Die SPD hat 100 % versprochen, in dieser Frage aber nichts geliefert. Was wir hier in Hessen zu entscheiden haben, haben wir bereits auf den Weg gebracht: mit dem Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt, der Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle und anderen Entscheidungen.
In dieser Frage des Adoptionsrechts sind die Regierungsfraktionen von CDU und GRÜNEN unterschiedlicher Auffassung. Das werden wir hier mit der Zustimmung zu unserem Antrag und der Ablehnung des FDP-Antrags auch dokumentieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Wiesmann, bei allem Respekt für die sicherlich nicht einfache Situation, hier das Gegenteil dessen vortragen zu müssen, von dem Sie selbst überzeugt sind, möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wenn Sie den Antrag der FDP-Fraktion als „schlicht“ bezeichnen, dann kann ich Ihnen nur antworten: Es ist an dieser Stelle alles schlicht und einfach.
Nur die vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Adoptionsrecht ist diskriminierungsfrei. Alles andere ist eine weitere Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare.
Zweitens. Merken Sie eigentlich nicht, dass es diskriminierend ist, wenn Sie bei dem Thema „Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare“ immer als Erstes sagen, es komme auf das Kindeswohl an? Es ist selbstverständlich so, dass es auf das Kindeswohl ankommt. Das ist im Adoptionsrecht so geregelt, das müssen Sie nicht immer wieder sagen.
Drittens und abschließend. Frau Wiesmann, Sie haben es schon gesagt: Es gibt keine Studie, die darstellt, dass sich die sexuelle Identität der Eltern negativ auf das Kindeswohl auswirke. Es gibt keine solche Studie.
Wir werden dem Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen können, weil wir hier zwar ständig zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie in der einen oder anderen Frage unterschiedlicher Auffassung sind, aber das brauchen wir als Landtag nicht auch noch festzustellen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ausgangspunkt der Diskussion ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013 im Hinblick auf die Sukzessivadoption, das bis zum 30. Juni 2014 umzusetzen war. Mit dieser Entscheidung wurde das Verbot der Sukzessivadoption, d. h. das Verbot der Annahme eines bereits adoptierten Kindes durch die Lebenspartnerin bzw. durch den Lebenspartner des zunächst Annehmenden, als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar festgestellt.
Die Umsetzung dieser Entscheidung ist der Bundesregierung mit ihrem am 22. Mai 2014 verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption vollumfänglich gelungen.
Bei dem verabschiedeten Gesetz steht das Argument im Vordergrund, dass ein Kind, das bereits in einem Haushalt mit beiden Lebenspartnern zusammenlebt, durch die Sukzessivadoption eine Verbesserung seiner rechtlichen Lage erfährt. Die rechtliche Situation ist natürlich der Ansatz, an dem das Bundesverfassungsgericht argumentieren konnte. Dass die emotionale Bindung eines Kindes, die Liebe, die einem Kind zuteilwird, durch die persönliche Einstellung derjenigen bestimmt wird, die sich um das Wohl eines Kindes kümmern, ist selbstverständlich. Dieses Kümmern und die Liebe zu einem Kind haben weiß Gott nichts mit der Fragestellung der sexuellen Orientierung zu tun. Deswegen ist an der Stelle immer zwischen der emotionalen Bindung und Zuwendung auf der einen Seite und der rechtlichen Bewertung auf der anderen Seite, die das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hat, zu unterscheiden. Die Verbesserung der rechtlichen Situation von Adoptivkindern durch das Bundesverfassungsgericht war und ist begrüßenswert. Insofern sind wir uns, denke ich, hinsichtlich des Passus im Antrag der FDP-Fraktion einig.
Was allerdings den zweiten Punkt und die Begründung anbelangt, dass aus Gründen des Kindeswohls auch homosexuelle Paare ein vollumfängliches Adoptionsrecht haben sollen, also auch eine gemeinsame Adoption erlaubt sein sollte, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Man kann das auch differenziert sehen. Ich denke, Frau Wiesmann hat das mit aller Ernsthaftigkeit sehr deutlich gemacht.
Bei der Betrachtung von Sukzessivadoption und Volladoption gibt es schon einen zu beachtenden Unterschied. Bei der Sukzessivadoption ist die Bindung eines Kindes an einen der Lebenspartner bereits vorhanden, während bei einer Volladoption zwei völlig neue Bindungen geknüpft werden. Dies kann im Übrigen bei allen Adoptionen eine große Herausforderung für alle Beteiligten darstellen. Angesichts dieses Unterschiedes sollten wir uns gut überlegen, ob das, was wir bislang wissen, was wir bislang an Studien kennen, ausreicht, eine Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare herbeizuführen, oder ob es besser ist, zu sagen, das Kindeswohl gebiete es, dass der Regelfall doch der sein sollte, dass eine Adoption durch Mann und Frau erfolgt, sodass Emotionen und andere Aspekte der Erziehung durch beide Geschlechter zum Tragen kommen.
Ich finde, dass dies eine Auffassung ist, mit der man sich ernsthaft auseinandersetzen darf und muss. Dies geht nur dann, wenn man der Überzeugung ist, dass allein durch die Frage des Adoptionsrechts für und der Volladoption eines Kindes durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner der Weg nicht zwangsläufig in die Frage der Diskriminierungsfreiheit der Gleichgeschlechtlichkeit hineinführt.
(Gernot Grumbach (SPD): Schaffen Sie gleich die Scheidung ab, und machen Sie Zwangspartnerschaften für alle Alleinerziehende!)
Das steht an dieser Stelle nicht zur Debatte; denn da sind wir uns einig: Das ist diskriminierungsfrei, das hat diskriminierungsfrei zu sein, und das ist das individuelle Entscheidungsrecht eines jeden Einzelnen. Aber man darf das Thema Adoption an dieser Stelle nicht als Vehikel nehmen, um zu glauben, damit Diskriminierungen abbauen zu können; denn bei der Adoption geht es letztendlich um das Kindeswohl. Hier ist es wichtig, dass man auch die Sicht
des Kindes und nicht nur die Sicht der potenziellen Eltern in den Blick nimmt; denn es werden passende Eltern für das Kind gesucht – kein passendes Kind für die Eltern. Deswegen gibt es kein Recht auf Adoption. Auch das muss bei dieser Debatte berücksichtigt werden.
Wir müssen berücksichtigen, dass Kinder, die fremdadoptiert werden, in ihrem in der Regel noch recht kurzen Leben mitunter traumatische Situationen erlebt haben und dass sie häufig aus sehr belasteten Verhältnissen kommen. Deshalb unterscheiden sich diese Adoptionen von den sogenannten und zulässigen Stiefkindadoptionen gleichgeschlechtlicher Lebenspartner, bei denen die Kinder im Vorfeld in der Regel keiner kindeswohlgefährdenden Situation ausgesetzt waren, und von den – wie vorher von mir ausgeführt – nunmehr erlaubten Sukzessivadoptionen.
Kommen die fremdadoptierten Kinder in eine Familie mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern, müssen wir uns mit Blick auf das Kindeswohl auch die Frage stellen, ob wir diese Kinder in einer solchen Sondersituation nicht überfordern, in der sie sich als diejenigen, die adoptiert werden, mit möglicherweise traumatischen Erfahrungen in ihrem kurzen Leben befinden.
Ich finde, das ist eine Diskussion, der wir uns stellen müssen. Wir müssen sie ernsthaft angehen. Diese Diskussion ist nicht am Ende. Ich weiß nicht, welches Ergebnis diese Diskussion bringen wird. Aber wir sollten uns ernsthaft damit auseinandersetzen und nicht vorschnell die einen als rückwärtsgewandt titulieren, nur weil sie sich möglicherweise in einer jetzigen Situation auch mit anderen Aspekten auseinandersetzen, während die anderen vermeintlich fortschrittlich sind. Ich kann nicht sagen, wer an dieser Stelle fortschrittlich oder rückwärtsgewandt ist; denn bei der Betrachtung des Kindeswohls gibt es weder Fortschrittlich-Sein noch Rückwärtsgewandt-Sein, sondern da gibt es nur das Kindeswohl.
Herr Staatsminister Grüttner, vielen Dank für eine doch sehr differenzierte Betrachtungsweise. Was das Adoptionsrecht anbelangt, macht es sich sicherlich keiner leicht. Man muss darauf achten, dass man die Gesellschaft auf solch einem Weg mitnimmt. Ich will gern zugeben: Ich bin manchmal selbst überrascht, wie weit die Gesellschaft hier schon vorangeschritten ist.
Aber ich will Ihnen auch sagen, an einem Punkt irren Sie. Die Frage, wie das Verhältnis zwischen Kindern und Adoptiveltern ist – wie belastend und auf welchem Weg das manchmal ist –, haben Sie sehr gut beschrieben. Aber da ist es eben so: Vor diesen Problemen stehen heterosexuelle Paare genauso wie gleichgeschlechtliche Paare. Jetzt ist es aber gängige Praxis, dass es gleichgeschlechtliche Lebenspartner gibt, von denen erst der eine und dann Zug um Zug der andere den Adoptionsantrag unterschreibt – und im
Zimmer nebenan sitzt ein heterosexuelles Paar, das das sofort in einem Zug machen kann. Wenn es im Sachverhalt des Eltern-Kind-Verhältnisses keinen Unterschied zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Paaren gibt, sondern rein die Bürokratie und die Politik diesen Unterschied spürbar machen, dann ist das ein klassischer Fall von Diskriminierung. Den gilt es abzubauen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fand einfach, die Ausführungen des Sozialministers konnten nicht unbeantwortet bleiben. Wir sind uns völlig einig: Jede Adoption ist ein Einzelfall, bei dem das Kindeswohl – das sagt schon das Gesetz – im Mittelpunkt steht. Die Diskriminierung ist auch nicht eine der Kinder. Die Diskriminierung besteht im Ausschluss der Elternschaft für bestimmte Gruppen von vorneherein.
Ich frage Sie relativ freundlich: Wie wollen Sie eigentlich begründen, dass Menschen, die sich in einer Lebenspartnerschaft für ein Kind entscheiden, weniger geeignet sein sollen, ein Kind zu haben, als wenn sie das nach einer Scheidung als Alleinerziehende oder als Wiederverheiratete tun? Ich glaube, mein Zwischenruf von vorhin – „Schaffen Sie gleich die Scheidung ab, und machen Sie Zwangspartnerschaften für alle Alleinerziehende!“ – bringt das Argument auf den Punkt. Wir können gern in jedem einzelnen Adoptionsverfahren darüber reden, ob die konkreten potenziellen Eltern diejenigen sind, die zu dem Kind passen. Aber worüber wir nicht reden können, ist, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung anders zu behandeln sind als Alleinerziehende oder als andere Ehepaare. Das ist Diskriminierung, und das geht einfach nicht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gern bereit – ich glaube, das gilt für jeden von uns –, mich ernsthaft mit diesen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Ich habe versucht, das an der Stelle sehr klar zu verdeutlichen: Wenn ich den Diskriminierungstatbestand zurate ziehe, ist das nicht derjenige, der bei Adoptionen die Rolle spielen soll, damit zu argumentieren, er überwinde Diskriminierung durch die Eröffnung der Adoption auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartner.
Wir haben bei Adoptionen eine solche Fülle an Ausschlusstatbeständen – auch für nicht-gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften –, bei denen Sie wahrscheinlich
Wir bemühen uns im Rahmen der Jugend- und Familienministerkonferenz – im Übrigen auch im Kontext der Integrationsministerkonferenz, wo das Thema Antidiskriminierung eine wesentliche Rolle spielt –, uns diesem Thema zu widmen. Da Herr Grumbach und Frau Hofmann das so intensiv diskutiert haben: Ich sage nicht, ich würde mich an dieser Stelle nicht über eine Gesetzesinitiative der SPD auf Bundesebene freuen; dort wäre eine Möglichkeit, dies auf den Weg zu bekommen.
Sie fangen doch mit dem Argument der Rückwärtsgewandtheit an und versuchen, einen politischen Diskussionsstand hineinzubringen. Herr Rudolph, diese Diskussion überfordert Sie, das verstehe ich. Das überfordert Sie tatsächlich.
Die Bundesebene wäre eine Möglichkeit, dies auf den Weg zu bekommen, an dieser Stelle neben den verschiedensten Sachverhalten auch die Frage des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Lebenspartner in den Blick zu nehmen. Nehmen Sie es einfach hin, dass es eine Notwendigkeit gibt, dies in der Sache sehr intensiv zu diskutieren. Dann kommt die Frage von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften im Hinblick auf das Adoptionsrecht genauso zum Tragen wie der Ausschluss anhand gewisser Altersgrenzen, die das Adoptionsrecht letztendlich beinhaltet. Es ist die Frage, welche Kriterien bei Einzelfallprüfungen eine Rolle spielen.