Protocol of the Session on September 15, 2016

(Die Rednerin macht eine kurze Pause. – Florian Rentsch (FDP): Sollen wir helfen? – Zurufe von der FDP)

Nein, nein. Ich habe nur gedacht, dass ich es Ihnen nicht ganz so schwer machen will.

Jetzt komme ich zu unserem Antrag. Ihrem Antrag habe ich jetzt genug Aufmerksamkeit geschenkt. Das reicht auch. Wir stehen konsequent für Erhalt vor Neubau bei den Landesstraßen nach klaren Kriterien und so weit wie möglich auch bei den Bundesstraßen. Das ist nicht nur vernünftig und beendet das „Wünsch dir was“ in den einzelnen Wahlkreisen, sondern es ist auch genau das, was die Menschen wollen.

Ich habe eben schon einmal die Umfrage der Handwerker zitiert. Ich zitiere sie gern noch einmal. Ich denke, man kann ihnen unterstellen, repräsentativ zu sein, weil sie auch

nahe bei den Menschen und viel unterwegs sind. Bei dieser veröffentlichten Umfrage der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern antworten 52,2 % auf die Frage, welche Schwerpunkte die Verkehrspolitik in Zukunft setzen sollte, mit Reparatur und verbesserter Instandhaltung.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha! – Zuruf von der SPD)

Es steht aber darin, dass die letzten zehn Jahre zu wenig gemacht worden ist. Sie erkennen jetzt, dass die Richtung sich ändert und wir auf einem guten Weg sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

29,4 % wollen den Abbau von Verkehrsengpässen, 15,3 % halten die Stärkung des Schienenverkehrs für wichtig, und lediglich 9,7 % halten Neubau für wichtig. Genau in diesem Sinne handelt die Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Leistungsfähigkeit der Autobahnkreuze wird bei den Bundesprojekten erhöht, und die Verkehrsströme werden gebündelt. Der Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ wird konsequent umgesetzt.

Diese Regierung ist also nahe bei den Menschen und damit natürlich auch nahe bei den Handwerkern. Für uns GRÜNE ist auch ganz wichtig, dass wir auch den Flächenverbrauch in Blick behalten müssen. Der ist unzweifelhaft bei Sanierung und Erhalt geringer als beim Neubau. Bei dieser Strategie haben wir natürlich auch die Bauern auf unserer Seite, da sie sonst immer mehr landwirtschaftliche Flächen als Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen müssten.

Ich fasse das einmal zusammen. Planung, Sanierung und Bau von Straßen sind dem Land 144 Millionen € wert. Das sind 7 Millionen € mehr als letztes Jahr für Planung und nachhaltigen Ausbau. Da sollte der Bund auch nachziehen.

Wir sind für die Verstetigung der Mittel und für eine langfristige Planung, nicht für immer wieder neue Sondertöpfe, da das das langfristige Planen erschwert. Das liegt auf der Hand. Damit sollen die Projekte dann auch zur Umsetzung gebracht werden können. Kontinuierliche Steigerung ist also das Gegenteil von dem, was die FDP hier propagiert.

Ich stelle insgesamt fest: Die Landesregierung arbeitet und sorgt kontinuierlich für den Erhalt von Straßen, aber sie sorgt auch dafür, dass die Schienenstrecken ausgebaut werden und dass es bei dem Thema Nahmobilität vorangeht und die Verkehrsmittel besser miteinander verknüpft werden.

Der FDP fällt außer „mehr“ nichts ein. Von mir aus kann aber dieser Zustand gern erhalten bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Müller. – Das Wort hat Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

(Zurufe der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Jürgen Lenders (FDP))

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP beklagt den Zustand der Straßen – ich würde sagen, durchaus zu Recht. Aber wenn die FDP dann doch einmal das richtige Problem thematisiert, bleibt natürlich immer noch die Schwierigkeit, dass Sie die falschen Antworten geben und die falschen Lösungsvorschläge zu dem Problem machen. In diesem Fall ist das Ihr ewiger Vorschlag, nämlich das Privatisieren, in diesem Fall in Form der sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaften, der ÖPP-Projekte, und von effizienteren Strukturen, wie Sie es nennen.

Sie fordern mehr ÖPP-Projekte, auch bei Autobahnen und Bundesstraßen. Ich sage – und das wird Sie nicht überraschen –: Wir sind strikt dagegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde das auch vollkommen unlogisch. Gerade in Zeiten, in den sich der Staat praktisch zinslos Geld leihen kann, macht es doch überhaupt keinen Sinn, Private bauen zu lassen. Denn Privatunternehmen wollen Rendite machen. Diese Rendite muss jemand bezahlen, entweder der Staat – sprich: die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – oder eben die Nutzer. So oder so muss der Profit zusätzlich zu den Baukosten von der Allgemeinheit bezahlt werden. Das macht überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Märchen, dass die Privaten so viel effizienter seien als der Staat, ist eben nichts anderes als ein Märchen, das die FDP immer wieder gern erzählt.

Da Sie mir vielleicht keinen Glauben schenken, möchte ich den Bundesrechnungshof noch einmal anführen, der im letzten Jahr einmal nachgerechnet hat und zu dem Schluss kam, dass die Autobahn-ÖPP-Projekte bis dahin allesamt – Zitat – „unwirtschaftlich“ waren. Allein bei fünf untersuchten Projekten, unter anderem die A 4 an der hessischen Landesgrenze bei Eisenach, habe der Staat 2 Milliarden € mehr bezahlt, als es konventionell der Fall gewesen wäre. Das waren 2 Milliarden € mehr. Das ist nichts anderes als ein Geschenk an die Konzerne, bezahlt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann bleibt die Frage: Was meint die FDP mit den „effizienteren Strukturen“? – Der Bund solle dabei unterstützt werden, die Bundesfernstraßen neu zu organisieren. Das klingt beim flüchtigen Lesen erst einmal ganz gut. Aber was plant denn die Bundesregierung eigentlich, bei dem sie unterstützt werden soll? – Da bin ich tatsächlich froh und der FDP dankbar, dass sie dies zum Thema gemacht hat, damit wir im Landtag hierüber einmal reden können. In Berlin, im Verkehrs- und im Finanzministerium, aber auch im Wirtschaftsministerium, wird gerade auf Hochtouren an einer Privatisierungsoffensive für die Bundesautobahnen gearbeitet – an einer sogenannten Autobahn- und Fernstraßengesellschaft.

Dahinter steht die Idee, die Verwaltung, den Unterhalt und den Bau der Autobahnen komplett in eine privatrechtliche Gesellschaft zu überführen. Eigentürmer bleibt zunächst der Bund, aber die Gesellschaft darf Kredite aufnehmen. Langfristig können bis zu 49 % der Gesellschaft an Private verkauft werden. Ganz gierig darauf sind natürlich Bauunternehmen, die sich schnell viele Aufträge erhoffen, die

aufgrund des durch die Kürzungspolitik der letzten Jahre ausgelösten Investitionsstaus ausgeblieben waren.

Aber vor allem stehen die Finanzinvestoren – das sind natürlich die Hauptprofiteure – auf der Matte und geben sich Berichten zufolge bei den betreffenden Ministerien die Klinke in die Hand. Die Banken, Fonds und Versicherungen haben nämlich ein Problem: Sie wissen derzeit nicht, wohin mit dem Geld. Die Zinsen sind für ihre Geschäftsmodelle zu niedrig. Deshalb suchen sie lukrative und sichere Anlagemöglichkeiten; der Autobahnbau ist natürlich eine solche. Und leider stoßen sie in der Großen Koalition im Bund damit auf sehr offene Ohren. Im Gespräch sind offenbar zwischen 3 und 7 % Rendite. Dabei könnte der Staat die aktuellen Niedrigzinsen einfach nutzen und selbst investieren. Das könnte der Staat tun, wenn er sich nicht selbst gefesselt hätte mit etwas, das sich Schuldenbremse nennt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ARD-Magazin „Kontraste“ rechnete kürzlich vor: Ob sich der Staat für 1 % Geld leiht – das ist momentan eher hoch gegriffen – oder aber 3 % Rendite im Jahr garantiert, macht bei einem Bauprojekt von 1 Milliarde € über 30 Jahre einen Unterschied von 370 Millionen € aus – Steuergelder, die an private Investoren quasi verschenkt würden. Der Jurist Prof. Georg Hermes von der Uni Frankfurt nannte das Vorhaben vor einigen Monaten eine „Politik zugunsten der Versicherungswirtschaft und zulasten des Steuerzahlers“.

Warum sollte der Bund das also machen? – Weil der Finanzminister sein aberwitziges Ziel der schwarzen Null hochhält, und zwar mit reinen Rechentricks. Mit der Autobahngesellschaft würde ein gigantischer Schattenhaushalt geschaffen. Auch, weil man sich mit der sogenannten Schuldenbremse selbst gelähmt hat. Große Bauprojekte können über die Gesellschaft über mehrere Jahre finanziert werden. Durch die Renditen, die an die Privaten fließen, würde das Projekt zwar insgesamt teurer, aber die Schuldenbremse ist auf dem Papier eingehalten, und Herr Schäuble kann sich für die schwarze Null weiterhin feiern lassen.

Eine solche Konstruktion hätte aber auch negative Auswirkungen auf die Verkehrswende, die wir brauchen. Wenn allein die Straßen quasi von der Schuldenbremse ausgenommen würden, wäre das natürlich ein Nachteil für den öffentlichen Verkehr. Der sogenannte Finanzierungskreislauf Straße sieht vor, dass Einnahmen aus der Lkw-Maut komplett wieder in den Straßenbau fließen. Damit sind die externen Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsschäden auf absehbare Zeit auf die Allgemeinheit abgewälzt.

Dieser Finanzierungskreislauf ist beschlossen, und zu diesem Zweck hat die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft VIFG GmbH bereits ihre Arbeit aufgenommen. Das ist eine privatrechtliche Gesellschaft, die als Vorläufer der Autobahngesellschaft dienen kann. Sie bewirtschaftet bereits seit Anfang 2016 nicht nur die Einnahmen der Lkw-Maut, sondern auch die kompletten Bundesmittel für den Fernstraßenbau – von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, aber wir wissen aus anderen Zusammenhängen, dass sperrige Bezeichnungen gern geschaffen werden, um Dinge zu verschleiern und um es vielleicht nicht ganz so transparent zu machen, wie so etwas dann arbeitet.

Jetzt stellt sich die Frage: Warum sollte uns das als Hessischer Landtag beschäftigen? – Weil Bund und Länder laut Art. 90 des Grundgesetzes bisher gemeinsam für die Fern

straßen zuständig sind. Dem Bund gehören die Autobahnen, die Länder verwalten sie. Die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft und die damit verbundene Zentralisierung der Aufgaben beim Bund würden also eine Grundgesetzänderung erfordern. Sie würden voraussichtlich auch die Zerschlagung der Straßenbauverwaltungen der Länder mit ihren 30.000 Beschäftigten bedeuten. Viele von Ihnen haben sicherlich, wie auch ich, eine ganze Menge E-Mails von besorgten Beschäftigten von Hessen Mobil erhalten, die Chaos, Umstrukturierung und Entlassung aus dem öffentlichen Dienst befürchten. Sie befürchten auch, dass ihre Arbeitsbedingungen bei einer privaten Gesellschaft durchaus schlechter würden. Das lehren die bisherigen Erfahrungen mit Privatisierungen auch zu Genüge. Ich finde, diese hart arbeitenden Menschen, die auf den hessischen Autobahnen täglich ihrer gefährlichen Arbeit nachgehen, haben das nicht verdient. Deswegen sollte man in Solidarität mit diesen Menschen ein klares Zeichen setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Verkehrsminister der Länder haben sich schon dahin gehend geäußert, dass sie die Zentralisierung der Fernstraßen beim Bund ablehnen. Auch Herr Minister Al-Wazir hat bereits deutlich gemacht, dass er einer Fernstraßengesellschaft skeptisch gegenübersteht. Das ist gut. Wir fordern die Landesregierung auf, auch in dieser Hinsicht zu wirken. Denn die Bundesregierung agiert im Hintergrund weiter, und irgendwann wird das Thema wieder auf den Tisch kommen – vermutlich in Form einer irgendwie gearteten Verhandlungsmasse, wo es dann auch noch um andere Themen geht. Die Geheimhaltung des ganzen Vorgangs macht ebenfalls misstrauisch. Gutachten bleiben unter Verschluss. Presseanfragen zum Thema bleiben unkommentiert. Diese Heimlichtuerei ist kein Versehen.

Herr Minister, meine Genossin, die hessische Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig, sprach das Thema kürzlich im Bundestag an. Sie fragte, wie denn die Länder in den Prozess eingebunden werden sollten. Ich zitiere:

Meine Frage lautet, ob die Bundesregierung bereit ist, in einem offenen Dialog mit den Bundesländern die unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft des Bundesfernstraßenbaus zu beraten und zu diskutieren, und in welcher Form dieser Dialog stattfinden soll.

Darauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle im Ministerium von Herrn Dobrindt:

Wir nehmen … die Einlassung der Bundesländer zur Kenntnis. … Man muss sie sicherlich noch von den Vorteilen dieser einzurichtenden Gesellschaft überzeugen. … Es gilt bei diesem Vorgang die alte Volksweisheit, die da lautet: Man sollte Frösche nicht mit dem Auspumpen des Sees beauftragen.

Liebe Landesregierung, sehr geehrte Frösche, bitte merken Sie sich diesen Umgang und dieses Demokratieverständnis der Bundesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es droht die größte Privatisierung öffentlicher Infrastruktur seit der Gründung der Deutschen Bahn AG. Wir lehnen die Privatsierung der öffentlichen Infrastruktur ab. Die Straßen und Brücken verfallen wegen der Schuldenbremse. Sie verfallen, weil wir keine vernünftige Steuerpolitik haben, und nicht, weil Konzerne es besser könnten. Die Schuldenbremse fördert genau solche Privatisierungen, weil der

Staat sich selbst lähmt. Ich halte das für alles andere als für generationengerecht. Außer der FDP kann das eigentlich keiner gut finden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war Frau Abg. Wissler für die Fraktion DIE LINKE. – Als Nächster hat Herr Kollege Frankenberger für die Fraktion der Sozialdemokraten das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Infrastruktur, besonders bei der Verkehrsinfrastruktur, sind wir uns mit der FDP, die diesen Setzpunkt gewählt hat, einig: Es ist ein wichtiges Thema.