbar war nämlich Herr Petersen, der vor ein paar hundert Schülerinnen und Schülern aus Hamburg verkündete, Heroin sei nicht gefährlicher als Alkohol.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Medizinisch ist das so!)

Dass ein Arzt einmal Unsinn redet, das kann passieren. Juristen reden Unsinn, Lehrer reden Unsinn, Senatoren reden einmal Unsinn, das gibt es alles. Wenn aber ein Arzt, der solchen Unsinn redet, Landesvorsitzender einer Partei ist, kann man froh sein, dass diese Partei dauerhaft in die Opposition verbannt ist.

(Beifall bei der CDU – Christian Maaß GAL: Unsinn! – Glocke)

Herr Senator darf ich Sie kurz unterbrechen? Wären Sie ein Abgeordneter, hätte ich Ihnen jetzt einen Ordnungsruf erteilt. – Fahren Sie bitte fort.

Meine Damen und Herren, ob Sie diese Einleitung als polemisch empfinden oder nicht, ist mir ziemlich egal, denn sie passt zum Thema. Über Drogen im Strafvollzug kann man nur diskutieren, wenn man eine Meinung hat, wie man mit Drogen in unserer Gesellschaft umgeht. Die CDU vertritt seit Jahrzehnten in Deutschland und in Hamburg null Toleranz gegenüber Drogen und das ist auch gut so.

(Beifall bei der CDU – Christian Maaß GAL: Das ist unverschämt, was Sie sich hier erlauben! Sie reden über einen nicht anwesenden Abgeordne- ten!)

Was der Senat seit November 2001 gemacht hat, ist nicht sehr originell. Er hält sich einfach an diese Regel: Null Toleranz bei Drogen. Das gilt auch im Strafvollzug.

(Doris Mandel SPD: Das tun wir auch!)

Im Strafvollzug führt es zu Folgendem: Der Null-ToleranzGedanke im Strafvollzug – Frau Spethmann hat ihn überwiegend am Beispiel der Anstalt Fuhlsbüttel genannt – gilt natürlich auch im offenen Vollzug. Allerdings sind im offenen Vollzug Kontrollen schwieriger durchzuführen als im geschlossenen Vollzug, das weiß jeder. Frau Spethmann hat den geschlossenen Vollzug beschrieben, deshalb will ich dies um den offenen Vollzug ergänzen.

Die Zustände im offenen Vollzug waren in Hamburg vor Regierungsübernahme durch die CDU so, dass Drogen augenzwinkernd als unvermeidliches Schicksal hingenommen wurden, das man sowieso nicht beeinflussen könne und um das man sich besser gar keine Gedanken macht.

Vor diesem Hintergrund, dass man Drogen als Problem des Strafvollzugs ausgeblendet hat, hatten wir am 1. November 2001 686 Gefangene im offenen Vollzug Hamburgs. Heute, am 28. September 2005, haben wir im offenen Strafvollzug Hamburgs 262 Gefangene, das heißt rund 400 Gefangene weniger. Es gibt Oppositionspolitiker, die uns vorwerfen, das entspreche unserer Ideologie des Verwahrvollzuges. Nein, meine Damen und Herren, es entsprach Ihrer Ideologie, es als modern zu verkaufen, möglichst viel ungeeignete Gefangene in den offenen Vollzug zu stecken. Das war Ihre Politik.

(Beifall bei der CDU)

Wir hätten überhaupt nichts dagegen, wenn wir mehr geeignete Gefangene im offenen Vollzug hätten, denn heute sind 262 Gefangene im offenen Vollzug und wir haben 119 offene Plätze, die nicht belegt sind. Es wäre für uns kostenmäßig günstiger, wenn mehr geeignete Gefangene aus dem geschlossenen in den billigeren offenen Vollzug wechseln könnten. Aber es gilt eine Regel und die gilt erst seit November 2001: Wer im offenen Vollzug mit Drogen erwischt wird, der wird ohne Wenn und Aber sofort in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt.

(Beifall bei der CDU – Doris Mandel SPD: Das war schon immer so!)

Allein weil wir diese Regel anwenden, haben wir heute 400 Gefangene weniger im offenen Vollzug als damals. Wir sind bereit, die dadurch entstehenden höheren Vollzugskosten zu tragen, weil wir die Gesellschaft vor massenhaftem Begehen von Straftaten bewahren, denn jeder Drogenkonsum eines Vollzugsinsassen ist Basis einer oder mehrerer Straftaten. Es gibt keinen legalen Weg, weder für Insassen von Vollzugsanstalten noch für andere Mitglieder der Gesellschaft, auf legalem Weg an Drogen zu kommen. Das heißt, wenn man Drogenkonsum im offenen Vollzug billigt, dann billigt man die massenhafte Begehung von Kriminalität in der Gesellschaft und fördert die Kriminalität. Erst dieser Senat hat in Hamburg begonnen, Kriminalität auf breiter Front zu bekämpfen. Auch das ist gut so.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Kusch, was Sie gerade abgeliefert haben, war

(Frank-Thorsten Schira CDU: Exzellent!)

Wahlkampf in seiner unerträglichsten Art und Weise.

(Beifall bei der SPD – Frank-Thorsten Schira CDU: Nein!)