Protocol of the Session on June 23, 2016

Neben all dem Lob muss man aber eines sagen: Lassen Sie uns die Existenzgründer in der Old Economy nicht vergessen; lassen Sie uns nicht vergessen, dass es nicht nur Hightech-Unternehmen gibt. Die Hightech-Unternehmen sind sehr spannend, aber wir müssen unsere Förderprodukte an allen Unternehmen ausrichten. Die Wertschöpfung ist bei der Old Economy viel leichter nachzuvollziehen.

Wir müssen uns fragen, ob die Bürgschaftsprogramme, die das Land zur Verfügung stellt, wirklich greifen: Sind unsere Landesprogramme wirklich richtig ausgerichtet? Decken sie die Interessen des Auslandsgesetzgebers ab, Wagniskapital zur Verfügung zu stellen, oder sind sie eher dazu geeignet, ein typisches Bankgeschäft abzudecken? Da haben sich in der Beratung mit der WIBank sicherlich einige Aspekte ergeben.

Es ist alle Mühe wert, dass wir einmal darüber diskutieren. Ansonsten kann man die Landesregierung an dieser Stelle einfach einmal loben.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Reif, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Einer Studie der Wirtschaftsberatung Ernst & Young aus dem März dieses Jahres zufolge herrscht im deutschen Fintech-Sektor derzeit Gründerstimmung. So ist seit 2015 die Zahl der jungen Technologieunternehmen in diesem Sektor gewaltig gestiegen: um 32 auf 251. Innerhalb Deutschlands haben sich zwei Regionen als Fintech-Zentren etabliert. Das sind zum einen Berlin mit derzeit 69 Unternehmen und zum anderen die Rhein-Main-Neckar-Region mit 59 Unternehmen. Die Studie zeigt, dass die Rhein-Main-Region besonders innovativ ist und besonders stark wächst.

Frankfurt ist somit der ideale Platz für die Gründerszene der sogenannten Fintechs. Hier finden Gründer ideale Voraussetzungen für die Entwicklung dieser neuen und innovativen Produkte für die internationale Finanzindustrie – nicht nur dafür, sondern auch interdisziplinär. Es gibt welt

weit nur wenige vergleichbare Standorte. Das sind natürlich das Silicon Valley mit seiner Gründerszene sowie New York und – in Großbritannien – London.

Aufgrund der Voraussetzungen, die wir geschaffen haben, haben wir in Frankfurt mehr als 300 nationale, regionale und lokale Bankinstitute; eine Fülle von Versicherungsunternehmen; eine Fülle von professionellen Anwaltssozietäten, die in diesem Sektor tätig sind; und auch Steuer- und Wirtschaftsprüfungsinstitute, die man benötigt, um in dieser Gründerszene den Ball rund zu machen: um den Gründern Andockmöglichkeiten zu geben, damit sie das entsprechende Fachwissen aufsaugen und Produkte entwickeln, die am Markt gängig sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Auftritt technologiegetriebener kleiner Start-ups wird auch der Wettbewerb in der Finanzindustrie intensiviert. Wir alle wissen, dass die Finanzindustrie ein sehr konservativer Bereich der Dienstleistungsgesellschaft ist. Sie verschließen sich nicht unbedingt gegenüber Neuerungen, aber sie sind in diesem Sektor sehr behäbig. Man sieht beispielsweise, dass das deutsche Sparkassenwesen auf einmal auf den Dreh gekommen ist, dass es auch ein Sicherheitssystem für das Kartengeschäft etablieren muss und dies nicht allein einem Wettbewerber wie PayPal überlassen darf. Man sieht, dass die Unternehmen durch diese Gründungsinitiativen angetrieben werden, und dieses Antreiben in einem Sektor der Dienstleistungen, der bisher sehr konservativ ist, ist eine gute Entwicklung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die digitalen Lösungen im Zahlungsverkehr oder das Management von Depositeneinlagen können das ebenso sein wie branchenübergreifende Konzepte zwischen der Finanzindustrie und anderen Marktteilnehmern und Dienstleistungen. Ein Beispiel dafür wurde von Daimler-Benz entwickelt, leider am Standort Silicon Valley bei San Francisco. Hier wurde eine App entwickelt, die mittlerweile am Markt ist und sich in der Probe befindet: Interessenten können ein Auto zu einem Fixpreis kaufen und haben dabei die Möglichkeit, das Modell auszuwählen sowie die Motorleistung, die Ausstattung, die Farbe, das Zubehör, den Preis, den Versicherungsschutz und vieles andere mehr zu einem Gesamtpaket zusammenzubinden und sich dann das Fahrzeug vom Händler vor Ort liefern zu lassen.

Das sind beispielsweise interdisziplinäre Produkte, die das eine im Bereich von Fintech, das andere im Bereich des Vertriebs, aber auch von herstellerbezogenen Daten mit einbeziehen. Das ist meines Erachtens eine gute Voraussetzung dafür, dass man die Dinge ordentlich auf den Weg bringen kann.

(Beifall bei der CDU)

Als Politik müssen wir ein Interesse daran haben, die Startups als Innovationsmotoren in Hessen anzusiedeln und die Rahmenbedingungen zu schaffen, den Gründern die Verwirklichung ihrer Ideen und Pläne gemeinsam mit Akteuren möglich zu machen. Das nun entstehende Gründerzentrum ist hierzu ein wirklich guter Schritt. Ich glaube, dass wir damit auch einen Schritt tun, um die Gründerszene insgesamt im Land Hessen und im Rhein-Main-Gebiet gemeinsam mit unseren hervorragenden Universitäten im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus zu einem runden Ball zu machen. Ich darf mich bei Herrn Wirtschaftsminister Al-Wazir sehr herzlich dafür bedanken, dass er die In

itiative übernommen hat und dabei auch den Schrittmacher spielt. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Staatsminister Al-Wazir.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen im März bei der Regierungserklärung zu unserer Strategie „Digitales Hessen“ gesagt, dass wir in vielen unterschiedlichen Bereichen immer wieder auch in diesem Parlament über die Frage diskutieren werden, was sich in den unterschiedlichsten Bereichen verändert. Wir haben das am Dienstag bei der Frage digitale Agenda für das Recht schon diskutiert, und wir tun das heute im Bereich Fintech, weil klar ist, dass wir die Chancen der Digitalisierung nutzen wollen und gleichzeitig natürlich auch die Veränderungen der Rahmenbedingungen nachvollziehen müssen. Das betrifft auch die Regulierung. Wir haben auch schon mit der BaFin über die Frage geredet, inwieweit wir an diesen Punkten auch denen, die im neuen Fintech-Hub arbeiten und Ideen entwickeln sollen, die Fragen, die sie z. B. zur Regulierung haben, schnellstmöglich beantworten können. Auch das gehört sicherlich zur Attraktivität eines solchen Zentrums dazu.

Aber erst einmal betrachten wir vielleicht, warum wir das eigentlich machen.

(Gerhard Merz (SPD): Gute Frage!)

Ja, gerade für den Kollegen Merz will ich das sagen. Denn der Kollege Merz und ich kommen ja aus einer anderen Zeit.

(Gerhard Merz (SPD): Ich vielleicht!)

Wir beide haben wahrscheinlich in unserer Jugend immer „KNAX“, das Sparkassenmagazin, gelesen und sind brav am Weltspartag mit unserer roten Spardose zur Sparkasse gegangen, haben das auf unser Sparbuch eingezahlt und waren danach glücklich. Jetzt muss ich Ihnen sagen, Herr Kollege Merz: Die meisten, die heute unterwegs sind und sich erstmals mit Finanzfragen beschäftigen, machen das nicht so. Sie machen das ganz anders.

Wir erleben, dass die Welt in diesen Bereichen wirklich in einer großen Geschwindigkeit im Umbruch ist, dass neue Dienstleister und Wettbewerber in den Markt drängen und dass natürlich alte Modelle von Banken in Zukunft nicht mehr funktionieren werden. Das wird so sein. Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Der Wandel findet statt. Diese Firmen entstehen, und diese Dienstleistungen entstehen. Das passiert gerade. Und wenn das stattfindet, dann soll das auch am Finanzplatz Frankfurt stattfinden. Wo denn sonst?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist unser Ziel, ein attraktives Umfeld zu bieten, Neugründungen zu fördern, aber auch inzwischen etablierte Fintechs langfristig am Standort zu halten.

Jetzt prüfen Sie sich alle einmal selbst: Wann waren Sie das letzte Mal in einer Bankfiliale? Oder wenn Sie eine Versicherung abgeschlossen haben: Wie haben Sie das eigentlich getan? Sind Sie da zu Ihrem Versicherungsvertreter um die Ecke gegangen, oder haben Sie erst einmal auf bestimmten Vergleichsportalen nachgeschaut? Da merken Sie schon, was da passiert und dass wir viel dafür tun müssen, dass wir an dieser Stelle diesen Wandel, der stattfindet, bei uns bekommen.

Es gibt andere, die mit dem Spruch für sich werben, dass sie arm, aber sexy sind. Ich sage: Wir wollen nicht arm werden, aber wir wollen jetzt auch sexy werden. Und genau das ist auch einer der Gründe, warum wir uns da engagiert haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die exzellenten Voraussetzungen der Region, eine weltweit führende Rolle beim Thema Fintech einzunehmen, sind:

Frankfurt ist der wichtigste Finanzplatz im Euroraum. Rhein-Main-Neckar ist Europas führender Standort für Hardware- und Softwareentwicklungen. Wir haben wissenschaftliche Expertise und Spitzenforschung in zentralen Bereichen wie der Cyber Security, gerade rund um Darmstadt. Das ist sozusagen das Security Valley mindestens Europas, wenn nicht gar der Welt. Und wir haben eine starke Stellung von angrenzenden Branchen, die davon auch profitieren können. Stichwort: Mobilität und Logistik oder neue Bezahlverfahren. Wir haben also die Chance, hier in Frankfurt wirklich etwas zu beginnen.

Deswegen habe ich mich Ende letzten Jahres dazu entschieden, ein Risiko einzugehen und einfach eine offene Einladung für einen Termin Ende Januar auszusprechen. Ich habe gesagt: Jeder, der sein Konzept für ein FintechZentrum präsentieren möchte, ist frei, das zu tun. Wir wussten überhaupt nicht, ob da irgendetwas kommt. Wir wussten auch nicht, in welcher Qualität das kommt. Ende Januar kamen wir dann in der Uni zusammen, und siehe da: Es gab viele verschiedene Konzepte, aus denen sich jetzt auch etwas entwickelt hat.

Wir wollen einen Fintech-Hub gründen in Form einer Gesellschaft. Wesentliche Kerne dieser Gesellschaft werden natürlich das Land Hessen, die Stadt Frankfurt, aber beispielsweise auch die Goethe-Universität und die WIBank sein. Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der alle Akteure der Community angrenzender Technologiebereiche sowie wissenschaftliche Institutionen zusammenwirken können. Sie soll natürlich neben der reinen Bereitstellung attraktiver Büroflächen auch wesentliche Aufgaben zum Ausbau und zur Verbesserung aller relevanten Faktoren für eine erfolgreiche Entwicklung leisten: Community Building, zentrale Anlaufstelle für Delegationen und Investoren, Bewerbung und Vermarktung des Ganzen, Förderberatung, Koordination und Anbindung wissenschaftlicher Aktivitäten.

Wir haben großes Interesse. Wir rechnen mit etlichen sogenannten Platinsponsoren aus dem Finanzplatz. Wir haben großes Interesse bei Mietern, die sich gemeldet haben. Das sind größere Player aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen, etablierte Fintechs und Start-ups. Ich sage es einmal so: Das Ding wird ein Erfolg, oder neudeutsch könnte man sagen: läuft.

Wir haben eine favorisierte Immobilie.

Herr Staatsminister, darf ich an die Redezeit der Fraktionen erinnern?

Ja, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Wir haben eine favorisierte Immobilie: das Pollux in unmittelbarer Nähe zur Messe. Das bietet auch wegen der Wachstumsmöglichkeiten und der Skalierbarkeit der Flächen, der guten Lage, der baulichen Voraussetzung optimale Voraussetzungen für ein Fintech-Zentrum. Ich will ausdrücklich sagen: Wir wollen, dass alle weiteren Schritte zur Gründung und Ausgestaltung des Fintech-Zentrums weiterhin in einem offenen und transparenten Prozess fortgeführt werden, in den sich alle Interessierten mit ihren Ideen und Meinungen einbringen können.

Wir gehen davon aus, dass wir im Oktober starten. Dann lade ich Sie alle zur Eröffnung ein. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 67, abgehalten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 66 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Abstimmung im Bundesrat über sichere Her- kunftsstaaten verschoben – Regierung Bouffier muss endlich Farbe bekennen) – Drucks. 19/3505 –

Als Erster hat Kollege Rentsch für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, wie Deutschland mit der Flüchtlingssituation in unserem Land umgeht, ist eines der politischen Themen der letzten Monate und des letzten Jahres gewesen, das viele Menschen umgetrieben hat, das viele Menschen besorgt gemacht hat. Auf der anderen Seite war es aber auch durch die große ehrenamtliche Hilfe ein Signal, wie Deutschland mit Menschen, die aus einer Krisensituation kommen, umgeht, und zwar wie es gut mit ihnen umgeht.

Der Ministerpräsident hat recht, wenn er sagt: Die Einigung beim Asylpaket II im Januar war ein wichtiges Signal für die Handlungsfähigkeit der Politik. Er hat deshalb recht, weil er aus meiner Sicht die Sorgen in der Bevölkerung ernst genommen hat, dass die Politik und – da sind wir offen – auch der deutsche Innenminister in dieser Frage nicht optimal gehandelt haben, als die Menschen nach Deutschland kamen. Die Ämter in Deutschland, gerade das Bundesamt für Flüchtlinge, waren massiv überfordert, wenn es darum ging, dass diejenigen, die keinen Anspruch

haben, hierzubleiben, und die keinen Anspruch darauf haben, dass wir ihnen helfen, frühzeitig zurückgeführt werden und dass das System und die Verwaltung wirklich noch funktionieren. Da hat er gesagt: Ja, wir müssen bei der Frage vorankommen.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage einmal, gerade nach den Ereignissen in Köln gab es parteiübergreifend Einigkeit, dass endlich etwas geschehen muss. Sprecher aller Parteien – ich habe die Zitate hier – haben geschworen, so etwas darf nicht wieder vorkommen. Das Asylpaket II war ein Stück Antwort auf diese Debatte. Ob es immer die richtige Lösung ist und ob es nicht auch ein Stück weit Placebo ist – deshalb will ich auch die Argumente der GRÜNEN in dieser Frage ernst nehmen –, darüber kann man diskutieren.

(Beifall bei der FDP – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube schon, dass bei der Frage, wo wirklich das Problem liegt, auch die Debatte über die sicheren Herkunftsländer nur ein kleiner Mosaikstein einer Lösung ist. Wenn die GRÜNEN kritisieren, es ist nicht der große Wurf, dann haben die GRÜNEN recht. Aber ich sage an dieser Stelle auch, mir bzw. uns ist wichtig, dass – erstens – der Ministerpräsident zum Schluss bei der Frage recht behält, ob Politik noch handlungsfähig ist, dass – zweitens – wir an die Menschen aus Tunesien, Marokko und Algerien das Signal senden, der Weg lohnt sich nicht, und wir – drittens – solche Themen in Deutschland nicht zerreden, wenn sie auf der Tagesordnung sind.