Es gibt keinen Grund dafür, dass Ulrich Wilken zurücktreten müsste. Er hat diese Ausschreitungen weder geplant, noch hat er sie zu verantworten. Und es ist doch absurd, zu behaupten, er hätte sie verhindern können, wenn 10.000 Polizisten dazu offensichtlich nicht in der Lage waren.
Wo kommen wir denn hin, wenn Anmelder von Demonstrationen für alles haftbar und verantwortlich gemacht werden können, was teils Stunden vorher und an anderen Orten geschehen ist? Dann wird kein Mensch mehr eine Demonstration anmelden.
Ich finde, dass gerade die hessische CDU mit ihren Forderungen nach Rücktritten etwas zurückhaltender sein sollte. Wenn Sie die Maßstäbe, die Sie an andere anlegen, an sich selbst anlegen würden, dann würde die Regierungsbank ziemlich leer aussehen, meine Damen und Herren.
Stilllegung von Biblis, die rechtswidrig war, behinderte Mordermittlungen beim NSU – das wären wirkliche Rücktrittsgründe. Aber bei der Hessen-CDU kann man ja machen, was man will; man muss deshalb nicht zurücktreten.
Ich komme zum Schluss. Sie instrumentalisieren die Ausschreitungen von Blockupy ganz bewusst, um das Strafrecht zu verschärfen und die Demonstrationsfreiheit einzuschränken. Das wundert mich bei der CDU nicht die Bohne, aber dass die GRÜNEN einfach so mitmachen, finde ich bemerkenswert. Immerhin sind die GRÜNEN aus Protestbewegungen wie der Anti-AKW-Bewegung entstanden, auch wenn man davon leider heute nicht mehr allzu viel merkt.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gewaltfrei war bei uns der Gründungskonsens und bei Ihnen nicht! – Beifall bei der CDU und der FDP – Manfred Pentz (CDU): Genau! So sieht es aus! Gewalttäter!)
Herr Wagner, ich empfehle Ihnen, nachzulesen, welche Debatte wir hier im Landtag bei den letzten Castortransporten geführt haben,
wo die CDU Ihnen vorgeworfen hat, sich nicht von Gewalt zu distanzieren. Diese Debatten hatten wir bei den letzten Castortransporten. Da waren Sie diejenigen, die hier auf der Anklagebank saßen.
Es ist legitim, gegen Austeritätspolitik zu demonstrieren, und deswegen werden wir das auch weiterhin tun.
(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das Sie sich nicht schämen! Sie sollten sich schämen! Und Wilken lacht noch!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte etwas mehr Ruhe. Wir wollen jetzt in der Debatte fortfahren. Ich habe weitere Wortmeldungen. – Kollege Rudolph von der SPD-Fraktion, bitte schön, Sie haben das Wort für fünf Minuten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gelegentlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass CDU und LINKE sich in der politischen Auseinandersetzung schon auch brauchen. Das wurde eben wieder deutlich.
Wir erinnern uns an den 18. März 2015, als es zu den Gewaltexzessen in Frankfurt kam. Wir haben das hier am 24. März im Landtag diskutiert. Wir haben dazu entsprechende Resolutionen verabschiedet, in denen sich der Landtag klar von Gewalt und diesen Exzessen distanziert hat und sie auch verurteilt hat. Wir haben aber hier auch die Rolle von Herrn Wilken diskutiert. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, empfehle ich auch dem einen oder anderen, sich das Protokoll dieser Sitzung vom 24. März anzuschauen, wo unser Fraktionsvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel mehr als klare Worte gefordert hat. Deswegen brauchen wir an dieser Stelle auch keinen Nachhilfeunterricht.
Wir haben das erneut im Ältestenrat diskutiert. Irgendwann ist das Thema, wenn keine Konsequenzen gezogen werden, dann zunächst von der Tagesordnung. In der politischen Auseinandersetzung kann das sicherlich weiter thematisiert werden. Deswegen haben wir der Beschlussempfehlung im Ältestenrat auch zugestimmt.
Herr Wilken, wir vermissen bis zum heutigen Tag erstens eine klare Distanzierung, zweitens eine klare Verurteilung von Gewalt und den Exzessen rund um den 18. März 2015. Dieses Signal, diese Erkenntnis fehlt. Deswegen bleibt es bei der Kritik an diesem Punkt Ihnen gegenüber. Da haben wir auch gar nichts zurückzunehmen.
Zweitens. Sie haben eine besondere Funktion. Wer für den Landtag ein Mandat bekommt, repräsentiert den gesamten Landtag. Das mag einem im Einzelnen passen oder auch nicht. Das müssen wir wechselseitig ertragen. Aber wer eine bestimmte Funktion des Landtags hat, von dem müssen wir ein anderes Verständnis erwarten als von denjenigen in anderen Positionen.
Deswegen haben wir auch der Ziffer 2 dieses Antrags zugestimmt, dass Herr Wilken seine bisherige Position noch einmal überprüft, überdenkt und Konsequenzen zieht. Deswegen stehen wir auch zu dieser Forderung.
Wir Sozialdemokraten – eben spielte das Thema Gewaltfreiheit eine Rolle – treten immer für Gewaltfreiheit ein, auch bei Demonstrationen, egal, was für ein Unsinn dort erzählt wird. Gewaltfreiheit ist auch das Merkmal einer Demokratie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Herr Bauer, jetzt trage ich doch die Position der Sozialdemokratischen Partei vor. Ich habe Ihnen ja eben eine Vermutung geäußert: Sie brauchen möglicherweise die LINKEN. Vielleicht sollten Sie auch darüber einmal nachdenken, denn es könnte ja sein – –
Das ist nicht der Punkt, Herr Irmer. Sie wissen, im Osten gibt es durchaus auf kommunaler Ebene schon Bündnisse mit den LINKEN. Es gibt nur e i n e Linkspartei in Deutschland, nicht mit regionalen Aspekten.
Zur Geschichte der SPD gehören die Gewaltfreiheit und das Einsetzen dafür, dass man seine Meinung ungeschützt ausdrücken darf. Da brauchen wir keine Nachhilfe.
Herr Dr. Wilken, Sie haben die Gelegenheit, im Landtag eine persönliche Erklärung abzugeben. Sie können sich klar distanzieren von Gewalt. Sie können diese Gewaltexzesse verurteilen. Das wäre auch eine klare Botschaft fünf Wochen nach der Debatte im Landtag. Denn das Signal, das von einem demokratisch gewählten Parlament ausgehen muss, ist: Wir sind für das Grundrecht auf uneingeschränkte Versammlungsfreiheit, aber die Versammlungen müssen gewaltfrei sein. Da darf man nicht mit rabulistischen Verrenkungen versuchen, Dinge zuzudecken, die zu verurteilen sind.
Thorsten Schäfer-Gümbel hat zu Recht gesagt: Hier müssen klare Grenzen gezogen werden. – Deswegen haben wir der Beschlussempfehlung des Ältestenrats zugestimmt. Es liegt an Ihnen, Herr Dr. Wilken, hier heute klare Grenzen zu Gewalt zu ziehen. Wenn Sie das nicht tun, ist das auch eine Botschaft, die wir dann in diesem Hessischen Landtag zur Kenntnis nehmen müssen.
Wir als Sozialdemokratische Partei sind da nicht nur aufgrund unserer Geschichte klar sortiert. Deswegen bin ich ebenso wie die gesamte Fraktion Herrn Schäfer-Gümbel für die sehr klaren Worte vom 18. März dankbar. Es liegt in Ihrer Hand, daraus die notwendigen und richtigen Konsequenzen zu ziehen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Als nächster Redner spricht Kollege Kaufmann vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege Kaufmann, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass die heutige Debatte die letzte in diesem Plenum ist, in der wir uns zum wiederholten Male mit den Rechtfertigungsversuchen der LINKEN in der Causa Wilken befassen müssen. Wir hatten das ja bereits in der letzten Plenarwoche getan. Damals hatte ich mich veranlasst gefühlt, folgenden Tweet abzusetzen – ich zitiere –:
Wilken (LINKE) Blockupy-Organisator, gibt im Plenum den Unschuldigen, heuchelt Distanz und zeigt doch nur Verantwortungslosigkeit.
Meine Damen und Herren, diese damalige Bewertung ist nach den heutigen Debattenbeiträgen, insbesondere von der Kollegin Wissler, erneut bestätigt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Man- fred Pentz (CDU): Punktgenau!)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, ich will Ihnen klar und nüchtern unsere Auffassung sagen. Ich halte es für nichts anderes als für Heuchelei, wenn man zunächst dem Fuchs die Stalltür aufmacht und sich dann von den toten Hennen distanziert.
Ich will jetzt gar nicht darüber streiten, dass es in der Politik unterschiedliche Meinungen gibt, die aufeinanderprallen, die im Diskurs erörtert werden und über die am Ende entschieden wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, auch die Wahl eines Vizepräsidenten ist eine Entscheidung, nämlich darüber, ob ein Kandidat das Vertrauen für die Wahrnehmung dieser Aufgabe erhält. Das durch die Wahl ausgesprochene Vertrauen gehört übrigens zu den Kernaussagen des Demokratieprinzips; denn ohne Vertrauen gäbe es keine demokratisch legitimierte Wahrnehmung von Aufgaben, und alle Handlungen würden zu Willkür.