Protocol of the Session on December 17, 2015

In diesen Tagen sprechen wir viel über die Herausforderungen, die aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen vor uns liegen.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Was zählt, ist, nicht nur zu reden, sondern entschlossen zu handeln. Das tut die Koalition aus CDU und GRÜNEN in Hessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im letzten Plenum haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen bereits eingehend über den Aktionsplan der Landesregierung zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts gesprochen. Gestern wurde die Verabschiedung dieses Plans beschlossen. Ich bin ausdrücklich dankbar, dass die Sozialdemokraten mit im Boot sind.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Torsten War- necke (SPD))

In der heutigen Aktuellen Stunde möchte ich mich dem Sport widmen. Der Sport ist seit jeher ein Brückenbauer zwischen Jung und Alt, Arm und Reich, zwischen Menschen verschiedener Herkunft, verschiedener Nationalität oder verschiedenen Glaubens. Der Sport ist daher hervorragend geeignet, zur Integration von Flüchtlingen beizutragen, die bei uns bleiben werden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das dient dem gesellschaftlichen Frieden und dem Zusammenhalt in unserem Land.

Die Landesregierung hat das erkannt und ein bundesweit bislang einzigartiges Förderprogramm für Sport und Flüchtlinge aufgelegt. Was leistet das neue Programm? Die Kernidee sind sogenannte Sportcoachs, die auf die Flüchtlinge zugehen und den Kontakt zu Sportvereinen, Asylbetreuung und Flüchtlingsinitiativen herstellen. Die Sportcoachs kümmern sich gemeinsam mit den Sportvereinen und den Trainern in den Gemeinden um Wege, wie Flüchtlinge vor Ort Sport treiben und in die Sportangebote von Vereinen integriert werden können. Sie begleiten die Flüchtlinge in der Anfangszeit und helfen bei Fahrgemeinschaften und weiteren Diensten.

Über das Programm des Landes erhalten sie eine kostenfreie Schulung durch die Sportjugend und eine Aufwandsentschädigung, die die Fahrtkosten einschließt. Auch der Versicherungsschutz ist gewährleistet. 2 Millionen € stellt das Land Hessen dafür zur Verfügung. Anträge können von Städten und Gemeinden gestellt werden, in denen mehr als 40 Flüchtlinge untergebracht sind. Die Förderung

beträgt zwischen 5.000 und 25.000 €. Gemeinden mit Erstaufnahmeeinrichtungen oder Notunterkünften können zusätzlich bis zu 25.000 € Fördergeld erhalten. Auch Gemeinden mit weniger als 40 Flüchtlingen können im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Anträge stellen. Das ist konkrete, praktische Hilfe vor Ort.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus eigener Erfahrung von fast 45 Jahren als Vorsitzender eines Fußballvereins kann ich sagen: Der Sport war schon immer ein kraftvoller Motor der Integration.

(Beifall der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Danke schön, Kollege Warnecke, für den freundlichen Beifall. – Ich meine nicht nur den Spitzensport. Natürlich sind junge Leute wie unser hessischer Fußballweltmeister Mustafi, die der Jugend ein Vorbild sind, Ausdruck dafür, dass unsere Gesellschaft jedem Einzelnen unendlich große Chancen bietet und dass es jeder schaffen kann. Wichtiger aber noch ist die Bedeutung des Breitensports. Wenn Kinder bei Sport und Spiel Erfolg und Misserfolg kennenlernen, Siege feiern und mit Niederlagen umgehen, wenn sie gemeinsam mit der Mannschaft und in Kameradschaft Anerkennung, Respekt und Zusammenhalt erleben, wenn sie merken, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, und wenn sie sehen, dass sich Fairness, Fleiß, Ordnung und Disziplin auszahlen, dann ist das ein Erfolg für die Integration und den Zusammenhalt, der unbezahlbar ist für jeden Einzelnen und für unsere gesamte Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe an fast jedem Tag die Gelegenheit, mir Trainingseinheiten oder Spiele von 388 Kindern und Jugendlichen meines Vereins anzuschauen und mitzuerleben, mit welcher Freude und Begeisterung alle bei der Sache sind. Sie kommen aus über 50 Herkunftsregionen dieser Welt, und über 80 % dieser Kinder und Jugendlichen haben ein Elternteil ausländischer Herkunft. Sie sprechen alle Deutsch und verhalten sich nach einheitlichen Regeln im Sport. Diese Arbeit ist für meine Heimatstadt unverzichtbar und ist angewandte Sozial- und Integrationspolitik.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

In diese Richtung müssen wir mit unserem hessischen Programm kommen. Ich bin der hessischen Sportjugend und der Landesregierung sehr dankbar für das neue Förderprogramm. Damit setzen wir die richtigen Akzente, um das Potenzial des Sports für die Integration von Flüchtlingen zu nutzen. Nachdem bereits das Modellprojekt der Sportjugend erfolgreich verlaufen ist, hoffen wir jetzt auf zahlreiche Anträge von Gemeinden und auf zahlreiche Freiwillige, die sich als Sportcoachs melden. Ich hoffe, dass unserem Dringlichen Entschließungsantrag alle Fraktionen zustimmen werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, lieber Horst Klee. – Das Wort hat Herr Abg. Hermann Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme Herrn Klee bei all den Aussagen, die er getroffen hat, zu. Auch ich glaube, dass es wichtig ist, in dieser Diskussion die besondere integrative Bedeutung des Sports hervorzuheben. Sportvereine leisten eine wichtige Arbeit im Bereich der Gesundheitsvorsorge, der Bildung und vor allem der Integration. Sie sind unbestritten ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft. Diese Aufgaben leisten die Sportvereine bereits seit vielen Jahrzehnten zumeist unentgeltlich. Im Bereich der Integration war und ist ihr Anteil am Abbau von Vorbehalten gegenüber Migrantinnen und Migranten sowie am Aufbau von Brücken zwischen den Menschen, wie ich es nennen will, von unschätzbarem Wert.

Dieses Engagement wurde meines Erachtens in der Vergangenheit nicht ausreichend öffentlich gewürdigt und rückt erst jetzt, im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte, verstärkt in den öffentlichen Blick. Ich gehe davon aus, dass nahezu alle im Landtag diese herausragende gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit der vielen Ehrenamtlichen in unseren Sportvereinen so sehen. Aber leider ist dies bei der hessischen Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach offenbar nicht so. Sie diffamiert die Arbeit der Sportvereine und schürt damit ausländerfeindliche Ressentiments. So war in einem insgesamt kruden Interview der „FAZ“ vom 15. Oktober 2015 Folgendes zu lesen – ich darf zitieren –:

Eine Bekannte wollte ihren Sohn in einem traditionsreichen Fußballverein in Frankfurt anmelden. „Kein Platz frei“, sagte man ihr. Als sie sich den Verein anschaute, stellte sie aber fest, dass es für türkische und marokkanische Jungs sehr wohl Plätze gibt.

Meine Damen und Herren, ich halte eine solch erfundene Aussage für unerträglich, schäbig und in höchstem Maße ausländerfeindlich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Hiermit wird die Arbeit Zehntausender ehrenamtlich in den Sportvereinen engagierter Menschen untergraben und diffamiert. Diese Aussage steht zudem in diametralem Gegensatz zu all den Bemühungen derer in der CDU, die sich seit vielen Jahren für den Vereinssport engagieren. Ich hätte gern Herrn Ministerpräsidenten Bouffier gefragt, insbesondere in seiner Funktion als Landesvorsitzender der CDU, was er von der Aussage seiner Parteikollegin Steinbach hält. Ich hätte erwartet und würde nach wie vor erwarten, dass er dazu heute Stellung nimmt, weil das am heutigen Tage in der Tat ein „Beitrag zur Friedfertigkeit“ wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn das so stehen bleibt, würde die CDU ihren heute eingebrachten Antrag zum Landesprogramm „Sport und Flüchtlinge“, dem wir im Übrigen uneingeschränkt zustimmen werden, selbst ad absurdum führen.

Es gibt viele gute Gründe, eine ausreichende Förderung des Breitensports sicherzustellen. In seiner gesellschaftlichen Bedeutung und seinen vielen positiven Effekten vor Ort ist eine solche Förderung letztendlich auch ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. Das ist unser Verständnis.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Die Schuldenbremse und der Kommunale Schutzschirm haben bei den Sportvereinen vor Ort vielfach zu Kürzungen der Zuschüsse und zu hohen Hallennutzungsgebühren geführt. Ich spreche dies an, damit klar wird, dass wir bei dem begrüßenswerten Sonderprogramm nicht stehen bleiben dürfen.

Wer den Sport als Integrationsmotor sieht, der muss für eine solide Grundfinanzierung der Sportvereine vor Ort sorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur wenn die Vereine dauerhaft und ausreichend finanziell ausgestattet werden, können sie ihre vielfältigen Aufgaben wirkungsvoll und erfolgreich fortführen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schaus. – Aus Nächste spricht Kollegin Hartmann, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie schon meine Vorredner dargestellt haben, bietet das Landesprogramm „Sport und Flüchtlinge“ einen guten Ansatz, um Flüchtlingen ein niederschwelliges Angebot zur Integration zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Ihnen vonseiten der CDU fällt uns auch kein Zacken aus der Krone, auch einmal Initiativen zu loben, die von der Landesregierung kommen und trotzdem sinnvoll sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin froh, dass Sie den Antrag der Sportjugend Hessen aufgegriffen haben und neben den Kommunen auch die Qualifizierung und den Einsatz von Sportcoachs fördern.

Meine Damen und Herren, die wichtigste Voraussetzung für die Integration von Flüchtlingen in Sportvereinen hat zweifelsohne schon vor Monaten der Landessportbund geschaffen, indem er einen eigenen Versicherungsschutz für Flüchtlinge in seinen Mitgliedsportvereinen abgeschlossen hat.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, dass es in Sportvereinen viele engagierte Menschen gibt, die sowohl ihr sportliches als auch ihr ehrenamtliches Know-how gerne in die Flüchtlingsarbeit einbringen wollen. Ich weiß aber auch, dass viele von ihnen unsicher waren, wie sie das machen könnten. Rechtliche Unsicherheiten, Sprachbarrieren und weitere Hürden haben in der Vergangenheit oft verhindert, dass Vereine Flüchtlinge schon früher integriert haben.

Mit diesem Programm wird eine weitere Voraussetzung geschaffen, dass diejenigen, die sich engagieren wollen, selbst Versicherungsschutz genießen, Fahrtkosten abrech

nen können, sich weiter qualifizieren und mit anderen austauschen können.

Seit Herbst 2014 gibt es drei Modellprojekte der Sportjugend Hessen in Bezug auf den Einsatz von Sportcoachs in Butzbach, Egelsbach und Maintal. Die Erfahrungen damit sind durchgängig positiv. Deshalb sind die Zielrichtung und die Absicht des Programms „Sport und Flüchtlinge“ ein richtiger und wichtiger Teil der Förderung ehrenamtlichen Engagements.

Sport hat unbestritten eine enorme Integrationskraft und bietet Flüchtlingen außerhalb ihrer Unterkunft die erste und einzige Möglichkeit für Außenkontakte. Wenn es um eine positive Willkommenskultur geht, bieten Sportvereine dafür ein optimales Umfeld. Insbesondere wenn ehrenamtliche Mitglieder ihre Hilfe anbieten, ist es eine hervorragende Möglichkeit, egal ob es um die Vermittlung von Werten wie Fairness, die Einhaltung von Regeln, Disziplin, Hilfsbereitschaft, Kameradschaft oder um den Aufbau von Freundschaften geht.

Sportvereine bieten Raum, damit sich Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen, unterschiedlichen Alters und auch unterschiedlicher Hautfarbe kennenlernen, Erfahrungen machen und sich austauschen können.

Gerade für Menschen, die wenig Abwechslung im Tagesablauf haben – damit meine ich nicht nur die, die dauerhaft hierbleiben können, sondern auch die, die nicht wissen, ob sie dauerhaft hierbleiben können –, und für Menschen, die in ihrer Heimat entwurzelt wurden, ist sportliche Betätigung nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern bietet auch die Möglichkeit, ihnen wieder unkompliziert das Gefühl von Gemeinschaft und Nähe zu geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist weiterhin positiv, dass das Programm in enger Zusammenarbeit mit der Sportjugend Hessen durchgeführt wird. Damit ist gewährleistet, dass eine Organisation konzeptionell in die Umsetzung des Programms eingebunden ist, die nachweisbar sowohl im Hinblick auf ehrenamtliches Engagement als auch im Hinblick auf Integration von Menschen mit Migrationshintergrund fundierte Erfahrungen hat.