Protocol of the Session on February 22, 2017

Hessen hat einen dreistufigen Maßnahmenplan. Wir handeln kurzfristig, indem wir Pensionären, die vor weniger als zwei Jahren aus dem Dienst geschieden sind – das sind 1.600 Leute –, anbieten, zurückzukehren. Außerdem haben 580 Lehrerinnen und Lehrer, die bald in Pension gehen, ebenfalls die Möglichkeit, ihre Dienstzeit zu verlängern. Das ist die kurzfristige Lösung.

Mittelfristig bieten wir examinierten Gymnasiallehrern sowie Haupt- und Realschullehrern an, sich in Richtung Grundschule und Förderschule weiterzuqualifizieren.

Langfristig gesehen – da greift das Fünf-bis-sieben-JahreMoment, das ich eben beschrieben habe –, werden wir die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten erhöhen.

(Christoph Degen (SPD): Das hätte man schon längst machen können!)

Der Weg, den andere Bundesländer gehen, nämlich die Stellen mit Quereinsteigern ohne Lehramtsexamen zu besetzen, ist für uns keine Option. Das will ich sehr deutlich sagen.

Wenn Sie die angeblich paradiesischen Zustände in Bundesländern unter SPD-Führung preisen: Wir reden bei allen Maßnahmen grosso modo davon, dass wir Hessen die Einzigen sind, die eine 105-prozentige Lehrerversorgung vorhalten. Die Länder Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, alle SPD-geführt, die unsere Maßnahmen kopieren und zu Hause nachahmen, reden von einer Lehrerversorgung von teilweise unter 100 %.

Deshalb ist das, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bei Ihrem Setzpunkt hier machen, durchsichtig, populistisch und entlarvend. In einer sich rasant verändernden Realität muss man mit Pragmatismus und Vernunft agieren. Das tun wir. Es hilft nichts, hier eine pseudoakademische Krakeelerdiskussion anzustoßen, wie Sie das immer wieder gerne tun.

Deswegen sage ich aus tiefer Überzeugung und aus absoluter Kenntnis noch einmal: Die Lehrerversorgung ist sichergestellt, und sie wird auch zum kommenden Schuljahr sichergestellt sein; denn auf die 300 Stellen, die dann zu besetzen sein werden, haben wir bereits über 300 Meldungen. Deswegen: Glück auf für die gute Bildungspolitik eines klugen Bildungsministers und einer guten schwarz-grünen Koalition.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Faulhaber für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schwarz, es hilft nichts, wenn Sie ein Ablenkungsmanöver nach dem anderen fahren und um den heißen Brei herumreden, statt zum Kern der Angelegenheit vorzustoßen;

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

denn das Thema Lehrermangel ist kein neues Thema. Wir können der SPD-Fraktion nur zustimmen, wenn sie sagt, dass die Regierungsparteien CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer noch versäumen, das Problem angemessen zur Kenntnis zu nehmen und dringend notwendige Maßnahmen einzuleiten. Eine „dringend notwendige Maßnahme“ ist aus unserer Sicht jedoch nicht, dass man pensionierte Lehrkräfte an die Schulen zurückholt. Das will ich gleich zu Anfang betonen.

(Beifall bei der LINKEN)

So etwas ist eher ein Eingeständnis, dass diese dringend notwendigen Maßnahmen vonseiten des Kultusministeriums in den letzten Jahren unterlassen worden sind.

Wenn Sie jetzt auch noch die steigenden Schülerzahlen als Argument anführen: Die gibt es zwar, sie sind aber ein relativ neues Phänomen. Erst jetzt steigen die Schülerzahlen zum ersten Mal seit Jahren wieder.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke für den Hinweis!)

In der Zeit vorher blieben die Schülerzahlen gleich oder sind sogar gesunken. Daher hätte man gute Chancen gehabt, die Missstände aufzuarbeiten. Das hat man aber nicht gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern seit Jahren mehr Lehrkräfte, weil der Ganztagsschulausbau, die Inklusion, die Einrichtung kleinerer Klassen und eine gute Vorbereitung auf die Arbeitswelt ganz einfach mehr Lehrpersonal erforderlich machen. Jetzt zeigt sich, dass vor allem Grund- und Förderschullehrkräfte fehlen. Diese braucht man für die Inklusion und auch dafür, Seiteneinsteiger ohne Sprachkenntnisse zu beschulen. Um das rechtzeitig festzustellen, muss man eigentlich kein Prophet sein. Wenn man den inklusiven Unterricht und die Ganztagsangebote ausbauen will – das sind ja die Schwerpunkte der hessischen Schulpolitik –, dann geht das eben nicht ohne zusätzliche finanzielle Mittel, auch wenn das Kultusministerium immer anderes behauptet. Es geht auch nicht ohne zusätzliches Personal.

Eigentlich ist es ganz logisch: mehr Geld und mehr Personal für mehr Zusatzaufgaben. Das Kultusministerium handelt aus bildungspolitischer Sicht aber unlogisch. Statt ein flächendeckendes Konzept für die Umsetzung von Inklusion zu schaffen, wurden unterschiedlich ausgestattete Modellregionen vereinbart und über Jahre beibehalten. Statt die Ressourcen für echte Ganztagsschulen zur Verfügung zu stellen, wurde die Mogelpackung „Pakt für den Nachmittag“ erfunden. All das geschah in der Hoffnung, möglichst wenig Geld lockermachen zu müssen. Das ist die Logik, nach der das Kultusministerium handelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt auch für die Lehrerausbildung. Warum? Weil nicht ernsthaft versucht wird, den Lehrerberuf, insbesondere den des Grundschullehrers und der Grundschullehrerin, wieder attraktiv zu machen. Das zeigt sich natürlich auch an den niedrigen Studierendenzahlen. Hier haben wir schon öfter darauf hingewiesen, dass Grundschullehrkräfte besser bezahlt werden müssen und dass der Beruf aufgewertet gehört.

Es geht um die Rahmenbedingungen, die das Kultusministerium schaffen muss. Hier kann nur vorausschauend agiert werden, das wissen Sie; denn die nötigen Fachkräfte kann man sich nicht kurzfristig aus dem Ärmel schütteln. Das zeigt sich gerade. Wenn man Grundschullehrkräfte ausbilden will, muss dafür geworben werden, bei der Berufs- und Studienberatung ebenso wie an den Universitäten. Leider werben Letztere kaum für diese Studiengänge. Irgendwie scheint das den Bestrebungen nach Exzellenzunis zuwiderzulaufen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Schulen selbst verdeutlichen immer wieder, dass nicht nur Lehrkräfte fehlen. In Zukunft werden multiprofessionelle Teams nötig sein, um die Aufgaben zu bewältigen. Das war auch ein Ergebnis der interessanten Anhörungen der Enquetekommission Bildung. Es fehlen also auch Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Fachkräfte für Deutsch als Zweitsprache, therapeutisch geschulte Kräfte und Schulpsychologen. Diese Aufgaben kann man den Lehrkräften nicht zusätzlich aufbrummen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es macht den Lehrerberuf nämlich zusätzlich unattraktiv, wenn man mit unrealistischen Anforderungen überfrachtet wird. Es wollen dann einfach nicht genügend junge Menschen z. B. Grundschullehramt studieren. Das kann man verstehen; da nützt auch die Ausweitung der Kapazitäten wenig. Genau hier liegt das Problem, das für die Zukunft angepackt werden muss. Mit Abwarten und Stagnation ist hier überhaupt nichts zu machen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Ebenso wenig können die Überlastungen der Lehrkräfte weiterhin ignoriert werden. Herr Degen hat bereits auf die Brandbriefe aus den Schulen hingewiesen – das haben wir hier schon öfter gehabt. Jetzt gibt es sogar so banale Regelungen wie, dass jede Klasse einen Klassenlehrer haben soll. Da sollte man doch denken, das ist in Hessen Standard.

Sie wollen die Belastung der Lehrkräfte vermindern, indem Sie wirklich in jeder Klasse diese Bindung ermöglichen. Sie haben das bereits gesagt: In der Grundschule und in der Förderschule ist das total wichtig. Aber ich glaube, das ist auch für ältere Kinder nicht ganz unwichtig.

Meine Damen und Herren, die Schulen melden diese Belastungen. Viele haben auch Lösungsvorschläge gemacht. Herr Kultusminister, als oberster Dienstherr sollten Sie genau auf diese Hilferufe aus den Schulen achten, anstatt sie zu übergehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Holger Bellino (CDU): Macht er ja gar nicht!)

In einer Situation, in der Sie händeringend um die Rückkehr von pensionierten Lehrerinnen und Lehrern in den Schuldienst bemüht sind, stellen Sie sich für die Not der eigenen Leute taub und wundern sich dann noch, dass es an Nachwuchs mangelt. Auch das erscheint doch ziemlich unlogisch.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass wir dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege May, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen die Hinweise aus den Schulen im Land natürlich sehr ernst. Wenn es dort Hinweise gibt, dass einzelne Stellen nicht besetzt werden können, nehmen wir das natürlich sehr ernst. Ich möchte an dieser Stelle auch vorab sagen: Wir danken allen Pädagoginnen und Pädagogen im Land, die mit ihrer engagierten Arbeit an den Schulen tagtäglich für den Bildungserfolg unserer Kinder sorgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nun war es in der ersten Hälfte der Wahlperiode so, dass alle Prognosen besagt haben, dass die Schülerzahlen zurückgehen. Deswegen konnte die Politik davon ausgehen. Es ist auch nicht so, dass die Opposition – vor allem Herr Kollege Degen – etwas anderes erwartet hätte. Ich habe einmal nachgeschaut, was Sie in der Vergangenheit vertreten haben, und bin auf eine Pressemitteilung vom 19. Dezember 2014 gestoßen. Demnach sind auch Sie ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass wir eine demografische Rendite haben werden. Diese kann es natürlich nur dann geben, wenn die Schülerzahlen zurückgehen.

(Christoph Degen (SPD): Das war vor der Großen Anfrage!)

Ich finde das etwas vermessen, dass Sie hier die Meinung vertreten, die Entwicklung, die wir jetzt haben, sei langfristig absehbar gewesen, wenn Sie doch selbst davon ausgegangen sind, dass die Schülerzahlen zurückgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich kann auch nicht verstehen, wie Sie hier ernsthaft die Meinung vertreten können, dass die um 25.000 gestiegene Schülerzahl mit dem Phänomen, dass die Lehrerstellen nicht besetzt werden können, nichts zu tun haben soll.

(Christoph Degen (SPD): Wie viele davon sind an Förderschulen?)

Es ist doch so, dass sich die Situation ganz grundlegend verändert hat, weshalb wir – so die Meldung vom 13.02. dieses Jahres – erstmals seit 14 Jahren mehr Schülerinnen und Schüler an den allgemeinbildenden Schulen haben. Das Land hat jetzt also erstmals seit langer Zeit und entgegen jeder Prognose mehr Kinder zu beschulen. Von daher ist es schon ziemlich vermessen, wenn Sie hier sagen, die Landesregierung habe etwas verschlafen; denn wir haben jetzt eine sehr kurzfristig eingetretene Entwicklung, die langfristig überhaupt nicht absehbar war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Christoph Degen (SPD))

Es ist auch nicht so, dass Ihre Fraktion den Bedarf an Grundschulen hier schon öfter und langfristig thematisiert hätte. Das ist einfach nicht wahr.

(Christoph Degen (SPD): Regieren wir oder Sie?)

Dann dürfen Sie sich nicht hierhin stellen und so tun, als ob Sie das Problem langfristig vorausgesehen hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Christoph Degen (SPD): Seit 2015!)