Protocol of the Session on March 4, 2015

dann frage ich Sie doch allen Ernstes: Warum soll das diesem Paar untersagt werden?

Sie haben gesagt, es besteht kein Handlungsdruck.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Ich kenne persönlich viele Paare, die sich sehnlichst ein Kind wünschen – aber unter den Rahmenbedingungen einer lesbischen oder schwulen Beziehung, die vernünftig ist –, die sich den Kinderwunsch nicht auf einfache Art und Weise wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren erfüllen können, bei denen die Biologie funktioniert, die sich aber sehnlichst eine solche Familie wünschen. Denen wird das durch diese rückwärtsgewandte Politik untersagt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Deshalb muss ich ganz klar sagen: Der FDP-Antrag ist klar und schlicht. Dem kann man zustimmen. Er braucht nicht mehr Worte als unbedingt nötig, um zu sagen, was es zu tun gilt,

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

dass es nämlich die volle Gleichstellung braucht. Da brauche ich keinen Prosatext von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU, der schließlich lapidar festhält, weil sie ihre Probleme untereinander nicht lösen können: Wir sind unterschiedlicher Meinung. – Meine Damen und Herren, das soll der Hessische Landtag auch noch feststellen?

(Beifall bei der SPD und der FDP – Manfred Pentz (CDU): Eine bewusste Gegeninterpretierung!)

Ja, wo sind wir denn? Meine Damen und Herren, nehmen Sie dieses Parlament überhaupt noch ernst?

Deshalb kann ich nur sagen: Frau Wiesmann, nein, das ist ein Armutszeugnis. Das muss man wirklich sagen.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Gott sei Dank haben wir die Sukzessivadoption, auch durch die Hartnäckigkeit der SPD. Das war ein Schritt in die richtige Richtung. Meine Damen und Herren, aber das volle Adoptionsrecht muss folgen. Das ist längst überfällig.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Zum Abschluss will ich es noch einmal ausführen, weil Sie nach Kriterien gefragt haben und sich da Ihre Weltsicht irgendwie zurechtgebastelt haben, Frau Wiesmann, völlig realitätsfern. Was ist denn entscheidend? Auch wir als SPD sagen ganz klar bei der Adoption – das gilt für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, aber auch für verschiedengeschlechtliche Partnerschaften –: Für uns als SPD ist bei der

Adoption das Kindeswohl das Entscheidende. Es muss im Mittelpunkt stehen.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Aber was ist denn bei der Erziehung von Kindern das Entscheidende? Das sind viele Aspekte, die Sie eben nicht erwähnt haben und die mit der Frage, ob man homo oder hetero ist, überhaupt nichts zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Das sind Fragen wie: In welchem Umfeld werden Kinder groß? Welche Erziehungsberechtigte sind feste, verlässliche Ansprechpartner für die Kinder? Wie werden die Kinder gefördert, durch welche Bezugspersonen? – Das sind doch die entscheidenden Fragen, und nicht etwa die, ob man gleichgeschlechtlich ist oder nicht. Meine Damen und Herren, darauf lege ich größten Wert.

(Bettina Wiesmann (CDU): Kein Dissens!)

Ich kann nur sagen: Das war wieder einmal ein peinlicher Auftritt für diese rückwärtsgewandte CDU hier in Hessen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Holger Bellino (CDU): Lassen Sie diese Arroganz!)

Sie haben in Ihren Reihen sogar einen Herrn Irmer, der immer wieder durch homosexuelle Anfeindungen auffällt und den Sie immer noch in Ihren Reihen dulden.

(Manfred Pentz (CDU): Bleiben Sie bei der Sache!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Die SPD steht für eine volle Gleichstellung, zu 100 %.

(Holger Bellino (CDU): Seit wann?)

Das wollen wir auch umsetzen, entgegen Ihrer rückwärtsgewandten Politik. Dafür steht die hessische SPD: hundertprozentige Gleichstellung.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jürgen Lenders (FDP) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Wort hat Herr Abg. Klose, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

(Günter Rudolph (SPD): Herr Irmer ist auch gegangen! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Schäfer-Gümbel ist auch nicht da! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Netter Versuch!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede ganz bewusst nicht mit der Diskussion über eine abstrakte Rechtsfrage beginnen, sondern eingangs klarmachen, worum es eigentlich geht.

Es geht um die Liebe, die Eltern ihrem Kind entgegenbringen. Nichts gibt Kindern mehr Kraft, mehr Zuversicht, mehr Mut, mehr Zufriedenheit als die Liebe ihrer Eltern. Das ist der wertvollste Schatz, den Eltern ihren Kindern weitergeben. Diese Liebe vereint Eltern mit ihren Kindern, aber sie vereint auch Eltern miteinander, und zwar ganz gleich, ob sie verheiratet oder unverheiratet, leibliche oder Adoptiveltern, verschiedenoder gleichgeschlechtliche

Paare oder bunt gemischte Patchwork-Familien sind. Diese Liebe kennt keine gesellschaftlichen Konventionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Zur Realität gehört gleichzeitig aber leider auch, dass es Kinder gibt, die ohne solche Liebe aufwachsen müssen. Diese Liebe lässt sich glücklicherweise nicht politisch verordnen oder beeinflussen. Aber unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker ist es, ganz besonders behutsam damit umzugehen und ihr zur Entfaltung zu verhelfen, wenn sie durch äußere Umstände eingeschränkt wird.

Bei allen Fragen des Adoptionsrechts geht es genau darum: Menschen die Liebe einer Familie zu ermöglichen, unstrittig ein besonders sensibler Fall.

Deshalb ist es natürlich wichtig, dass der alleinige Maßstab des Adoptionsrechts das Kindeswohl ist. Darüber gibt es nicht nur in diesem Landtag große Einigkeit. Meine Damen und Herren, das gilt dann aber für alle Adoptionen, gleich ob durch verschieden- oder gleichgeschlechtliche Paare oder durch Einzelpersonen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Unsere grüne Position ist bekannt und glasklar. Wir haben die Argumente, die wissenschaftlichen Studien aus dem Inund Ausland, die Pros und Kontras abgewogen und sind zu einem Schluss gekommen. Für uns ist es nicht nur selbstverständlich, sondern geboten, dass das vollständige Adoptionsrecht auch für gleichgeschlechtliche Paare gilt, und zwar aufgrund des Kindeswohls – weil Kinder von Anfang an die gleichen Rechte gegenüber den beiden Menschen haben sollen, die sie als ihre Eltern erleben.

Darüber hinaus wollen wir zwei Menschen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als sich um ein Kind zu sorgen, es zu lieben und stark zu machen und beim Aufwachsen zu unterstützen, auch die gemeinsame Möglichkeit dazu geben.

Es ist keine einzige Studie bekannt, hatte Frau von der Leyen gesagt, die zu dem Ergebnis kommt, dass es Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, anders geht als Kindern, die in gemischtgeschlechtlichen Ehen aufwachsen. Auch die bekannte Studie aus dem Jahr 2009 hat – zusammengefasst – gesagt: Nicht die sexuelle Orientierung der Eltern ist entscheidend, sondern die Beziehungsqualität und das Klima in der Familie.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Sukzessivadoption im letzten Jahr Bedenken unmissverständlich zurückgewiesen. Es sei vielmehr davon auszugehen, heißt es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie in einer Ehe. – Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht nach sorgfältiger Prüfung für zulässig erklärt, dass ein Kind, das von einer lesbischen Frau oder einem schwulen Mann adoptiert worden ist, anschließend auch von ihrer Partnerin oder seinem Partner adoptiert werden darf. Man kann vor diesem Hintergrund doch niemandem erklären, warum dann nicht auch eine gemeinsame Adoption durch ein gleichgeschlechtliches Paar möglich sein soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der LINKEN)

Ein Verbot wäre im Übrigen auch im Interesse des Kindeswohls juristisch nicht stringent, denn es gibt bereits eine Vielzahl von Kindern, die in lesbischen oder schwulen Partnerschaften, sogenannten Regenbogenfamilien, leben. Sie haben die gleichen Rechte gegenüber den Menschen, die sie als ihre Eltern erleben.

Lassen Sie mich noch auf zwei Einwände zu sprechen kommen, die einer Gleichstellung im Adoptionsrecht gerne entgegengehalten werden. Das ist zum einen das Argument, ein Kind brauche Mutter und Vater. Wenn man das postuliert – was ich respektieren kann –, stellen sich sofort einige weitere Fragen. Was heißt das z. B. für die Kinder von Alleinerziehenden? Warum dürfen nicht nur heterosexuelle Paare ein Kind adoptieren, sondern auch Einzelpersonen, gleich welchen Geschlechts und gleich welcher sexuellen Orientierung? Das zeigt doch: Das Argument, ein Kind brauche Mutter und Vater, spielte ganz offensichtlich in der Frage der Zulässigkeit von Adoptionen keine Rolle, bis auch gleichgeschlechtliche Paare ihren Kinderwunsch geäußert haben. – Das ist in sich nicht logisch und im Übrigen ein wichtiger Grund dafür, warum sich viele gleichgeschlechtliche Paare durch die geltende Rechtslage – aus meiner Sicht durchaus zu Recht – diskriminiert fühlen.

Ein anderer Einwand lautet, es gehe gleichgeschlechtlichen Paaren nur darum, sich durch ein Kind als Familie selbst verwirklichen zu wollen. Meine Damen und Herren, es mag zwar nicht repräsentativ sein, aber alle Frauen und Männer mit Kindern, die ich in meiner Familie und in meinem Freundeskreis gefragt habe, haben mir gesagt: „Unsere Entscheidung für ein Kind war auch Teil unserer Selbstverwirklichung als Paar.“ – Was soll daran also verwerflich sein?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich sage abschließend: Fragen des Adoptionsrechts werden auf der Bundesebene entschieden, nicht im Hessischen Landtag. Frau Hofmann, auf der Bundesebene regiert übrigens die SPD mit.

(Günter Rudolph (SPD): Sie könnten ja eine Bundesratsinitiative machen!)