Auch bezüglich des Inhalts der Akten wurde ein Maßstab angelegt, der weitaus mehr Informationen bietet, als es etwa im Rahmen der Arbeit des Bundestags-Untersuchungsausschusses der Fall war. Ich möchte hierbei anmerken, dass sich die Bundestagsabgeordneten über die von uns gelieferten Akten zu keiner Zeit beschwert haben.
In den von mir bereits angesprochenen Koordinierungsgesprächen im letzten November wurden die anzulegenden Schwärzungsgrundsätze vonseiten der Landesregierung auch den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses vorgetragen. Es gab keinerlei Widerspruch. Diese Grundsätze orientieren sich selbstverständlich bereits an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Für Schwärzungen kommen demnach Informationen infrage, die dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterliegen,
Fälle staatlicher Schutzpflichten für Grundrechte Betroffener, etwa bei verdeckt eingesetzten Personen, und Fälle, in welchen die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden durch eine Offenlegung erheblich erschwert würde.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass eine Schwärzung niemals erfolgt, um die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu behindern. Erforderliche Schwärzungen werden begründet und erfolgen ausschließlich, um grundrechtlichen Schutzpflichten Rechnung zu tragen und um die nachrichtendienstliche Arbeit auch im Verfassungsschutzverbund weiterhin möglich zu machen.
Wir benötigen funktionierende Sicherheitsbehörden, vor allem in der gegenwärtigen Lage. Da sind sich wohl alle demokratischen Parteien in diesem Hause einig. Zu dieser Funktionsfähigkeit gehört auch die Frage des Quellenschutzes, weil sie eine Frage ist, die sich zumindest mittelfristig ganz erheblich auch auf die Sicherheitslage auswirken kann. Hier geht es um nicht weniger als Leib und Leben von Menschen, die im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger im Lande aktiv sind.
Unabhängig von den soeben geschilderten Eckdaten enthielt jedes einzelne Anschreiben zu den Aktenlieferungen das Angebot, die Schwärzungen und Fehlblätter zu erläutern und gegebenenfalls gesonderte Verfahren zu finden, sollten einzelne geschwärzte Passagen für die Arbeit des Untersuchungsausschusses von Interesse sein. Zusätzlich haben wir das Angebot mit Schreiben vom 28. März dieses Jahres wiederholt. Der Vorsitzende hat es in der 17. Sitzung im April weitgehend verlesen.
Schließlich haben wir vonseiten der Landesregierung in den beiden vergangenen Sitzungen am 12. Oktober und am vergangenen Montag einen umfassenden Verfahrensvorschlag unterbreitet, der diskutiert und auf die nächste Sitzung am 4. Dezember vertagt wurde. Der Vorschlag beinhaltet das Angebot, die im Zusammenhang mit den beste
henden Schwärzungen entstandenen Fragen durch Mitarbeiter des Landesamtes zu erläutern. Wenn uns seitens des Ausschusses vorher die Nummer der relevanten Aktenbände mitgeteilt wird, wird der Mitarbeiter die betroffenen Akten offen zur Verfügung stellen und dem Ausschuss anhand eines Vergleichs erläutern, warum an welcher Stelle geschwärzt wurde.
Aufgrund der Sensibilität der Akten muss dieses Verfahren natürlich auf den engen Teilnehmerkreis der Abgeordneten begrenzt bleiben. Nur so lassen sich die grundrechtlichen Schutzpflichten und die Arbeitsfähigkeit der Nachrichtendienste gewährleisten.
Unser Angebot geht damit weit über ein Vorsitzendenverfahren, wie wir es hier im Hessischen Landtag auch schon angewendet haben, oder über ein Obleuteverfahren hinaus, bei welchem nur der Vorsitzende und sein Stellvertreter bzw. die Obleute Einsicht in die Akten bekommen. Es geht sogar über das hinaus, was beim Bundestag als sogenanntes Treptow-Verfahren praktiziert wurde. Im Treptow-Verfahren war es den Abgeordneten nämlich nur in den Räumen des Bundesamtes möglich, einzelne Akten anzuschauen.
Wir bieten dagegen an, die relevanten Akten, wenn nötig auch mehrmals, in den Landtag zu bringen und die vorhandenen Schwärzungen daran zu erklären. Eine zeitliche Begrenzung besteht hierbei selbstverständlich nicht. Die Mitarbeiter des Landesamtes stehen für dieses Verfahren zur Verfügung, bis keine Fragen mehr offen sind.
Darüber hinaus beinhaltet unser Vorschlag die Erfahrungen aus der eben dargestellten Erläuterung der Schwärzungen, um die konkreten Bedarfe des Untersuchungsausschusses in diesem Zusammenhang für die zukünftigen Lieferungen aufzugreifen und das Verfahren entsprechend anzupassen.
Selbstverständlich werden wir auch bei diesen Akten jederzeit für eine Erläuterung zur Verfügung stehen, wenn entsprechende Bedarfe des Untersuchungsausschusses auftreten sollten. Vor dem Hintergrund dieses Angebots kann es Ihnen mit Ihrem Antrag, der dieser Debatte zugrunde liegt, nicht um inhaltliche Fragen gehen. Diese könnten wir klären.
Ebenso unverständlich ist Punkt 3 des SPD-Antrags. Die bisher erteilten Aussagegenehmigungen waren inhaltlich nicht beschränkt. Sobald es Nachfragen zu einzelnen Formulierungen gab, wurden diese zeitnah geklärt und die Formulierungen angepasst. Probleme im Zusammenhang mit den Aussagegenehmigungen bei den bisherigen Vernehmungen sind mir ebenfalls nicht bekannt.
Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass Beamte über geheimhaltungsbedürftige Tatsachen nur in geheimer Sitzung aussagen dürfen, damit sie sich nicht selbst strafbar machen. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses wird dadurch in keiner Weise behindert. Im Gegenteil: Wir haben für diesen Fall eine ausdrückliche Formulierung in die Aussagegenehmigung aufgenommen, um jegliche Missverständnisse auszuräumen.
Die Aufklärung der schrecklichen NSU-Morde verdient keine parteipolitisch motivierten Inszenierungen.
Lassen Sie mich noch einen anderen Gedanken loswerden, der mir in dem Zusammenhang wichtig ist. In dieser Stunde befinden sich zwei europäische Hauptstädte im Ausnahmezustand. Die Sicherheitsbehörden benötigen aufgrund dieser Herausforderungen auch unsere Unterstützung und unseren Rückhalt im Interesse der Sicherheit unser Bürgerinnen und Bürger. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Innenminister, ich finde das, was Sie gerade zum Schluss gesagt haben, nicht nur unsäglich, sondern in der Sache völlig unangemessen.
Ich finde es unglaublich, dass Sie die Terroranschläge, die gerade in vielen Ländern dieser Welt zahlreiche Opfer gefordert haben und die uns alle miteinander gleichermaßen beschäftigen, hier dafür instrumentalisieren, wenn es um eine ganz andere Sache im Hessischen Landtag geht. Das soll vermeintlich in einem Maße ablenken, wie es nicht in Ordnung ist.
(Boris Rhein (CDU): Sagen Sie doch einmal etwas zu Ihrem Besuch bei dem LfV! – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Ich will Ihnen sagen, warum. Kollege Rhein hat sich umgesetzt, aber ich werde Ihnen das auch gleich beantworten. Herr Kollege Boddenberg, wir treffen uns heute hier aus dem einzigen Grund: weil die Landesregierung ohne hinreichende Begründung geschwärzte Akten vorgelegt hat.
Das ist ein Verstoß gegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das ist der Grund, warum wir hier heute streiten.
Es ist eine Behinderung der Arbeit im Ausschuss. Darüber reden wir heute. Ich will einmal zitieren, was in der Kommentierung von Glauben/Brocker zum PUAG, 2011, zu § 15 „Geheimnisschutz“ steht:
Seit dem Flick-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt und durch die sogenannte BND-Entschei
dung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, dass die Exekutive nicht ohne Weiteres unter Berufung auf das Staatswohl einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss Akten vorenthalten darf.
Herr Kollege Wagner, genau das ist hier passiert. Es sind Akten mit solch umfangreichen Schwärzungen vorgelegt worden, dass sie nicht mehr lesbar sind. Über diesen Sachverhalt reden wir. Der Fehler liegt eindeutig bei der Landesregierung.
Sie haben mit dem Verstoß gegen diese Entscheidung des Bundesverfassungsgericht Rechtsbeugung vorgenommen – und nichts anderes.
Es geht auch nicht um Angebote oder kooperatives Verhalten. Der Verstoß liegt bei der Landesregierung. Das ist zunächst einmal festzustellen.