Protocol of the Session on March 25, 2015

Es ist bezeichnend und gibt einen Eindruck von der Diskussion und der „Tiefe“ der Argumente, dass die SPDFraktion ausgerechnet den Kollegen zu diesem Thema sprechen lässt, der im Haushaltsausschuss des Landtags wörtlich erklärt hat: „Ich habe das Urteil nicht vollständig gelesen, und dies ist auch nicht meine Aufgabe.“

(Heiterkeit bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Wenn der Kollege Kummer davon spricht, dass heute die letzte Möglichkeit und die letzte Chance für eine außergerichtliche Einigung bestehe, weil der Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung zurzeit in der Anhörung sei und im April, also in der nächsten Plenarrunde, hier in den Landtag eingebracht werde, dann frage ich mich, welche Bedeutung er eigentlich den Beratungen im Hessischen Landtag über von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwürfe beimisst.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In diesen Beratungen und in den Anhörungen, die im Verfahren sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen, wird über den Gesetzentwurf intensiv diskutiert. Der Hessische Landtag hat alle Möglichkeiten, den Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung zu verändern.

Aus Ihren Äußerungen lässt sich nur ein Schluss ziehen. Sie wollen – wie bisher – in der politischen Diskussion über die Reform des Kommunalen Finanzausgleichs 2016 und auch bei den parlamentarischen Beratungen in den nächsten Wochen und Monaten keine Vorschläge einbringen, weil Sie schlicht und einfach keine haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie fordern, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und einen neuen zu erstellen. Dabei wissen Sie genau, dass Sie den Kommunen damit einen Bärendienst erweisen. Die Kommunen sind darauf angewiesen – deshalb gibt es diesen Zeitplan –, dass der Kommunale Finanzausgleich 2016 noch vor der Sommerpause in Gesetzesform gegossen und im Gesetzblatt verkündet wird, damit die Kommunen für das Haushaltsjahr 2016 Planungssicherheit haben und wissen, wo die Reise hingeht.

Unterhalten wir uns einmal über das, was an Zahlen und Fakten zu nennen ist. Wir haben uns an dem Urteil des Staatsgerichtshofs orientiert und es im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt. Wir haben die Pflichtaufgaben der Kommunen ermittelt und die Frage gestellt, wie es uns der hessische Staatsgerichtshof aufgegeben hat, ob die zur Verfügung stehenden Mittel angemessen sind. Wir haben uns bei der Antwort auf diese Frage an wirtschaftlich handelnden Kommunen orientiert.

Wir haben uns in einem zweiten Schritt der Auflage des Staatsgerichtshofs gestellt, unabhängig von der Steuerkraft des Landes ein Mindestmaß an freiwilligen Leistungen zu finanzieren, und den dafür notwendigen und angemessenen Betrag ermittelt.

Wir haben schließlich und endlich in einem dritten Schritt die übrigen freiwilligen Leistungen abhängig von der Steuerkraft des Landes ermittelt und auch diesen Betrag in den Kommunalen Finanzausgleich eingestellt.

Unter dem Strich ergibt dies einen Bedarf in Höhe von 3,7 Milliarden €. Wir haben 400 Millionen € als Stabilitätsansatz draufgepackt. Das heißt, der Kommunale Finanzausgleich beläuft sich nach diesen Berechnungen auf gut 4 Milliarden €. Sie wissen, dass das Volumen des Kommunalen Finanzausgleichs, wenn er im Jahre 2016 in Kraft tritt – lesen Sie im Finanzplan nach, den wir hier verabschiedet haben –, bei 4,3 Milliarden € liegen wird. Das ist eine Rekordzahl, die dritte hintereinander. Vor diesem Hintergrund zu sagen, die Kommunen verfügten nicht über ausreichende Finanzmittel, halte ich für abenteuerlich, insbesondere deshalb, weil das Volumen des Kommunalen Finanzausgleichs in den letzten fünf Jahren um 1 Milliarde € gestiegen ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie stellen die Frage nach der Angemessenheit der Mittel und behaupten, wir hätten Abzüge vorgenommen. Im Urteil des Staatsgerichtshofs steht ausdrücklich, dass die Höhe der Mittel angemessen sein muss, sodass sich wirtschaftlich handelnde Kommunen daran orientieren können. Wenn Sie nicht glauben, dass es auch in den Kommunalhaushalten Sparpotenziale gibt und Effizienzgewinne gehoben werden können, dann empfehle ich Ihnen – tun Sie das bitte –, die Prüfberichte und die jährlichen Zusammenfassenden Berichte des Hessischen Rechnungshofs zu lesen, in denen detailliert dargestellt wird, wo Sparpotenziale bei den Kommunen vorhanden sind. Lesen Sie die Berichte des Bundes der Steuerzahler, in denen jedes Jahr dargestellt wird, wo unnötigerweise Steuergelder ausgegeben werden. Wir erfüllen das Urteil des Staatsgerichtshofs, indem wir dies bei der Berechnung des Kommunalen Finanzausgleichs berücksichtigen.

Auch das haben Sie nicht verstanden. Das zeigt Ihre Forderung, mehr Geld in das System zu pumpen. Genau das hat der Hessische Staatsgerichtshof nicht gefordert. Der Hessische Staatsgerichtshof hat zur Höhe des Kommunalen Finanzausgleichs in keinem einzigen Satz, mit keinem einzigen Wort Stellung genommen. Er hat gesagt: Land, du musst den Bedarf ermitteln. – Er hat nicht mehr und auch nicht weniger gesagt. Er hat in der Begründung der Entscheidung sogar ausdrücklich geschrieben: Ob das ein geringer, ein höherer oder der gleiche Betrag ist, ist nicht Gegenstand unserer Prüfung.

(Timon Gremmels (SPD): Er hat aber auch nicht verboten, zu erhöhen! – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU): Seit wann bist du Finanzfachmann? – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Einher geht mit diesem Urteil des Staatsgerichtshofs – das ist der entscheidende Punkt – ein Systemwechsel. Sie denken immer noch in der Kategorie „Steuereinnahmen“: Steuereinnahmen werden an die Kommunen weitergeleitet.

(Timon Gremmels (SPD): Ich denke in der Kategorie „Kommune“!)

Der Staatsgerichtshof hat festgelegt, dass das Risiko, das von schwankenden Steuereinnahmen ausgeht, zukünftig einzig und allein beim Land Hessen liegt; denn wir müssen unabhängig von der Höhe der Steuereinnahmen ein Mindestmaß an Pflichtaufgaben und an freiwilligen Leistungen finanzieren.

(Norbert Schmitt (SPD): Das schreibt die Verfassung so vor! – Weitere Zurufe von der SPD)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Qualität Ihrer Zwischenrufe steht, was die Intelligenz betrifft, in einem reziproken Verhältnis zu der Lautstärke, in der sie gemacht werden.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): „Das schreibt die Verfassung vor!“ war der Zwischenruf! Das gibt es nicht!)

Daraus resultiert auch das, was Sie monieren: dass bei steigenden Steuereinnahmen diese so aufgeteilt werden – das ist unser Vorschlag –, damit das Risiko sinkender Steuereinnahmen abgefedert werden kann.

Wir haben vorgeschlagen, dass bei steigenden Steuereinnahmen ein Drittel den Kommunen zugutekommt, unabhängig von der Bedarfsprüfung. Wir haben festgelegt, dass ein weiteres Drittel der steigenden Steuereinnahmen in eine Rücklage für den Kommunalen Finanzausgleich fließt, um für Zeiten, in denen die Steuereinnahmen sinken, gewappnet zu sein. Es ist auch richtig und vernünftig, wenn wir sagen: Das letzte Drittel der Steuereinnahmen verbleibt im Landeshaushalt, damit wir damit andere Dinge finanzieren können.

Über einen Teil der notwendigen Finanzierungen haben wir schon in der vorigen Debatte – ich erinnere an die Verkehrsinfrastruktur – ausführlich geredet.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich eine Bemerkung zu dem Kommunalen Schutzschirm machen. Das Land gibt 3,2 Milliarden € dazu: 2,8 Milliarden € zur Schuldentilgung und 400 Millionen € für Zinsdienstleistungen. Wenn das alles so schlecht ist, wie der Kollege Kummer eben vorgetragen hat, frage ich mich, warum er in seiner vorangegangenen Tätigkeit als Kreisbeigeordneter des Kreises Groß-Gerau für den Beitritt des Kreises Groß-Gerau zum Kommunalen Schutzschirm des Landes gestimmt hat.

(Beifall bei der CDU – Timon Gremmels (SPD): Weil sie keine andere Wahl hatten! – Weitere Zurufe von der SPD)

Er wusste, dem Kreis Groß-Gerau werden vom Land Hessen 115 Millionen € an Schulden abgenommen. Das ist die Wahrheit. Damit unterstützen wir die Kommunen, die finanzschwach und besonders bedürftig sind.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Letzte Bemerkung. Dazu, dass hier die Diskussionen kritisiert worden sind, die mit den Kommunalen Spitzenverbänden geführt wurden, sage ich ganz ehrlich: Ich verstehe die Welt nicht mehr. Noch kein Finanzminister hat eine solch intensive Diskussion mit den Vertretern der Kommunen und der Kommunalen Spitzenverbände, in den Bürger

meisterdienstversammlungen, in den Oberbürgermeisterrunden und mit allen Betroffenen geführt, wie es dieser Finanzminister in den letzten sechs Monaten gemacht hat.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Herr Kollege Schork, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Das Ergebnis dieser Gespräche ist in den Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung eingeflossen. Diese Debatte und Ihr Antrag zeigen eines: Sie haben keine Vorschläge, Sie sind hilf- und ratlos. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen Moment, Herr Kollege Schork. – Herr Kummer, wollen Sie eine Abschlussfrage stellen? – Nein, keine Abschlussfrage. Lassen wir das. – Herr Kollege Schork, vielen Dank.

Nächster Redner ist der Kollege Rock, FDP, Seligenstadt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kommunale Finanzausgleich beschäftigt uns im Hessischen Landtag nicht zum ersten Mal. Das ist ein sperriges Thema, zumindest für die Damen und Herren auf der Zuschauertribüne; denn man kann sich dabei schnell in Kleinigkeiten verlieren. Das möchte ich in meiner Rede ausdrücklich nicht machen, sondern ich möchte die Grundsätze dessen beleuchten, worüber wir uns streiten oder – so sage ich es einmal – womit wir uns auseinandersetzen.

Was ist passiert? Es gab ein Urteil, das sogenannte Alsfeld-Urteil, das etwas beendet hat, was in Hessen über alle Landesregierungen hinweg Tradition hatte – ich nehme keine Landesregierung davon aus –: Die Unterstützung der Kommunen erfolgte ein Stück weit nach Kassenlage des Landes. Das ist über alle Landesregierungen hinweg in der einen oder anderen Weise geschehen; das lässt sich verfolgen.

Was besagt dieses Urteil? Dieses Urteil besagt: Das muss aufhören. Vielmehr müsst ihr die Grundbedarfe, die die Kommunen wirklich haben, finanziell abdecken.

(Holger Bellino (CDU): Egal, wie es dem Land geht!)

Dieses Urteil steht in einer Tradition von Urteilen, die auch zu anderen Bereichen gefällt wurden. Ich nenne als Beispiele das SGB II und das Existenzminimum. Da muss jetzt jeder Cent nachgewiesen werden. Ich bin mir sicher, dass wir auch im Zusammenhang mit den Asylbewerberleistungen ein ähnliches Urteil bekommen werden: dass auch bei der Pauschalierung im Nachhinein jeder Cent belegt werden muss. Die Politik nach dem dicken Daumen wird aufhören.

Wir werden zukünftig eine Finanzierung der hessischen Kommunen durch das Land Hessen bekommen, die unabhängig von der politischen Couleur der Handelnden und unabhängig von der ökonomischen Lage des Landes den Kommunen Planungssicherheit geben soll, damit sie ihre Entwicklung – die Entwicklung einer Politik, die dem Bürger möglichst nahe ist – kontinuierlich vorantreiben können. Das ist eine gute Nachricht.

(Beifall bei der FDP)

Ich denke, im Grundsatz gibt es hier keinen Streit. Es gibt keinen Streit darüber, ob es gut ist, dass die Kommunen künftig eine an ihrem real existierenden Bedarf orientierte nachhaltige und dauerhafte Finanzierung bekommen sollen. Wie soll das aber jetzt umgesetzt werden? Das ist eine der wichtigsten Reformen dieser Legislaturperiode. Wie soll dieses Spannungsfeld beseitigt werden?

Wir haben beim Kommunalen Finanzausgleich die große Chance, einen Systemwechsel vorzunehmen, der in sich schlüssig ist. Da kann man sagen: Die Landesregierung – an der Spitze der Finanzminister – hat sich im Grundsatz für das sogenannte Thüringer Modell entschieden. Dabei wird gefragt, wie die Bedarfe sind. Die Bedarfe werden statistisch ermittelt. Da kann man anfangen, miteinander zu streiten, zwar nicht wegen des systemischen Aspekts, aber über die statistische Wahrnehmung.

Ich möchte jetzt, ohne in die Details der Statistik einzusteigen, auf drei Punkte hinweisen, die ein Indikator dafür sein könnten, dass das Modell, das die Landesregierung vorgelegt hat – im Grundsatz begrüßen wir, dass wir eine dauerhafte Finanzierung der Kommunen bekommen, die sich nicht mehr an der Kassenlage orientiert –, einen Nachbesserungsbedarf hat. Ich möchte die drei Punkte, um die es aus meiner Sicht geht, hier einmal aufzählen.

Erstens. Der politischste aller Punkte ist der – wie ich es einmal gemein sage – „Beliebigkeitsfonds“, also die finanziellen Mittel aus der Vergangenheit, die jetzt als politscher Schmierstoff über das System gelegt werden, damit es im ersten Durchlauf nicht so viele Verlierer gibt.

Was bedeutet das? Man versucht, die Umverteilung für die, denen man Geld wegnimmt, um es anderen zu geben, die dadurch mehr Geld haben, dadurch auszugleichen, dass man in einem gewissen Zeitraum mehr Geld in den Kommunalen Finanzausgleich gibt, um die Erschwernisse der Kommunen zu erleichtern und damit vor der Kommunalwahl ihren Widerstand gegen das System zu beseitigen. Das kann man politisch machen, aber aus meiner Sicht ist es ein klarer Indikator dafür, dass das System, das man entwickelt hat, in sich noch nicht schlüssig ist.

(Beifall bei der FDP)