Protocol of the Session on December 16, 2015

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Christoph Degen (SPD))

Ich sehe zudem nicht die Gefahr, dass danach Oberstufengymnasien wie Pilze aus dem Boden schießen werden und damit andere Schulstandorte gefährden könnten. Herr Schwarz, ich bin mir sicher: Schulentwicklungspläne werden verantwortungsbewusst erstellt und in letzter Instanz dann ebenso verantwortungsbewusst, die tatsächlichen Bedarfe aufgreifend, genehmigt. Wer sollte ein Interesse daran haben, Schulen dort zu eröffnen, wo keine Nachfrage besteht?

Eine kleine Kritik jedoch müssen sich die Damen und Herren der SPD-Fraktion auch von meiner Seite gefallen lassen. Auch dies wurde ein- oder zweimal in der Anhörung angesprochen.

Schon beim ersten Sichten des Gesetzentwurfs bin ich über die Finanzierungsfrage gestolpert. Sie geben an, es entstünden keinerlei Mehrkosten. Das ist natürlich falsch. Das wissen Sie auch. Das hat Herr Yüksel dann auch quasi mit der einen Stelle mehr zugegeben.

Ich möchte und werde mich auch weiterhin gegen den Versuch wehren, so zu tun, als wäre gute Bildung zum Nulltarif zu bekommen. Das ist nicht so. Bildung kostet. In dem Fall kosten auch die Lehrerinnen und Lehrer etwas. Das darf nicht unter den Tisch gekehrt werden.

Ich möchte noch auf einen letzten Punkt zu sprechen kommen. Nicht nur die hier aufgezählten Pros lassen mich an die Notwendigkeit der Gesetzesänderung glauben. Denn mein Idealbild eines gerechten Bildungssystems macht eigenständige Oberstufengymnasien oder Kollegs, wie sie andernorts auch heißen, völlig unverzichtbar. Sollte sich

die Bildungspolitik endlich einmal aus ihrer jahrzehntelangen Starre lösen und moderne pädagogische Ansätze aufnehmen sowie von den Erfahrungen anderer Staaten lernen, wären die eigenständigen Oberstufengymnasien die Schulform, die nach zehn Jahren gemeinsamen Lernens an der einen Schule für alle zum Abitur führt. Die Überwindung des selektierenden Schulsystems ist und bleibt eine der Hauptaufgaben der deutschen Bildungspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Was in den Privatschulen und in den integrierten Gesamtschulen längst Standard ist, muss endlich allgemeingültig für alle Schülerinnen und Schüler eingeführt werden. Da haben die eigenständigen Oberstufengymnasien natürlich ihre unbestrittene Berechtigung für all jene, die sich für diesen Bildungsweg nach der Klasse 10 entscheiden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Turgut Yük- sel (SPD))

Das Wort erhält Herr Abg. Greilich für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl die Anhörung als vor allem auch die Debatte, wie sie bisher heute hier geführt wurde, haben gezeigt, dass der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Lösung eines Problems vorgelegt wurde, das wir nicht hätten – jedenfalls nicht in dieser Massivität –, wenn Schwarz-Grün in Frankfurt nicht bildungspolitisch versagt hätte.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ändert daran nichts. Insofern mag ich Herrn Kollegen Yüksel ein wenig widersprechen. Wir werden hier keine Lex Frankfurt machen. Wir diskutieren hier nicht über eine Lex Frankfurt, sondern wir diskutieren über eine allgemein sinnvolle Regelung. Diese sinnvolle Regelung, das hat die Anhörung im Kulturpolitischen Ausschuss gezeigt, sollten wir hier beschließen, und zwar unabhängig von der Situation in Frankfurt, auf die ich noch zurückkommen werde.

Ich will eines auch noch klarstellen: Bei den grundständigen Gymnasien unterscheide ich mich anscheinend auch etwas von der Position des Kollegen Yüksel. Grundständige Gymnasien sind am besten geeignet, gymnasiale Bildung zu vermitteln.

(Beifall bei der FDP)

Da sind wir uns mit dem Philologenverband wie auch mit dem Deutschen Lehrerverband Hessen absolut einig. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit dieses Gesetzentwurfs. Denn selbstständige Oberstufengymnasien sind gerade keine Konkurrenz zu grundständigen Gymnasien. Da, wo sie gebraucht werden und notwendig sind, sind sie Teil eines differenzierten Schulsystems.

(Beifall bei der FDP)

Man sollte sich die Anhörungsunterlagen einmal genau anschauen. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass sich die verschiedenen Gruppen der Anzuhörenden überwiegend positiv zu dem Gesetzentwurf geäußert haben. Das hat zahlreiche Gründe.

Einer davon ist, dass es z. B. die meisten Gesamtschulen im Verbund nicht schaffen, so viele Schülerinnen und Schüler zum Abitur zu führen, um auf die notwendige Jahrgangsbreite zur Bildung einer Oberstufe zu kommen. Das hat z. B. Frau Sorge, die hier schon zitiert wurde, für Frankfurt bestätigt. Das gilt aber ganz genauso und teilweise noch mehr in der Fläche.

Herr Kollege May war so freundlich, mehrfach auf die Äußerungen der Frau Sorge und ihre Stellungnahme zu verweisen. Das spricht natürlich dagegen, dass es sich hier um eine Lex Frankfurt handelt. Denn Frau Sorge hat gerade in der Anhörung dieses, möglicherweise unbeabsichtigt, widerlegt, indem sie den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion mit dem Argument abgelehnt hat, sie wünsche sich eine gesetzliche Regelung zu der Sondersituation in Frankfurt. Also ist das, was hier vorliegt, offensichtlich keine Lex Frankfurt, wie sie sich Frau Sorge wünscht.

Das Bezeichnende dabei ist, dass Frau Sorge eine Erklärung abgab, die bezeichnend für die schwarz-grüne Schulpolitik in Frankfurt ist. Sie sagte, die jetzige Rechtslage sei für die weitere Frankfurter Schulentwicklung ein Hemmnis. Sie hat sich deshalb für eine Änderung des Schulgesetzes in diesem Punkt eingesetzt. Wie sie sich eingelassen hat, ist alles ein bisschen widersprüchlich. Aber im Ergebnis ist eines richtig: Wenn wir uns den Beginn des laufenden Schuljahrs in Erinnerung rufen, stellen wir fest, dass wir erlebt haben, was dort in Frankfurt passiert ist und warum wir unter anderem für die Stadt Frankfurt eine Änderung brauchen.

Zum neuen Schuljahr war es nämlich so, dass 500 Kinder, die ein Gymnasium ihrer Wahl in Frankfurt besuchen wollten, eben nicht an ihrem Wunschgymnasium aufgenommen werden konnten. Fast 200 wurden an die ursprünglich für den Stadtteil Nied geplante, neu gegründete Schule verwiesen. Das ist ein neu gegründetes Gymnasium, das man in ein paar Containern, die man zusammengestellt hat, unterbringen wollte. Für das gab es kaum Anmeldungen. Der Rest wurde an andere Schulen verwiesen.

Das ist keine Schulpolitik, die sich an den Interessen der Eltern und der Schüler ausrichtet. Vielmehr ist das das Versagen der Schulpolitik in Frankfurt.

(Beifall bei der FDP)

Bezeichnend dabei ist die Notlösung, die man in Frankfurt dann gefunden hat. Man hat eine Außenstelle des MaxBeckmann-Gymnasiums gegründet, die als Ersatz für ein richtiges Oberstufengymnasium herhalten musste.

Wenn man die Situation nicht kennt, kann man sich das vielleicht so vorstellen: Da sind zwei Schulen nebeneinander. Da macht man das dann entsprechend.

Frau Sorge hat es aber nicht eilig damit, diese Notlösung in Frankfurt zu bereinigen. Ihr reicht es, wenn sich im Rahmen der Schulgesetznovelle nicht übermorgen, sondern irgendwann etwas ändert. Ich kann das verstehen. Vom bequemen Sessel der Schuldezernentin in der Stadt Frankfurt aus mag man das so sehen.

Die, die das ausbaden müssen, die Schüler, die Eltern und die Lehrer, sehen das alles etwas anders. Interessanterweise hatten wir in der Anhörung auch den Schulleiter dieser betroffenen Schule, Herrn Stripp. Er hat seine Situation beschrieben. Es sind eben nicht zwei zusammenhängende Schulstandorte, sondern es sind glatt 7 km zwischen der Schule und der damit verbundenen Oberstufe. Es sind

7 km Abstand. Das sind zwei selbstständige Schulen. Nur dürfen sie rechtlich natürlich nicht selbstständig sein, weil Sie das Gesetz nicht entsprechend anpassen.

Herr Stripp hat sarkastisch bemerkt, dass er sich freut, dass er dem Land das Geld für eine Schulleiterstelle spart. Er würde sich aber freuen, wenn sich der Gesetzgeber bewegen würde. Das sei nämlich alles nicht so ganz einfach. Wenn man den Schulalltag sieht, kann man sich das auch vorstellen. Er hat zwei Schulstandorte zu leiten, die 7 km voneinander entfernt sind. Das sind zwei Schulgemeinden, zwei Lehrerschaften und zwei Schülerschaften. Das ist sicherlich anstrengend. Da reicht es nicht, dass Frau Sorge uns erklärt, das könne man damit regeln, dass man dem Schulleiter ein paar zusätzliche Deputatstunden gibt.

Meine Damen und Herren, das ist fern von den Problemen der Menschen. Sie sind offenkundig fern von den Problemen der Menschen. Aber das passt zu der Diskussion, die wir beim letzten Tagesordnungspunkt hatten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. May?

Ach ja, lassen wir ihn einmal fragen. Das ist immer ganz lustig.

Sehr geehrter Kollege Greilich, wie beurteilen Sie die Situation an anderen Schulen? Ist Ihre Auffassung tatsächlich, dass eine gemeinsame Schulleitung für zwei Schulstandorte, insbesondere wenn sie an zwei verschiedenen Orten sind, unzumutbar ist? Wie beurteilen Sie dann die auch in der letzten Legislaturperiode in großer Anzahl genehmigten Verbundschulen?

Ich hätte die Zwischenfrage doch besser nicht zugelassen; denn Sie haben mir eine halbe Minute meiner letzten Minute Redezeit genommen. Aber ich halte es prinzipiell für problematisch, was Sie hier schildern, nämlich an zwei weit entfernten Standorten Schulen zu leiten. Das ist nicht sonderlich dienlich.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich diese Schlusssätze noch sagen: Die Koalition in Wiesbaden passt insoweit mit ihrer gymnasialfeindlichen Politik zur Politik der gleichen Farbenlehre in Frankfurt, zur völlig verfehlten schwarz-grünen Schulpolitik. Was Sie hier machen mit dem Stellenabzug von den gymnasialen Oberstufen, passt genau zu der Ablehnung selbstständiger Oberstufengymnasien. Das ist ja auch logisch: Auf selbstständige Oberstufengymnasien bezogen, bedeutet diese Stellenkürzung eine Kürzung um glatte 8 % im Laufe der drei Jahre, auf die Sie das angelegt haben. Insofern machen Sie mit Ihrer Ablehnung des Gesetzentwurfs der SPD wieder einmal deutlich: Die Gymnasien machen Sie zum Steinbruch schwarz-grüner Bildungspolitik.

(Beifall bei der FDP – Armin Schwarz (CDU): Haben Sie die Stellungnahme Ihrer Frau gelesen?)

Das Wort hat der Herr Kultusminister Prof. Dr. Lorz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Anhörung zu dem Gesetzentwurf der SPD hat dreierlei gezeigt. Erstens. Es gibt insbesondere unter dem Blickwinkel der Situation in Frankfurt durchaus Anlass, über das rigorose Verbot neuer eigenständiger gymnasialer Oberstufen neu nachzudenken.

Zweitens. Es gibt aber keine besondere Dringlichkeit, die ein Handeln – –

(Janine Wissler (DIE LINKE) niest laut.)

Das war ein interessanter Kommentar. Gesundheit, liebe Frau Wissler.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Danke!)

Zweitens. Es gibt aber keine besondere Dringlichkeit, die ein Handeln schon zu Beginn des Schuljahres 2016/17 unbedingt gebieten würde.

Drittens und vor allen Dingen ist die Frage durchaus komplex und verlangt die Berücksichtigung diverser Parameter. Deswegen kann sie jedenfalls nicht so einfach beantwortet werden, wie das der vorliegende Gesetzentwurf versucht.

Ich will das in aller gebotenen Kürze im Einzelnen näher ausführen. Aber lassen Sie mich zunächst eines feststellen, weil das von entscheidender Bedeutung ist, und damit auch klar ist, dass wir diese Diskussion ohne Hast und ohne Aufgeregtheit führen können: Der Zugang zu einer gymnasialen Oberstufe ist schon heute unabhängig von dem bisherigen Bildungsweg überall in Hessen möglich. Der entsprechende Anspruch ist zu 100 % eingelöst und wird auch weiterhin eingelöst werden.

Aber dafür ist die Errichtung neuer eigenständiger Oberstufengymnasien nicht der einzige Weg, sondern das geht beispielsweise auch über die Erweiterung bestehender Oberstufen. Es geht durch den Aufbau neuer Oberstufen an bestehenden Mittelstufenschulen oder auch an neu gegründeten Schulen. Das Verbot der Neuerrichtung eigenständiger Oberstufengymnasien, wie es heute noch im Gesetz steht, steht dem in keiner Weise im Weg. Die Art und Weise, wie die Situation in Frankfurt gehandhabt wird, zeigt das auch.

Meine Damen und Herren, ich kann auch nicht erkennen – ich will nur eine Inkonsistenz aus der Begründung des Gesetzentwurfs aufgreifen –, warum ausgerechnet die zurückgehenden Schülerzahlen im ländlichen Raum dort zur Neuerrichtung von Schulen führen sollen – so steht es in der Begründung. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Wenn die Schülerzahlen zurückgehen, lautet die Antwort darauf, neue Schulen zu errichten?