zitiert –, dass die Produktion schon deswegen verlagert werden müsse, weil der alte Vorstand politische Bindungen eingegangen sei. Eine derartig massive öffentliche Ohrfeige, eine derartige Verhöhnung der Stadt, die eine Modernisierung des Unternehmens ermöglicht hat, ist mir noch nicht untergekommen.
Das ist ein Grund, darüber nachzudenken, welche Instrumente wir überhaupt noch in der Hand haben, um eine soziale Marktwirtschaft zu ermöglichen, wenn wir unter den Bedingungen eines globalisierten Kapitalismus einfach dastehen und die staatlichen Handlungsmöglichkeiten und Vereinbarungen schlicht ins Leere greifen, die Unternehmen das Geld abziehen und dann damit gehen, wohin sie wollen. Das ist ein wirkliches Problem und eines, das wir gemeinsam haben.
Das werden wir auch nicht jenseits staatlichen Handelns klären können, sondern nur, indem wir dafür die Instrumente des staatlichen Handelns schaffen. Wir müssen aber vor allen Dingen darüber reden und einen solchen Vorgang bekannt machen. Ein solches Management muss einen öffentlichen Ansehensverlust erleiden. Das muss auch tatsächlich passieren.
Herr Uldall, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Sie sagten, hier würde wieder nach dem dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus gesucht und dass es keinen dritten Weg geben würde. Vorher haben Sie aber den sozialdemokratischen Kollegen vorgehalten, dass sie den Begriff des Kapitalismus verwendet hätten. Darin scheint mir ein logischer Widerspruch zu liegen.
Bei Ihnen hörte es sich so an, als wenn Kapitalismus das Gleiche ist wie soziale Marktwirtschaft. Das ist aber gerade nicht meine Meinung.
Die soziale Marktwirtschaft ist die politische Fassung einer kapitalistischen Wirtschaftsweise und daran wollen wir festhalten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ärgert mich, Herr Uldall, wenn Sie die Replik in dieser emotionalen Debatte dazu nutzen zu sagen, dass die Sozialdemokraten hamburgische Unternehmer verteufeln und Sie sich dagegen zur Wehr setzen würden.
Nichts davon ist richtig. Im Gegenteil. Es gibt in dieser Stadt eine Unmenge sehr qualifizierter, sehr sozial eingestellter und sehr erfolgreicher Unternehmer. Und die loben wir.
Es muss doch erlaubt sein, die Dinge, die schief laufen, beim Namen zu nennen. Ich will noch einmal an eklatante
Beispiele erinnern, die der Anlass für diese ganze Diskussion gewesen sind. Mir fallen dazu zwei Beispiele ein; beide betreffen das Finanzdienstleistungsgewerbe.
Die Deutsche Bank hat im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 2,5 Milliarden Euro erzielt, den höchsten seiner Geschichte. Das ist eine Eigenkapitalrendite von 18 Prozent. Das reicht aber nicht aus. Nachdem schon tausende Arbeitsplätze dieses Unternehmens abgebaut wurden, müssen noch weitere 6400 Arbeitsplätze abgebaut werden, um auf 24 Prozent Eigenkapitalrendite zu kommen. Das ist meiner Meinung nach asozial.
Wir brauchen gar nicht zur Deutschen Bank zu gehen, denn es spielt sich vor unserer Haustür ab. Sie brauchen nur über den Hof zu gehen. Die Vereins- und Westbank, ein hoch renommiertes norddeutsches Unternehmen mit hervorragenden Ergebnissen und gutem Standing in der mittelständischen Wirtschaft, wird vom Münchener Besitzer wider allen Beratungen zerschlagen mit dem Ergebnis, dass in dieser Stadt mehr als 600 Arbeitsplätze von heute auf morgen verschwinden. Natürlich ist dem Unternehmen in Wahrheit durch nichts geholfen. Es ist dem Standort und auch dem Konzern nicht geholfen. Das einzig Notwendige waren die vielen Abschreibungen, die in München im Bereich der Immobilienwirtschaft angefallen sind und durch diesen Verkauf abgedeckt werden.
Wir stehen mit dieser Kritik überhaupt nicht allein da und schon gar nicht sind es nur Sozialdemokraten, die diese Kritik an der richtigen Stelle üben. Ich will bei dieser Gelegenheit noch einmal an den Chef von Porsche erinnern. Frau Ahrons, Herr Wedekind hat sich vor dem Landtag in Baden-Württemberg zu diesem Thema geäußert.
Sie haben gesagt, dass Phoenix nicht wettbewerbsfähig ist, weil die Lohnkosten zu hoch seien. Das ist nicht richtig. Herr Wedekind, der aus der gleichen Branche kommt – das ist im Wesentlichen die Automobilindustrie – sagt wortwörtlich, dass es falsch sei zu glauben, dass Arbeitsplätze in Deutschland zu teuer seien und neue nur noch im Ausland entstehen könnten. Wenn er sagt, dass die Lohnkosten nicht wirklich das eigentliche Problem in Deutschland seien und auf sein eigenes Unternehmen verweist, dann kann man das an Deutlichkeit gar nicht mehr überbieten.
"Was wir haben, ist in Wahrheit gar kein Kapitalismus im klassischen Sinne, sondern ein primitiv-vulgärer Geldökonomismus."
Das heißt, es gibt ein Wirtschaftsdenken, dass gerade noch auf eine einzige Größe setzt, nämlich auf das Thema Geld und nicht auf die Wirtschaftskraft, auf die Arbeitsplätze und auf die Qualität der Produkte.
Ich erlebe es jeden Tag, wenn ich Unternehmen in Deutschland besuche, auch in Hamburg. Vor wenigen Jahren war es noch so, dass es dort um die Fragen ging, wie die Qualität der Produkte ist, wie mit den Kunden
umgegangen wird, wie die Marktergebnisse und wie hoch Marktanteile sind. Wenn ich heute in die Unternehmen gehe, dann gibt es nur zwei Fragen: Wie hoch sind die Kosten und wie hoch sind die Gewinne? Das ist ein fundamentaler Unterschied. Es gibt einen Wandel im Denken und im Verhalten der Unternehmer, was im Wesentlichen durch die unseligen Sharholder-Value-Strategien geprägt ist, die in diesen Unternehmen Einzug gehalten haben.
In der Summe: Es gibt viele namhafte Unternehmer – ich wiederhole – gerade auch in Hamburg, die viel für diese Stadt getan, viele Arbeitsplätze geschaffen haben und die unser Ansinnen genießen. Aber es muss möglich sein, dass Fehlentwicklungen beim Namen genannt werden. Phoenix ist eine Fehlentwicklung. Wer darüber hinwegreden will, der nützt nicht der Stadt und schon gar nicht den Menschen, die hier leben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, Herr Uldall, weil man das in Wahrheit so nicht stehen lassen kann, was Sie hier gesagt haben. Ich schätze Sie sehr, Herr Uldall, aber sich hier hinzustellen und zu sagen, wenn das in zwei Jahren nicht klappt – ich habe das schriftlich –, dann seid ihr Sozis Schuld, weil ihr heute diese Debatte angemeldet habt, das geht nicht.
Eigentlich sollten wir uns darüber einig sein, dass diese Diskussion eine wichtige ist und dass wir sie jetzt auch führen müssen und dass es nicht sein kann, dass Sie mich in eine gewisse Ecke stellen und sagen, ach ihr Sozis, ihr wollt jetzt wieder den linken Kurs fahren. Das ist 40 Jahre alt. Herr Uldall, wir müssen jetzt diese Debatte führen, sonst haben wir hier irgendwann Verhältnisse, die wir nicht mehr im Griff bekommen.
Sie sprachen auch von Hilflosigkeit. Das habe ich heute mehrmals gehört. Sie wissen, dass die 30 DAX-Unternehmen im letzten Jahr 88 Prozent mehr Gewinn gemacht haben.
(Dr. Andreas Mattner CDU: Dafür haben Sie die steuerlichen Voraussetzungen geschaffen! – Vize- präsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vor- sitz.)
Hören Sie doch einfach einmal zu. Sie dürfen sich melden und dann dürfen Sie hierher kommen und eine Rede halten. Darüber würde ich mich sehr freuen.
Also, noch einmal, die 30 DAX-Unternehmen haben im letzten Jahr 88 Prozent mehr Gewinn gemacht. Wer hat das bezahlt? – 36 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeit
Ein Beispiel möchte ich Ihnen auch noch nennen. Das ist zwar in Polen und nicht hier. Da gibt es eine Supermarktkette – Carrefour-Kette heißt die –, die ihren Kassiererinnen die Toilettenpause verboten und ihnen Windeln angeboten hat. Das ist Kapitalismus und das ist etwas, was wir hier nicht haben wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Barbara Ahrons CDU: Das ist unverschämt! – Wolfhard Ploog CDU: Das ist nicht auszuhalten!)
Das ist die Wahrheit, das ist so. Ich sehe das genauso wie Sie, das ist nicht auszuhalten, dass es so etwas gibt, aber wir müssen uns darüber Gedanken machen.