Protocol of the Session on January 26, 2017

Danke, Herr Greilich. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat sich Herr Frömmrich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau, Herr Kollege Greilich, das ist das, was wir wünschen. Es ist genau das, was wir wollen. Es ist auch das, was wir Ihnen gegenüber angekündigt haben. Wir wollen, wenn wir in der Regierungsberatung und in der Beratung der Regierungskoalition fertig sind, gerne mit Ihnen als Opposition darüber sprechen, und zwar vor einem offiziellen parlamentarischen Verfahren. Denn wir glauben, dass wir in dieser Frage eine große Mehrheit in diesem Hause

herstellen müssen, dass wir eine große Einigkeit in dieser Frage haben müssen.

Aber wie das so ist – das kann ich Ihnen nur so sagen, und Sie wissen es aus eigener Geschichte –: Jetzt arbeiten wir erst einmal als Regierungskoalition, und dann, das habe ich Ihnen zugesichert, werden wir auf die Opposition, auf die FDP und die SPD, zugehen und werden mit ihnen diese Frage erörtern. Unser Ziel ist es, große Gemeinsamkeit in diesem Reformprozess hinzubekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Frömmrich, wann ungefähr können wir damit rechnen? – Nancy Faeser (SPD): Dieses Jahr?)

Dazu komme ich gleich.

Zweite Bemerkung. Ich finde, die Kolleginnen und Kollegen müssen sich irgendwann einmal entscheiden, welches Argument sie wollen. Auf der einen Seite, als wir von CDU und GRÜNEN die Gesetzentwürfe vorgelegt haben – das war 2015 –, hat Frau Faeser erklärt:

Wieso Schwarz-Grün nun zwei Entwürfe vorstellt, mit denen man die Handlungsempfehlungen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundes umsetzen möchte, obwohl man doch erst im Frühjahr eine an das Innenminister angegliederte Expertenkommission eingesetzt hat, die sich genau mit dieser Frage beschäftigen soll, bleibt schleierhaft.

Da wird vorgeworfen, wir hätten viel zu schnell etwas vorgelegt, wir hätten die Expertenkommission düpiert.

(Günter Rudolph (SPD): Ach Gottchen!)

Jetzt haben wir Folgendes gemacht: Wir sind auf das Argument der Opposition eingegangen

(Lachen bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das wird ja lustig!)

und auf den Wunsch des Parlaments, die Ergebnisse der Expertenkommission im Parlament, im Innenausschuss, zu diskutieren. Das haben wir im September gemacht. Jetzt bekommen wir vorgeworfen, dass wir keinen schnellen Vorschlag vorgelegt haben.

(Günter Rudolph (SPD): Sie haben es doch angekündigt! – Weitere Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sie müssten sich für eines der Argumente entscheiden. Ich kann nur in Richtung der SPD-Fraktion sagen: Wir diskutieren jetzt anhand der Ergebnisse der Expertenkommission die Fragen, die dort aufgeworfen worden sind. Das tun wir innerhalb der Regierungskoalition. Dann haben wir einen Entwurf. Diesen Entwurf werden wir dann gerne mit SPD und FDP diskutieren. Ich glaube, dass das eine gute Grundlage für eine gemeinsame Entschließung, für einen gemeinsamen Gesetzentwurf hier im Hessischen Landtag zum Thema Verfassungsschutz sein kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Dritte Bemerkung. Sie tun gerade so, als würde in diesem Bereich überhaupt nicht gearbeitet. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz war vorhin hier anwesend. Natürlich sind viele Dinge, die die Expertenkommission angeregt hat, die aber auch in den Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bun

destages gefordert worden sind, längst umgesetzt. Wenn Sie diesen Teil des Berichts der Expertenkommission einmal lesen würden, dann würden Sie sehen, dass in diesem Bereich vonseiten der Landesregierung sehr intensiv und sehr stark gearbeitet worden ist und dass die Expertenkommission viele dieser Reformprozesse in ihrem Bericht ausdrücklich gelobt hat. Vergessen Sie das nicht immer, wenn Sie hier solche Reden halten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vierte Bemerkung. Das ist der schwierige Prozess, in dem wir uns zurzeit befinden. Denn eines geht auch nicht. Die Expertenkommission sagt, dass das, was wir vorgelegt haben, zu weitgehend ist. Insbesondere in der Frage der Transparenz, in der Frage des Informationsaustauschs und in der Frage des Führens der V-Leute ist es ihnen zu weitgehend. Bei den V-Leuten sagen sie, man dürfe sich nicht von diesem Informationsfluss abschneiden. Wir haben aber gesagt: Wir wollen enge Grenzen für das Führen von V-Leuten haben.

In diesem Prozess sind wir gerade, auf der einen Seite die Anregungen der Expertenkommission aufzunehmen, ohne aber auf der anderen Seite hinter unseren Anspruch zurückzugehen, dass wir in diesem Bereich aus den Erfahrungen des NSU-Untersuchungsausschusses lernen wollen, dass wir Transparenz und einen vernünftigen Informationsaustausch haben wollen und eine sehr intensive Begleitung der V-Leute organisieren wollen. Das ist der Prozess, in dem wir gerade sind. Das ist ein schwieriger Prozess. Wir sind aber da, wie ich finde, auf gutem Weg und bewegen uns auf die Zielgerade zu.

Am Ende will ich noch eine Bemerkung machen.

Kommen Sie zum Ende, Herr Frömmrich?

Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident. – Das kann man auch nicht machen, auf der einen Seite zu fordern: Setzt die Empfehlungen der Expertenkommission um. – Aber wenn wir das machen, ist es nicht das, was Sie eigentlich wollen, Frau Kollegin Faeser,

(Nancy Faeser (SPD): Warum?)

nämlich im Bereich der V-Leute restriktivere Regelungen zu haben. Denn genau da sagt die Expertenkommission: Macht es nicht zu restriktiv; denn sonst schneidet ihr euch von den Informationen ab.

Frau Kollegin Faeser, auch da müssten Sie sich auf eines Ihrer Argumente einigen. Hier mit beiden Seiten zu argumentieren, das geht nicht.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Herr Frömmrich, bitte sehr.

Wir sichern Ihnen zu: Wir sind auf der Zielgeraden. Wir werden das Gesetz vorlegen, und ich hoffe auf eine gute Beratung mit Ihnen im Vorfeld und nachher hier im Parlament. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Frömmrich, danke. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Schaus zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Fünf Minuten sind zu kurz, um dieses abendfüllende Thema angemessen zu besprechen. Ja, es gibt einen riesigen Bedarf zur Veränderung sowohl beim Geheimdienst intern als auch bei dessen parlamentarischer Kontrolle, die unserer Ansicht nach umfassend gar nicht möglich ist.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Schwarz-Grün hat vor über einem Jahr einen Gesetzentwurf vorschnell vorgestellt, der an der eigens vom Ministerium eingesetzten Expertenkommission vorbei erstellt wurde. Er war aber so schlecht, dass er von dieser in Bausch und Bogen abgelehnt wurde. Der Vorsitzende der Kommission, Herr Prof. Jentsch, sagte damals, der Vorschlag sei nicht nur schlecht, sondern sogar verfassungswidrig. Das war eine schallende Ohrfeige für die Koalition und den Innenminister.

Schnell wurde der eilig erstellte Entwurf deshalb aus dem Verkehr gezogen. Der Minister kündigte eine Überarbeitung an. Darauf warten wir noch heute.

Die Expertenkommission hat längst ihre Vorschläge vorgestellt, aber die Landesregierung hält ihr Versprechen nicht ein. Nun ist es aber auch so – darauf will ich ausdrücklich hinweisen –, dass unser NSU-Untersuchungsausschuss wahrscheinlich noch in diesem Jahr seine Zeugeneinvernahme abschließen könnte. Bestandteil des Einsetzungsbeschlusses ist es – das ist übrigens genau so, wie seinerzeit im Bundestag –, dass der Untersuchungsausschuss Empfehlungen zur Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und zu dessen Kontrolle abgeben soll.

Dies einzubeziehen ist grundsätzlich sinnvoll, zumal unsere vielen detaillierten Erfahrungen mit den Mitarbeitern und der Arbeitsweise des Landesamtes gleich in die Debatte um den Gesetzentwurf mit einfließen könnten. Ich habe allerdings nur sehr geringe Hoffnung, dass wir hierbei zu einvernehmlichen Vorschlägen kommen werden.

Als LINKE sagen wir jetzt schon ganz klar: Der Verfassungsschutz wird seinem Auftrag, die Verfassung zu schützen, nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Er ist zumindest im Kampf gegen rechte Gewalt und Terror unfähig und auch unwillig. Genau das lehrt uns das ganze NSU-Desaster. Wenn sogar Mitarbeiter des Innenministeriums den Verfassungsschutz als „Gurkentruppe“ bezeichnen, wenn eine Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes die internen Missstände „unerträglich“ nennt und

wenn ehemalige leitende Verfassungsschutzbeamte intern die Polizei und die Presse als ihre Hauptgegner verstanden haben, dann liegen wir, die Mitglieder der LINKEN, mit unserer Kritik wohl nicht so falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Zeit ist leider zu kurz, um all die persönlichen, strukturellen und ideologischen Missstände heute aufzulisten. Ich fasse das einmal so zusammen: Wenn man sich überhaupt darauf einlässt, der Regierung die Möglichkeit zu geben, mit Straftätern aus kriminellen und sogar terroristischen Milieus zusammenzuarbeiten, dann muss das über jeden Zweifel erhaben sein. Es darf ausschließlich dem Ziel der Zerschlagung dieser Milieus dienen.

Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Weg für eine Demokratie überhaupt der richtige ist. Aber wenn er das ist, dann müssen im Zweifel die Justiz und das Parlament alle Möglichkeiten haben, diese Zweifel auszuräumen und gegen den Missbrauch dieser ungeheuren Macht vorzugehen.

Ich stelle aber fest: Über alle Zweifel erhaben ist da gar nichts. Gegen jegliche Kontrolle wehrt man sich nach wie vor mit Händen und Füßen. Solange jedoch die Grundsätze einer juristischen und einer umfassenden parlamentarischen Kontrolle nicht erfüllt sind und sich der Verfassungsschutz sogar erfolgreich dagegen wehrt, ist er ein Staat im Staate und sollte abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Innenminister Beuth. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst die Bemerkung von Herrn Schaus, die er sehr leise vorgetragen hat, gleichwohl zurückweisen. Er hat gesagt, der Verfassungsschutz würde die Verfassung nicht schützen. Ich weise das mit Entschiedenheit zurück. Er tut es.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können sehr dankbar für das sein, was unsere Sicherheitsbehörden in unserem Land leisten. Dazu gehören natürlich unsere Polizeibeamtinnen und -beamte, aber eben auch die Sicherheitsbehörden insgesamt. Dazu gehört der Verfassungsschutz, dem wir sehr dankbar für das sein können, was er zur Sicherung unserer Verfassung und für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes leistet.