Protocol of the Session on February 4, 2015

Letztes Jahr haben Sie dann wiederum gesagt – ich habe hierzu ein Zitat –: „Schließlich hat der Betreiber Rhön AG 107 Millionen € Landesmittel für diese Anlage bekommen.“ Dabei wissen Sie, dass das gar nicht den Tatsachen entspricht; denn Sie haben es selbst einmal richtig erklärt – ich zitiere Sie vom 22.07.2011 –: „Die Investition von 107 Millionen €“ – die Sie eben benannt haben – „war Teil des Kaufpreises“ der Rhön AG. Das zeigt, dass Sie an dieser Stelle nicht ganz ehrlich argumentieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ein weiterer Versuch des Madigmachens dieses Erfolges ist sicherlich in der Frage nach der Bedeutung dieses Themas zu suchen; diese haben Sie heute wieder gestellt, als Sie uns vollkommen fehlgeleitet vorgeworfen haben, Herr Dr. Bartelt habe von einem „finalen Durchbruch“ in der Krebstherapie oder von einem „unmittelbaren Heilungsversprechen“ gesprochen. Ich habe das nicht vernommen.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Es ist sicherlich richtig, bei neuen Therapien Fragezeichen zu setzen. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen irgendwie Vorträge in Sachen Medizin zu halten, da Sie darin sicherlich besser ausgebildet sind als ich. Trotzdem stelle ich Ihnen die Frage: Warum haben Sie dann noch vor zwei oder drei Jahren eine Therapieform so in den Himmel gelobt, sie heute aber mit Fragezeichen versehen? – Das glauben Sie nicht? Dann lese ich Ihnen das einmal aus Ihrer Pressemeldung vom 9. August 2011 vor:

Die Partikeltherapie ist für ausgewählte Krebserkrankungen eine hervorragende Behandlungsmethode.

Vorletztes Jahr, am 27. Juni 2013, schrieben Sie:

Krebspatienten auf der Warteliste haben keine Zeit zu verlieren.

Das war also einseitig positiv. Nachdem dann ruchbar wurde, dass es vielleicht doch etwas würde, haben Sie sich in der „Frankfurter Rundschau“ wie folgt zitieren lassen: Man müsse die Erwartungen dämpfen. Niemand wisse, ob die gesetzten Erwartungen erfüllt werden könnten.

(Manfred Pentz (CDU): Oh!)

Herr Dr. Spies, beides ist richtig. Die Aussagen schließen sich nicht aus. Aber worauf Sie achtgeben müssen, ist, dass Sie bis zu einem Zeitpunkt nur die eine Seite der Medaille und ab einem bestimmten Zeitpunkt nur die andere Seite der Medaille betont haben. Das zeigt, dass Sie der Landesregierung diesen Erfolg einfach nicht gönnen können und daher irgendwann angefangen haben, nur das Schlechte hervorzukehren.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Beides ist zwar richtig, aber dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass Sie ein Problem damit haben, der Landesregierung diesen Erfolg zu gönnen, und deswegen einseitig argumentieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich kann mich glücklich schätzen, dass wir uns von grüner Seite her in unserer Position nicht verändern mussten, dass wir, was die Partikeltherapie angeht, immer Kurs halten konnten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, grünes Kurshalten, alles klar!)

Beispielsweise haben wir bei einem Besuch in Heidelberg schon im Frühjahr 2013 eine Kooperation mit der Universität Heidelberg vorgeschlagen. Kurz darauf wurde das seinerzeit von der Landesregierung übernommen. Wir haben auch kein Problem damit gehabt, schon im Frühsommer 2013 die damalige Wissenschaftsministerin für dieses Vorgehen zu loben. Von daher haben wir in dieser Sache unsere Position nie ändern müssen, während andere klagen wollten – Herr Dr. Spies – und noch heute sagen, wenn man ihrem Weg gefolgt wäre, dann würde die Partikeltherapieanlage schon laufen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Richtig!)

Wie soll das denn gehen? Sie haben immer wieder vorgetragen, es müsste unbedingt und sofort geklagt werden. Was wäre dann aber passiert?

(Dr. Thomas Spies (SPD): Die hätten etwas Stunk gekriegt!)

Die Verhandlungen wären aufgegeben worden. Diese haben zwar lange gedauert; zu diesem Zeitpunkt hätten Sie sie aber aufgegeben, und damit hätten Sie kein Verhandlungsergebnis erzielt. Sie hätten ein Verfahren angestoßen, womit man vielleicht gute Chancen gehabt hätte, einen Schadenersatz in Größenordnung der 107 Millionen € zu bekommen. Aber vor Gericht und auf hoher See weiß man ja nie so genau, wie es endet.

(Norbert Schmitt (SPD): Da kennt sich die Landesregierung ja aus!)

Von daher sage ich einmal: ungewisses Ende. Aber vor allen Dingen hätte die Forschung, hätten die Patienten davon überhaupt nichts gehabt. Daher wäre Ihr Weg gewesen, dass die Partikeltherapieanlage abgebaut worden wäre, dass diese neuartige Behandlungsmethode in Hessen nicht angewendet worden wäre und dass die Forschung an der Universität Marburg davon überhaupt nichts gehabt hätte. Das sollten Sie hier auch einmal zugeben, sehr geehrter Herr Dr. Spies.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dazu, was die Frage angeht, wie das in Marburg gesehen wird, ob das eine Kooperation in Forschungsfragen auf Augenhöhe ist – Sie haben eben versucht, darzustellen, dass das nicht der Fall sei –, würde ich doch einmal sagen: Da sollten wir uns ganz dem Urteil der Fachleute widmen. Was sagt denn die Präsidentin der Universität Marburg? Ich habe hier einen Artikel der „Oberhessischen Presse“ vom 26. September 2014, wo Frau Krause zitiert wird: Sie sei mit der Vereinbarung zufrieden. Die Forschungskooperation werde auf Augenhöhe geschehen. – Das ist also genau das Gegenteil von dem, was Sie behaupten. Das zeigt, dass die Landesregierung mit dem, was sie gemacht hat, durchaus den Interessen der Universität Marburg sehr gut Rechnung getragen hat und dass die Inbetriebnahme der Partikeltherapie eben auch der hessischen Forschung zugutekommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Von daher scheint es mir wirklich ein sehr großer Erfolg zu sein, dass wir diese Anlage für die Forschung in Betrieb nehmen können, aber auch für die Patienten, die jetzt die Möglichkeit erhalten werden, diese Art der Behandlung zu bekommen. Sie haben zwar gesagt, das sei im Verhältnis zu denjenigen, die insgesamt erkrankten, sehr gering. Gleichwohl erinnere ich Sie an Ihre Zitate zu dieser Anlage, die sehr positiv waren, wie ich es vorhin schon vorgetragen habe.

Aber der entscheidende Punkt ist doch: Das sind 1.000 Patienten mehr als bisher, die diese Behandlung haben könnten. Das geht an eine Warteliste ran. Das bedeutet, dass wir jetzt für Leute, die in Notsituationen ihre Hoffnungen auf diese Behandlungsmethode setzten und bisher warten und nicht zum Zuge kommen konnten, ein Angebot schaffen. Ich finde, das kann man einmal würdigen. Von daher sage ich: Auch für die Patientenbehandlung ist dies eine gute Entwicklung, die wir hier haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Auch für die Onkologie als bestehenden Schwerpunkt am Uniklinikum in Marburg ist das insgesamt eine gute Entwicklung. Auch dieser wird dort gestärkt. Manches kann man vielleicht noch besser machen, aber zumindest an dieser Stelle können wir festhalten: Dieser Punkt geht auf das Konto der Marburger Uniklinik, und das Angebot wird sich dort sicherlich verbessern.

Lassen Sie mich also zusammenfassen: Es ist ein guter Tag für die Patienten. Es ist ein guter Tag für die Weiterentwicklung des Universitätsklinikums Marburg und die Forschung an der Universität Marburg. Ich freue mich, dass wir nach sehr langer Unsicherheit so weit gekommen sind. Ich danke und beglückwünsche Herrn Wissenschaftsminister Boris Rhein zu diesem sehr großen Erfolg. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollegin Wissler, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Welch große Versprechen wurden damals gemacht, als das Uniklinikum Gießen und Marburg 2006 privatisiert wurden. Eines dieser ganz großen Versprechen war damals das Partikeltherapiezentrum. Es war eines der zentralen Argumente, warum das Uniklinikum an die Rhön AG verkauft werden sollte. Mit diesem Strahlenverfahren, so die Hoffnung, sollten Krebstumore präziser und mit weniger Nebenwirkungen behandelt werden als mit herkömmlicher Bestrahlung. Damals war die Rede davon, dass etwa 2.000 Menschen im Jahr damit behandelt werden sollten. Heute ist wohlgemerkt noch die Rede von 750 Menschen. Dafür bekam die Rhön AG damals einen Investitionskostenzuschuss von 107 Millionen €, und es wurde vertraglich vereinbart, dass das Partikeltherapiezentrum zum 31.12.2012 in Betrieb geht.

Nun ist es so, dass die Anlage einsatzbereit war, aber nicht in Betrieb ging, weil die Kosten zu hoch waren. Meine Damen und Herren, das heißt also: Die Rhön AG ist vertragsbrüchig geworden. Das Partikeltherapiezentrum ist eben nicht, wie vertraglich vereinbart, zum 31.12.2012 in Betrieb gegangen, obwohl die Landesregierung 107 Millionen € Investitionskostenzuschuss an die Rhön AG gegeben hat.

Diesen Investitionskostenzuschuss hat die Landesregierung weder zurückgefordert, noch hat sie gerichtlich auf die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen gedrängt. Wir halten es für einen Fehler, dass sich die Landesregierung jahrelang von der Rhön AG hat vorführen lassen und sich jetzt dafür bejubeln lässt, dass die Rhön AG jetzt endlich, mit über zwei Jahren Verspätung, in Teilen diesen Vertrag erfüllt.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Was ist die Alternative?)

Die Landesregierung hat damals schon die Frist zur Inbetriebnahme des Partikeltherapiezentrums um ein Jahr verlängert, um weitere Zeit zu gewinnen. Sie haben sich dann auch noch verpflichtet, den Rechtsanspruch auf 107 Millionen €, den das Land gehabt hätte, nicht einzuklagen. Das heißt also, Sie haben der Rhön AG gesagt: Sie halten zwar den Vertrag nicht ein, wir verpflichten uns aber, das nicht einzuklagen.

Da frage ich mich: Warum macht das Land Hessen überhaupt Verträge? Was ist es denn für ein Signal an alle anderen, die mit dem Land Hessen Verträge machen, wenn signalisiert wird, man kann eigentlich machen, was man will, das Land Hessen drängt überhaupt nicht auf die Einhaltung der Verträge? – Meine Damen und Herren, das ist ein ganz absurdes Signal, das Sie hier setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat die Landesregierung eine Möglichkeit gefunden, damit das Partikeltherapiezentrum in Betrieb gehen kann. Das ist zu begrüßen. Man muss aber auch sehr deutlich sagen: Das hat mit der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht mehr so viel zu tun. 75 % der Partikeltherapie wird zukünftig nicht in Marburg, sondern in Heidelberg erfolgen, und das, wohlgemerkt, mit über zwei Jahren Verspätung.

Dabei finde ich den Zungenschlag der CDU-Fraktion nicht ganz in Ordnung. Natürlich ist jede Therapiemaßnahme, die die Heilungschance eines schwerkranken Menschen verbessert, zu begrüßen. Natürlich ist es zu begrüßen, wenn eine neue Form der Krebsbehandlung in Hessen angeboten werden kann, wenn die Chance besteht, damit Menschen zu helfen. Das stellen wir überhaupt nicht in Abrede. Ich finde es auch, ehrlich gesagt, nicht redlich, das als Argument ins Feld zu führen, nach dem Motto, wir würden das schlechtreden, weil wir das Partikeltherapiezentrum nicht wollten. – Herr Bartelt, das wissen Sie besser, darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, dass das Argument, Hauptsache, das Partikeltherapiezentrum wird in Betrieb genommen, nicht dazu geeignet ist, jede Debatte im Keim zu ersticken, wenn man Kritik daran übt, wie der gesamte Prozess vonstattengegangen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Es hätte zum 31.12.2012 in Betrieb gehen sollen, jetzt ist die Rede von Oktober 2015. Noch ist also überhaupt nichts in Betrieb. Deswegen ist der Antrag von Schwarz-Grün an

der Stelle ziemlich peinlich. Sie beweihräuchern sich selbst in einem ellenlangen Antrag für die Aussicht, dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Land Hessen und der Rhön AG voraussichtlich irgendwann einmal erfüllt wird – und das nicht einmal von der Rhön AG selbst, sondern nur mit massivster Unterstützung des Uniklinikums Heidelberg, das übrigens schon seit Langem Patientinnen und Patienten mithilfe der Partikeltherapie behandelt.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Dorn, ich hätte mir gewünscht, dass Sie einen Antrag schreiben – statt sich dafür zu loben, dass endlich Selbstverständlichkeiten umgesetzt werden –, der sich mit den Sorgen und Ängsten der Beschäftigten am Uniklinikum Gießen-Marburg auseinandersetzt. Es sind nämlich die Beschäftigten, die die Leidtragenden bei dieser verfehlten Privatisierung sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden die negativen Folgen der Privatisierung sehr deutlich machen, beispielsweise die Tatsache, dass die neuropsychologische Therapie in der Kinderklinik eingestellt werden musste, weil Stellen im Epilepsiezentrum nicht wieder besetzt wurden, gleichzeitig aber eine Leistungssteigerung um 10 % gefordert wird. Aus dem gleichen Grund mussten auch Fallzahlen reduziert werden.

Sie sollten sich einmal Gedanken über die immer höheren Arbeitsbelastungen der medizinischen Angestellten und des Pflegepersonals machen. Sie sollten sich vor allem auch damit auseinandersetzen, dass am Uniklinikum Gießen-Marburg ein weiterer Stellenabbau droht, auch im pflegerischen Bereich. Davor warnt die Gewerkschaft ver.di, weil sie eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, eine weitere Überlastung der Beschäftigten und damit auch eine Verschlechterung der Patientenversorgung fürchtet. Es ist überhaupt nicht hinzunehmen, dass die Landesregierung dazu schweigt. Es darf keinen weiteren Stellenabbau am Universitätsklinikum geben, weil die Beschäftigten jetzt schon völlig überlastet sind und eine gute Patientenversorgung nur sicherstellen können, indem sie Überstunden machen und indem sie immer länger und härter arbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)