Protocol of the Session on March 26, 2015

Was ist die Aufgabe von Zentralbanken? Währungen zu schaffen und ihren Wert zu wahren.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Das ist ihre Aufgabe. Zum Stichwort Kapitalismus nur so viel: Selbst Nordkorea hat eine Zentralbank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dort ist das Geld zwar nichts wert, aber es gibt kein System mehr, in dem die Menschen nur noch Naturalien gegeneinander tauschen und in dem es keine Währung gibt. Deswegen braucht jedes System eine Zentralbank.

(Heiterkeit des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Ein zweiter Punkt. Alle Rettungsprogramme, für die jetzt die EZB zum Symbol gemacht wird, sind von der EUKommission, vom Internationalen Währungsfonds und vom Rat der EU beschlossen worden, d. h. auch von natio

nalen Regierungen. Deswegen stelle ich Ihnen einmal die Frage: Ist die EZB eigentlich der richtige Gegner?

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegenteil, die EZB – im Übrigen wird das auch von einer ganz anderen Seite kritisiert – tut seit einigen Jahren alles dafür, den Euro zu schützen, und das teilweise auch mit Maßnahmen, die wieder von der anderen Seite kritisiert werden, Stichwort „Wie ist eigentlich das Zinsniveau? Was macht das eigentlich mit dem Geld der Sparer in den eher wohlhabenden Ländern?“ Daher nochmals die Frage: Ist denn eigentlich, selbst aus Sicht der Linksfraktion, die EZB der richtige Gegner?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das ist denen doch völlig egal!)

An diesem Punkt will ich sagen: Herr Tsipras ist bereits zitiert worden, und zwar zu Recht. Herr Tsipras hat einen sehr guten Satz gesagt, eigentlich den besten Satz, den ich von ihm je gehört habe, am letzten Montag in Berlin. Er hat gesagt: Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen schuld an den Übeln und den Missständen in Griechenland. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist es.

Jetzt muss man doch einmal sagen: In Griechenland wurden sehr viele Reformvorschläge in Bezug auf Verwaltung und Steuererhebung nur mangelhaft umgesetzt. Bisher wurden reiche Griechen von allen Regierungen ganz offensichtlich verschont.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist aber kein Problem der EZB. In diesem Zusammenhang will ich auch sagen, an diesem Punkt übrigens in Widerspruch zu Gernot Grumbach: Ja, es stimmt, noch nie in der Geschichte wurde ein Haushalt saniert, wenn es pro Jahr ein Minus von 5 % an Wirtschaftsleistung gab, was wir jetzt fünf Jahre hintereinander erlebt haben, und man dann immer weiter hinterhergespart hat. Dass das am Ende nicht zu einem Sinken der Schuldenquote führt, ist eigentlich selbsterklärend. Das ist so.

Auf der anderen Seite ist auch wahr: Es gab Investitionsprogramme, es gab von der Europäischen Investitionsbank Geld, das bereitgestellt wurde, um in Griechenland zu investieren. Der griechische Staat war aber nicht in der Lage, diese Mittel umzusetzen. Insofern gehört zur Wahrheit: Es braucht Strukturreformen in Griechenland, damit dieses Land wieder aus der Krise kommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Man kann die Krise nicht wegsparen. Strukturreformen müssen aber auf jeden Fall sein.

Herr Minister, ich darf Sie auf die Fraktionsredezeit hinweisen.

Ich will es einmal so sagen: Die Entstehung der Krise wurde auch dadurch begünstigt, dass es in der Eurozone zwar eine einheitliche Geldpolitik gibt, die Arbeitsmarkt-, die Finanz- und die Steuerpolitik weiterhin aber weitgehend in der Kompetenz der Nationalstaaten liegen. Daher müssen wir darüber diskutieren, wie wir dafür sorgen können, dass sich so etwas nicht wiederholt und wir aus der Krise herauskommen.

Angesichts dieses Problems ist die EZB seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise in die Rolle des faktisch einzig handlungsfähigen Akteurs gekommen, in die sie eigentlich nicht gehört. Sie kennen die berühmte Ankündigung von Herrn Präsidenten Draghi, er werde „whatever it takes“ tun, um den Euro zu verteidigen. Damit sind auch die unter anderem in Deutschland umstrittenen Anleihekäufe gemeint.

An der Stelle muss man auch sagen: Die Niedrigzinspolitik verlangt am Ende auch den Sparern in den finanzstarken Ländern einiges ab. Das ist übrigens ein Teil der Solidarität, die von ihnen eingefordert wird. Aber noch einmal die Frage: Ist an diesem Punkt die EZB – auch aus der Sicht der Linkspartei – der richtige Gegner? – Ich glaube, nicht. Sie sehen, wie so oft im Leben ist die Wirklichkeit vielschichtiger, als man manchmal denkt. Die Entscheidungen einzelner Institutionen sind ambivalenter, als es allzu schlichte Schuldzuweisungen wahrhaben wollen.

Ich will ausdrücklich sagen: Wir müssen drei Punkte berücksichtigen. Wir brauchen erstens eine Haushaltskonsolidierung. Dazu gehört auch, dass man in guten Zeiten nicht weiterhin Schulden macht. Sie von den LINKEN sind ja auch gegen die von uns beschlossene Schuldenbremse. Da muss ich Sie ausdrücklich fragen: Wer leiht denn den Staaten das Geld? – Es sind doch nicht die armen Leute, denen wir Zinsen zahlen, liebe Frau Wissler.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Zweitens gehört dazu die Durchführung von Strukturreformen, damit man überhaupt die Steuern erheben kann – und zwar von allen! –, die zur Einnahmeverbesserung nötig sind. Das sage ich ganz ausdrücklich. Drittens gehört dazu die Setzung von Entwicklungs- und Wachstumsimpulsen in den Krisenländern.

Wir begrüßen grundsätzlich das sogenannte Juncker-Paket mit dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen. Jetzt kommt es allerdings auch darauf an, die Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, diese Entwicklungs- und Wachstumsimpulse in den Krisenländern nicht nur theoretisch zu fordern, sondern auch praktisch umzusetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Mit einfachen Wahrheiten und schlichten Schuldzuweisungen werden wir diese Krise nicht überwinden können – weder mit einseitigen Schuldzuweisungen an die EZB noch mit dem Märchen, die manche Boulevardmedien über das angebliche Rentnerparadies Griechenland erzählen. Wir alle sind Teil der Eurozone. Umgangssprachlich ausgedrückt: Wir hängen da alle gemeinsam drin. – Ich finde allerdings, die Aussage: „Wir hängen da alle gemeinsam drin“, ist ein weitaus besseres Prinzip als: „Du bist auf dich allein gestellt“. In diesem Sinne sollten wir überlegen, wie Europa aus der Krise herauskommt und ob die EZB eigent

lich der richtige Gegner ist. Aber eines ist sicher: Mit dem, was am vorletzten Mittwoch in Frankfurt passiert ist, kommen wir nirgendwohin.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Am Ende lautet die Frage, die sich alle in diesem Parlament stellen müssen: Wie führen wir die wirtschaftspolitischen Debatten richtig, wie sorgen wir dafür, dass wir alle auf diesem Weg mitnehmen, und wie ziehen wir eine glasklare Trennlinie zu gewalttätigen Aktionen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Abg. Wissler hat sich für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Redezeit: fünf Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn sehr deutlich sagen, dass mich die Szenen in den Morgenstunden des Mittwochs persönlich entsetzt haben und dass sie die Mitglieder meiner Partei und meiner Fraktion entsetzt und schockiert haben. Angriffe auf Feuerwehrleute und Polizisten sowie das Zertrümmern von Straßenbahnstationen und Geschäften lehnen wir ab. Wir rechtfertigen das nicht, sondern wir verurteilen das.

(Alexander Bauer (CDU): Haben Sie das getwittert?)

Ich habe das zusammen mit meinem Fraktionsvorsitzendenkollegen Willi van Ooyen am 19. März, also einen Tag nach den Protesten, in einer schriftlichen Presseerklärung mit genau diesen Worten deutlich gemacht.

(Zurufe von der CDU)

Ich will deutlich machen, dass meine Partei an diesen Gewalttaten weder mitgewirkt noch sie vorbereitet hat und dass wir sie auch nicht gewollt haben. Schon alleine die Annahme, wir hätten das getan, ist vollkommen absurd. Das hat der Herr Minister doch gerade zutreffend dargestellt. Es wurden Menschen gefährdet, und das, um was es uns an diesem Tag eigentlich ging, nämlich vor der EZB lautstark zu demonstrieren, ist vollkommen in den Hintergrund gerückt. Das hat Minister Al-Wazir hier gerade zutreffend festgestellt. Deswegen sage ich sehr deutlich: Wir distanzieren uns von der Gewalt, wir verurteilen diese Gewalttaten. Wir haben das nicht mit vorbereitet. Wir wollten laut und friedlich vor der Europäischen Zentralbank protestieren.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das glaubt Ihnen keiner! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass es im Vorfeld der Aktion im Blockupy-Bündnis den Konsens gab, dass von den Protesten keinerlei Eskalation ausgehen sollte, dass die Proteste friedlich verlaufen sollten.

(Zurufe von der CDU)

Ich möchte auch auf Folgendes hinweisen. Das gleiche Bündnis hat bereits 2012, 2013 und 2014 in Frankfurt de

monstriert. 2013 haben die Blockupy-Aktivisten ein Camp am Rebstockgelände veranstaltet. Das Grünflächenamt der Stadt Frankfurt hat nach Ende des Camps erklärt, dass sie diese Fläche noch nie so sauber gesehen haben wie nach dem Blockupy-Camp.

Meine Damen und Herren, auch wir wollen gerne wissen, was in der letzten Woche passiert ist, und wir wollen gerne wissen, welche Menschen nach Frankfurt kamen, die in den Jahren zuvor offenbar nicht da waren, weil es dieses Bündnis in den Jahren zuvor immer geschafft hat, friedliche Proteste zu organisieren.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Gar nicht wahr! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich will noch einmal deutlich machen, dass Ulrich Wilken die Demonstration und die Kundgebung um 14 Uhr angemeldet hat. Ihn als Anmelder einer friedlichen Demonstration dafür verantwortlich zu machen, dass in der Frühe, um 6 Uhr, einige Leute von ihrer Unterkunft losgezogen sind und angefangen haben, die Stadt zu zertrümmern, das geht einfach zu weit.

(Beifall bei der LINKEN – Kurt Wiegel (CDU): Was haben Sie dagegen getan? – Weitere Zurufe von der CDU)

Wenn Herr Boddenberg am Dienstag sagt, Herr Wilken müsse beweisen, dass er nichts davon gewusst habe, dann entgegne ich: Erstens gilt in einem Rechtsstaat immer noch die Unschuldsvermutung, es gilt immer noch, dass die Schuld und nicht die Unschuld bewiesen werden muss. Zweitens frage ich Sie: Wie soll Ulrich Wilken denn beweisen, dass er etwas nicht gewusst hat? Das ist doch absurd.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Das Spiel kennen Sie, gell? – Weitere Zurufe von der CDU)

Wir wollen selbst wissen, was da passiert ist. 20.000 Menschen haben friedlich demonstriert und wollten ein Zeichen setzen, darunter Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kirchenleute und Leute von Attac.

Weil die Frage aufgeworfen worden ist, gegen was wir protestiert haben, will ich noch einmal deutlich sagen: Wir wollten ein Zeichen gegen die Politik der Troika setzen, die aus der Europäischen Kommission, dem IWF und der EZB besteht. Wir wollten deutlich machen, dass die sogenannten Rettungspakete in Wahrheit gigantische Verarmungsprogramme sind, dass mit dem Geld eben nicht die Griechen, sondern in allererster Linie deutsche und französische Banken gerettet wurden, dass die Auflagen für die Rettungspakete dazu geführt haben, dass die Verarmung zugenommen hat, dass Milliarden Euro im Gesundheitssystem gekürzt wurden, dass die Renten und Löhne gesenkt wurden, dass Hunderttausende Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut wurden.