Das ist die Wahrheit, das ist so. Ich sehe das genauso wie Sie, das ist nicht auszuhalten, dass es so etwas gibt, aber wir müssen uns darüber Gedanken machen.
Herr Heintze hat gesagt, ihr habt ja nur den Geißler im Kopf, weil ihr keine besseren Ideen habt. Außerdem kommt jetzt ein Vorschlag beziehungsweise noch einmal ein Zitat von Herrn Geißler, das sehr gut hierher passt.
Im Moment würde ich mich sehr freuen, wenn Herr Geißler Mitglied der SPD wäre, aber er ist bei Ihnen, was auch nicht schlecht ist.
"Nur Dummköpfe und Besserwisser können den Menschen weismachen wollen, man könne auf die Dauer Solidarität und Partnerschaft in einer Gesellschaft aufs Spiel setzen, ohne dafür irgendwann einen politischen Preis bezahlen zu müssen.
Warum wird tabuisiert und totgeschwiegen, dass es eine Alternative gibt zum jetzigen Wirtschaftssystem: eine internationale sozial-ökologische Marktwirtschaft mit geordnetem Wettbewerb?"
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass diese Debatte trotz vieler wechselseitiger Aufgeregtheiten, welchen Stand soziale Marktwirtschaft hat, welche Entwicklungsmöglichkeiten soziale Marktwirtschaft hat, wo sind Missbräuche dieses Wirtschaftssystems und vor allen Dingen die Frage, welche Möglichkeiten gibt es, Missbräuche, die es unbestritten gibt, nationalstaatlich in den Griff zu bekommen ist. Das ist doch die entscheidende Frage.
Herr Petersen, bei der Debatte, wie Sie sie geführt haben, möchte ich noch einmal unterstreichen, dass
soziale Marktwirtschaft auch aufseiten der Wirtschaft natürlich nicht nur aus Heiligen besteht – nebenbei, Herr Grund, auch aufseiten der Gewerkschaften nicht, ich denke an die Neue Heimat und Ähnliches, aber das nur am Rande –
und dass man, wenn Missbräuche geschehen – und Sie haben einige aufgezählt, wie ich denke, manche zu Recht, manche zu Unrecht –, diese im Zweifel auch beim Namen nennen kann. Allerdings sollte man, wenn man politische Verantwortung hat – und damit sage ich etwas zu Phoenix –, vorher versuchen, mit Betriebsrat und Unternehmen in aller Ruhe und Diskretion zu diskutieren, welche Möglichkeiten es gibt, um die Sache nicht zu einem Missbrauch und einer schlechten Entwicklung kommen zu lassen.
Herr Uldall hat gesagt, dass diese Gespräche in aller Diskretion stattfinden. Er hat eine Reihe von Gesprächen aufgezählt.
Nun können Sie sagen, das sei der falsche Weg, man erwarte markige Erklärungen. Das kann man politisch sagen. Nur, meine Damen und Herren, aus meiner Sicht und auch aus der von Herrn Uldall ist es der falsche Weg, mit vollmundigen Solidaritätsbekundungen und Adressen auf dem Balkon zu stehen, Hoffnung zu wecken und in Wirklichkeit genau das Gegenteil zu erreichen. Das hat man bei Philipp Holzmann gesehen, was da passiert.
Wir haben doch Beispiele, wo Politiker aller Parteien – das ist doch kein SPD-/CDU-Problem, ich sage nur Philipp Holzmann – sich in Frankfurt vor dem Römer haben feiern lassen, Hoffnungen geweckt haben und nachher war es Pustekuchen, Fehlanzeige. Man kann das natürlich machen, aber ich glaube, dass dieser diskrete, ruhige Weg der erfolgversprechendere ist. Sie können nachher, wenn es schiefgegangen ist, die Kritik auch ganz gegen uns fahren. Das ist völlig in Ordnung, nur im Moment halte ich es für den klügeren Weg.
Meine Damen und Herren! Nun zur Globalisierungsdiskussion oder Kapitalismusdiskussion. Ich verkenne überhaupt nicht, dass bei vielen Menschen unglaubliche Sorgen und Ängste bestehen, die auch darin liegen, dass sich die Generation, die seit 1949 bis heute sozialisiert wurde und gearbeitet hat oder noch arbeitet, natürlich bis zum Wegfall des Eisernen Vorhangs – da machen wir uns doch bitte nichts vor – unter ökonomisch traumhaften Bedingungen wirtschaften konnte, weil ein ganzer Arbeitsmarkt, der in Konkurrenz zu uns steht, durch den Eisernen Vorhang abgeschottet war. Wir haben damit in einer historischen Ausnahmesituation gelebt. Und plötzlich schlägt über dieses gewohnte Verhalten, mit dem wir uns alle in der Bundesrepublik arrangiert hatten, die Globalisierungswelle zu, dass wir uns quasi von heute auf morgen im Wettbewerb mit Märkten befinden, die zum Teil nur 20 Prozent bis 30 Prozent unserer Arbeitskosten haben. Ich bin mit Herrn Grund völlig einig, dass wir, was Arbeits- und Sozialkosten angeht, nicht plötzlich auf das
polnische oder tschechische Niveau runtergehen können, um konkurrenzfähig zu sein. Da haben Sie völlig Recht, Herr Grund. Das wäre nebenbei auch eine Katastrophe für die Binnennachfrage in der Bundesrepublik Deutschland.
Also ist doch die Frage, was wir nationalstaatlich tun können, um diese Schwierigkeiten der Globalisierung zu regeln. Meine Damen und Herren, da mag man viele Träume haben. Vorschläge – mit Verlaub – habe ich weder von Herrn Petersen noch von Herrn Müntefering gehört. Herr Müntefering inszeniert eine ganz tolle Geschichte. Er tritt die Diskussion los und sagt, mein Erfolgsrezept ist: Wir gründen eine Kommission. Ja toll, meine Damen und Herren. Das ist genau richtig, um mit diesen Problemen fertig zu werden. Die Einzelvorschläge, die kommen – da hat Herr Uldall wiederum Recht –, sind die aus der alten Mottenkiste, nämlich der typisch sozialdemokratische Vorschlag, wenn es schwierig wird: Neue Steuern oder Steuern erhöhen. Das ist doch kein Ausweg.
Welche nationalstaatlichen Möglichkeiten haben wir? Ich prophezeie Ihnen – auch wenn man es nicht gerne hört –, dass es da relativ wenige gibt. Einige gibt es. Dazu gehören die Qualifizierung, ein besseres Bildungssystem, die Reform der Universitäten und die planerischen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diejenigen, die investieren wollen, nicht zehn bis fünfzehn Jahre benötigen, bis sie ihre Genehmigung bekommen. Das können wir hier machen.
Ansonsten glaube ich aber – und das wird oft vermengt –, dass der Einigungsprozess Europas gerade unter diesem Aspekt von großer Wichtigkeit ist. Ich glaube – Herr Petersen, Sie haben es, glaube ich, am Schluss gesagt –, wir werden diese Probleme der Auswüchse nur dann regeln können, wenn wir ordnungspolitische und soziale europäische Standards schaffen, um zumindest in dieser Region den Wettbewerb einigermaßen ordnen zu können.
Das geht nur europaweit und darum warne ich davor, Globalisierung, Europa und das alles in einen Topf zu werfen und zu sagen, das sei ein ganz furchtbarer Kapitalismus. Es wird nur europaweit gehen.
Erlauben Sie mir am Schluss noch einen Gedanken. Unterstellen wir einmal, Sie hätten Recht und wir bräuchten hier die größere staatlich ordnende Hand. Meine Damen und Herren, überlegen wir uns doch einmal, ist es ein Zufall, dass gerade Deutschland, das Land mit der vermutlich größten Regulierungsdichte, der größten Bürokratie, also staatlichem Einfluss, dem höchsten Staatsanteil am Bruttosozialprodukt,
und der höchsten Sozialquote in Europa ausgerechnet das Land mit der höchsten Arbeitslosigkeit, den wenigsten Investitionen und dem geringsten Wachstum ist? Meine Damen und Herren, das ist der falsche Weg.
Darum noch einmal: Es wird nur im Verbund mit Europa gehen. Es wird auch nur relativ langsam gehen – da sollten wir uns keinen Illusionen hingeben –, weil die neun Staaten in der Europäischen Union – Polen, Tschechien, baltische Länder, die immerhin 50 Jahre von Wohlstand und Freiheit ausgeschlossen waren – sich bedanken werden, wenn sie über Nacht unsere Standards übernehmen sollen mit der Folge, dass wieder keiner mehr investiert. Das ist natürlich auch eine Chance für die, einen Markt zu gewinnen, wo sie im Moment überlegen sind, und die werden ihre Überlegenheit nicht über Nacht aufgeben, sondern es wird ein Prozess sein, der sieben, acht, zehn, zwölf Jahre dauern wird.
So wichtig diese Diskussion ist, bitte wecken Sie keine falsche Hoffnung, als sei das Problem über Nacht lösbar. Sie werden nämlich gigantische Enttäuschungen bei den Menschen hervorrufen und schnell sehen, dass Stimmungen sehr labil sind. Im Zweifel haben weder Sie noch wir etwas von einem Rattenfänger, an dem wir beide gemeinsam überhaupt kein Interesse haben sollten.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Herr Bürgermeister, Sie sprachen gerade vom diskreten, leisen Weg, den Sie beschreiten wollen. Der ist so leise, dass mittlerweile 860 Arbeitsplätze futsch sind. So diskret, so leise gehen Sie vor.
Wenn in Hamburg 2500 Arbeitsplätze bedroht sind, dann muss ich bei aller Wertschätzung, die mein Landesvorsitzender für Herrn Uldall hat, sagen: Das können Sie dem Mann nicht überlassen, da müssen Sie selbst ran, da müssen Sie handeln, da müssen Sie Flagge zeigen und da müssen Sie Führung zeigen.
Sie sprechen hier fast von einer Gottergebenheit der Naturgesetzlichkeit, das sei halt die Globalisierung und lassen Sie uns das gemeinsam angehen und das sei ganz, ganz großartig. Nein, Sie müssen Führung zeigen. Sie müssen uns erklären, warum Ihr Finanzsenator ohne Senatsbeschluss, ohne Bürgerschaftsbeschluss, bereit war, 1,1 Milliarden Euro für Beiersdorf auszugeben, was uns jährlich 60 Millionen Euro kostet, und warum diese 60 Millionen Euro nicht für die arbeitenden Menschen in Harburg zur Verfügung standen. Diese Antwort haben Sie heute nicht gegeben.