Protocol of the Session on December 13, 2016

Meine Damen und Herren, das ist die technische Seite der Schwangerschaftskonfliktberatung. Es gibt aber auch eine menschliche Seite, und die möchte ich bei meiner Rede nicht außer Acht lassen.

Tagtäglich sind die Frauen und Männer in schwierigen Problemlagen mit schweren Konfliktfragen konfrontiert. Die Beratungsstellen geben ihnen Halt und Sicherheit. Sie stützen die Frauen und Männer, die zur Beratung kommen, bei der Schwangerschaft, aber auch bei anderen Fragen,

die rund um die Schwangerschaft entstehen, in ihren schwierigen Entscheidungen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen Beraterinnen und Beratern ein herzliches Dankeschön für die Wahrnehmung ihrer schwierigen Aufgabe sagen, die aber umso wichtiger ist und deshalb von uns gefördert werden sollte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei bin ich mir auch bewusst, dass die Beratungsstellen gegenwärtig mit hohen Herausforderungen konfrontiert sind, die gerade mit den neu in unser Land gekommenen Flüchtlingsfrauen verbunden sind. Diese können oft nur unter Einbeziehung von Dolmetschern beraten werden. Ich kann mir vorstellen, dass das eine sehr schwierige Aufgabe ist. Auch hier sage ich herzlichen Dank für die Beratungsarbeit, sowohl in den Beratungsstellen als auch in den hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen, ob in Gießen oder in Darmstadt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir schaffen mit dem Ausführungsgesetz ein Gesetz, das die Beratungsvielfalt und die Versorgungssicherheit auch in Zukunft sicherstellt, das den Beratungsstellen mehr Planungssicherheit bei weniger Bürokratie geben wird. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und dem dann geänderten Gesetzentwurf. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ravensburg. – Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Gnadl zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Dank an diejenigen, die in den Beratungsstellen die Frauen beraten, die in einer solchen Konfliktsituation sind, und den Auftrag für die Bundesländer, also für das Land Hessen, erfüllen, die Beratung der schwangeren Frauen sicherzustellen, können wir uns vonseiten der SPD-Fraktion anschließen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Ra- vensburg (CDU) und Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Schwangere Frauen sind aus unterschiedlichen Gründen auf eine Schwangerschaftskonfliktberatung angewiesen. Ich möchte gern an einem Beispiel verdeutlichen, wie vielfältig der Beratungsbedarf ist.

Ein Beispiel ist Annika P. Sie ist 33 Jahre alt und lebt in der Nähe einer süddeutschen Großstadt. Sie hat zwei Kinder, zehn Jahre und acht Jahre alt. Ihre Tochter ist körperlich mehrfach behindert. Mit ihr geht sie einmal in der Woche zur Ergotherapie, was schwierig ist, weil die Distanz zur Praxis groß ist. Zweimal im Jahr verbringt die Mutter mit ihrer Tochter Zeit in einer stationären Einrichtung, um ihr eine gute Körpertherapie zu ermöglichen. Von dem Kindsvater ist Annika P. schon seit sieben Jahren getrennt, und sie erhält weder Unterhaltszahlung, noch ist er für die Kinderbetreuung da.

Ihr letzter Antrag beim Jugendamt auf Unterhaltsvorschussleistung wurde abgelehnt, weil sie diesen schon 72 Monate lang bezogen hatte. Das zeigt vielleicht auch, wie schwierig die finanzielle Situation für die Frau ist, die jetzt mit ihren Kindern auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist. Das Familienbudget ist äußerst knapp, und unvorhersehbare Ausgaben sind sehr schwer zu bewältigen.

Meine Damen und Herren, eine Frau, die in einer solchen Situation ungewollt schwanger wird, befindet sich in einem absoluten Interessenkonflikt. Uns allen muss klar sein, wie wichtig gerade jetzt eine umfassende und nicht nur auf medizinische Fragen beschränkte Beratung ist. Hier braucht es erfahrene, kompetente, fachkundige und einfühlsame Hilfe.

(Beifall bei der SPD)

Wenn sich eine Frau wie Annika P. dazu entscheidet, ihre Schwangerschaft abbrechen zu wollen, ist eine vorherige Beratung nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern, allein schon aus gesundem Menschenverstand erkennbar, unabdingbar notwendig.

Meine Damen und Herren, unsere Aufgabe als Landespolitik ist es, gerade diese Beratung und Hilfestellung flächendeckend in ganz Hessen sicherzustellen. Das tun wir mithilfe der freien Träger, denen wir diese Beratung anvertrauen, die aber auch finanziell in die Lage versetzt werden müssen, verlässlich kompetente Hilfsangebote bereitzustellen. Umso tragischer ist es, dass sich der Gesetzentwurf der Landesregierung nur darauf beschränkt, das Allernötigste bereitzustellen, statt auf das – darauf haben die Anzuhörenden hingewiesen –, was noch benötigt wird, um eine solche gute Beratungsinfrastruktur sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Anhörung hat gezeigt, dass es einige Probleme gibt, mit denen wir bei der Schwangerschaftskonfliktberatung in Hessen konfrontiert sind. Die Beratungsträger haben oft Probleme, Frauen einen zeitnahen Beratungstermin anzubieten. Das ist aus unserer Sicht eine nicht hinnehmbare Situation angesichts der Lage, in der sich die Frauen befinden. Ich habe zu Beginn meiner Rede ein Beispiel erwähnt. Daran wird deutlich, wie schwierig es ist, wenn Frauen in Beratungsstellen auf eine Warteliste kommen; denn oft wird eine Schwangerschaft erst sehr spät entdeckt. Die Zeit ist knapp für eine Beratung, und es bleibt nur wenig Zeit zum Nachdenken. Deswegen ist das aus unserer Sicht nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen haben wir einen Änderungsantrag in den Landtag eingebracht, mit dem wir diese Beratungsengpässe entschärfen können. Aus unserer Sicht gibt es zwei Gründe für diese Engpässe: erstens die Anrechnung von ärztlichen Beratungsleistungen, die aus unserer Sicht zu hoch angesetzt ist, und zweitens die Unterfinanzierung der Beratungsstellen insgesamt, die aus unserer Sicht und aus Sicht der Anzuhörenden gegeben ist.

Ich will zum ersten Punkt kommen. Die Anrechnung der ärztlichen Beratung wollen wir auf 10 % reduzieren. In Ihrem Gesetzentwurf bleibt das unverändert, im Moment werden sie mit 20 % in den abzudeckenden Beratungsbedarf eingerechnet. So wichtig die medizinischen Beratungsangebote sind – bei Schwangeren in einer Konfliktsituation geht es oftmals um mehr, auch um psychosoziale Beratung, die eben nicht in einer Arztpraxis geleistet wer

den kann. Denken Sie nur an das Beispiel. Deswegen haben uns die Anzuhörenden auch geschildert, wie sie in den Beratungsstellen immer wieder damit konfrontiert sind, dass Frauen, die sich zuerst bei einem Arzt oder einer Ärztin haben beraten lassen, anschließend noch in eine Beratungsstelle gehen, weil ihnen die medizinische Beratung eben nicht ausgereicht hat und sie eine umfassendere Beratung benötigen, dann aber nicht schnell genug zu einem Termin kommen. Das führt insbesondere im Ballungsraum und im südhessischen Raum zu Engpässen. Darauf haben Anzuhörende hingewiesen, z. B. Frau Dr. Jatho von der Diakonie und andere. Hier wollen wir Abhilfe schaffen, indem wir diese 20 % Anrechnung auf 10 % reduzieren.

Der zweite Punkt, um den es uns geht, ist die Unterfinanzierung der Beratungsstellen. Hier wollen wir die Förderung insgesamt anheben, weil die momentane Situation dazu führt, dass die Finanzierung zu Teilen bei den Trägern abgeladen wird. Das Land vertraut darauf, dass die Träger die Lücke, die es bei ihnen gibt, mit eigenen Mitteln füllen. Das ist aus unserer Sicht ebenfalls nicht haltbar, hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Daher wollen wir mit unserem Änderungsantrag die Förderpauschale für die Beratungskraft von 80 auf 90 % aufstocken. Diese Forderung ist im Übrigen nicht ganz neu, die hatten wir als SPD-Fraktion auch schon einmal in diesem Haus gestellt, ursprünglich zusammen mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Günter Rudolph (SPD): Das war früher! – Florian Rentsch (FDP): Jetzt wird es spannend!)

Frau Gnadl, kommen Sie bitte zum Schluss.

Diesen Änderungsantrag gab es schon. Ich bin sehr gespannt, wie die Regierungskoalition mit diesem Anliegen, das schon damals richtig war und nicht umgesetzt wurde, jetzt umgeht und wie vor allem auch die Fraktion der GRÜNEN damit umgeht. Deswegen beantragen wir die dritte Lesung.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Gnadl. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Rock das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Schwangerschaftskonfliktgesetz – worum geht es? Es geht um Schicksale, es geht um Herausforderungen, es geht um Belastungen, es geht um Hilfe, und es geht vor allem um eine Beratung zugunsten der Fortsetzung einer Schwangerschaft: dass einem, wenn man die Idee hatte, die Schwangerschaft abzubrechen, deutlich gemacht wird, dass man das Kind bekommen kann und dass es Unterstützung gibt, sodass ein Leben seinen Weg in unsere Welt findet. Es ist

ein sehr sensibles Thema, ein Thema, das einem ans Herz geht, und ein Thema, das von großer Bedeutung ist.

In Hessen ist ein Netzwerk vorhanden, in dem die Beratung qualifiziert umgesetzt wird. Es ist schon selbstverständlich, dass die Menschen, die dort tätig sind, ihre Arbeit machen. Wir haben uns daran gewöhnt. Dass das eine Tätigkeit ist, die einen oft an Grenzen bringt und immer wieder fordert, soll hier noch einmal gesagt werden. Das ist etwas, was unseren Dank und auch unsere Unterstützung verdient.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wie alles in unserem wunderbaren Staatssystem, in unserer Gesellschaft, aber auch in der Bürokratie, die unsere Gesellschaft begleitet, ist diese Tätigkeit nicht einfacher geworden. Sie ist aufwendiger, verwaltungslastiger und natürlich auch vielfältiger geworden. Es gibt neue Herausforderungen, die in den Beratungsstellen bewältigt werden müssen, die man dort aber auch vernetzt bewältigen will. Dieses Netzwerk hat sich bewährt, und deshalb werden wir versuchen, deutlich zu machen, dass uns daran gelegen ist, dass dieses Netzwerk weiter so gut arbeiten kann.

Es geht meistens um Geld, wenn wir hier über solche Gesetzentwürfe diskutieren. Man muss feststellen, dass die hessischen Beratungsstellen im Vergleich der Bundesländer nicht so schlecht aufgestellt sind. Das muss man zur Kenntnis nehmen.

Natürlich haben auch wir die Anhörung ausgewertet. Es ist nicht überraschend, welche Verbesserungsvorschläge gekommen sind; denn die Debatte wird schon sehr lange und sehr intensiv geführt. Einer der Angriffspunkte für die Träger ist die Beratung durch Ärztinnen und Ärzte. Das ist ein Thema, bei dem ich klar sagen muss: Ich stehe dazu, dass die Beratung auch durch Ärztinnen und Ärzte durchgeführt wird. Es ist zu erwarten, dass diese Arbeit qualifiziert und ordentlich gemacht wird.

Im Ausschuss ist das kurz angesprochen worden: Von keiner Seite wurde behauptet, Ärztinnen und Ärzte könnten diese Beratung nicht genauso gut und genauso erfolgreich durchführen. Von daher kann man sagen, es ist eine Frage der Finanzierung. Aber es ist angemessen, dass auch Ärztinnen und Ärzte diese Beratung durchführen. Aus meiner Sicht ist es auch in Ordnung, wenn ihr Anteil weiterhin bei 20 % liegt.

Liebe SPD, daraus ergibt sich, dass wir euren Änderungsantrag hier nicht mittragen werden. Aus meiner Sicht muss man sich in der Landesregierung allerdings Gedanken darüber machen, wie man auf die größeren Herausforderungen eingeht.

(Beifall bei der FDP)

Wenn dieses Beratungsnetzwerk mehr Leistungen erbringt, stellt sich auch die Frage, wie man die Finanzierung verbessern kann. Ich möchte an Folgendes erinnern – wir, CDU und FDP, haben da eine gemeinsame Geschichte –: In den schwierigen finanziellen Situationen, als wir hier regieren durften, ist das Geld in den Haushalten noch nicht so gesprudelt, wie es heute nun einmal der Fall ist. Da stellte sich vielmehr die Frage, wo wir mit Augenmaß Beiträge zur Konsolidierung des Haushalts leisten können.

Damals stand dieses Beratungsnetzwerk schon einmal im Fokus. Wir haben uns schon einmal überlegt, wie man – mit Augenmaß handelnd – die sicherlich gute Ausstattung

dort anpassen kann. Ich glaube, in dieser Situation sind wir jetzt nicht. Wir lesen aus dem Gesetzentwurf heraus – das haben die Anzuhörenden auch bestätigt –, dass es zu einer weiteren Reduzierung der Finanzierung kommt, weil es mehr Aufgaben gibt, aber gleichzeitig keine bessere Ausstattung vorgesehen ist.

Aber wenn das so ist – die Anzuhörenden haben das so vorgetragen –, muss man schauen, wie man diesen Herausforderungen begegnen kann. Auch ich habe keine Lösung dafür parat, etwa indem ich sage: Hier müssten wir jetzt 3,50 € mehr zur Verfügung stellen. – Ich glaube, man muss schauen, dass das Ministerium mit den Betroffenen einen Ausgleich hinbekommt. Aber eine Einsparrunde haben wir in dem Bereich schon gemacht. Das ist uns nicht leichtgefallen, und ich glaube, wir sollten nicht noch einmal darangehen, sondern zusehen, dass wir hier eine ausreichende Finanzierung hinbekommen.

In dem Änderungsantrag, den CDU und GRÜNE hier eingebracht haben, geht es um die Verwaltungsvereinfachung. Da werden wir mitmachen; da sind Sie bei der FDP immer richtig aufgehoben. Allerdings reicht das aus meiner Sicht nicht aus, um dem gesamten Gesetzentwurf zuzustimmen. Aber wir haben noch eine Lesung. Vielleicht werden wir, wenn es so kommen sollte, heute Abend um 20 Uhr – oder ein bisschen früher – noch etwas klüger. Aber so, wie es jetzt aussieht, tendieren wir dazu, den Gesetzentwurf insgesamt abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Rock. – Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Frau Schott das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde die Debatte, die wir hier leider führen müssen, ziemlich traurig. Herr Rock hat eben versucht, zu beschreiben, worüber wir reden. Um es genau zu sagen: Wir reden bei den Frauen, die sich in eine solche Beratung begeben, darüber, ob ein Kind leben wird oder nicht. Das heißt, wir sprechen über Leben und Tod und über die entsprechende Beratung.

Ich glaube, dass man an der Stelle, wie an allen anderen Stellen, zwar immer auch über Haushaltsfragen nachdenken muss, diese aber ganz weit hinten zu stehen haben. Ganz vorne zu stehen haben die Qualität der Beratung und das Aufzeigen aller Möglichkeiten, die es für eine Frau in einer solchen Situation gibt: das Kind auszutragen und ihm ein würdevolles Leben zu geben oder es eben nicht auszutragen und dann mit der belastenden Situation fertig zu werden, ohne selbst Schaden zu nehmen.