Protocol of the Session on April 30, 2015

Ich will jetzt gar nicht darüber streiten, dass es in der Politik unterschiedliche Meinungen gibt, die aufeinanderprallen, die im Diskurs erörtert werden und über die am Ende entschieden wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, auch die Wahl eines Vizepräsidenten ist eine Entscheidung, nämlich darüber, ob ein Kandidat das Vertrauen für die Wahrnehmung dieser Aufgabe erhält. Das durch die Wahl ausgesprochene Vertrauen gehört übrigens zu den Kernaussagen des Demokratieprinzips; denn ohne Vertrauen gäbe es keine demokratisch legitimierte Wahrnehmung von Aufgaben, und alle Handlungen würden zu Willkür.

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt folgende Situation. Nach der Beschlusslage im Ältestenrat – wir werden sie im Plenum nach Lage der Dinge gewiss bestätigen – verfügt der Kollege Dr. Wilken nicht mehr über das für die Ausübung des Amts eines Vizepräsidenten des Hessischen Landtags erforderliche Vertrauen der Landtagsabgeordneten. Um diesen Fakt kommt niemand herum, verehrte Kollegin Wissler – auch nicht mit noch so elaborierter Argumentationskunst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)

Das kann auch gar nicht streitig sein, denn es ist eine Tatsache. Im Übrigen muss sich niemand für seine Wahlentscheidung, Vertrauen auszusprechen, rechtfertigen, ebenso wenig für seine Entscheidung, das Vertrauen zu entziehen oder nicht mehr vorweisen zu können. Entscheidend ist für den Gewählten doch nur, ob er das Vertrauen besitzt, um seine Aufgaben wahrzunehmen, oder ob das nicht der Fall ist.

Ich will anmerken, dass unter den Regeln des Verhältniswahlrechts – wo zum Wahlerfolg nicht zwingend eine Mehrheit gehört – ein entsprechender Stimmenanteil reicht, um die Feststellung des Vertrauens sicherzustellen. Der Gewählte besitzt also so lange das Vertrauen für die Wahrnehmung seiner Aufgabe, wie er die für einen Wahlerfolg notwendige Mindestzahl an Wählerinnen und Wähler noch hinter sich hat. Herr Dr. Wilken, Sie wissen, dass Sie unter jedwedem Blickwinkel das notwendige Vertrauen nicht mehr haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)

Außer Ihrer eigenen Fraktion gibt Ihnen keine Kollegin und kein Kollege mehr sein Vertrauen. Die sechs Abgeordneten der LINKEN sind aber nun einmal keine hinreichende Vertrauensbasis für die Wahrnehmung der Aufgaben eines Vizepräsidenten des Landtags.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Doch! Es ist nach Fraktionen gewählt worden!)

Das gilt übrigens jenseits aller inhaltlichen Fragen allein schon in quantitativer Hinsicht. Ich habe es Ihnen deutlich gemacht: Bei einer Wahl würden Sie scheitern.

Meine Damen und Herren, für Demokraten ergibt sich in einer solchen Situation nur eine klare Konsequenz. Sie lautet: Rücktritt. Wem, egal aus welchen Gründen, die Wählerinnen und Wähler das Vertrauen entzogen haben, der muss von seinem Amt zurücktreten. Das ist im Übrigen überhaupt nicht ehrenrührig,

(Lachen bei der LINKEN)

sondern schlicht ein demokratisches Grundprinzip. Auch wenn man selbst eine solche Situation als ungerecht empfinden mag: Herr Kollege Dr. Wilken, schon die Selbstachtung gebietet den Rücktritt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wenn Sie weiterhin als Demokrat bezeichnet und respektiert werden wollen, müssen Sie diese Regel auch für sich selbst gelten lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Wie bitte?)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende auch dieser Aktuellen Stunde.

Ich frage die Geschäftsführer: Soll ich den nächsten Tagesordnungspunkt noch aufrufen? – Dann machen wir das so.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 und Tagesordnungspunkt 75 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend SchwarzGrün bestraft Fraport für Terminal 3 – keine weiteren Kapazitätseinschränkungen verordnen – Drucks. 19/ 1857 –

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bedarfsprüfung für Terminal 3 – Landesregierung wird ihrer Verantwortung gerecht – Drucks. 19/1909 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Wer möchte dazu das Wort ergreifen? – Herr Kollege Rentsch.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Frankfurter Flughafen ist mit Sicherheit eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Infrastrukturprojekt der Bundesrepublik. Der Flughafen liegt in Hessen. Er hat eine Ausstrahlung und Wirkungen über Hessen hinaus. CDU und FDP in der Zeit von 1999 bis 2003, die CDU in der Alleinregierung und seit 2003 wieder CDU und FDP haben alles dafür getan, dass dieser Flughafen wächst.

(Beifall bei der FDP)

Wirtschaftliches Wachstum ist für uns – das sollte über die Parteigrenzen hinweg Akzeptanz finden – eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass in dieser Region, in unserem Land und über unser Land hinaus Wohlstand herrscht. In anderen Ländern gibt es eine Konkurrenz, die uns mittlerweile auch in der Frage der Qualität und der Zahl der Verkehrsverbindungen an vielen Punkten kein Stück mehr nachsteht. Die Konkurrenz hat in den letzten Jahren unglaublich aufgeholt. Deshalb ist es unsere politische Aufgabe, alles dafür zu tun, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich dieser Flughafen weiterhin wirtschaftlich positiv entwickelt. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der FDP)

Ich will lobend erwähnen, dass vor allen Dingen CDU und FDP in ihrer Regierungszeit diese Aufgabe immer so verstanden haben – das sage ich auch für die Sozialdemokraten und denke dabei an die Anhörung, die die SPD kürzlich durchgeführt hat –, dass dieser Flughafen gemeinsam mit der Politik weiterentwickelt wird. Ich glaube, in dieser Frage gibt es keinen Dissens zwischen der CDU, der SPD und der FDP. Der Flughafen ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, und deshalb hat sich die Politik grundsätzlich herauszuhalten, wenn es um eine direkte Einflussnahme geht. Das sage ich zu der Frage, welches Rechtsstaatsver

ständnis wir eigentlich haben. Aber auf der anderen Seite muss völlig klar sein, dass die rechtlichen Voraussetzungen, die dieser Landtag als Legislative und als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land letztendlich schafft, die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass dieser Flughafen weiter wachsen kann. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der FDP)

Ich will nicht verhehlen, dass Vorgänge in den letzten Monaten den Eindruck vermittelt haben, dass die Gemeinsamkeit des Unternehmens, an dem das Land Hessen eine Beteiligung von über 30 % hält, und der Politik in diesem Land bei dem Vorhaben, den Flughafen zu entwickeln, mittlerweile vom Tisch ist. Es gibt vielmehr ein großes gegenseitiges Misstrauen. Das zeigt sich nicht nur darin, dass CDU und GRÜNE Frank-Peter Kaufmann als Mitglied in den Aufsichtsrat entsandt haben, sondern auch an vielen Maßnahmen, wo man das Gefühl hat, dass diese Gemeinsamkeit nicht mehr vorhanden ist. An vielen Stellen gibt es geradezu ein Gegeneinander.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Ich sage Ihnen, wie mein Eindruck ist, und in einem Parlament ist es so, dass Sie mir zuhören müssen, und danach höre ich Ihnen zu. Das ist die Arbeitsteilung.

(Michael Boddenberg (CDU): In Ordnung!)

Herr Kollege Boddenberg, wenn ich sehe, mit welcher Vehemenz sich der Vorstandsvorsitzende der Fraport, Stefan Schulte, gegen Einflussnahmen bei der Frage wehren musste, ob das Terminal 3, eine notwendige Erweiterung des Frankfurter Flughafens, wirklich gebaut wird, dann zeigt mir das das Ausmaß der politischen Einflussnahme, die hinter den Kulissen Realität war. Es wurde Druck ausgeübt. Der Mehrheitsgesellschafter hat gesagt: Wir wollen das eigentlich anders haben.

Warum war das so? Weil die GRÜNEN im Wahlkampf ein Versprechen gegeben haben.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Da muss man auch hier die Frage stellen: Herr Kollege Reif, ist der Frankfurter Flughafen mittlerweile einer der Spielbälle, die auf dem politischen Altar von CDU und GRÜNEN verwendet werden?

(Michael Boddenberg (CDU): Wie kommen Sie darauf?)

Herr Kollege Boddenberg, alles, was Sie in den letzten Monaten getan haben, hat in der Öffentlichkeit eher den Eindruck vermittelt, dass Sie das Terminal 3 nicht wollen. Das ist ein Unterschied zu früheren Zeiten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Der Verkehrsminister hat drei Gutachten für knapp 100.000 € in Auftrag gegeben, die uns die Rechtslage erklärt haben. Wir „begrüßen“ es, dass wir externe Gutachten brauchen, um Rechtslagen zu klären. Ich habe den Chef der Staatskanzlei gefragt, in welcher Funktion Herr AlWazir das gemacht hat. Normalerweise ist für die Beteiligung an Fraport der Finanzminister zuständig. Hier hat der Verkehrsminister gehandelt. Bei aller Liebe und bei allem Verständnis für die schwierige Situation, in der Sie in dieser Koalition sind, bei der die Partner aus sehr unterschiedlichen Richtungen kommen, Herr Kollege Boddenberg,

(Michael Boddenberg (CDU): Es ist alles okay! Es läuft ganz gut!)

sollten wir uns doch auch die Frage stellen: Macht es Sinn, dass wir Steuergelder dafür verwenden, dass der hessische Verkehrsminister sein politisches Gesicht bei den Ausbaugegnern wahren kann? Oder geht es nicht eigentlich darum,

(Beifall bei der FDP)

dass wir kontrollierend eingreifen müssten, damit Steuergelder nicht für Wahlkampfzwecke – das ist ja nichts anderes als ein nachgelagerter Wahlkampf – missbräuchlich eingesetzt werden? Das ist doch die Frage, über die man diskutieren darf, wenn es um 100.000 € geht.

Herr Kollege Reif, bei aller Liebe, das, was in diesem Gutachten steht – die Frage, ob die Fraport unternehmerisch richtig handelt oder nicht –, ist rechtsstaatlich keine Sache des Landes, sondern es ist eine Sache der Unternehmung. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Sie haben nach dem Aktiengesetz mehrere Möglichkeiten, Ihren Einfluss geltend zu machen. Aber lassen Sie diese politischen Taschenspielertricks sein, die in den letzten Monaten in diesem Land aufgeführt worden sind. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Reif, jetzt hat sich die Fraport durchgesetzt, und ich bin froh darüber; denn die Botschaft der Fraport ist: Trotz der Tatsache, dass die hessische Landespolitik alles dafür getan hat, dass das Terminal 3 nicht kommt, kommt es, und das bedeutet, die Zeichen am Flughafen stehen auf Wachstum. Dass es für Herrn Al-Wazir schwer ist, das den Mitgliedern seiner Partei und seiner Klientel zu erklären, verstehe ich. Aber für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ist es grundsätzlich ein gutes Zeichen, wenn der wichtigste Wirtschaftsmotor des Landes weiter wachsen kann. Respekt, das war eine richtige Entscheidung der Fraport.

(Beifall bei der FDP)

Was erleben wir jetzt? Jetzt kommt diese Entscheidung, und zufällig verkündet die Landesregierung zeitgleich: Ja, Terminal 3 kommt. Wir haben unsere Bedenken gehabt, wir sind die besseren Unternehmer – das schwingt bei Ihnen immer mit –, wir sind in der Politik viel kenntnisreicher, als es in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen der Fall ist. Aber was wollen wir als Gegengeschäft? Wir wollen den Lärmdeckel, damit wir auch den Wählerinnen und Wählern von Herrn Al-Wazir an diesem Tag irgendetwas verkaufen können.

Herr Kollege Arnold, ich sage Ihnen: Sie haben diesen Planfeststellungsbeschluss erlassen, als Sie allein regierten. In ihm ist die Zahl von 701.000 Flügen festgelegt. Sie hatten damals auch kein Nachtflugverbot implementiert, sondern es waren 17 Nachtflüge vorgesehen. Über all das kann man diskutieren.

Aber ich halte vieles von dem für richtig, was Sie dort gemacht haben, weil die Prämisse immer klar war: Dieser Planfeststellungsbeschluss setzt voraus und will, dass der Flughafen weiter wachsen kann. – Das, was Sie jetzt machen, ist ein Kuhhandel, bei dem man den GRÜNEN entgegenkommen muss, nach dem Motto: Okay, T 3 kommt; aber dann kriegt ihr wenigstens den Lärmdeckel, damit ihr euer politisches Gesicht ein bisschen wahren könnt.