Meine Damen und Herren, ich kann auch nicht erkennen – ich will nur eine Inkonsistenz aus der Begründung des Gesetzentwurfs aufgreifen –, warum ausgerechnet die zurückgehenden Schülerzahlen im ländlichen Raum dort zur Neuerrichtung von Schulen führen sollen – so steht es in der Begründung. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Wenn die Schülerzahlen zurückgehen, lautet die Antwort darauf, neue Schulen zu errichten?
Nein, meine Damen und Herren, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Gerade wenn es erforderlich wird, dass mehrere Schulen der Sekundarstufe I zur Gewährleistung entsprechender Jahrgangsbreiten miteinander kooperieren, braucht man dafür nicht noch eine eigenständige Schule obendrauf, sondern es genügt, wenn eine der kooperieren
den Schulen über eine Oberstufe verfügt. Nicht die Frage, wo die Oberstufe angesiedelt ist oder ob die Oberstufe selbstständig ist, ist entscheidend, sondern dass die Schulen kooperieren. Darauf müssen wir achten, und das ist auch die Antwort für den ländlichen Raum.
Ich will ausdrücklich betonen, dass uns das nicht von weiterem Nachdenken abhalten wird und dass wir natürlich sehen, dass bei insgesamt erheblich steigenden Schülerzahlen wie in Frankfurt das Thema damit nicht einfach ad acta gelegt werden kann. Wir müssen jedoch eines verhindern: dass anderswo neue eigenständige Oberstufen leichthändig errichtet werden, beispielsweise aus rein lokalpolitischen Gründen, weil es vielleicht im Moment der einfachste Weg ist, damit man sich nicht entscheiden muss, etwa in einem Landkreis, wenn in den verschiedenen Städten verschiedene Schulen sind, welche Schule jetzt die Oberstufe bekommt. Das kann nicht der Grund sein.
Wenn ein neues eigenständiges Oberstufengymnasium errichtet werden soll, dann muss es auf Dauer trag- und lebensfähig sein. Es darf vor allem auch nicht irgendwelche bereits existierenden Oberstufen kannibalisieren.
Deswegen ist eine bloße Aufhebung des gegenwärtigen Verbots ohne neue ergänzende Rahmensetzungen nicht sinnvoll. Aber zu diesen Rahmensetzungen – deshalb bin ich dankbar, dass dieser Gesetzentwurf eingebracht worden ist – hat uns die Anhörung in der Tat wertvolle Hinweise gegeben. Sie hat gezeigt, dass wir, wenn wir uns die Sache näher betrachten, auf jeden Fall drei Dinge gewährleisten müssen:
erstens die schon erwähnte, auf Dauer tragfähige Jahrgangsbreite an einer neu zu errichtenden Oberstufenschule, was beispielsweise die Vereinigung der Oberstudiendirektoren in der Anhörung besonders betont hat,
zweitens die Vermeidung eines Überangebots an Oberstufenplätzen, die zwangsläufig zu einer ruinösen Konkurrenz zwischen den verschiedenen Oberstufenschulen führen würde, worauf in der Anhörung etwa der Deutsche Lehrerverband Hessen, der Philologenverband, aber auch der Landeselternbeirat hingewiesen haben, und
drittens eine saubere Abwägung, ob wirklich die Neuerrichtung eines Oberstufengymnasiums oder nicht eher die Erweiterung einer bestehenden gymnasialen Oberstufe oder der Aufbau einer neuen gymnasialen Oberstufe an einer existierenden Gesamtschule den Gegebenheiten vor Ort am besten entspricht.
Mit Verlaub, Herr Kultusminister, sind die drei genannten Kriterien nicht Kriterien, die Ihr Haus bei der Genehmigung eines Schulentwicklungsplans ohnehin anlegt?
Herr Abg. Degen, das ist durchaus richtig. Darauf müssen wir auch achten. Aber deswegen war es interessant, dass gerade der letzte Punkt, den ich genannt habe, in der Anhörung auch vom Landeselternbeirat und von der Stadt Frankfurt, von der schon mehrfach zitierten Schuldezernentin Frau Sorge, erwähnt wurde. Die Schulträger haben selbst den Wunsch für ihre Schulentwicklungsplanung, dass sie sozusagen festgelegt haben, aufgrund welcher Kriterien sie entscheiden. Das heißt, sie begrüßen es, wenn Kriterien im Gesetz stehen, die ihnen umgekehrt Sicherheit geben, wie die Genehmigungspraxis des Kultusministeriums aussieht.
Wenn sie sozusagen freihändig, ohne Anleitung im Gesetz, planen und wir dann auch freihändig – auch wenn wir das so gut wie möglich zu kommunizieren versuchen – entscheiden, ist das jedenfalls nicht der Idealzustand, sondern wenn die Abwägung durch im Gesetz niedergelegte Parameter gesteuert wird, dann ist das für alle Seiten einfach die berechenbarere Variante.
Meine Damen und Herren, deswegen werden wir genau prüfen und überlegen, wie diese Punkte zu gewährleisten sind, auch wie man das im Gesetz niederlegen kann. Wir werden Ihnen dazu – das ist schon mehrfach angekündigt worden, das ist auch primär meine Aufgabe; deswegen bestätige ich es Ihnen gerne – im Rahmen der anstehenden Schulgesetznovelle einen Vorschlag machen. Das wird im Laufe des nächsten Jahres sein, in das wir demnächst hineingehen werden. Aber einen Schuss aus der Hüfte, eine solche isolierte Regelung, wie sie der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, brauchen wir für diesen Zweck nicht. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen. – Ich komme zur Abstimmung in zweiter Lesung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Dritten Gesetzes zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen, Drucks. 19/2821 zu Drucks. 19/1981.
Wer diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, FDP und LINKEN. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Damit stelle ich fest, dass dieser Gesetzentwurf mit Mehrheit abgelehnt worden ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beschlussempfehlung des Innenausschusses: Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen von SPD und DIE LINKE, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.
Vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abg. Schott für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die GRÜNEN 2003 einen gleichlautenden Gesetzentwurf in den Hessischen Landtag eingebracht haben. Dieser wurde damals vom Parlament mehrheitlich abgelehnt. Jetzt lehnen die GRÜNEN ihren eigenen Gesetzentwurf ab. Ich freue mich auf die grüne Stellungnahme hier im Parlament, mit der Sie begründen wollen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben.
Der schafft alles. – Mein Kollege, Herrmann Schaus, beschrieb die Diskussion im Innenausschuss als „grünen Eiertanz“.
Meine Herren von der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hört der Kollegin Schott lieber zu. Das ist spannender.
Ich habe es einmal nachgelesen. Der Duden definiert diese Redewendung umgangssprachlich als „sehr vorsichtiges, gewundenes Verhalten und Taktieren in einer heiklen Situation“. Ursprünglich wurde damit ein kunstvoller Tanz zwischen ausgelegten Eiern bezeichnet. Da sind wir doch alle einmal gespannt.
In den Kommunalparlamenten gibt es immer noch nicht viele Menschen mit Behinderungen. Warum wohl? Weil es immer noch Rathäuser gibt, die nicht barrierefrei sind. Genauso ist es mit den Gemeindehäusern, in denen gelegentlich die Kreistagssitzungen stattfinden. Menschen mit Behinderungen, die beispielsweise einen Rollstuhl fahren, können nicht ohne fremde Hilfe dort hineinkommen.
Wenn Menschen mit Behinderungen um jeden Nachteilsausgleich kämpfen bzw. eher betteln müssen, ist dies eine unwürdige Angelegenheit.
Meine lieben GRÜNEN, das ist leider auch heute noch so. Wenn Sie dies nicht so wahrnehmen, überlegen Sie doch einmal selbst, wie viele Gemeindevertreter und -vertreterinnen mit Schwerbehinderungen in die Kommunalparlamente entsandt sind und wie viele Sie dort kennen. Wir haben uns einmal umgehört.
Die Diskussionen mit den Verwaltungen vor Ort beginnen bei der Anforderung von Stühlen ohne Armlehnen, weil jemand, der gewöhnlich im Rollstuhl sitzt, auch den Stuhl benutzen möchte. Sie gehen über Türklinken, die zu hoch sind, um sie sitzend zu öffnen, oder Türen, die sich nicht einhändig öffnen lassen. Man kann den Raum dann nicht ohne Begleitung verlassen. Es gibt Diskussionen über Tische, die mit dem Rollstuhl nicht unterfahrbar sind, über höhenverstellbare Redepulte, zusätzliche Mikrofone und vieles mehr. So ist das in der Gegenwart geschehen.
Apropos zusätzliche Mikrofone. Eine Stadtverordnete bat um ein Mikrofon, weil sie vom Platz aus sprechen und nicht von einer Begleitperson vorgeschoben werden wollte. Sie hat sich das Mikrofon selbst auf eigene Kosten besorgt, weil es keine rechtliche Grundlage dafür gibt – und die wollen Sie ihr auch weiterhin verweigern.
Die Verwaltung und der Magistrat waren allerdings nicht damit einverstanden, dass das Mikrofon angeschlossen wird. Es wurde damit argumentiert, dass es besser sei, wenn sie vor der Versammlung sitzen würde. – Es ist ein seltsames Verständnis von Inklusion, wenn man derart über die Interessen der Betroffenen hinweggeht. Genau wegen solcher Fälle, die keine Einzelfälle sind, brauchen wir eine Regelung in der HGO.
Eine gesetzliche Regelung würde helfen, die Ansprüche durchzusetzen. Dann kann die Kommune diese nicht zurückweisen und unter Finanzvorbehalt stellen. Es wäre klar, dass nicht der Betroffene selbst diese Kosten tragen muss, sondern die Verwaltung für die barrierefreie demokratische Beteiligung verantwortlich ist.
Man kann sich nur theoretisch darauf zurückziehen, es sei alles geregelt. Wir haben neben dem Benachteiligungsverbot im Grundgesetz die UN-Behindertenrechtskonvention. Diese enthält die Verpflichtung für die Vertragsstaaten, dass sie das Recht von Menschen schützen, bei Wahlen zu kandidieren, ein Amt wirksam auszuüben und alle öffentlichen Aufgaben auf allen Ebenen staatlicher Tätigkeit wahrzunehmen, indem sie gegebenenfalls die Nutzung unterstützender und neuer Technologien erleichtern. Das sind aber alles Verpflichtungen, die eine konkrete Regelung für die Praxis benötigen. Die wollen wir hier schaffen.
Im Jahr 2003 haben die angehörten Verbände und Institutionen den Gesetzentwurf begrüßt. Lediglich der Städtetag und der Städte- und Gemeindebund hatten Bedenken. Auch der Landkreistag hat zugestimmt. Ich bin mir sicher, eine neuerliche Anhörung hätte Ähnliches zutage treten lassen. Auch wenn das Hessische Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen von einem Benachteiligungsverbot spricht, stellt es sämtliche baulichen und sonstigen Veränderungen unter einen Finanzierungsvorbehalt. Die meisten Kommunen in Hessen können nachweisen, dass sie nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Das Gesetz enthält auch keinen speziellen
Mit dieser Gesetzesänderung können wir dafür sorgen, dass eine Gleichbehandlung möglich ist. Wir können es mehr Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglichen, am demokratischen Geschehen teilzuhaben.
Vielen Dank, Frau Schott. Das war eine Punktlandung. Ich bitte, das nachzumachen. – Herr Kollege Bauer für die CDU.