Wir werden den Verfassungsschutz weiter ausbauen. Wir werden im Jahr 2017 ein Drittel mehr Personal zur Verfügung haben. Das machen wir, um den Fahndungs- und Kontrolldruck in dieser extremistischen Szene hoch zu halten.
Wir wollen die Straftaten zur Anklage bringen. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die sich extremistisch gegen unseren Staat wenden, aus dem Verkehr gezogen werden. Das kann durch Strafverfahren nach § 89a Strafgesetzbuch oder mit anderen Mitteln geschehen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir mit unseren Sicherheitsbehörden unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen.
In diesem großen Feld ist uns mit dem Verbotsverfahren ein wirklich wichtiger Schlag gelungen. Wir haben eine Radikalisierungsplattform ausgelöscht. Deswegen war das Verbot so wichtig. Es war wichtig, dass wir ihnen eine Plattform genommen haben, mit der sie junge Leute ansprechen können. Wenn sie religiös unterwegs waren, wenn die Koranverteilaktionen stattgefunden haben, dann ging es nicht um Missionierung. Da ging es nur vordergründig um die Religion. Vielmehr ging es um Rekrutierung und Radikalisierung. Deswegen mussten wir dem ein Ende bereiten. Deswegen ist dieses Verbot so unendlich wichtig.
Ja, es ist so: Wir haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass dieses Verbot vom Bundesinnenminister ausgesprochen wurde. Es wurde aus unserem Bereich erheblich Material zugeliefert, damit dieses Verbot am Ende rechtssicher vom Bundesinnenminister ausgesprochen werden konnte.
Auch dafür bin ich unseren Sicherheitsbehörden sehr dankbar, also den Kolleginnen und Kollegen im Ministerium, die dafür Sorge getragen haben, genauso wie denjenigen in
den Sicherheitsbehörden, also dem Verfassungsschutz und bei der Polizei, die ihren Beitrag mit geleistet haben.
Es ist nicht nur ein Nadelstich, sondern wir konnten dadurch eine ganze Organisation zerschlagen. Wir konnten das Vermögen einziehen. Wir konnten dafür Sorge tragen, dass durch dieses Verbot, das dort ausgesprochen wurde, ein wirklich empfindlicher Eingriff gegen die Radikalisierung, den islamistischen Extremismus und die Szene gelungen ist. Meine Damen und Herren, dieses Verbot war wichtig und notwendig.
Die Kollegen in Hamburg haben auch einen wichtigen Beitrag für Hamburg geleistet. Aber sie haben kein Vereinsverbot durchsetzen können. Das können sie nicht, weil nur der Bundesinnenminister das Vereinsverbot für „Die wahre Religion“, die bundesweit tätig ist, aussprechen kann. Ihm ist es gelungen, sozusagen ein paar Standorte abzulehnen. Das war kein Verbot, das war ein Nadelstich. Das Verbot, das wir jetzt erreicht haben, ist wirklich ein ernsthafter und wichtiger Punkt zur Zerschlagung der Organisation der Extremisten.
Das ist ein wesentlicher und wichtiger Beitrag, den wir für die Sicherheit in unserem Lande leisten konnten.
Meine Damen und Herren, wir haben damit „Die wahre Religion“, die „Lies!“-Aktion, verboten. Wir haben die Möglichkeit, Teil-, Ersatz- und Nachfolgeorganisationen in dieses Verbot mit einzubeziehen. Das heißt, wir haben es dort einem ganzen Bereich erheblich schwerer gemacht, sich gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu wenden.
Man mag sagen, es habe lange gedauert. Man mag sagen, es sei vielleicht zögerlich gewesen. – Aber es war rechtsstaatlich korrekt. Das ist doch das Wesentliche. Das ist im Übrigen auch das, was uns von denen auf der anderen Seite unterscheidet. Wir stehen mit beiden Füßen fest auf dem Boden des Rechtsstaates, und am Ende wird ein solches Verbot nur nach rechtsstaatlichen Mitteln ausgesprochen. Dass wir uns nicht ausruhen, können Sie daran sehen, dass wir weitergemacht haben: wir hier bei uns in Hessen – da wo wir es können, wo wir keine länderübergreifende Organisationsstruktur haben, in einzelnen Bereichen wie in Kassel in der Medina-Moschee. Dort haben wir vor wenigen Wochen Ermittlungsmaßnahmen für ein Vereinsverbot angestoßen. Auch hier machen wir deutlich: Wir lassen Hasspredigern keinen Raum in unserem Land. Wir sorgen dafür, dass Extremisten keine Chance in Hessen und in Deutschland haben.
Wir brauchen keine Minute darüber zu streiten, dass die Frage der Repression nur ein Teil dessen ist, was wir zu tun haben. Darüber, dass die Prävention eine große Rolle bei uns spielt, brauchen wir uns, ehrlich gesagt, in diesem Hause auch nicht zu streiten. Wir haben miteinander wirklich einen Präventionsansatz, ein Präventionsnetzwerk gefunden, das seinesgleichen sucht. Andere Länder kopieren das, was wir machen. Mein Gott, lassen Sie uns doch zur Kenntnis nehmen und uns darüber freuen, dass das so ist. Wir denken über jede Stelle nach, an der wir es noch ein Stückchen verbessern können.
Ja, aber dass wir keine vernünftige Vernetzung hinbekämen? Ich meine, da muss man dann doch wirklich sehen: Wir haben einen Fachbeirat im Kompetenzzentrum gegen Extremismus mit 30 Organisationen, die mithelfen, dass diese Vernetzung stattfindet. Ich finde, bei der Kritik sollte man die Kirche ein bisschen im Dorf lassen. Ich glaube, dass wir das schon einigermaßen ordentlich machen.
Kollegin Faeser hat insofern recht, als dass wir uns natürlich nicht nur um den einzelnen Radikalisierten kümmern müssen, sondern dass wir auch breiter informieren, in die Schulen hineingehen müssen usw. – Das tun wir aber. Wir tun es mit unseren Partnern, mit VPN. Wir tun es aber auch mit unserem Landesamt für Verfassungsschutz. Wir gehen an die Schulämter. Wir gehen an die Jugendämter. Wir hatten letztens eine Veranstaltung mit Bürgermeistern und mit kommunalen Ordnungsbehörden, weil wir sie darauf aufmerksam machen müssen, dass es am Ende auch ein Thema ist, das in den Städten und Gemeinden erkannt werden muss. Deswegen ist es wichtig, dass wir möglichst viele Partner finden. Aber, Frau Kollegin, das tun wir bereits. Das machen wir. Das macht VPN. Dafür haben wir Mittel in Höhe von 3,8 Millionen € für die Präventionsarbeit insgesamt und über 1,2 Millionen €,
die wir zur Verfügung halten, um in diesem salafistischen Bereich entsprechende Präventionsarbeit zu leisten. Ich finde, wir sollten bei einer solchen Debatte dankbar dafür sein, dass die Sicherheitsbehörden erfolgreich gearbeitet haben und dass es uns gelungen ist, in einem wichtigen Bereich dafür Sorge zu tragen und zu zeigen: Der Rechtsstaat ist wehrhaft. – Das hat die Debatte trotzdem gezeigt. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Dann ist die Debatte zu Drucks. 19/4274 beendet, und wir kommen zur Abstimmung.
Wer der Drucks. 19/4274 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Die Fraktionen der SPD und der LINKEN. Damit ist der Antrag angenommen.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zinns Hessenplan legte Fundament für gute Entwicklung – Hessen braucht neuen Hessenplan – Drucks. 19/4277 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend aktuelle Herausforderungen brauchen eine zeitgemäße Politik – Drucks. 19/4311 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erster spricht Kollege Schäfer-Gümbel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Im Nachgang zur Sondersitzung des Hessischen Landtags anlässlich „70 Jahre Landesverfassung“ haben wir uns entschieden, heute den Setzpunkt „Zinns Hessenplan legte Fundament für gute Entwicklung – Hessen braucht neuen Hessenplan“ im Landtag einzubringen.
Warum? Weil Hessen ein Beispiel dafür ist, dass Fortschritt möglich ist. Weil Hessen ein Beispiel dafür ist, dass die Gestaltung der Zukunft keine Frage der Machbarkeit, sondern vorrangig des Willens ist, und weil Hessen ein Beispiel dafür ist, dass man Mut zu Reformen braucht, in diesem Falle dem Hessenplan von Georg August Zinn. Hessen ist ein Beispiel dafür, dass Integration, Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, Schaffung von Wohnraum und Infrastruktur in einem Ausmaß machbar sind, das heute für viele nicht vorstellbar ist. Hessens Erfolgsgeschichte zeigt, dass Reformpolitik funktioniert.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, damals wie heute gibt es Herausforderungen. Lassen Sie mich an dieser Stelle gleich eines der Gegenargumente der Regierungskoalition aufnehmen. Dabei geht es natürlich nicht darum, die Ausgangssituation Anfang der Fünfzigerjahre mit der Situation heute gleichzusetzen. Das wäre, ehrlich gesagt, grotesk. Aber es geht um die aufrichtige Benennung der Struktur- und Infrastrukturprobleme, die ein Reformprogamm erfordern.
Der Projektivismus Ihrer Regierungszeit ist aus unserer Sicht keine hinreichende Antwort darauf. Deswegen will ich im Nachgang zu der Sondersitzung des Hessischen Landtags noch einmal die echten Herausforderungen im Jahr 2016 für Hessen benennen.
Im Jahr 2016 gibt es viele Bürgerhäuser, Schulen und Sportstätten, die ihre Halbwertszeit deutlich überschritten haben. Im Jahr 2016 fehlt in Hessen bezahlbarer Wohnraum, und zwar fehlen nicht nur zehn oder zwanzig Wohnungen, sondern mehrere Zehntausend. Die Lebensbedingungen in der Stadt und im ländlichen Raum entwickeln sich wieder auseinander. Der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Integration sind vor neue Herausforderungen gestellt, und der Investitionsstau bei Straße, Verkehr und Mobilität ist hier mehr als einmal zum Thema geworden.
Deswegen schlagen wir Ihnen mit Blick auf diese nicht ganz kleinen Themen vor, im Hessischen Landtag eine gemeinsame Anhörung vorzunehmen, um ein Reformprogramm zu definieren, das diesen Anforderungen gerecht wird.
Nun haben Sie seitens der Regierungsfraktionen versucht, uns mit dem heutigen Tag eine Antwort vorzulegen.
Vier lange Seiten, auf denen erklärt wird, dass eigentlich alles gut sei und es gar kein Problem mehr gebe.
Deswegen würde ich gerne anhand vier konkreter Themen beschreiben, wo wir substanziellen Handlungsbedarf sehen, und zwar deutlich über das hinaus, was Sie bei Ihrer Art und Weise, Ihre eigene Politik zu belobigen, aus meiner Sicht übersehen.