Schon allein dafür ist das Timing schlecht. Aber wir warten die Beratungen ab und lassen uns überraschen. In dieser Stunde ist das für unseren Geschmack einfach zu früh und zu übereilt; denn die Bundesebene hat uns aufgefordert, und wir haben uns mit den anderen Ländern darauf geeinigt, eben diesen Prozess der Evaluation abzuwarten.
Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der SPD vorgelegte Gesetzentwurf ähnelt in seinem Wortlaut dem ebenfalls von der SPD-Fraktion vorgelegten Entwurf zur Änderung des Hessischen BehindertenGleichstellungsgesetzes vom 7. Juni 2013 – er ist fast identisch.
Ich will zuerst einmal festhalten: Ich denke, dass fraktionsübergreifend eine Einigkeit über die Grundstruktur und den Aufbau des Hessischen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes mit dem Charakter eines Postulationsgesetzes besteht und dass eine spätere Novellierung nur den Rahmen und eine Definition vorgeben kann. Ein dezidierter Regelungsgehalt muss allerdings wie bisher auch mit den jeweiligen Fachgesetzen folgen.
Eigentlich könnte ich sagen: Inhaltlich kann ich mich auf das beziehen, was ich zu dem Gesetzesentwurf in der 18. Legislaturperiode gesagt habe. – Aber es gibt ein paar Punkte, die in der Zwischenzeit natürlich weiter vorangeschritten sind.
Ich will an der Stelle deutlich sagen, dass ich es durchaus begrüße, dass die Maßnahmen für Frauen mit Behinderungen Erwähnung finden und ausdrücklich zulässig sind. Weiterhin begrüße ich, dass durchaus eine Präzisierung der Paragrafen bezüglich des Wunsch- und Wahlrechts beim Wohnen diskutiert werden kann. Aber – das muss man auch sagen – dieser Gesetzentwurf betrifft natürlich auch Menschen mit mehrfachen Sinnesbehinderungen, wie Taubblinde oder Hörsehbehinderte, und die Frage, wie in diesen Fällen geeignete Kommunikationshilfen zur Verfügung gestellt werden können und sollen.
Wir haben das unbefristete Hessische Behinderten-Gleichstellungsgesetz in den Koalitionsvereinbarungen so behandelt, dass wir vereinbart haben, diese an die Erfordernisse und den Wortlaut der UN-BRK anzupassen. Entscheidend sind diesbezüglich aber der Zeitpunkt und die Gestaltung der sinnvollen Einbettung in bundes- und landesspezifische Aktivitäten.
Auch das ist eben schon dargelegt worden: Es ist klar zu kommunizieren, dass diese Anpassungen erst dann Sinn machen, wenn die entsprechenden Novellierungen auf Bundesebene abgeschlossen und vereinheitlicht sind. Ich meine das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz und die Überlegungen zur Einführung eines Bundesteilhabegesetzes. Deswegen sollten wir uns hier nicht ohne Not unter Druck setzen lassen und Festlegungen treffen, die Menschen mit Behinderungen in Hessen gegebenenfalls in eine andere Situation versetzen als Menschen mit Behinderungen in anderen Ländern; das kann natürlich Ausfluss der bundesgesetzlichen Regelungen sein.
Deswegen müssen wir nach Auffassung der Hessischen Landesregierung zuerst einmal das Dach abwarten, bevor wir in den Leges speciales und in den Ländergesetzen entsprechende Regelungen treffen können. Ich denke, eines muss uns einen, nämlich dass wir versuchen, den möglichst barrierefreien Zugang zu allen Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Das haben wir getan.
Ich will an der Stelle sagen, dass sich das Land Hessen sehr deutlich in den Staatenbericht zur UN-BRK eingebracht hat. Am 27. März hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen den ersten deut
schen Staatenbericht in Genf abschließend geprüft. Auch hierbei mahnt der Fachausschuss die Bundesregierung an, Anpassungen vorzunehmen. Die in § 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs formulierten Äußerungen würden dieser Prüfung durch die Bundesregierung vorgreifen, und es ist dann fraglich, ob das später kompatibel wäre.
Im Hinblick auf das Bundesteilhabegesetz sieht der Zeitplan vor, bis Mitte 2016 das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen. Auch hier wird in diesem Zusammenhang derzeit in einer Bund-Länder-Kommunal-AG unter anderem die Neudefinition des Behindertenbegriffs diskutiert. Bei der Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes ist der Sachstand momentan der, dass die Beratungen zu Beginn des nächsten Jahres anlaufen sollen. Ein erster Entwurf wird noch in diesem Jahr erwartet und mit den Ländern und den Verbänden besprochen werden. Hier sollten wir ebenfalls zuerst einmal diese Diskussionen abwarten.
Das heißt aber nicht, dass wir in Hessen untätig geblieben sind. Im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wird als Hilfsmittel ein Prüfraster erstellt, das die Normprüfung erleichtern soll. Die Überprüfung des hessischen Normenbestandes anhand dieses von dem MaxPlanck-Institut entwickelten Leitfadens setzt eine entsprechende Selbstverpflichtung der Landesregierung um. Diese systematische Überprüfung betrifft auch das Postulationsoder Rahmengesetz, das Hessische Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Vorgeschlagene Änderungen werden als Material in die systematische Überprüfung einbezogen werden.
Wir haben einen Inklusionsbeirat eingerichtet. Dieser hat am 16. Juli seine Arbeit aufgenommen. Insofern wird auch diese Expertise mit einbezogen, sodass in Hessen, selbst wenn momentan die entsprechenden Vorlagen auf Bundesebene noch nicht da sind, kein Stillstand eingetreten ist. Das Hessische Behinderten-Gleichstellungsgesetz wird entsprechend der Koalitionsvereinbarung auch im Hinblick auf die Anforderungen der UN-BRK geprüft werden.
Es besteht aber wegen des Nicht-Befristet-Seins momentan kein Zeitdruck. Wir sollten die Diskussion ernsthaft führen. Wir sollten sie aber unter den Gesichtspunkten führen, dass wir eine Einheitlichkeit auf Bundesebene herstellen, sodass Menschen mit Behinderungen sich in jedem Bundesland aufgehoben fühlen. Das heißt aber, wir haben noch ein bisschen Zeit und müssen abwarten, was uns auf Bundesebene vorgelegt wird.
Zur Vorbereitung der zweiten Lesung überweisen wir den Gesetzentwurf an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder der Landesregierung – Drucks. 19/2195 –
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bringe für die Landesregierung einen Gesetzentwurf zum Thema Karenzzeiten ein, der auf zwei Grundgedanken beruht. Erstens. Politik darf kein Closed Shop sein. Politische Ämter müssen für Personen aus allen gesellschaftlichen Bereichen attraktiv sein. Deshalb darf Politik nicht zur Einbahnstraße werden – will heißen: Im Anschluss an ein Regierungsamt muss man wieder in den alten Beruf zurückkehren oder eine neue Beschäftigung aufnehmen können.
Bei einem solchen Wechsel muss allerdings schon der bloße Anschein einer Interessenkollision vermieden werden.
Beiden Überlegungen trägt der Entwurf, den wir heute vorlegen, Rechnung: Erstens. Der Wechsel von einem Regierungsamt in die Privatwirtschaft ist und bleibt möglich. Zweitens. Unter Umständen muss man damit etwas warten. Diese Wartezeit ist die Karenzzeit, das – wenn ich es sagen darf – Herzstück unseres Gesetzentwurfes.
Meine Damen und Herren, Politik lebt von Vertrauen. Wer Politik macht, ist deshalb gut beraten, wenn er noch nicht einmal den Anschein erweckt, dabei in erster Linie an sich selbst zu denken. Das gilt für uns alle.
Für Regierungsmitglieder gilt das in besonderem Maße. Vor diesem Hintergrund sorgt der Gesetzentwurf an einem erfahrungsgemäß heiklen Punkt, dem Wechsel vom Regierungsamt in eine private Tätigkeit, für Transparenz, und das schafft Vertrauen.
Mit der Karenzregelung wollen wir schon dem Anschein entgegenwirken, das Regierungsamt sei mit Blick auf spätere Karriereaussichten ausgeübt worden. Andererseits müssen ehemalige Regierungsmitglieder, wie übrigens jeder von uns hier im Haus, ihren Berufsweg auch außerhalb der Politik fortsetzen können. Das gebietet schon das Grundgesetz, das die Berufsfreiheit für jedermann gewährleistet.
Eine gesetzliche Regelung hat diese unterschiedlichen Interessen und Rechtspositionen angemessen auszugleichen. Deshalb untersagt der Gesetzentwurf nicht jede Anschlusstätigkeit. Er gibt auch keine starren Fristen vor, innerhalb derer eine Beschäftigung generell ausgeschlossen ist. Stattdessen schafft er mit Anzeigepflichten und vorübergehenden Untersagungsmöglichkeiten ein flexibles Verfahren, das dem jeweiligen Einzelfall gerecht wird. Wer innerhalb der ersten 18 Monate nach dem Ende seiner Ministertätigkeit einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes nachgehen will, die mit dem Regierungsamt im Zusammenhang steht und außerdem dienstliche Interessen beeinträchtigen kann, muss das grundsätzlich anzeigen. Diese Regelung ist angemessen, denn wer die Seiten wechselt,
also ein öffentliches Amt gegen eine Position in der Privatwirtschaft eintauscht, wird die Gefahren von Interessenkollisionen nicht ausschließen können.
In seiner neuen Funktion hat er die Interessen privater Inhaber oder Anteilseigner zu vertreten und nicht mehr das Gemeinwohl. In Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden – das sind nicht nur solche des Landes, sondern auch kommunale Unternehmen – liegen die Dinge anders. Hier können die öffentlichen Anteilseigner auf die Wahrung des Gemeinwohls hinwirken. Lässt sich ein Interessenkonflikt im konkreten Fall ausschließen, steht der Anschlusstätigkeit nichts im Wege. Gibt es aber einen Konflikt oder ist er zu befürchten, dann kann die Landesregierung in Zukunft die Tätigkeit untersagen, im Regelfall für zwölf Monate, ausnahmsweise sogar für 18 Monate.
Die jeweilige Dauer muss natürlich verhältnismäßig sein, weil die Untersagung in die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit eingreift. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Betroffenen nicht mittellos dastehen. Die Untersagung kann deshalb nur für den Zeitraum ausgesprochen werden, für den der Anspruch auf Übergangsgeld besteht.
Der Gesetzentwurf betrifft noch einen weiteren Aspekt, nämlich die Möglichkeit, als früheres Regierungsmitglied neben den möglichen Versorgungsbezügen auch ein berufliches Einkommen zu erzielen. Diese Hinzuverdienstregelungen werden den Vorschriften angeglichen, die für die Ruhestandsbeamtinnen und -beamten des Landes gelten.
Meine Damen und Herren, Hessen wäre nach Hamburg das zweite Bundesland und das erste Flächenland, das eine Karenzzeit einführt. Auch der Bund hat sich dazu entschlossen. Anfang Juli ist nach einer mehr als zehn Jahre währenden Debatte eine gesetzliche Karenzregelung für Bundesminister verabschiedet worden. In der Vergangenheit gab es, Sie wissen das, immer wieder öffentliche Diskussionen, wenn Politiker direkt aus dem Amt in eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft wechselten. Jedem würden hierzu vermutlich Namen einfallen, und zwar quer durch alle politischen Parteien. Wir sollten alle ein Interesse daran haben, solchen Diskussionen ein Ende zu bereiten und zugleich Betroffene gegen unberechtigte Angriffe und Vorwürfe zu schützen. Für einen Generalverdacht gegen jene, die sich in öffentlichen Ämtern nach besten Kräften für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger engagiert haben, gibt es auch keinen Grund.
Meine Damen und Herren, die Karenzregel ist Neuland für uns wie auch für den Bund. Wir sollten es mutig betreten. Ich bin davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist, denn Transparenz und Klarheit werden am Ende allen zugutekommen, den Bürgerinnen und Bürgern, weil sie keinen Grund mehr für Mutmaßungen oder gar Misstrauen haben, jenen, die in öffentlichen Ämtern Verantwortung tragen, weil sie unberechtigten Spekulationen entgegentreten müssen, dem Ansehen der Politik, weil man ihr keine Heimlichkeiten mehr unterstellen kann, und damit schließlich letztlich unserer Demokratie, auf der unser Staat beruht. Darum bitte ich, dass der Gesetzentwurf die Unterstützung des Hauses erfährt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister Wintermeyer, Sie haben diesen Gesetzentwurf schon in der letzten Woche sehr vollmundig mit einer Presseerklärung der Öffentlichkeit vorgestellt, mit dem Titel: „Wir schaffen Transparenz“. Sie haben gerade in Ihren Ausführungen wieder das Wort „muss“ betont, als Sie gesagt haben, es müsse vermieden werden, dass auch nur der Eindruck von Interessenkollisionen entstünde. Leider schafft erst der Blick in Ihren Gesetzentwurf en détail Transparenz, weil nämlich genau dieses „muss vermieden werden“ fehlt; dieses Wörtchen „muss“ haben Sie nämlich in Ihrem Gesetzentwurf vermieden. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf:
„soll“ die Landesregierung die Beschäftigung untersagen. Auf diese Diskrepanz werden wir in den weiteren Beratungen dieses Gesetzentwurfs noch einmal genau achten müssen. Im Weiteren benennen Sie auch nicht die Kriterien, wann denn die Landesregierung zu der Entscheidung kommen „muss“ – hier ist wieder das Wörtchen aus Ihrer Rede –, dass Interessen beeinträchtigt werden. So wie der Gesetzentwurf jetzt vorliegt, schafft er keine Transparenz, sondern ist eine Mogelpackung. Er versucht, etwas zu schaffen, was er eben nicht tut.
Auch der Zeitraum, den Sie vorschlagen, ist aus unserer Sicht ein wenig zu kurz gegriffen. Sie betonen einerseits, dass innerhalb der ersten 18 Monate nach dem Ausscheiden eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Bereichs möglich sein solle, wenn sie die dienstlichen Belange nicht gefährdet. Sie sagen gleichzeitig, dass es maximal zwölf Monate untersagt sein soll. Dieser Zeitraum ist aus unserer Sicht zu kurz gegriffen.
Nein, meine Damen und Herren, es geht ausdrücklich nicht um ein Berufsverbot, sondern es geht darum, und so weit sind wir in diesem Hause sicherlich einer Meinung, dass es möglich sein muss, aus einem öffentlichen Amt, aus einem Regierungsamt, wieder in die Privatwirtschaft zu wechseln. Das ist doch vollkommen klar.