Protocol of the Session on November 27, 2014

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Andrea Ypsilanti (SPD))

Auf solch eine unglaublich frauenverachtende, erniedrigende Art auch noch viel Geld zu verdienen, das darf es in Hessen nicht geben.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir sollten deshalb mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Frankfurt – ich weiß, dass die dort schon aktiv sind – alles uns Mögliche tun, um nicht alle Bemühungen für die Ächtung von Gewalt an Frauen und Kindern durch solch

eine entwürdigende Geschäftemacherei zu konterkarieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat der Abg. René Rock, FDP, Seligenstadt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir heute als Hessischer Landtag kurz innehalten und uns mit dem Thema Gewalt an Frauen auseinandersetzen, weil es, wie viele Themen, die im häuslichen Bereich akut sind, zu wenig Thema ist. Warum ist es zu wenig Thema? Weil es unangenehm ist, weil man nicht hinschauen will und weil man verdrängt.

Wenn man die Statistiken ernst nimmt und den Männeranteil hier im Hessischen Landtag betrachtet, dann müssen wir uns alle hinterfragen: Haben wir alle genug zu diesem Thema getan? Wir müssen uns auch hinterfragen: Können wir mehr tun?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN und des Abg. Holger Bellino (CDU) – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Schaus, ich kann auch zählen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja, ich weiß!)

Man muss sich auch fragen: Ist das Zahlen von Geld, ist die Frage des Einsatzes an Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, ist die Frage der Anzahl von Frauenhäusern die entscheidende Frage, die wir stellen müssen?

Es ist eine Frage, die wir stellen müssen, aber nicht die allein entscheidende Frage, sondern die Frage ist: Ist die Ächtung von Gewalt – und damit meine ich die Ächtung jeglicher Gewalt, nicht nur körperlicher, sondern auch seelischer – gegen Frauen tatsächlich gesellschaftlicher Konsens hier in Deutschland, und wird er gelebt auf allen politischen und allen staatlichen Ebenen?

Daran haben wir Anteil, und da müssen wir Vorbild sein. Ich glaube, da sind wir in Hessen auch in weiten Bereichen Vorbild.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich teile in gewisser Weise ein Stück weit die Kritik der LINKEN bei der Frage, wie ich die Kriseninterventionsinfrastruktur – um einmal so einen Sozialsprechbegriff zu nehmen –, wie ich die Menschen, die sich vor Ort in der Krise um betroffene Frauen und deren Kinder kümmern, besser unterstützen kann.

Da ist die Frage, die aufgeworfen ist, sicherlich eine richtige Frage. Ist diese Methode, die man hier gewählt hat, indem man rund 2 Millionen € mehr diesen Menschen zur Verfügung stellt, die sich um die betroffenen Frauen kümmern, wirklich bei diesen Menschen, die vor Ort aktiv sind, angekommen? Man kann die Befürchtungen teilen, die hier vorgetragen worden sind. Aber wir wissen es nicht.

Meine Hoffnung ist noch nicht dahin, dass auch verantwortliche Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort das ernst nehmen, was die Landesregierung und hoffentlich hier an diesem Punkt auch die Mehrheit des Hauses unterstürzen wird, und dass diese Gelder zu einem großen Teil dorthin fließen werden, wo sie hin sollen. Das ist meine Hoffnung. Allerdings bleibt die Frage, ob das passieren wird.

Das werden wir erst wissen, wenn wir die Betroffenen fragen. Sicherlich werden die uns auch ungefragt mitteilen, ob dieses Geld bei den Menschen ankommt. Darum ist es eine Herausforderung für die Landesregierung, eine Herausforderung für die kommunale Ebene, dass das, was hier wahrscheinlich der Hessische Landtag in großer Mehrheit beschließen wird, auch bei den Menschen, die es brauchen, ankommt.

Die Politik in Deutschland hat viele Bereiche gesetzlich geregelt, ist auf viele Problembereiche gesetzlich eingegangen. Themen wie Stalking oder andere sind uns allen bekannt. Dennoch bleibt immer und überall die Herausforderung, mit großem Engagement, mit Mut und mit persönlichem Einsatz Gewalt gegen Frauen entgegenzutreten.

Frau Schott hat es hier schon gesagt. Es ist erschütternd, zu sehen, was Menschen passieren kann, die das tun. Wir haben es in Offenbach gesehen. Aber es ist trotzdem eine Herausforderung für uns alle, hier nicht nachzulassen. Die Bitte an alle Menschen draußen: Bleibt mutig und tretet der Gewalt gegen Frauen entgegen. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Abg. Erfurth, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon eine besondere Tragik, dass wir heute, kurz vor der Aktuellen Stunde, die Nachricht entgegennehmen mussten, dass die junge Frau Tugce, die sich mutig für andere Frauen eingesetzt hat, ihr mutiges Handeln wahrscheinlich mit dem Leben bezahlen wird. Die Angehörigen sind in großer Trauer bei ihr. Ich glaube, wir können sagen: Auch wir trauern um ein neues Opfer, das mit Gewalt an Frauen zu tun hat.

(Allgemeine Zustimmung)

Man merkt daran sehr deutlich: Gewalt gegen Frauen ist alltäglich und ein hoch aktuelles Thema. Frauen sind überproportional häufig von sexueller Nötigung, Vergewaltigung sowie psychischer und physischer Gewalt betroffen. Es gibt Studien, die besagen, dass rund 40 % aller Frauen in ihrem Leben mindestens einmal von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen sind. Das ist erschreckend und unerträglich.

Gewalt gegen Frauen hat ganz unterschiedliche Ausprägungen und Facetten. Sie können nicht alle mit staatlichen Mitteln bekämpft werden. Ich glaube, das ist uns klar. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Dialog. Es geht auch darum, wie groß der Stellenwert ist, den wir Frauen zumessen und der ihnen zugemessen wird.

Es geht dabei um ganz persönliches Handeln und um das Bewusstsein in der Öffentlichkeit. Wer macht sich schon klar, dass das zotige Witzchen, das man einmal in geselliger Runde reißt, auch ein Zeichen struktureller Gewalt gegen Frauen sein kann? Das ist insbesondere dann der Fall, wenn junge Frauen in der Runde sitzen oder wenn abhängig beschäftigte junge Frauen in der Runde sitzen. Wenn man dann noch den Schenkelklopfer erntet und die Angesprochene rot anläuft und ganz verschämt zu Boden blickt, sind auch das Anfänge struktureller Gewalt gegen Frauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Ravensburg hat davon gesprochen: Ganz perfide sind diese aktuell angebotenen Aufreißseminare, mit denen ein selbst ernannter Pick-up-Artist durch die Lande reist und den Männern beibringen will, wie sie es denn schaffen, ganz schnell eine Frau zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Jenseits aller staatlichen Repressalien finde ich es furchtbar, dass diese Seminare nach Angaben der Firma auch noch ausverkauft sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der LINKEN)

Ich frage mich, was das für Typen sind, die da hingehen und sich beibringen lassen, wie man ganz schnell eine Frau aufreißt, damit sie das tut, was man gerne hätte? Was ist das für ein Frauenbild, das da vermittelt wird? Ich finde, dem sollten wir ganz entschieden entgegentreten.

Ich bin sehr froh, dass die Frauendezernentin Sarah Sorge, unsere ehemalige Kollegin im Landtag, gemeinsam mit einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz in Frankfurt dagegen vorgehen will. Ich hoffe sehr, dass die Gespräche mit dem DEHOGA erfolgreich sein werden, damit sich Hoteltüren nicht für eine solche Veranstaltung öffnen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir hatten zu Beginn dieser Woche den Aktionstag von Terre des Femmes „Nein zu Gewalt an Frauen“. Viele haben sich daran beteiligt, wir auch. Aber es darf nicht bei Aktionstagen bleiben. Frau Schott, da haben Sie völlig recht. Wir müssen auch tatsächlich handeln. Deshalb haben wir uns in der schwarz-grünen Koalition ganz bewusst dafür entschieden, auch mit dem Hessischen Sozialbudget ein deutliches Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen.

Sie können das im vorliegenden Haushaltsentwurf doch nachvollziehen. Frau Ravensburg hat es teilweise schon gesagt. Wir werden die Mittel für die Frauenhäuser nahezu verdoppeln. Sie haben recht, das wird kommunalisiert. Es wird eine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass die Mittel dann auch bei den Frauenhäusern ankommen und nicht in den kommunalen Haushalten zur Schuldendeckung verwendet werden. Das ist die Aufgabe, die jetzt noch vor uns liegt. Ich bin mir sicher, wir werden sie lösen.

Wir werden die Arbeit der Interventionsstellen, die von Gewalt betroffene Frauen beraten, verstärken und weiterentwickeln. Wir werden das Netzwerk der Beratungsstellen für Opfer sexueller Gewalt ausbauen. Wir werden den Landesaktionsplan zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt, der gute Ansätze hat, weiterentwickeln. Auch das ist ganz wichtig: Es muss auch präventive Angebote und Arbeit mit den Tätern geben, damit Gewalt gegen Frauen nicht weiterhin vorkommt.

Wir müssen auch die Kinder und die Jugendlichen in den Blick nehmen. Denn bei Kindern, die unseren ganz besonderen Schutz brauchen, gibt es, wenn sie häusliche Gewalt erfahren haben, eine Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst Täter werden oder dass sie später wieder Opfer häuslicher Gewalt werden.

Frau Kollegin Erfurth, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Wir müssen sie stärker schützen.

Frau Schott, es bleibt also nicht bei leeren Worten. Die Mitglieder der Koalitionsfraktionen wissen, dass Handlungsbedarf besteht. Wir werden die Landesregierung mit unserer Zustimmung zum Haushaltsentwurf auch dabei unterstützen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Frau Kollegin Erfurth, vielen Dank. – Das Wort hat Frau Abg. Gnadl für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es fällt angesichts der entsetzlichen Gewalttat in Offenbach gegen eine 22-jährige Frau, die anderen Frauen helfen wollte, schwer, heute zu dieser Thematik zu reden. Wir sind in Gedanken bei dieser Familie.

Trotzdem müssen wir heute über das Thema Gewalt gegen Frauen reden. Diese Aktuelle Stunde ist aufgrund des Jahrestages am 25. November, des Internationalen Gedenktags „Nein zu Gewalt gegen Frauen“ ein guter Anlass.

Ich habe mir in den letzten Monaten die Mühe gemacht, Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Hessen von Erbach bis Baunatal zu besuchen und mir die Situation vor Ort anzuschauen. Dabei ist deutlich geworden: Nur durch das unglaubliche Engagement der Frauen, die dort arbeiten, und das finanzielle Einspringen vieler Landkreise und der kommunalen Ebene konnten die Strukturen mit den Frauenhäusern, den Beratungsstellen und den Frauennotrufen nach dem verheerenden Kahlschlag im Jahr 2013 aufrechterhalten werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Aufgefallen ist auch, dass es viele regionale Unterschiede gibt. Aufgrund des Rückzugs des Landes ist es sehr stark von dem Engagement der jeweiligen kommunalen Ebene abhängig, wie die Struktur vor Ort aussieht. Wir alle wissen, dass es im Vogelsberg kein Frauenhaus mehr gibt. Wir wissen, dass sich das Land aus der Finanzierung von sieben Frauenhäusern zurückgezogen hat. Wir wissen, dass das Haus in Hanau komplett spendenfinanziert ist.

Die Mitarbeiterinnen sind völlig überlastet. Sie hatten keine Lohnsteigerungen. Deshalb gebührt unser Dank allen Mitarbeiterinnen, die diese Arbeit in den Frauenhäusern,

den Beratungsstellen und den Notrufen so engagiert aufrechterhalten haben.