Protocol of the Session on March 25, 2015

Auch bei dem, was die Sozialdemokraten uns heute ansonsten vorgetragen haben, hätte ich doch, nachdem Sie gestern bunte Bilder und Flatterbänder aufgehängt haben, wenigstens insoweit eine intellektuelle Unterlegung erwar

tet, dass es konkrete Vorstellungen der hessischen Sozialdemokraten gibt, wie man den KFA anders gestalten sollte. Wie wollen Sie es denn? Sind Sie für oder gegen interkommunale Solidarität? Sollen reiche Kommunen stärker zum Gemeinwesen beitragen, ja oder nein? Sind Sie solidarisch mit Eschborn, oder sind Sie solidarisch mit dem Vogelsberg? Sagen Sie es uns doch endlich einmal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sind Sie dafür, dass unsere Vorschläge dem ländlichen Raum und den von negativer demografischer Entwicklung betroffenen Regionen mehr Geld zur Verfügung zu stellen? Sind Sie dafür oder sind Sie dagegen, meine Damen und Herren? Wollen Sie uns endlich einmal an Ihren Gedankenprozessen dazu teilhaben lassen, oder wollen Sie dabei bleiben, dass die Analyse von Eva Goldbach völlig richtig ist, nach der es ausschließlich um Wahlkampf geht – und zwar einen nicht sehr teuren?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich bin René Rock sehr dankbar für seine Hinweise in der Diskussion. Leider ist er im Moment nicht da, aber vielleicht können Sie es ihm gelegentlich ausrichten.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Er hat Fragestellungen formuliert, die in der Diskussion eine Rolle spielen müssen. Dazu gehört die Frage, ob man einen Übergangsfonds braucht oder nicht. Ich glaube, man braucht ihn, weil wir natürlich an einer solchen Konversionsstelle, einem ziemlichen Systemwechsel und durchaus signifikanten Veränderungen bei manchen Kommunen, die jetzt insbesondere zur Solidaritätsumlage herangezogen werden, eine Übergangsfinanzierungsunterstützung für einen gewissen Zeitraum benötigen. Wenn Sie der Auffassung sind, wir bräuchten ihn nicht, dann kann man darüber diskutieren, weil er am Ende der Gesamtheit der Kommunen zugutekommen würde. Wir glauben, wir brauchen ihn, aber lassen Sie uns die Diskussion fortsetzen.

An einer Stelle hat Kollege Rock meiner Ansicht nach unrecht, nämlich wenn er den Vergleich zwischen unserer Kritik am aktuellen Länderfinanzausgleich und dem zieht, was wir jetzt an Solidaritätsumlage vorschlagen. Ich will Ihnen das einmal an ganz wenigen Zahlen deutlich machen.

Der gegenwärtige Länderfinanzausgleich hat ein Problem.

(Der Redner trinkt einen Schluck Wasser.)

Er bringt einen nicht nur zum Husten, sondern er konfrontiert an manchen Stellen vor allem Nehmerländer mit der Situation, dass 1 Million € an zusätzlichen Steuereinnahmen nach Verrechnungen mit allen möglichen Abzugssystemen auf der Ebene des Landeshaushalts zu 1,1 Millionen € weniger Steuereinnahmen führen können.

(Zuruf von der SPD: Millionen oder Milliarden?)

Ich habe einfach einmal eine Million genommen. Sie können es auch mit einer Milliarde machen, aber das kommt am Ende zum gleichen Ergebnis. – Somit lohnt es sich für manche Länder nicht, sich um eigene Mehreinnahmen zu bemühen, weil sie nicht nur nicht davon profitieren, sondern sogar dafür bestraft werden.

Unser Vorschlag zur Solidaritätsumlage sieht vor, dass besonders einnahmestarke Kommunen, die bisher von 1.000 € mehr Gewerbesteuer 500 € haben behalten dürfen, künftig noch 350 € behalten dürfen, und zwar als Profit bei sich in der Kasse. Es ist ein „Etwas-weniger-behalten-Dürfen“. Eine normal finanziell situierte Kommune, die weder finanzschwach noch finanzstark ist, behält etwa 220 € von 1.000 € mehr Gewerbesteuer, meine Damen und Herren. Diejenigen, die leistungsfähig sind und auch besondere Anforderungen haben, werden auch in Zukunft mehr Selbstbehalte haben als andere Kommunen, aber ein bisschen weniger als früher. Da muss man wohl nicht Sozialdemokrat sein, um das am Ende richtig zu finden. Insofern finde ich es spannend, wie Sie sich bisher nicht zu diesem Punkt bekannt und klar Position bezogen haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt, den Herr Rock angesprochen hat, ist auch mir sehr wichtig. Er betrifft die Frage, wie wir mit Werteverzehr auf kommunaler Ebene umgehen. Leider haben wir noch keine flächendeckenden doppischen Daten, die in der Lage sind, uns die Frage der Abschreibungen zum Bestandteil der Bedarfsberechnung zu beantworten. Deshalb haben wir einen Weg gefunden, der – bis wir das können – die Kommunen jedenfalls nicht schlechter stellt, als wenn wir die Abschreibung nehmen würden, nämlich indem wir die Zahlen nehmen, die hinter den realen Investitionen stehen. Ich glaube, das geschieht an dieser Stelle auch im Konsens mit den Kommunen. Aber wir müssen aufpassen, dass die Kommunen nicht dauerhaft in ihrer Investitionsfähigkeit eingeschränkt werden oder bleiben.

Durch die Konjunkturprogramme haben wir erhebliche Investitionen getätigt, die – das hatten wir uns damals alle gemeinschaftlich vorgenommen – jedenfalls dafür sorgen sollten, dass wir eine Reihe von Jahren weniger investieren wollten. Diese Phase ist nun bald vorbei. Deshalb ist es gut, dass der Bund jetzt ein Programm mit über 300 Millionen € für die hessischen Kommunen aufgelegt hat, über deren Verteilung wir in den nächsten Wochen zu diskutieren haben, um Investitionen in kommunale Infrastruktur zu ermöglichen und zu verbessern. Auch dazu werden wir wieder unseren Beitrag leisten.

Wir sind weiter Partner der Kommunen und werden uns am Wahlkampf der Sozialdemokraten bestenfalls durch Ignoranz desselben beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Schäfer. – Das Wort hat der Abg. Norbert Schmitt, SPD-Fraktion.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Jetzt kommen die Vorschläge!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Leider ist es so, dass weder Herr Finanzminister Dr. Schäfer noch der Antrag von CDU und GRÜNEN auf unsere zentrale Kritik an dem Gesetzentwurf eingegangen ist, der ja sozusagen erst in der Referentenfassung vorliegt. Stattdessen werden leider nur Ausreden und Ablenkungsmanöver produziert.

Ich will auf den ersten Punkt Ihres Antrags eingehen. Darin haben Sie einen Jahresvergleich von 2010 zu 2014 vorgenommen und sich darüber erfreut gezeigt, dass sich die Defizite reduziert haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Genau!)

Verschwiegen wurde aber, dass im gleichen Zeitraum die Schulden – es gibt Unterschiede zwischen Schulden und Defiziten, Frau Goldbach – um 7 Milliarden € zugenommen haben, Herr Boddenberg. Ich glaube, wenn man Jahresvergleiche vornimmt und jubelt, muss einen der Zuwachs an Verschuldung im gleichen Zeitraum doch zum Nachdenken bringen und sich fragen lassen, ob das, was Sie zum Kommunalen Finanzausgleich vorgelegt haben, die richtige Antwort auf genau diese Situation ist.

(Beifall bei der SPD)

In Ihrem dritten Punkt schreiben Sie, dass der Kommunale Finanzausgleich im gleichen Zeitraum um 1 Milliarde € gestiegen sei. Die Zahl stimmt. Was aber haben Sie an dieser Stelle anzufügen vergessen? – Dass die Steuereinnahmen im Landeshaushalt nach Abzug des Länderfinanzausgleichs und des Kommunalen Finanzausgleichs um 5 Milliarden € gestiegen sind. Da sind es doch Krümel, mit denen Sie die Kommunen beteiligt haben, meine Damen und Herren, wenn man im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von 5 Milliarden € zu verzeichnen hat.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt gehe ich noch einmal intensiv auf die mir vorliegenden Zahlen und Ihre Argumentation ein, Herr Minister, es sei ja alles auf einem guten Wege, und die in Punkt 1 festgehaltene Defizitreduzierung sei so wunderschön. Ich habe mir die Zahlen angesehen, wenigstens die neuesten statistischen Zahlen, die dazu vorliegen. Diese reichen leider nur bis zum Jahr 2013. Ich gehe jede Wette ein, dass das, was ich hier vortrage, sich für das Jahr 2014 noch verschärft darstellt.

Meine Damen und Herren, die Einnahmensteigerungen der Kommunen in diesem Zeitraum von 2010 bis 2013 sind zur Hälfte auf die Steigerung der Realsteuern, also der kommunalen Steuern – Grundsteuer A und B, Gewerbesteuer –, und der kommunalen Gebühren zurückzuführen. 800 Millionen € sind in diesem Zeitraum von 2010 bis 2013 auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger erwirtschaftet worden. Derselbe, der die Vermögensteuer ablehnt, macht sich hier zum Sprecher dafür, dass der Normalbürger mit Grundsteuer, mit Realsteuern, belastet wird. Ein irrer Vorgang.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Jetzt schauen wir uns die Ausgabenseite an, die zur Defizitreduzierung geführt hat, und kommen zum Hohelied der Investitionen, das eben noch Dr. Schäfer zum Ausdruck gebracht hat.

(Günter Rudolph (SPD): Da hat er recht!)

Da hat er recht. – Aber wie sieht es genau in diesem Zeitraum mit den kommunalen Investitionen aus? Die sind in diesem Zeitraum um 1 Milliarde € abgesenkt worden. In den hessischen Kommunen sind in den Jahren 2010 bis 2013 die Investitionen, die Investitionszuschüsse für andere um 1 Milliarde € abgesenkt worden. Frau Goldbach, das steckt hinter der Defizitreduzierung: einerseits die Belastung der Bürgerinnen und Bürger und andererseits massive Kürzungen bei den Investitionen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, und dafür wird SchwarzGrün kritisiert und übrigens auch die FDP, weil sie in diesem Zeitraum Verantwortung getragen hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu der Frage der Bedarfe und damit übrigens auch zu der Frage, ob eine Solidaritätsumlage gerechtfertigt ist oder nicht. – Sie wäre gerechtfertigt, wenn diejenigen, die abgeben müssen, in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Ich habe die „FAZ“ gerade nicht da. Ich kann es aus dem Kopf machen, und Sie können es gerne nachlesen. Die „FAZ“ vom heutigen Tag zitiert eine grüne Dezernentin aus Frankfurt, die sagt, es gibt einen ganz erheblichen Bedarf bei der Kinderbetreuung in Frankfurt. – Schauen Sie sich einmal die Schulen in Frankfurt an, dann wissen Sie, was dort noch zu leisten ist von einer schwarz-grünen Mehrheit in Frankfurt. Von wegen, dort sei das Paradies ausgebrochen. Das Gegenteil ist der Fall. Selbst Frankfurt hat weiterhin erhebliche Finanzbedarfe.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Herr Kollege Schmitt, Sie müssten zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, ob die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs verfassungswidrig ist oder nicht, darüber werden Gerichte entscheiden. Aber eines ist der Finanzausgleich auf jeden Fall: Er ist kommunalfeindlich, und das wird die sozialdemokratische Fraktion eben nicht hinnehmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Schmitt. – Das Wort hat Frau Abg. Wissler, DIE LINKE.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, das Problem ist, dass Sie bei der KFA-Reform die Spielräume genutzt haben, um den neuen KFA zulasten der Kommunen auszugestalten. Ich finde, man muss sich die Vorgeschichte anschauen. 2010 kürzt die damalige schwarz-gelbe Landesregierung 350 Millionen € aus dem KFA. Die Kommunen klagen dagegen, und im Alsfeld-Urteil heißt es: Jetzt muss der ganze KFA neu geregelt werden.

Der Staatsgerichtshof hat festgestellt, dass eine Bedarfsermittlung nötig ist, und hat ausdrücklich von einer Mindestausstattung gesprochen. Es ist nicht so, dass das Urteil des Staatsgerichtshofs Ihnen untersagen würde, die Kommunen besser auszustatten.

Unser Problem mit der KFA-Reform ist, dass Sie das vollkommen willkürlich gehandhabt haben. Es ist schon komisch, dass vorher die Mittel für den KFA etwa 4,1 Milliarden € betragen haben und offensichtlich vor der Berechnung und der Bedarfsermittlung feststand, was am Ende herauskommt, nämlich dass es keinen Cent mehr für die Kommunen geben darf.

Es ist schon merkwürdig, wenn man eine Rechnung aufmacht, wo das Ergebnis von vornherein feststeht, die 4,1 Milliarden € klar sind und man bei der Bedarfsermittlung, bei den Korridoren, bei der ganzen Berechnung total willkürlich vorgeht, Hauptsache, dass kein Cent mehr für die Kommunen herauskommt.

Das ist unsere Kritik, dass es wirklich eine Farce ist, was Sie gemacht haben, um dieses Urteil so umzusetzen, dass es an der Finanzsituation der Kommunen grundlegend überhaupt nichts ändert.