Es ist also der Betriebsrat, der zugestimmt hat, sonst hätte die Geschäftsleitung gar nicht den entsprechenden Antrag stellen können. So viel will ich zu den Arbeitnehmerrechten innerhalb dieses Unternehmens sagen.
Ich komme jetzt auf den Betriebsrat zu sprechen. Der Betriebsrat wurde vor dem Streik in das Erörterungsverfahren beim Regierungspräsidium mit einbezogen und hat ausdrücklich zu diesem Zeitpunkt noch einmal gesagt, dass er den Antrag unterstützt.
Im Rahmen dieser Erörterung wurde unter Abwägung der unterschiedlichsten Gründe mündlich die Zusage gegeben, die Genehmigung zu erteilen. Frau Wissler, da haben Sie wieder nur die Hälfte zitiert. Aber das kennen wir ja. Das war vor Beginn des Streiks.
Dass anschließend eine Streikankündigung gekommen ist, macht für das Unternehmen die mündlich erfolgte Zusage nicht obsolet. Deswegen ist der schriftliche Bescheid im Anschluss daran auch an das Unternehmen gegangen. Das wollte ich an der Stelle alles sehr deutlich sagen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Ursula Hammann und Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Mit der Erteilung des entsprechenden Bescheids wurde das zuständige Dezernat im Regierungspräsidium Kassel gleichzeitig angewiesen, bei aktuellen Tarifauseinandersetzungen keine weiteren Anträge zu bewilligen, weil für diese kein Vertrauensschutz mehr dagewesen wäre. Insofern ist der Neutralitätspflicht vollkommen Rechnung getragen worden.
Sie haben aus der Genehmigung zitiert. Ich finde, Sie sollten dann auch schon genau sagen, was in dem Bewilligungsbescheid steht. Insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der bisherigen Bewilligungspraxis und vor dem Hintergrund, dass die Antragsstellerin den Umfang der Sonntagsarbeit im Vergleich zu den Vorjahren reduziert hat, war es gerechtfertigt, dem Antrag stattzugeben. Für die Zukunft bleibt klarzustellen, dass von einer pauschalen Bewilligung nicht auszugehen ist, sondern dass immer der Einzelfall zu prüfen ist. Insbesondere ist es so, dass der Betriebsrat der Sonntagsarbeit in dem bewilligten Umfang zugestimmt hat.
Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und der Wahrung der Neutralitätspflicht war dem Regierungspräsidium eine andere Entscheidung als eine positive nicht möglich gewesen. Natürlich werden wir auch in Zukunft die Neutralitätspflicht beachten. Die Neutralitätspflicht ist ein genauso hohes Gut wie die Tarifautonomie.
Herr Minister Grüttner, vielen Dank. – Zu Wort gemeldet hat sich erneut Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.
(Michael Boddenberg (CDU): Sie erklärt jetzt einmal dem Betriebsrat, dass er falsch gelegen hat! Sie weiß das alles besser!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will doch noch einmal ein paar Ausführungen zu dem Vorgang machen, wie die Sonntagsarbeit vom Regierungspräsidium genehmigt wurde.
Herr Boddenberg, um das gleich zu sagen: Sie wissen ganz genau, dass nicht der Betriebsrat zu Streiks aufruft, sondern dass das nur die Gewerkschaft darf. Nur die Gewerkschaft darf zu Streiks aufrufen. So viel Grundkenntnis sollten auch Sie haben.
Ich will das noch einmal deutlich machen: Der Antrag von Amazon ist am 4. Dezember 2014 eingegangen. Das habe ich im Übrigen auch so vorgetragen.
Eines finde ich ganz interessant. Herr Minister Grüttner, das haben Sie nicht gesagt. Auf dem Bescheid, auf der Bewilligung steht, dass der Antrag auf Sonntagsarbeit am 9. Dezember 2014 ergänzt wurde. Da frage ich mich: Welche Ergänzung gab es denn da? – Offensichtlich war der Antrag nicht vollständig. Das heißt, dass das Verfahren überhaupt nicht abgeschlossen war. Vielmehr hat Amazon am 9. Dezember 2014, also einen Tag nach dem Streik, Unterlagen nachgereicht. Das kann man im Bewilligungsbescheid nachlesen.
Da ist doch zu fragen, warum denn, obwohl man wusste, dass es einen Streik gab, die Genehmigung am 10. Dezember 2014 erstellt und am 11. Dezember 2014 zugestellt wurde.
Ich will Ihnen sagen, was die Rechtsgrundlage war. Die Rechtsgrundlage ist § 13 Abs. 3 Satz 2 b Arbeitszeitgesetz. Da heißt es:
ist Arbeit an bis zu fünf Sonntagen möglich. Das Regierungspräsidium führt an, dass sich Amazon quasi durch Werbezusagen selbst unter Druck gesetzt hat. Das Regierungspräsidium führt eine ganze Menge Gründe auf, warum es aus dessen Sicht keine besonderen Verhältnisse sind und dass auch kein unverhältnismäßiger Schaden entstehen könnte. Als ob Weihnachten immer überraschend käme.
Herr Minister, wenn einer Behörde in einem laufenden Genehmigungsverfahren neue Fakten bekannt werden, dann ist die Behörde doch verpflichtet, diese neuen Fakten einzubeziehen. Als die Genehmigung erteilt wurde, wusste das Regierungspräsidium nachweislich von dem Streik. Da kann man doch nicht sagen: Als die Genehmigung beantragt wurde, wussten wir von nichts. – Wenn so etwas im laufenden Prüfungsverfahren auftritt, muss die Behörde darauf reagieren. Herr Minister, das ist vor allem der Fall, da Amazon noch einen Tag nach dem Streik Unterlagen nachgereicht hat.
Ich will noch einmal darauf hinweisen: Der Streik war nachweislich im Regierungspräsidium ein Thema. Das steht nicht in der Bewilligung. Aber es steht in der E-Mail, die dazu der Geschäftsführung übermittelt wurde. In der E-Mail kann man es nachlesen. Dort steht: „Zum Thema Streik haben meine Vorgesetzten entschieden …“. Vielleicht war das Thema Streik eines bei der mündlichen Erörterung. Das weiß ich nicht. Oder Amazon hat danach noch einmal nachgefragt.
Fakt ist: In der E-Mail steht ein Bezug auf den Streik. Das heißt, das Regierungspräsidium wusste von dem Streik. Das ist doch klar. Er hat drei Tage vorher stattgefunden. Trotzdem hat es die Sonntagsarbeit genehmigt. Das heißt doch, dass Amazon offensichtlich nachgefragt hat.
Wenn man von dem Streik weiß und trotzdem die Sonntagsarbeit bewilligt, dann bleibe ich dabei: Das ist Mitwirkung am Streikbruch. Das ist politische Einflussnahme auf einen Arbeitskampf, und zwar auf der Seite der Firma Amazon.
Das ist doch vollkommen klar. Herr Bocklet, ich verstehe nicht, was Sie da erklärt haben. Sie haben da keinen Zusammenhang gesehen. Amazon hat durch den Streik Ausfälle. Das ist auch Sinn eines Streiks. Denn wenn ein Streik nichts bewirkt, dann hilft er auch nicht. Das will Amazon jetzt durch einen Arbeitstag mehr kompensieren, an dem die Teile der Belegschaft, die nicht streiken, dann zusätzlich arbeiten.
Herr Bocklet, es ist doch vollkommen klar, dass es da einen Zusammenhang gibt. Es gibt einen Streik. Es wird dann Sonntagsarbeit beantragt, um die Streikfolgen abzumildern. Sie haben das genehmigt. Damit sind Sie natürlich den Beschäftigten in den Rücken gefallen.
Herr Minister Al-Wazir, das kann doch nicht Ihr Ernst sein: Wenn Sie eine Straße genehmigen, werden Sie die Fakten, die Ihnen bekannt werden, nachdem die Genehmigung beantragt wurde, wirklich nicht mit ins Verfahren einbeziehen? – Das ist doch geradezu absurd.
Frau Kollegin Wissler, Sie haben nicht mehr lange das Wort. Die Redezeit ist eigentlich um. Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.
Ich bin mit meinen Punkten durch. – Ich bleibe dabei: Das ist eine unzulässige politische Einflussnahme. Wir werden das im Ausschuss noch diskutieren müssen. Ich möchte gerne, dass die Landesregierung in der Ausschusssitzung Stellung dazu bezieht, wie es dazu kommen konnte.
Es darf nicht Schule machen, dass bei streikenden Betrieben Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit gemacht werden. Gerade wurde Ihnen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedarfsgewerbeverordnung um die Ohren gehauen. Ich finde, das ist wirklich ein Armutszeugnis für die Landesregierung und für das Regierungspräsidium.
Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir haben die Situation, dass wir zwei Entschließungsanträge und einen Dringlichen Antrag haben. Gehe ich recht in der Annahme, dass alle drei Initiativen dem Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung überwiesen werden sollen?
Gut, dann stimmen wir jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 19/1240, ab.
Herr Präsident, wir beantragen, dass über unseren Entschließungsantrag abgestimmt wird. Das ist die Initiative Drucks. 19/1240. Der Dringliche Antrag, Drucks. 19/1264, bei dem es um die Mitwirkung der Landesregierung an dem Streikbruch geht, soll dem Innenausschuss überwiesen werden.
Wer ist für den Regierungspräsidenten als Aufsichtsbehörde zuständig? Das ist der Innenminister, das ist wohl klar – oder?
(Günter Rudolph (SPD): Wenn es um die Sonntagsarbeit geht, da gibt es eine Zuständigkeit in der Landesregierung! Das kann man klären! – Zuruf – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Ich habe das gar nicht bestritten!)