Das kann aus meiner Sicht nicht Thema in diesem Ausschuss sein. Aus allen Fraktionen sind Personen betroffen. Ich war auch betroffen. Es ging um mich an diesem Tag. Ich finde es wirklich sehr schade, dass das dann hier im Plenum zum Thema gemacht wird.
Das muss nicht sein. Das sollte nicht sein. Auch Abgeordnete sind Menschen. Auch Abgeordnete haben Familie. Auch Abgeordnete haben Kinder und lieben diese Kinder.
(Lachen auf der Regierungsbank – Holger Bellino (CDU): Brauchen Sie ein Taschentuch? – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Uiuiui!)
Das sollte auch für Ihre Fraktion gelten. – Das ist auch nicht zum Lachen auf der Regierungsbank, liebe Frau Ministerin.
Aber zur Sache: Wir haben heute viel Erregung gespürt. Ich will versuchen, das sachlich auf den Punkt zu bringen. Worüber diskutieren wir? Was ist eigentlich die große Aufgabe dieses Ausschusses?
Wir haben die Situation eines unglaublichen Versagens der Sicherheitsbehörden in einer schlimmen Mordserie in Deutschland. Das muss aufgeklärt werden. Daraus müssen Lehren gezogen werden. Wenn Herr Bellino hier Hannover ins Feld führt, entgegne ich: Wir brauchen Sicherheitsbehörden. Wir brauchen gut funktionierende Sicherheitsbehörden. Wir brauchen aber auch Sicherheitsbehörden, auf die wir uns verlassen können. Daran arbeitet auch dieser Ausschuss nachhaltig mit. Diese Aufgabe müsste uns alle bewegen. Sie bewegt hoffentlich uns alle.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Hermann Schaus (DIE LINKE)) )
Wir haben einen zweiten wichtigen Punkt, der jedem, so habe ich das jedenfalls verstanden, ganz besonders am Herzen liegt. Der Vorwurf steht im Raum, dass Sicherheitsbehörden womöglich auf dem rechten Auge blind gewesen seien und bei der Ermordung von vielen Menschen mit Migrationshintergrund, die bei uns gelebt haben, vielleicht lange nicht in die richtige Richtung geschaut hätten.
Auch diesen Vorwurf müssen wir bearbeiten. Wir müssen ihn ausräumen. Das sind wir den Opfern schuldig. Das sind wir auch uns allen im Parlament schuldig.
Jetzt zum eigentlichen Punkt, der vorgetragen worden ist: Der SPD-Antrag bezieht sich darauf – Herr Rudolph hat das genau unterlegt –, dass es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt.
Ich beziehe mich jetzt auf eines, das sehr deutlich ist. Darin wird klargestellt, dass die Staatswohlorientierung für die Bundesregierung und für den Bundestag gilt. Sie gilt eben auch für die Landesregierung und den Hessischen Landtag. Da ist keiner besser oder schlechter. Wir sind beide auf das Staatswohl verpflichtet. Deswegen kann man den einen nicht schlechter behandeln als den anderen.
Das ist erst einmal das Grundsätzliche, was Sie akzeptieren müssen. Wenn die Landesregierung das akzeptieren würde, hätte sie uns zum Großteil ungeschwärzte Akten vorgelegt und nicht das, was sie uns vorgelegt hat. Das muss man feststellen.
Dass die Landesregierung uns nicht ausreichend bei der Vorlage der Akten berücksichtigt hat, sondern dass sie gegen das Urteil verstoßen hat, zeigt der Antrag der Regierungsfraktionen, weil Sie das mehr oder minder in Ihrem Antrag und durch das, was Sie da tun, einräumen. Sie räumen ein, dass das, was die Landesregierung gemacht hat, nicht rechtmäßig war.
Darum versuchen Sie, eine Brücke zu bauen. Das kann man, glaube ich, nicht anders sehen. Was wir jetzt vorgelegt bekommen haben, ist rechtlich nicht in Ordnung. Sie räumen das Stück für Stück ein. Das ist die übliche Salamitaktik.
Aber es ist deutlich geworden: Sie müssen jede Schwärzung, die Sie vornehmen, uns gegenüber begründen,
und zwar vorher begründen, nicht nachher. Das ist eindeutig. Das kann man im Urteil nachlesen. Daran kommen Sie nicht vorbei.
Die Landesregierung hat die Rechte des Parlaments verletzt. Jetzt hat die SPD das zum Thema gemacht und zu Recht darauf hingewiesen, dass wir hierbei ein anderes Vorgehen wählen müssen. Jetzt ist das Vorgehen, das die Fraktionen von CDU und GRÜNEN vorschlagen, aus meiner Sicht weder praktikabel noch dem Urteil angemessen. Sie müssen im Vorhinein erklären, warum Sie was geschwärzt haben, und nicht im Nachhinein.
Mein Appell richtet sich an alle Abgeordneten in diesem Plenum und an alle Abgeordneten des Ausschusses. Es geht nicht darum, dass wir uns überlegen: Welche Landesregierung hat zu welchem Zeitpunkt was falsch gemacht? Oder: Welcher Minister hat zu welchem Zeitpunkt eine falsche Entscheidung getroffen? – In diesem Innenverhältnis geht es vielmehr erst einmal darum: Wie verhält sich der Hessische Landtag gegenüber der Landesregierung? Wie nimmt er seine verfassungsmäßigen Rechte wahr? Wie sieht er seine eigene Position?
Meine Position lautet, dass den Abgeordneten genauso wie den Ministern und dass den Mitarbeitern der Abgeordneten – nur eine Handvoll wird sicherheitsüberprüft – genauso wie Mitarbeitern der Staatskanzlei oder anderer Behörden dieses Landes zu vertrauen ist. Das muss einmal auf die gleiche Ebene gestellt werden. Daran muss jeder Abgeordnete in diesem Hessischen Landtag ein ursächliches Interesse haben.
Wir sind nicht die Querulanten in diesem Staat, sondern wir sind die, die genauso ein Interesse daran haben, dass dieser Staat optimal funktioniert und dass die Rechte und die Verfassung eingehalten werden. Das will jeder Abgeordnete, der das mitträgt und sagt: Wir wollen grundsätzlich die Akten ungeschwärzt haben. Wenn Schwärzungen aus Gründen der Sicherheit notwendig sind, müssen sie substanziell und nachprüfbar begründet sein. Dann kann man sich immer noch über die eine oder andere Schwärzung streiten. Aber dieser Grundsatz muss eingehalten werden. – Die Vorschläge, die Sie gemacht haben, halten genau das nicht ein.
(Der Redner hält ein fast komplett mit Schwärzun- gen versehenes Blatt Papier hoch. – Günter Rudolph (SPD): Vorsicht, man könnte etwas erkennen!)
Wenn man ein Schriftstück hat, das so aussieht, auf dem nur drei Worte zu lesen sind, welche Aufklärungsmöglichkeiten haben Sie bei so einem Schriftstück? Von daher muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich hätte von Ihnen mehr konstruktives Handeln erwartet, damit wir gemeinsam eine vernünftige Lösung finden. Die Lösung kann nur sein, dass im Grundsatz erst einmal die Akten in den Räumen, die dem Geheimschutz dienen, den sicherheitsüberprüften Mitarbeitern und den Abgeordneten im Original zugänglich sind. Wir wollen keine Spielchen, dass man anrufen muss, damit jemand kommt, mit dem man sich dann streiten kann, ob es nun geheim ist oder nicht. Dafür haben wir keine Zeit bei diesen Aktenbergen, sondern wir haben genug Arbeit, uns durch diese Aktenberge durchzufressen.
Darum möchte ich zum Abschluss noch einmal sagen: Wenn wir mit diesem Ausschuss Erfolg haben möchten – wir als FDP möchten das –, dann müssen wir zu einer Arbeitsweise kommen, die diesem Wust von Informationen gerecht wird.
Wenn ich mittlerweile der Meinung bin – das will ich für meine Fraktion ausdrücklich sagen –, wir hätten dem Einsetzungsbeschluss zustimmen müssen, dann ist das ein Stück weit durch zwei Dinge getragen.
Ich habe Herrn Temme persönlich im Ausschuss erlebt und kann nur sagen: Wie konnte der Mann im Verfassungsschutz V-Mann-Führer werden, mit diesem Umfeld, mit diesen Hinweisen, die vorliegen? Wie konnte das passieren? Da ist für mich ganz klar geworden: Hier ist großer Handlungsbedarf. Es ist für mich nicht erklärbar, wie das passieren konnte.
Als zweiten Bereich sehe ich: Wie kann ein Benjamin G., wie kann dieser Mann für das Wohl und die Sicherheit von Hessen verantwortlich sein? Ich habe mir alle Treffberichte von Benjamin G. angeschaut, alle, und habe gelesen, was er berichtet hat. Wie kann es sein, dass das, was er berich
tet hat, irgendetwas mit der Sicherheit dieses Landes zu tun hat und deshalb nicht bei der Aufklärung eines Mordfalls verwendet werden kann? Dann ist wirklich höchste Aufklärungsnot.
Man muss wirklich sagen: Hier muss genau hingeschaut werden. Denn ich habe keinen Grund gefunden, warum dieser Mann nicht hätte aussagen dürfen bzw. dass die Informationen, die er geliefert hat, irgendetwas mit der Sicherheit des Landes Hessen zu tun haben könnten.
Von daher gibt es viele Indizien, dass wir ganz wichtige Aufklärungsarbeit in diesem Ausschuss zu leisten haben und dass wir wirklich etwas dazu beitragen können, dass unsere Sicherheitsbehörden besser werden. Wir sollten das allerdings in einem sachlichen Umgang miteinander machen; denn dann können wir unsere Arbeitszeit besser einsetzen als in einem Streit. Manchmal muss aber auch Streit sein, nämlich dann, wenn man die Rechte des Parlaments verletzt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich die Rahmenbedingungen der Aktenvorlage im Untersuchungsausschuss erläutern. Selbstverständlich unterstützt die Hessische Landesregierung die Arbeit des Untersuchungsausschusses umfassend nach Kräften und kommt ihrer Verpflichtung zur Aktenlieferung vollumfänglich nach.
Allein die Sichtung der relevanten Akten, für die wir im Landesamt für Verfassungsschutz bis zu 20 Mitarbeiter eingesetzt haben, gestaltet sich schwieriger als bei manch anderem Untersuchungsausschuss. Vor wenigen Wochen war die PKV, unsere Parlamentarische Kontrollkommission, zu Gast im Landesamt für Verfassungsschutz. Dort haben wir uns die Akribie, mit der die Akten aufbereitet werden, genauestens angeschaut. Nach meinem Eindruck waren die Kolleginnen und Kollegen sehr beeindruckt. Die Vorsitzende Faeser war dabei, es blieb keine Frage offen.
Schwierigkeiten ergeben sich auch aus einem sehr weit gehenden Beweisantrag der SPD, der derart unbestimmt ist, dass nahezu alle angeschriebenen Stellen des Bundes und der anderen Länder sich außerstande gesehen haben, nach konkreten Akten zu suchen. Im November vergangenen Jahres wurden daher Koordinierungsgespräche mit dem Ausschuss durchgeführt, um überhaupt arbeiten und Akten zusammenstellen zu können. Seitdem wird die Sichtung der Akten mit hohem Personaleinsatz durchgeführt.
Parallel dazu erfolgte der Umbau im Hessischen Landtag, um geeignete Räume für die Lagerung der teilweise als Verschlusssachen eingestuften Aktenstücke bereitstellen zu können. Dieser Umbau war Anfang Februar 2015 abgeschlossen. Unmittelbar danach erfolgte am 13. Februar die erste von bisher zehn Aktenlieferungen der Hessischen Landesregierung. Diese beinhaltete insgesamt 445 Aktenbände, davon allein 384 aus dem Geschäftsbereich des Innenministeriums. Eine derart große Zahl von Akten binnen neun Monaten zu liefern ist sehr beachtlich, weil jedes ein