Protocol of the Session on April 2, 2014

und konkrete Maßnahmen – für ein möglichst hohes Maß an Sicherheit durch Information, Prävention und, wenn es sein muss, Sanktion. Auch das sind wir den Opfern und deren Angehörigen schuldig.

Deshalb müssen wir auch immer wieder über Verbesserungen in unserer Sicherheitsarchitektur nachdenken. Beispielsweise müssen bestehende Vorgaben zu Art und Auswahl, Führung und Einsatz von V-Leuten überprüft werden. Gegebenenfalls sind sie zu optimieren.

Beispielsweise muss die länderübergreifende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden aller Länder und des Bundes intensiviert werden. Die Vorratsdatenspeicherung ist zu optimieren. Das Zusammenwirken von Verfassungsschutz und PKV kann überprüft werden. Eine Verbunddatei zur zentralen Speicherung von Daten gewaltbereiter Rechtsextremisten ist bereits etabliert, und das gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum hat seine Arbeit aufgenommen.

Selbstverständlich muss es genügend personelle Ressourcen geben. Deshalb haben wir als CDU immer wieder neue Mitarbeiter für den Verfassungsschutz vorgesehen und die Polizei personell weiter gestärkt. Das Land Hessen ist hier engagiert, insbesondere bei der Bekämpfung rechter Gewalt. Ich nenne als Beispiele das Kompetenzzentrum Rechtsextremismus, ich nenne die Ausstiegshilfen für Rechtsextreme und das Beratungsnetzwerk gegen den Rechtsextremismus.

Auch in dieser Legislaturperiode werden wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner unser Engagement im Kampf gegen jede Art von Extremismus fortführen.

Der Bundestags-Untersuchungsausschuss hat bis zum Herbst vergangenen Jahres ausgiebig und sehr detailliert die Defizite bei der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen herausgearbeitet. Während seiner eineinhalbjährigen Tätigkeit tagte er 40-mal, führte über 100 Zeugenbefragungen durch und erstellte einen 1.368 Seiten umfassenden Abschlussbericht. Jetzt kommt es darauf an, Konsequenzen aus den Ergebnissen dieser Arbeit zu ziehen. Jetzt kommt es auf eine schnelle Umsetzung und Weiterentwicklung der Empfehlungen an, um ähnliche Taten zu verhindern. Jetzt muss herausgearbeitet werden, durch welche Maßnahmen die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden weiter verbessert werden kann. Jetzt sollte keine Zeit verschwendet werden, indem man in Hessen noch einmal Dinge erörtert, die im Untersuchungsausschuss des Bundestages umfangreich untersucht wurden.

(Günter Rudolph (SPD): Verschwendet werden?)

Deshalb ist es richtig, eine Expertenkommission einzuberufen, die sich sachlich mit den einvernehmlich beschlossenen Handlungsempfehlungen des Bundestags-Untersuchungsausschusses auseinandersetzt. Unabhängige Experten müssen die Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss parteiübergreifend in die Praxis der hessischen Sicherheitsbehörden überführen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört, die Arbeitsgrundlagen der Sicherheitsbehörden und der Justiz in den Blick zu nehmen und die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund zukunftssicherer zu gestalten – auch durch ein neues, modernes Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz.

Das Gute daran ist: Die von uns geforderte Expertenkommission kann dabei auf Vorarbeiten des hessischen Innenministeriums zurückgreifen und dadurch ganz im Sinne einer sachorientierten Arbeit und der gewünschten Optimierung noch schneller zu Ergebnissen kommen. Dies ist möglich, da das Ministerium bereits ein bundesweit einmaliges Projekt zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes vorgelegt hat. Es umfasst neben Leitlinien auch Entwürfe zur Neufassung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften. Wir sind sicher, dass die von uns geforderte Expertenkommission und die darin parteiübergreifend tätigen Persönlichkeiten weitere wertvolle Vorschläge unterbreiten werden.

(Günter Rudolph (SPD): Wissen Sie schon, wer diese Experten sind?)

Herr Kollege Rudolph, ungefähr ein Dreivierteljahr werden die bis zu fünf Mitglieder der Expertenkommission Zeit haben, sich intensiv mit den Handlungsempfehlungen und den bereits vorliegenden Materialien für eine bessere Arbeit der Sicherheitsbehörden auseinanderzusetzen.

(Günter Rudolph (SPD): Interessant!)

Herr Kollege Rudolph, meine sehr geehrten Damen und Herren, da befinden wir uns in bester Gesellschaft, hat doch die SPD genau dieses vor wenigen Monaten gefordert. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung vom 10. September 2013:

„Wir wollen deshalb diese Ergebnisse anhand der vom Berliner Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellten Akten und Unterlagen durch eine landeseigene Kommission analysieren lassen.“

(Nancy Faeser (SPD): Beim Landtag!)

„Wir erwarten, dass das Parlament von einer solchen Kommission über die Abläufe der Geschehnisse in Hessen informiert wird und Handlungsempfehlungen für die Zukunft erhält, damit solche Fehler zukünftig vermieden werden …“

(Zurufe von der SPD)

Im Einzelnen wollen SPD und GRÜNE in Hessen eine Kommission einrichten, von der die Ermittlungsarbeit, das Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden und die strukturellen Rahmenbedingungen analysiert und hessenspezifische Handlungsanweisungen erarbeitet werden.

Das wollen auch wir. – Weiter heißt es in der Pressemitteilung, zeitnah sollen erste Maßnahmen getroffen werden. Die haben wir bereits eingeleitet.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD – Nancy Faeser (SPD): Zitieren Sie es vollständig!)

Wir freuen uns, dass wir den ehemaligen Verfassungsrichter Dr. Jentsch als Vorsitzenden einer solchen – früher auch von der SPD gewünschten Kommission – gewinnen konnten. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist, um die richtigen Lehren aus dem unbeschreiblichen menschlichen Leid zu ziehen, das durch die NSU-Morde zugefügt worden ist, und unsere Sicherheitsarchitektur weiter zu stärken.

Schnell und effizient kann sich diese Expertenkommission jede erforderliche Information herbeiziehen, und sie kann

auch auf Mitarbeiter und Sachverständige der Behörden direkt zugreifen. Die Beteiligung des Parlaments, die hier eingefordert wird, erfolgt über eine enge Anbindung an den Innenausschuss. Ein Sonderausschuss ist unseres Erachtens der falsche Weg. Er ist nicht so effizient, er ist nicht überparteilich zusammengesetzt, und er ist nach unserem Empfinden auch nicht so praxisorientiert.

(Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich weiß nicht, was es bei diesem Thema zu lachen gibt, Herr Kollege Rudolph. – Unseres Erachtens ist ein Sonderausschuss eher eine Plattform für die politische Profilierung und ungeeignet, dieses Thema ernsthaft und seriös aufzuarbeiten,

(Zurufe von der SPD)

zumal ein sogenannter Sonderausschuss nicht mehr kann als jeder andere Parlamentsausschuss.

Es gibt auch das Problem, einem solchen Ausschuss, wie Sie ihn fordern, vertrauliche Akten zur Verfügung zu stellen.

(Nancy Faeser (SPD): Warum?)

Sachverständige und Mitarbeiter können nicht einfach direkt angehört werden.

(Nancy Faeser (SPD): Natürlich!)

Wenn man aber nach zukunftsgerichteten Ansätzen sucht, dann hilft die angesprochene Expertenkommission, die auf den Erkenntnissen des Bundestags-Untersuchungsausschusses und auf den Erkenntnissen des Innenministeriums aufsetzen kann.

Wir wollen keine parteipolitische Selbstbespiegelung. Wir wollen eine fachlich zusammengesetzte und parteipolitisch unabhängige Expertenkommission. Wir wollen dafür sorgen, dass die Strukturen im Bereich der Sicherheitsarchitektur noch besser werden, denn Frieden und Sicherheit für alle Bürger sind nach wie vor das höchste Gut. Je konkreter, je schneller und je fachlicher wir uns dafür einsetzen, desto besser wird es gelingen, dieses Gut zu schützen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir laden Sie daher ganz herzlich dazu ein, mit uns diese Expertenkommission auf den Weg zu bringen.

(Günter Rudolph (SPD): Wie denn?)

Ich denke, das sind wir alle den Opfern und den Angehörigen der Opfer schuldig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. – Das Wort hat Herr Kollege Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen sind darauf eingegangen, und auch ich will daran erinnern: Wir alle waren entsetzt und schockiert, als die schrecklichen Morde des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrundes bekannt

wurden. Wir alle waren betroffen angesichts der menschenverachtenden Morde. Wir haben diese Morde auf das Schärfste verurteilt. In der Entschließung des Hessischen Landtags vom 17. November 2011 heißt es deshalb einmütig:

Diese Anschläge sind eine Schande für unser Land und belegen eine neue Dimension rechtextremistischer Bedrohung.

Wir alle konnten uns nicht vorstellen, dass fast 70 Jahre nach der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft eine Gruppe rechtsextremistischer Terroristen eine Blutspur durch ganz Deutschland ziehen würde. Acht türkischstämmige Männer, ein griechischstämmiger Mann und eine Heilbronner Polizeibeamtin wurden ermordet, wurden Opfer des NSU.

Auch in Hessen hatten wir Opfer zu beklagen: Halit Yozgat, ein Internetcafébetreiber, wurde in Kassel ermordet, Enver Şimşek aus Schlüchtern wurde in Nürnberg erschossen.

Wir können diese Morde nicht rückgängig machen. Wir können den Hinterbliebenen ihre Angehörigen nicht zurückgeben. Aber wir können die notwendigen Schlussfolgerungen aus diesen schrecklichen Verbrechen ziehen und Vorkehrungen treffen, dass solche Verbrechen in Zukunft in unserem Land nicht mehr stattfinden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Der Deutsche Bundestag hat einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit der Aufarbeitung dieser Morde sowie der Fehler und Mängel bei den deutschen Sicherheitsbehörden beauftragt. Nach rund eineinhalbjähriger Ausschussarbeit und nach über 100 Zeugenbefragungen an über 40 Sitzungstagen legte der Ausschuss im vergangenen Herbst einen umfassenden Bericht vor, der zu Recht viel Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hat. Einvernehmlich, über die Parteigrenzen hinweg, d. h. nicht im politischen Streit, sondern im Konsens, wurde dieser Bericht vorgelegt.

Das sagt etwas über die Ernsthaftigkeit einer solchen Ermittlung, über die Art und über die Qualität der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages aus. Wir sollten uns diese Empfehlungen zu eigen machen und jetzt an die Umsetzung dieser Handlungsempfehlungen in Hessen gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)