Protocol of the Session on March 10, 2016

Abschließend sei all denjenigen im Hessischen Landtag und bei den Kommunalen Spitzenverbänden gedankt, die das Verfahren der Änderung des Landesaufnahmegesetzes schnellstmöglich ermöglicht haben, damit die Finanzmittel umgehend an die kommunale Ebene fließen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Cárdenas, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Fünf Minuten Redezeit sind diesem Thema wahrlich nicht angemessen, aber gut, damit müssen wir jetzt leben.

Die Landesregierung will die Pauschalen, die das Land den Gebietskörperschaften für die Aufnahme von Geflüchteten zahlt, anheben, wie sie es bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt hatte. Diese Initiative wird – das irritiert uns etwas – ohne weiter gehende Forderungen auch von den Sozialdemokraten mitgetragen.

Meine Damen und Herren, die Erhöhung der Pauschalen war schon lange überfällig. Die Gebietskörperschaften sollen über den bisher benannten Personenkreis hinaus auch für die zuerst vermutlich vergessenen Personen, die vor Antragstellung beim BAMF schon zugewiesen wurden, eine Erstattung erhalten. Das alles ist begrüßenswert, aber noch lange nicht ausreichend, auch nicht als alleiniges Signal an die Kommunen. Die Pauschalen sind nicht ausreichend, weil sie nicht kostendeckend sind.

Eine vollständige Erstattung der realen kommunalen Aufwendungen wäre nach Auffassung der Kommunalen Spitzenverbände der sachgerechte und bessere Weg, um die Verschuldung der Kommunen nicht zu erhöhen. Es fehlen etwa Mittel für Personal, um Wohnungen und Unterkünfte zu akquirieren. Es fehlen ebenfalls die Mittel für zusätzliches Personal für die Verwaltung, für die Sachbearbeitung und für die Öffentlichkeitsarbeit.

Aber auch aus einem anderen Grund ist die vorgelegte Änderung des Landesaufnahmegesetzes für uns nicht ausreichend. Es wird nämlich die Chance vertan, es um ein Landesaufnahmekonzept zu ergänzen. Weil wir ein solches wie viele andere, wie z. B. die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen, der Hessische Flüchtlingsrat, der Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil und der Evangelische Regionalverband, für unbedingt erforderlich halten, haben wir die sechs wichtigsten Punkte in unserem Entschließungsantrag, der Ihnen auch vorliegt, zusammengefasst.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Grundidee des Konzepts ist: Wir wollen für die Flüchtlinge, die für eine längere Zeit hier leben, eine Perspektive zur gesellschaftlichen Teilhabe schaffen. Die wichtigsten Forderungen unseres Konzepts sind,

erstens, eine flächendeckende und unabhängige Flüchtlingsberatung, damit die Asylsuchenden Orientierung und kompetente Beratung in einem fremden Land bekommen,

zweitens, eine verlässliche Verfahrensberatung in allen, auch den dezentralen hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen, um das komplizierte Asylverfahren zu erklären,

drittens, eine hauptamtliche Struktur zur Koordination des zivilgesellschaftlichen Engagements in jedem Landkreis,

viertens, eine Unterstützung und Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements auf Landesebene durch eine landesweite Vernetzungsstelle,

fünftens und sechstens, eine Verbesserung der psychosozialen Versorgung traumatisierter Flüchtlinge durch den Ausbau der bisher bestehenden Zentren und den Aufbau neuer Zentren.

Ein letzter Punkt. Der vorgelegte Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beinhaltet ebenfalls keine Kriterien bzw. Mindeststandards für eine menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden. Wir fordern weiterhin eine Integration vom ersten Tag an. Asylsuchende müssen sofort arbeiten dürfen. Sie müssen Zugang zu Sprachkursen erhalten. Sie sollen dort wohnen dürfen, wo sie einen bes

seren Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Bildungs- und Qualifikationsangeboten haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt also noch viel zu tun. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Ich bitte Sie: Stimmen Sie am Ende unserem Antrag zu. Er ist eine gute, ja, notwendige Ergänzung des vorgelegten Gesetzentwurfs zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes. Beim Auftreiben der dafür notwendigen Mittel werden wir Sie natürlich gerne unterstützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Kollegen Merz von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Gesetzentwurf zu sprechen komme, will ich, weil das die einzige Gelegenheit während dieser Plenarsitzung ist, über die Situation der Flüchtlinge reden. Kollege Dr. Bartelt hat auch ein paar Streifzüge in die allgemeine Flüchtlingspolitik gemacht.

Ich möchte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne auf die Situation an der mazedonisch-griechischen Grenze aufmerksam zu machen. Ich will darauf hinweisen, dass sich Idomeni jetzt in die lange Reihe der europäischen Unglücksorte einreiht. Es begann in Lampedusa und setzt sich über Lesbos und Parndorf fort. Vielleicht erinnern Sie sich: Das ist der Ort in Österreich, in dessen Nähe 71 Flüchtlinge in einem Lkw erstickt aufgefunden wurden. Es ist eine Schande für Europa, zuzusehen.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD und bei der LINKEN)

Herr Kollege Dr. Bartelt, Sie haben sich hier lobend über die Gespräche der Bundeskanzlerin mit türkischen Vertretern geäußert. Ich wäre nicht so voreilig. Denn wir wissen nicht, wie das ausgehen wird. Denn in Ihren eigenen Reihen und in den Reihen Ihrer bayerischen Schwesterpartei gibt es gegen einige Regelungen erhebliche Vorbehalte. Da geht es z. B. um die Frage, ob man im Austausch für die vorgeschlagene Rücknahme der Flüchtlinge zur Visumsbefreiung für Türken kommt. Das ist interessanterweise etwas, was Sie mit einem vollendeten Salto rückwärts bei Ihrem famosen Unionsgipfel im letzten Jahr beschlossen hatten. Das hat mich gewundert.

Deswegen hat es mich jetzt nicht wirklich gewundert, dass der Bayerische Ministerpräsident offensichtlich die erste Gelegenheit genutzt hat, um da die Rolle rückwärts zu machen. Ich bin sehr skeptisch, ob das tatsächlich hinkommen wird, und zwar nicht nur wegen unserer europäischen Partner.

Jetzt komme ich auf den Gesetzentwurf zu sprechen. An der Stelle sind wir uns einig. Es handelt sich um eine begrenzte Novelle des Landesaufnahmegesetzes. Sie ist deswegen begrenzt, weil sie eilig ist, damit die Kommunen unverzüglich in den Genuss der erhöhten Pauschalen kommen. Zu der Auskömmlichkeit werde ich noch etwas sagen. Deswegen soll mit diesem Gesetzentwurf als Gesetz eben nur dieses geregelt werden und nicht viele andere

Dinge auch, die in der Tat geregelt werden müssten. Dazu werde ich noch etwas sagen.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dazu wird es noch ein paar gesetzgeberischer Anstrengungen bedürfen.

Was wir heute damit regeln wollen, ist ein Baustein zur Lösung eines Teils der Probleme, die mit der Aufnahme, der Betreuung und der Integration der Flüchtlinge einhergehen. Das ist für den Teil, der die Kommunen betrifft. Es betrifft die Frage, ob die finanzielle Belastung der Kommunen, die mit der Aufnahme, Betreuung und Integration der Flüchtlinge einhergeht, minimiert werden kann oder soll. Ja, das soll so sein. Das muss auch so sein, weil die Kommunen neben den anderen staatlichen Ebenen insbesondere im letzten Jahr angesichts der in der Tat einzigartigen Situation Beispielhaftes geleistet haben. Das geschah im Zusammenwirken mit anderen staatlichen Ebenen. Vor allen Dingen geschah dies aber im Zusammenwirken mit vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen und mit vielen Tausenden ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe gesagt, unserer Ansicht nach sind die Pauschalen angemessen. Sie sind es. Denn die Kommunalen Spitzenverbände haben unisono gesagt, dass sie es sind. Ich habe das während der ersten Lesung schon gesagt: Wir werden da nicht schlauer als die Kommunalen Spitzenverbände sein. Wir werden auch nicht versuchen, schlauer als die Kommunalen Spitzenverbände zu sein.

Im Übrigen ist das tatsächlich so, wenn man die Belastungen aus den Leistungen nicht einbezieht, für die die Kommunen originär nicht zuständig sind oder die durch das Landesaufnahmegesetz nicht berührt werden. Dazu gehört der Wohnungsbau. Dazu gehören die Kindertagesstätten. Dazu gehört der Ausbau der schulischen Kapazitäten, falls er notwendig wird. Dazu gehört die gesamte gesundheitliche Versorgung. Das geht über das vom Asylbewerberleistungsgesetz vorgeschriebene Maß hinaus. Dazu gehört z. B. die Frage des Ausbaus psychosozialer Zentren. Dazu gehört die Frage des Ausbaus der Traumabehandlung und der Traumatherapie. Das alles ist nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie über das Landesaufnahmegesetz zu regeln. Vielmehr ist das über andere Maßnahmen zu regeln, über die bei anderer Gelegenheit zu reden sein wird.

Es wird natürlich über die Standards zu reden sein. Ich will auf etwas in den paar Sekunden, die mir noch bleiben, hinweisen. Wenn ich es richtig sehe, werden wir in diesem Jahr noch eine weitere Novelle des Landesaufnahmegesetzes bekommen. Da wird es um Anpassungen an bundesgesetzliche Regelungen gehen. Wir werden das zur Gelegenheit nehmen, das Landesaufnahmegesetz auf solche gesetzgeberischen Handlungsbedarfe zu überprüfen.

Wir werden eine Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches bekommen. Denn das ist vor dem Hintergrund neuer Regelungen zur Behandlung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländer, wie das jetzt heißt, nötig geworden.

Bei diesen beiden Gesetzentwürfen bieten wir die konstruktive Zusammenarbeit an. Dann wird über viele der Dinge zu reden sein, über die Frau Kollegin Cárdenas gesprochen hat. Hoffentlich wird das mit Erfolg geschehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Rock für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist richtig, die Asylpolitik in Hessen noch einmal grundsätzlich zu beleuchten. Denn es ist klar, dass dieser Gesetzentwurf auch von uns wie auch von den anderen Fraktionen dieses Hauses mitgetragen wird. Das zeigt natürlich, dass es im Grundsatz die richtige Entscheidung ist.

Ich will das nur kurz beleuchten. Wir alle wissen, dass die Kommunen eine hohe finanzielle Last zu stemmen hatten. Viele Dinge konnten wir nur lösen, weil ein unglaubliches Engagement der Bürgerinnen und Bürger vor Ort vorhanden war und ist. Wir müssen helfen, damit dieses Engagement nicht leidet. Denn wir brauchen diese Menschen. Eigentlich brauchen wir noch ein paar mehr von diesen Menschen. Gleichzeitig müssen wir hoffen, dass die Kommunen ihr Engagement weiterhin auf dieser Höhe und mit dieser Intensität fortsetzen können.

Diese Pauschalen sind wirklich auskömmlich. Das muss man feststellen. Jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß das, und sicherlich wird der Minister darauf noch eingehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe auch noch nirgendwo etwas anderes gehört. Vielleicht kann man als Landespolitiker sogar sagen: Sie sind mehr als auskömmlich. Am Ende muss das die Praxis zeigen. Es gibt aber den einen oder anderen im Landesrechnungshof, der das womöglich schon so sieht. Ich möchte darum die Pauschalen und den Gesetzentwurf nicht kritisieren. Aber ich möchte etwas dazu sagen, wie wir mit der Herausforderung umgehen.

Diese finanzielle Großleistung, die der Steuerzahler und das Land Hessen als Sachwalter dieser Mittel jetzt auf sich genommen haben, ist aber nur ein Teil der Herausforderungen, die auf uns zukommen. Es muss uns klar sein, dass solche Herausforderungen nicht jedes Jahr in diesem Umfang und dieser Intensität zu stemmen sind. Sicherlich ist jedem klar – zumindest in diesem Hause –, dass es für dieses Geld auch andere Verwendungen hätte geben können.

(Beifall bei der FDP)

Jeder Fachpolitiker hätte sicher auch noch eine gute Idee gehabt, was man mit diesem Geld im Bildungs-, Sozialund Sicherheitsbereich oder in der Infrastruktur hätte machen können. Wir wissen, dass die Humanität und die Herausforderungen dieser besonderen Situation die heutige Entscheidung rechtfertigen. Aber uns allen ist auch klar: Wir sind hier nur Sachwalter dieser Mittel und müssen uns auch rechtfertigen, was mit diesem Geld passiert. Und es ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, auch nur für die Menschen, die heute bei uns sind.

(Beifall bei der FDP)

Darum ist es immer noch sehr ärgerlich, dass wir bis heute noch nicht klar wissen, wie die Bundesregierung gedenkt, strukturell mit der Flüchtlingskrise umzugehen. Das ist uns

bis heute noch nicht klar, und es gibt noch kein Einwanderungsgesetz, aus dem hervorgeht, wie dauerhaft nachhaltig mit der Zuwanderung umgegangen werden soll. Das ist wichtig. Warum ist das wichtig? Weil ich wissen muss, ob ich mich darauf einstelle, ob Leute drei Jahre oder dauerhaft hier bleiben. Investiere ich in dauerhaften oder nicht dauerhaften Wohnraum? Wie ist damit umzugehen? Wir haben auch schon Flüchtlingskrisen gehabt, nach denen viele Menschen wieder zurückgegangen sind. In manchen Bereichen wäre es wichtig, zu wissen, was die Bundesregierung wirklich will. Was sollen die Kommunen stemmen? Was müssen sie investieren, und auf was müssen sie sich einstellen?

Um kurz auf den Antrag der LINKEN einzugehen: Wenn man ihn überfliegt, wird jedem Fachpolitiker im Sozialbereich klar, dass alle sozialen Standards, die hier einmal geschaffen wurden, gefallen sind – ich brauche nur von den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu sprechen. Ich hoffe, die Standards sind nicht dauerhaft gefallen. Wenn wir uns die Betreuung der Minderjährigen anschauen, dann sehen wir auch Fälle, in denen minderjährige Flüchtlinge einfach weg sind – um es einmal vorsichtig auszudrücken. Das sind Themen, die ich mir vor drei Jahren, wenn wir das damals diskutiert hätten, so nicht hätte vorstellen können.