Protocol of the Session on April 2, 2014

Ein weiteres Thema, das ich ansprechen möchte, ist die Qualität der Kriminalstatistik. Da gibt es nämlich für mich mindestens zwei große Fragezeichen.

In der Statistik werden Tatverdächtige erfasst. Das heißt, es gibt den Verdacht einer Straftat, und die Polizei ermittelt mit Glück und Fleiß Verdächtige. Verdächtige sind aber nicht automatisch Schuldige. Denn ob ein Gericht am Ende jemanden schuldig spricht, steht nicht in der Statistik.

Herr Minister, die von Ihnen immer angeführte Aufklärungsquote ist deshalb irreführend. Es ist nämlich im Kern eine Verdächtigenquote. Das eröffnet große Interpretationsspielräume. Und davon macht die CDU, wie wir heute gehört haben, auch reichlich Gebrauch.

Betrachten wir beispielsweise die Blockupy-Demonstration. Wir alle wissen, dass der Polizeiführung bzw. der politischen Führung öffentlich massiv Vorwürfe gemacht wurden und werden. So wurden letztes Jahr vergleichsweise geringfügige Auflagenverstöße einzelner Demonstranten zum Anlass genommen, präventiv 1.000 Menschen bis zu zehn Stunden lang einzukesseln. Es kam zu massiver Polizeigewalt gegen Gewerkschafter, Flughafenausbaugegner und andere außerhalb des Kessels, gegen zahlreiche Demonstrationsteilnehmer wie auch gegen Journalisten.

Was finden wir dazu in der Kriminalstatistik? – Nichts, denn eine Rubrik „Polizeigewalt“ gibt es da gar nicht. Wir wissen aber, dass alle 1.000 Demonstranten im Kessel von der Polizei einzeln abgeführt und erfasst wurden. Statistisch bedeutet dies: 1.000 verdächtige Demonstranten und eine 100-prozentige Aufklärungsquote, weil die alle ermittelt worden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das hat mit der Realität, wie man sieht, nun gar nichts mehr zu tun.

Noch ein Punkt, der mich ebenso umtreibt. Die Öffentlichkeit erfährt seit über einem halben Jahr nahezu täglich dramatische Enthüllungen in Sachen Massenüberwachung und Geheimdienste, ob nun amerikanische, französische, britische oder deutsche.

(Kurt Wiegel (CDU): Oder russische!)

Hier wurde also ein ungesetzliches, ja gesetzeswidriges umfassendes Überwachungssystem aufgebaut, und es wird immer noch betrieben, dies sogar verstärkt aus Hessen. Nur ein paar Zahlen zur Erinnerung: Abgreifen sämtlicher Internetdaten, Abgreifen von 5 Milliarden Handydaten täglich, gezielte Computersteuerung über Spionageprogramme, ja sogar die Kommunikation ganzer Länder wird auf Knopfdruck aufgezeichnet.

Meine Damen und Herren, davon sind wir alle betroffen: Bürgerinnen und Bürger und gesellschaftliche Gruppen, Unternehmen und internationale Konzerne, Behörden und politische Institutionen von der EU über Botschaften bis hin zur Bundeskanzlerin. Und in Hessen? – Der Dagger Complex in Darmstadt, das Headquarter in Wiesbaden-Erbenheim, das Frankfurter Generalkonsulat der USA und zahlreiche private Geheimdienstunternehmen sind weiterhin bei uns unbehelligt tätig. Das Rhein-Main-Gebiet ist zur europäischen Geheimdiensthauptstadt geworden.

Nun sollte man annehmen, das ist Sache für den Innenund Verfassungsminister, denn der ist verantwortlich für die Achtung der Grund- und Menschenrechte. Er müsste gegen Wirtschaftsspionage und Völkerrechtsverletzung eigentlich konsequent vorgehen, zumal wenn sie maßgeblich in unserem Bundesland betrieben werden.

Hierzu finden wir nichts, kein Wort – weder in der Kriminalstatistik noch im Übrigen im Koalitionsvertrag, keine Stellungnahme, keine Strafverfolgung, nicht einmal einen Anfangsverdacht. Wie kann das sein?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Tja!)

Die Antwort zwischen den Zeilen Ihrer Kriminalstatistik lautet nämlich: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. – So ist Ihre Kriminalstatistik auch angelegt. Alles ist angeblich super, und jedes Jahr wird es immer noch besser und besser.

Meine Damen und Herren, wir denken, es wäre angemessen, wenn Sie, Herr Minister, sich diesen Herausforderungen endlich stellen würden. Die LINKE fordert Sie ausdrücklich dazu auf.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Innenminister Beuth das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst noch einmal feststellen: Die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2013 weist auf, dass wir erneut weniger Straftaten und darüber hinaus eine höhere Aufklärungsquote haben. Die Wahrscheinlichkeit für einen Straftäter, in Hessen gefasst zu werden, hat sich erneut erhöht. Das ist ein schönes und gutes Zeichen. Ich finde, darauf sollten wir auch einigermaßen stolz sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht gar nicht so sehr darum, sich am Ende, wie Sie vorgetragen haben, selbst zu loben und zu feiern, sondern es geht darum, den Erfolg, den die hessische Polizei in diesem Land im Jahr 2013 erreicht hat, hier angemessen zu würdigen und wertzuschätzen. Dafür machen wir diese Debatte, und ich bin Ihnen allen sehr dankbar dafür, dass Sie das tun.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Straftaten um insgesamt knapp 9.000 zurückgegangen. Wir sind dabei auf einem tiefsten Wert. Herr Kollege Schaus, sperren Sie jetzt die Ohren auf. Das ist keine Statistik, die wir im Jahr 2013 erfunden haben, sondern die gibt es seit 1971.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich weiß!)

Das ist seit 1984 der tiefste Wert. Seit 1984 ist das der tiefste Wert. Ich finde, auch hierauf können wir insgesamt sehr stolz sein.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie schon die Arbeit der Polizei kritisieren – –

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein, ich habe nicht die Arbeit der Polizei kritisiert!)

Natürlich haben Sie eben die Arbeit der Polizei im Zusammenhang mit den Blockupy-Demonstrationen kritisiert. – Wenn Sie das hier schon kritisieren, dann sollten Sie wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass wir noch um über

1.000 weniger Straftaten gehabt hätten, wenn wir nicht linkspolitisch motivierte Kriminalität mit erfasst hätten.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der LINKEN)

Wir haben erneut einen Anstieg der Aufklärungsquote, und zwar um 0,7 Prozentpunkte auf 59,5 %. Auch das ist ein Rekord. Das ist der höchste Wert, den die hessische Polizeiliche Kriminalstatistik seit 1971 ausweist. Das ist doch ein schöner Erfolg, den die Polizeibeamtinnen und -beamten erreicht haben. Dafür sollten wir sie einmal loben. Das ist prima.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Kriminalitätsbelastung messen, dann machen wir das mit der sogenannten Häufigkeitszahl. Das heißt, wir setzen die Straftaten, die es in diesem Land gibt, ins Verhältnis zu den Einwohnern. Wir setzen das bei den registrierten Delikten zu 100.000 Einwohnern in Bezug. Wir sind dann bei der Zahl 6.429. Das ist seit 1979 der geringste Wert. Das sollten wir doch zur Kenntnis nehmen. Denn das drückt aus, dass es in diesem Land sicherer als woanders ist. Das ist doch schön. Dafür sollten wir uns sehr herzlich bei denen bedanken, die dafür Sorge tragen.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Straßenkriminalität, das ist eine Kriminalitätsform, die die Menschen besonders belastet, haben wir eines erreicht. Wir nehmen jetzt den Referenzzeitpunkt von vor 20 Jahren. Frau Kollegin Faeser, schauen wir uns das über die 20 Jahre an. Wir haben erreicht, dass sich da die Zahl halbiert hat. Wir haben erreicht, dass sich seit 1994 die Zahl der Delikte bei der die Menschen besonders belastenden Kriminalitätsform, nämlich der Straßenkriminalität, halbiert hat.

Wir haben da heute die Zahl von knapp 74.000 Straftaten. Das ist immer noch zu viel. Wir wollen davon herunter. Aber wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass wir in den letzten Jahren großartige Arbeit geleistet haben und schöne Erfolge im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger erzielt haben.

Das ist am Ende kein Selbstzweck. Darum geht es nicht. Vielmehr geht es darum, dass wir am Ende auch weniger Opfer haben. Wir reden in unserem Land sehr häufig über die Täter. Wir reden sehr häufig über die Straftaten. Wir haben sehr im Blick, wie die Täter dazu gekommen sind, Straftaten zu begehen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns einmal die Opfer in den Blick nehmen. Da möchte ich Ihnen sagen, dass wir auch da einen Erfolg feiern. Wie gesagt, das ist kein Selbstzweck, sondern es geht darum, dass wir weniger Opfer in diesem Land haben. Da gibt es einen Rückgang um 4,1 %. Es gibt also eine geringere Zahl an Opfern von Straftaten. Ich finde, auch das ist ein herausragender und schöner Wert. Darauf können Sie insgesamt sehr stolz sein.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn einem die Statistik nicht passt, kritisiert man die Erhebungsform usw. Das ist ein bisschen billig. Wir und auch die Mitglieder der hessischen Polizei wissen die Kriminalstatistik sehr gut einzuschätzen. Das bildet sozusagen

nicht die komplette Kriminalitätslage in unserem Land zu 100 % ab. Das wissen alle Beteiligten.

Aber es ist ein wichtiges Indiz für die Arbeit der Polizei. Wenn man das richtig einordnet, ist es natürlich so, dass man Anhaltspunkte dafür hat, wo wir noch große Schwierigkeiten haben, wo wir möglicherweise die Priorität anders setzen müssen und wo wir neue Schwerpunkte setzen müssen. Dafür ist die Polizeiliche Kriminalstatistik sehr wertvoll.

Das will ich auch sagen: Am Ende ist das natürlich auch ein Stück weit die Darstellung des Erfolgs der Arbeit der Polizei, damit wir die Gelegenheit haben, den Polizeibeamtinnen und -beamten sowie den Mitgliedern der hessischen Sicherheitsbehörden dafür sehr herzlich zu danken, dass sie diese wichtige Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger leisten. Bis auf Herrn Kollegen Schaus will ich mich auch bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen für die Wertschätzung der Arbeit der Polizeibeamten sehr herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Hessen ist eines der sichersten Bundesländer. Ich habe es schon gesagt: Das ist kein Selbstzweck, sondern Sicherheit ist ein zentrales Bedürfnis in einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft.

Es geht um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Es geht darum, dass die Menschen dieses Landes nicht Opfer von Straftaten werden. Das ist ein zentrales Anliegen dieser Hessischen Landesregierung. Wir werden weiterhin daran arbeiten, dieses Ziel so hervorragend zu erreichen. Dieser Erfolg ist auf vieles zurückzuführen, vor allen Dingen aber auf die gute Arbeit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

Am Ende geht es dabei natürlich auch um die Frage, wie wir es den Polizeibeamten in diesem Land ermöglichen, ihre Arbeit zu leisten. Dazu zählt natürlich die Frage der Ausstattung. Dazu zählt natürlich auch, in welchem Rechtsrahmen die Polizeibeamten ihre Arbeit hier leisten können.

Lassen Sie mich hinsichtlich der Frage des Personals beginnen. Wir haben bei der Polizei knapp 19.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um die Sicherheit dieses Landes kümmern. Das sind gut 15.000 Polizeivollzugsbeamte. Da sind die Anwärter bereits eingerechnet.

Im Jahr 2014 haben wir eine weitere Verstärkung bei den Polizeivollzugsbeamten in diesem Land. Dadurch, dass wir im Jahr 2011 548 Anwärter eingestellt haben, haben wir jetzt mehr Polizeibeamte, weil weniger als diese 548 ausscheiden. Das wollte ich hier noch einmal deutlich machen.

Frau Kollegin Faeser, auch das will ich sehr deutlich machen: Wir haben bei der hessischen Polizei keinen Personalmangel.