Protocol of the Session on February 2, 2016

hören Sie doch zu –, das diene nur der Verteidigung von Schwarz-Grün: Es gibt eine Statistik aus Nordrhein-Westfalen „Bürgernahe Polizei – Den demografischen Wandel gestalten“ aus dem Monat Juni 2015, also aktuell. Da taucht Hessen auf dem vorletzten Platz auf. Hinter uns taucht aber Baden-Württemberg auf. Jetzt nehmen wir einmal Hessen beiseite.

(Norbert Schmitt (SPD): Wie heißt denn der Ministerpräsident?)

Ja, Baden-Württemberg hat einen SPD-Innenminister, glaube ich. – Warum taucht Baden-Württemberg da hinten auf, aber bei der Aufklärungsquote mit fast 60 %, nämlich 58,9 %, weit vorne? Also müssen auch die Baden-Württemberger irgendetwas richtig machen, um im Bereich der Kriminalitätsbelastung und im Bereich der Häufigkeit bei den Straftaten weit hinten zu erscheinen. Meine Damen und Herren, die Gleichung, die Sie hier immer aufmachen, stimmt nicht wirklich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zu dieser Studie will ich auch noch etwas sagen. Sie kommt aus Nordrhein-Westfalen. Da gibt es eine Fußnote: „In einigen Werten zur Personalstärke ist Verwaltungspersonal berücksichtigt, das sich nicht separieren lässt.“ Das sind in Nordrhein-Westfalen rund 1.000 Stellen. Wenn man die jetzt dazurechnen würde – wenn man weiß, dass es 1.000 Stellen sind, kann man sie auch einfach abziehen –, ist Nordrhein-Westfalen auf dem letzten Platz seiner eigenen Statistik.

Meine Damen und Herren, bei Statistiken muss man hinschauen, wie sie erstellt worden sind und welche Bezugsgrößen zugrunde gelegt werden. Einfach nur Zahlen miteinander zu vergleichen, ohne auf die Bezugsgrößen zu schauen, ist einfach nicht redlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube auch, wir würden gut daran tun, einmal darüber nachzudenken, welche Bilder hier bei der inneren Sicherheit erzeugt werden. Auf der einen Seite beschweren wir uns darüber, dass wir uns in einer sehr aufgeregten und aufgeheizten emotionalen Situation befinden. Auf der anderen Seite sind wir damit konfrontiert, welche Bilder erzeugt werden.

Ich habe vorhin schon etwas zum Thema AfD gesagt. Deshalb sollten wir als demokratische Parteien in diesem Hessischen Landtag alles unterlassen, was diese Stimmung auch noch befeuert. Das tut uns allen nicht gut, und es ist vor allen Dingen für die Sicherheit der Menschen, zumindest für ihr subjektives Sicherheitsempfinden, nicht gut. Meine Damen und Herren, wir als Demokraten sollten uns darauf einigen, das nicht zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Kollege Frömmrich, Sie müssen bitte zum Schluss kommen

Ich komme sofort zum Schluss. – Wir sollten nicht übertreiben und Bilder erzeugen, die mit den Realitäten unseres Landes wenig zu tun haben. Denn das kann zu Hysterie und Aktionismus führen. Was wir jetzt brauchen, ist eine ruhiges, besonnenes, aber auch zugleich entschlossenes Handeln. Ich wäre froh, wenn wir uns als Demokraten darauf einigen könnten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für DIE LINKE möchte ich gerne meiner Rede zur Regierungserklärung des Innenministers zwei Punkte voranstellen.

Erstens. Ich wünsche mir, dass beim Thema Flüchtlinge viel mehr die Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftspolitiker zu Wort kämen. Natürlich gibt es innenpolitische Aufgaben, und dazu sage ich auch gleich etwas. Aber sind die Aufgaben und die Chancen in der Sozial-, Bildungs- und Arbeitspolitik nicht ungleich größer? Gibt es hier nicht bereits viele Beispiele für gelungene Zuwanderung?

(Beifall bei der LINKEN)

Leider dominieren in der Flüchtlingsdiskussion landauf, landab stets die Innenminister. Das aber verengt den Blick, denn es dreht sich dann fast alles nur um Sicherheitsfragen. Deshalb verspielt heute die Hessische Landesregierung bei dieser Debatte auch eine große Chance.

Für die bundesweite Debatte füge ich hinzu: Wir müssen doch endlich über eine veränderte Außen- und Wirtschaftspolitik reden, um die Flüchtlingsursachen wirksam zu bekämpfen. Das wäre doch jetzt angesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier jedoch werden überwiegend die innenpolitischen Debatten geführt – aber so kann das nicht klappen.

Zweite Vorbemerkung. In einem wichtigen Punkt stimme ich dem hessischen Innenminister dennoch zu, nämlich in Ihrer Aussage, Herr Beuth, dass ein Flüchtling an sich kein Sicherheitsrisiko darstellt. Das ist zwar simpel und einleuchtend, aber man hört das nicht von vielen aus der Union. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass z. B. das CDU-Mitglied Herr Irmer diesen Satz nicht unterschreiben wird, von der CSU ganz zu schweigen.

(Widerspruch bei der CDU)

Ich finde, das kann man auch einmal feststellen – sozusagen im gegenseitigen Befremden, Herr Minister –: dass wir beide bei einem Punkt ausnahmsweise näher zusammen sind als die gesamte Union. – So weit meine Vorbemerkungen.

(Beifall bei der LINKEN)

So weit auch der kleine Konsens mit dem Innenminister. Meine Damen und Herren, aber keine Angst vor zu viel Nähe zur CDU, denn ich kehre sofort wieder in den Normalmodus zurück.

(Holger Bellino (CDU): Ich bin auch schon erschrocken!)

Nein, das will ich doch gar nicht. Herr Bellino, ich wollte nie, dass Sie vor mir erschrecken.

(Holger Bellino (CDU): Ich war schon ganz aufgeregt! – Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LIN- KE))

Denn ich kritisiere auch, dass die Koalition bei einem Punkt in der Vergangenheit und bei einem weiteren Punkt in der Gegenwart nicht so schlau war, die Vorschläge der LINKEN zu übernehmen.

Erster Punkt. Seit Jahren fordern wir mehr Polizei – sowohl quantitativ, also Stellen, als auch qualitativ, durch bessere Bezahlung und weniger Arbeits- und Überstunden. Seit Jahren arbeitet die hessische Polizei über dem Limit: 3 Millionen Überstunden, Unterbesetzung und abnehmende Präsenz in den ländlichen Regionen werden schon seit Jahren von den Gewerkschaften ebenso angeprangert wie die zu geringe Anzahl von Anwärterinnen und Anwärtern im Polizeidienst. Hessische Beamtinnen und Beamte haben

mit 42 Stunden pro Woche die längste Arbeitszeit in ganz Deutschland. Erst im kommenden Jahr wollen Sie das etwas angehen und die Wochenarbeitszeit um eine Stunde reduzieren. Um dies jedoch vollständig ausgleichen zu können, also nicht auf dem Rücken der Polizeibeamtinnen und -beamten, brauchten Sie allein im Polizeidienst zusätzlich 350 Personen. Bei einer Reduzierung auf eine reguläre 40-Stunden-Woche wären das übrigens 700 Beamtinnen und Beamte mehr. Die diesjährige Erhöhung der Anwärterzahl reicht also dafür nicht aus, und im Übrigen stehen die auch erst nach ihrem dreijährigen Fachhochschulstudium zur Verfügung, also erst Ende 2018.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die Entwicklung der Anwärterzahlen in den letzten Jahren im Haushalt zu vergleichen, und komme zu einem erstaunlichen Ergebnis. Gab es im Jahr 2010 insgesamt 1.456 Anwärterinnen und Anwärter, sind es Ende 2015 1.505, also eine magere Steigerung um 49.

Wären Sie hingegen unseren jährlichen Forderungen bei den Haushaltsdebatten nach Steigerung der Ausbildungskapazitäten gefolgt, dann hätten wir heute über 2.000 Anwärterinnen und Anwärter, und Sie könnten zudem über 317 bereits fertig ausgebildete Kommissarinnen und Kommissare verfügen.

Was die Besoldung angeht, darf nicht unerwähnt bleiben, dass es im abgelaufenen Jahr eine Nullrunde gab und Sie für die kommenden drei Jahre eine – wie ich meine – verfassungswidrige 1-prozentige Erhöhung planen. Herr Minister, dass Sie die Nullrunde in Ihrer Regierungserklärung zudem verschweigen und kunstvoll eine Zusammenrechnung der Erhöhungen der Jahre 2012 bis 2014 – also unter Auslassung des Jahres 2015 – mit insgesamt knapp 8 % vorgenommen haben, verhöhnt meines Erachtens die berechtigten Forderungen der Polizeibeamtinnen und -beamten nach Übertragung des Tarifergebnisses auf alle Beamtinnen und Beamten.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Weil Sie immer wieder von einem im Bundesvergleich hohen hessischen Besoldungsniveau sprechen, will ich es nochmals wiederholen: Nach einer Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes steht Hessen bei den Beamtinnen und Beamten im gehobenen Dienst auf der Basis einer 40-Stunden-Woche auf dem drittletzten Platz in Deutschland. Herr Minister, ändern Sie das endlich. Übernehmen Sie die Tarifergebnisse in den Beamtenbereich, und lassen Sie Ihre Finger von Nullrunden.

Herr Minister, Sie haben auch die Ausbezahlung von Überstunden angesprochen, für die zusätzlich 15 Millionen € bereitstehen. Ich habe mir auch einmal die Mühe gemacht, auszurechnen, wie viele von den 3 Millionen Überstunden, die bereits angefallen sind, Sie damit abbauen können. Wie Sie richtigerweise gesagt haben, sind das maximal 550.000 Überstunden, also weniger als 20 %.

(Alexander Bauer (CDU): Blockupy!)

Meine Damen und Herren, Herr Minister, was aber passiert mit den verbleibenden 2,5 Millionen Überstunden? Dazu, und wie Sie bei einer permanenten Unterbesetzung einen erneuten Anstieg verhindern wollen, haben Sie leider nichts gesagt.

Deshalb sage ich Ihnen: Manchmal würde es sich lohnen, auf die Opposition zu hören, und das schließt sogar die

Kolleginnen und Kollegen der SPD mit ein. Hören Sie einmal auf die Opposition, und setzen Sie jetzt ein Zeichen: Stellen Sie dauerhaft mehr Polizeibeamtinnen und -beamte ein, reduzieren Sie deren Arbeitslast, und sorgen Sie für eine Steigerung der Gehälter. Das wäre auch gut für die Sicherheit in Hessen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nancy Fae- ser und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir brauchen doch ausreichend Polizeibeamtinnen und beamte, um damit auch dem ganzen Unsinn der AfD und der Pegidioten entgegenzutreten.

Natürlich bedeuten mehr Menschen auch mehr Straftaten – was Wunder? Denn unabhängig von ihrer Herkunft begehen einige Menschen leider auch Straftaten. In Hessen sind es seit Langem um die 400.000 erfasste Straftaten pro Jahr – das haben wir gehört –, ohne Dunkelzahl. Meine Damen und Herren, wir sind uns sicher einig, dass natürlich alle Straftaten, unabhängig von Herkunft, Religion und Aufenthaltsstatus der Täter, verfolgt werden müssen. Um es mit den Worten von André Schulz vom LKA Hamburg, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, zu sagen – ich zitiere aus der „Welt“ vom Oktober 2015 –:

Asylbewerber begehen auch Straftaten? Oh, welche Überraschung. Das Phänomen nennt sich Ubiquität und kommt in den besten Familien vor. Es gibt Schlägereien zwischen verschiedenen Gruppen? Welch Wunder!

Würde man 1.500 Franken mit 1.500 Oberbayern, also zwei fremde Kulturen, in einen leer stehenden Baumarkt ohne jegliche Privatsphäre quetschen und diese über Wochen zum Nichtstun verdammen, würde es dort auch innerhalb kürzester Zeit zu Spannungen und Handgreiflichkeiten kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

… Es ist Aufgabe der Kriminalpolizei, diese Täter zu ermitteln und mithilfe der Justiz ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Dazu bedarf es ausreichender personeller und materieller Ressourcen.

Dummschwätzer, die meinen, Klartext zu sprechen, in Wirklichkeit aber, weil sie wenig reflektiert sind, Öl ins Feuer der Rechten kippen und Steigbügelhalter von AfD, NPD, Pegida und Co. sind, gibt es derzeit genug. Sie bringen uns gesellschaftlich aber kein Stück weiter. Sie sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

(Beifall bei der LINKEN)