Protocol of the Session on December 16, 2015

Weil dann noch einmal nachgefragt wurde, ob dieser zeitliche Rahmen ausreiche, sagte sie:

Aus meiner Sicht muss das nicht übermorgen passieren, sondern das in einer zukünftigen Schulgesetznovelle vorzunehmen, die aufgrund des Bildungsgipfels und anderer Gegebenheiten irgendwann ansteht, ist durchaus ausreichend.

Dann sagte sie weiter:

Der SPD-Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht ein bisschen mit heißer Nadel gestrickt worden …

Lieber Kollege, von daher ist der riesige und dringliche Bedarf überhaupt nicht vorhanden. Die Stadt Frankfurt hat eine Übergangslösung geschaffen. Sie ist vollkommen einverstanden damit, dass wir das in eine große Novelle einfließen lassen. Von daher gibt es keinen riesigen und dringlichen Bedarf. Es gibt den riesigen und dringlichen Bedarf, sich das Schulgesetz in Gänze anzuschauen und einen überlegten und tauglichen Entwurf vorzulegen. Das ist Ihr Entwurf nun einmal nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn wir über die Neuregelung der gymnasialen Oberstufe reden, muss in einem solchen Gesetzentwurf betrachtet werden, welche anderen Möglichkeiten es zum Abitur gibt und welche Auswirkungen es hat, wenn wir es an einer Stelle oder isoliert ermöglichen. Die Fragen lauten: Was bedeutet das für den Aufbau von Oberstufen an Gesamtschulen? Oder was bedeutet das für Oberstufen an beruflichen Gymnasien? Auch das muss man bei einer Schulgesetznovelle mit in Betracht nehmen.

Eine Schulgesetznovelle ist wie das Arbeiten an einer sehr komplexen Maschine: Es ist nicht der Sachlage angebracht, wenn man leichtfertig an einzelnen Schräubchen dreht, bloß weil man glaubt, dass man einen kurzfristigen Erfolg mit einer Zeitungsmeldung erreichen kann. Meines Erachtens ist das kein verantwortungsvoller Umgang mit dem Schulgesetz.

Wenn man sich über die Frage der Ausgestaltung der Oberstufe und der weiterführenden Schulsysteme insgesamt austauschen möchte, dann sollte man das im Gesamtkontext aller Schulformen und aller Schulsituationen ma

chen und nicht nur aufgrund einer regionalen Situation, die auch nicht so dringlich ist, wie Sie das dargestellt haben.

Von daher muss ich sagen, der SPD-Gesetzentwurf ist ein Schnellschuss. Wir hegen dem Anliegen gegenüber zwar eine große Offenheit, aber der Gesetzentwurf der SPD ist untauglich. Wir werden daher das Anliegen im Rahmen der Gesetzesnovelle 2016 wieder anpacken. Dem SPDEntwurf können wir heute allerdings nur unsere Ablehnung erteilen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Schwarz für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Die Anhörung zu dem Gesetzentwurf der SPD hat ein differenziertes Bild abgegeben. Herr Kollege Yüksel, Sie waren so frei und haben auf diejenigen Bezug genommen, die ihn befürwortet haben. Zur Wahrheit gehört, dass einige Fachleute gesagt haben: Jawohl, wir können es uns vorstellen, in einem Ballungsraum unter ganz bestimmten Voraussetzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt neue eigenständige gymnasiale Oberstufen einzurichten. – Aber an keiner Stelle wurde Zeitdruck in der Form geäußert, dass das Ganze sofort und unverzüglich zu geschehen habe. Kollege May hat eben darauf hingewiesen.

Andere Experten haben geäußert, sie sehen das kritisch, sie sehen das skeptisch. Die Anzahl derer, die es in der von Ihnen vorgeschlagenen Form kritisch und skeptisch sehen, ist nicht zu unterschätzen. Das sind der Philologenverband, der VDL, der dlh, die Interessenvertretung der Direktoren an den gymnasialen Oberstufen, die Direktoren der beruflichen Schulen, der Gesamtverband der Lehrer an beruflichen Schulen und viele mehr.

Welche Bedenken werden geäußert, was haben diese Bedenken gemeinsam, und welche Gründe werden genannt? – Einerseits wird überall festgestellt, das hessische Schulsystem hat eine fantastische Durchlässigkeit, der Übergang von der einen Schulform zur nächsten funktioniert prächtig.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Das darf man einmal feststellen. Das ist der Erfolg eines differenzierten Bildungsangebots. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Des Weiteren wurde darauf hingewiesen – Herr Kollege Yüksel, das darf man nicht völlig ausblenden, es ist nun einmal so –: In den letzten drei Jahren ist die Anzahl der Schüler an den eigenständigen gymnasialen Oberstufen um 10 % zurückgegangen.

(Turgut Yüksel (SPD): Wo?)

10 % an 21 Oberstufengymnasien.

(Turgut Yüksel (SPD): Wo?)

Des Weiteren ist festzustellen – aus dieser Wahrheit kommen wir nicht heraus –: Wenn die Schülerzahlen geringer sind, dann ist es schwieriger, ein breites Kursangebot und ein breites flankierendes Förderangebot vorzuhalten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Es ist im Interesse derer, die dorthin gehen, eine hohe Qualität mit einem hohen Maß an Auswahlmöglichkeiten vorzuhalten. Es besteht auch die Gefahr der Kannibalisierung, die Gefahr, dass dort Konkurrenzsituationen geschaffen werden, die die funktionierenden Systeme tatsächlich so schwächen, dass nirgendwo mehr die erforderliche und wünschenswerte Breite vorgehalten werden kann.

Sie haben eben die höheren Kosten angesprochen, die angeblich nicht im Raum stehen. Ich weiß nicht, von welchem eigenständigen Oberstufengymnasium Sie sprechen. Aber mit den Stunden und den Stellen, die Sie beschrieben haben, ist das Ganze nicht erfolgreich zu bewerkstelligen. Unterhalten Sie sich noch einmal mit jemandem in Ihrer Fraktion, der sich damit auskennt. Vielleicht weiß Kollege Degen Rat.

Ich könnte jetzt verschiedene Zitate bringen, beispielsweise vom Verband Bildung und Erziehung oder vom Philologenverband, wo sehr deutlich darauf hingewiesen wird, dass genau diese von mir eben beschriebenen sechs Aspekte eine wesentliche Rolle spielen und aufgrund dieser Tatsache Ihr Gesetzentwurf sehr skeptisch gesehen wird.

Einen Punkt will ich allerdings schon einmal hier extrapolieren. Sie weisen in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs darauf hin, dass sich die eigenständigen Oberstufengymnasien viel besser um die Quereinsteiger kümmern könnten, als das an grundständigen Gymnasien der Fall sei. Da will ich doch schon einmal feststellen, dass an den grundständigen Gymnasien fantastische Arbeit geleistet wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, darauf können wir stolz sein, und darauf können auch die Kolleginnen und Kollegen stolz sein, denen wir ausdrücklich unseren Dank aussprechen. – An der Stelle würde ich mich wirklich etwas zurückhalten, die einen gegen die anderen ausspielen zu wollen. Das ist nicht unsere Art von Politik. Wir wollen ein breites Angebot machen, wir wollen eine Auswahlmöglichkeit herstellen, und wir wollen nicht den einen Kollegen sagen: Ihr könnt das viel besser, als es die anderen tun. – Das ist nicht ordentlich und nicht redlich. Kompensationsunterricht und Fördermaßnahmen gibt es auch an den grundständigen Gymnasien. Darauf darf man auch einmal hinweisen.

Meine Damen und Herren, was bleibt unter dem Strich? Wir stehen im nächsten Jahr vor einer umfänglichen Gesetzesnovelle; Kollege May hat dankenswerterweise darauf hingewiesen. Herr Kollege, Schnellschüsse haben noch nie zum Erfolg geführt. Genauigkeit geht vor Schnelligkeit. Präzision und Zuverlässigkeit gehören zusammen. Deswegen würde ich empfehlen, vielleicht noch einmal einen Querschnitt von den schriftlichen Stellungnahmen zu nehmen.

Wir jedenfalls sehen uns in der Auffassung bestätigt, dass wir zunächst eine gründliche Prüfung des tatsächlichen Bedarfs und dann eine entsprechende landesweite Regelung vornehmen. – Herr Kollege Yüksel, hören Sie doch einmal zu.

(Norbert Schmitt (SPD): Er ist der Einzige, der Ihnen zuhört!)

Das sagt der Abgeordnete aus dem nördlichen Hessen, der sich sehr mit der Stadt Frankfurt und den Frankfurter Schulen verbunden fühlt, der sich für ganz Frankfurt, für den ländlichen Raum, für die Mitte, für Ost und West einsetzt.

Wir werden mit dieser Gesetzesnovelle der besonderen Frankfurter Situation Rechnung tragen. Frankfurt wächst, in Frankfurt gibt es auch sukzessive mehr Schülerinnen und Schüler. Das alles werden wir sehr genau beobachten. Insofern bleibt es dabei: Wir arbeiten ordentlich, wir arbeiten sauber. Auf uns ist Verlass. Herr Kollege May und meine Wenigkeit, wir fühlen uns allen Schulen in Hessen gleichermaßen verbunden. Wir freuen uns darauf, dass wir im nächsten Jahr ein tolles neues Hessisches Schulgesetz auf den Weg bringen, in dem wir alle Aspekte berücksichtigen, die eine Rolle spielen. Wir nehmen auch gern die Impulse aus der Anhörung auf, die der Sache zuträglich sind.

Ich jedenfalls bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Novelle des Hessischen Schulgesetzes. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abg. Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im November hatten wir die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf. Die meisten Anzuhörenden – ich denke, es waren wirklich die meisten Anzuhörenden – haben sich für die Möglichkeit ausgesprochen, neue eigenständige Oberstufengymnasien entstehen zu lassen. Ich teile diese Einschätzung.

(Armin Schwarz (CDU): Dann zählen Sie noch einmal durch!)

Der Grund mag in Frankfurt, wo Schulplätze rar sind, auf der Hand liegen. Wenn Bedarf nach Oberstufenplätzen vorhanden ist, sollte es selbstverständlich sein, dass diese geschaffen werden. Die Oberstufengymnasien haben durchaus eine nachvollziehbare Berechtigungsgrundlage; denn sie richten sich – auch dies haben wir in der Anhörung gehört – nicht in erster Linie an die Schülerinnen und Schüler, die die Mittelstufe an einem reinen Gymnasium durchlaufen haben. Vielmehr ist die Schulklientel an den eigenständigen Oberstufengymnasien sehr heterogen.

Viele der Schülerinnen und Schüler waren zuvor auf einer Realschule. Sie kommen mit einer ganz anderen Bildungsgrundlage in die Oberstufe. Nehmen Sie doch einmal die zweite Fremdsprache, die längst nicht alle vorweisen können. Die Oberstufengymnasien sind gezielt darauf vorbereitet, mit den Schülerinnen und Schülern das nachzuholen, was für die Zulassung zum Abitur notwendig ist.

Auch weiß man in diesen Gymnasien von vornherein um die Heterogenität ihrer Schülerschaft. Herr Schwarz, Sie stellen sich darauf ein, während sich das Gymnasium vor

allem dadurch auszeichnet, die Schülerschaft möglichst homogen halten zu wollen.

Die Landesschülervertretung hat aus eigener Erfahrung noch einen weiteren Punkt hinzugefügt, nämlich die Sozialstruktur. An den reinen Gymnasien geschieht der Übergang von der Mittelstufe in die Oberstufe sozusagen nahtlos. Die jungen Menschen kennen sich bereits, wenn sie in die Abiturphase eintreten. Sie haben zuvor viele Jahre im Klassenverband gelernt und gelebt. So sind tiefe soziale Bindungen entstanden.

Für neu hinzukommende Schülerinnen und Schüler ist es aber schwer, sich in die längst verfestigten Strukturen einzuleben. Kommen dann noch Lernstress und hoher Leistungsdruck hinzu, kann das zu einer negativen Spirale führen, die zumindest den Weg zum Abitur erschwert.

Für Quereinsteiger ein eigenes Angebot zu schaffen, macht aus verschiedenen Perspektiven Sinn.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Christoph Degen und Turgut Yüksel (SPD))

Zum aktuellen Anlass – das Beispiel Frankfurt – ist zu sagen, dass es zeigt, dass selbst die letzte Landesregierung keine Zweifel daran hatte, dass sich neue eigenständige Oberstufengymnasien gründen lassen. So, wie ich es verstanden habe, wurde in Kooperation der Frau Sorge mit der damaligen Kultusministerin Beer eine solche Schule im Stadtteil Gallus genehmigt. Irgendwann fiel jemandem einmal auf, dass es ein Gesetz gibt, das genau das verbietet. Auch deshalb plädiere ich dafür, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht leichtfertig, aber jetzt doch ohne viel Trara anzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Christoph Degen (SPD))