Protocol of the Session on November 26, 2014

Während der Ausschusssitzung wurde sehr kurzfristig ein Änderungsantrag vorgelegt. Ich finde den Gesetzentwurf nicht nur inhaltlich bedenklich. Man muss auch einmal sagen, dass das, was Sie hier gemacht haben, handwerklich eine ziemliche Stümperei ist.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Kurzfristig kam ein Änderungsantrag in die Ausschusssitzung. Jetzt legen Sie heute während der Plenarsitzung noch einen Änderungsantrag vor, der weder angekündigt war noch – –

(Dr. Walter Arnold (CDU): Frau Kollegin, überfordert er Sie?)

Er überfordert mich nicht. Ich würde ihn aber gern in Ruhe prüfen. – Herr Dr. Arnold, und damit niemand überfordert wird, beantrage ich namens meiner Fraktion die dritte Lesung. Denn ich bin der Meinung, dass das Vergabegesetz viel zu wichtig ist, als dass man hier mit Tischvorlagen, die in die Sitzung hineingereicht werden, arbeiten kann. Es geht hier um einen Gesetzentwurf. Dafür ist das Tariftreue- und Vergabegesetz wirklich zu wichtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, wir haben die Ausschüsse, damit wir genau solche Fragen dort beraten können. Ich gebe da die Verantwortung wirklich an Sie zurück. Wir beraten diese Gesetzentwürfe seit Beginn der Legislaturperiode, also seit über einem halben Jahr. Mir ist wirklich nicht klar, warum Sie es nicht geschafft haben, einen vernünftigen Gesetzentwurf vorzulegen. Mir ist nicht klar, warum die Änderungsanträge derartig kurzfristig eingebracht wurden. Ich denke, dass da eine dritte Lesung und eine nochmalige Beratung im Ausschuss das sauberste Verfahren ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch kurz etwas zu unserem Gesetzentwurf sagen, weil er wesentlich weiter als Ihr Gesetzentwurf geht. Er sieht eben die effektive Kontrolle durch eine Prüfbehörde vor.

Wir wollen den geltenden Tariflohn festschreiben. Wir wollen aber auch einen Mindestlohn in Höhe von 10 € festschreiben. Das wäre auch im Sinne der Gesellschaft. Denn es ist eben die Allgemeinheit, die am Ende gezwungen ist, die Niedriglöhne aufzustocken, und die am Ende gezwungen ist, die Menschen zu unterstützen, die im Alter in Ar

mut leben, weil sie ihr ganzes Leben lang zu Niedriglöhnen gearbeitet haben.

Auch das ist nicht unmöglich. Beispielsweise wurde genau das in Schleswig-Holstein gemacht. In Schleswig-Holstein haben wir einen vergabespezifischen Mindestlohn in Höhe von 9,18 €. Er orientiert sich an der untersten Tarifgruppe des Landes. Diese Möglichkeit gibt es also.

Ich sage einmal: In einem reichen Land wie Hessen sollte kein Mensch unter 10 € die Stunde verdienen, erst recht dann nicht, wenn es um öffentliche Aufträge geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen festschreiben, dass die Unternehmen, die ausbilden, im Wettbewerb nicht bestraft werden. Vielmehr sollte dieses Engagement angemessen berücksichtigt werden. Ich glaube, dass es sinnvoll und notwendig ist, bei der Vergabepraxis mit zu berücksichtigen, ob Unternehmen ausbilden oder ob sie sich dieser Verantwortung entziehen.

Für uns ist ein ganz wichtiger Punkt, dass die eingesetzten Produkte und Werkstoffe den Kernarbeitsnormen der UNArbeitsorganisation ILO entsprechend erzeugt wurden. Wir sprechen hier über die Beseitigung der Zwangsarbeit, den gleichen Lohn für Männer und Frauen, das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, und wir sprechen über die Abschaffung der Kinderarbeit.

Es muss doch das Mindeste sein, dass die öffentliche Hand sagt, dass man Produkte, die mit Kinderarbeit oder mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, nicht kauft. Das muss das Mindeste sein. Das Übereinkommen zu den ILO-Kernarbeitsnormen wurde 1998 von der Bundesrepublik unterzeichnet. Ich denke, es ist auch unsere Aufgabe als Landesparlament, die Implementierung der ILO-Kernarbeitsnormen endlich auch gesetzlich festzuschreiben und sich da nicht weiterhin wegzuducken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme nicht darum herum, noch einmal zu sagen, dass ich es wirklich als ein Armutszeugnis für die GRÜNEN empfinde, dass die ILO-Kernarbeitsnormen in diesem Gesetzentwurf nicht vorkommen. In der letzten Legislaturperiode haben Sie selbst einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die ILO-Kernarbeitsnormen enthalten hat. Das ist eine Forderung der Gewerkschaften und des Entwicklungspolitischen Netzwerks. Dass die ILO-Kernarbeitsnormen in dem Vergabegesetz überhaupt keine Erwähnung finden, finde ich hoch problematisch. Auch das ist ein Grund, weswegen man diesem Gesetzentwurf leider nicht zustimmen kann.

Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der sehr viel weiter geht. Er ist eine sinnvolle Zusammenführung von Regelungen, die es in anderen Bundesländern bereits gibt. Im Ausschuss haben wir auch dem Gesetzentwurf der SPD zugestimmt, weil er zumindest in die richtige Richtung geht. Auf jeden Fall wäre er eine Verbesserung gegenüber dem, was wir jetzt haben. Deswegen stimmen wir auch diesem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir stehen vor der Entscheidung, ob wir weiter verfahren wie bisher und z. B. Lohndumping aktiv unterstützen wollen – oder ob wir hier Mindeststandards einziehen. Es ist notwendig, zu entscheiden, ob es ethisch und volkswirtschaftlich sinnvoll ist, immer das scheinbar Billigste einzukaufen,

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

ohne auf die Folgekosten zu achten. Wir meinen, das ist es nicht. Deswegen haben wir einen sinnvollen Gesetzentwurf vorgelegt. Ihren Gesetzentwurf können wir in aller Ruhe in einer dritten Lesung im Ausschuss nochmals beraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Als Nächster spricht Kollege Klose von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wissler, ich glaube, auch an diesem Punkt machen Sie es sich ein bisschen leicht. Diese Malerei – hier sind die einen, die gut sind und auf der weißen Seite stehen, die das Faire, das Gute für die Menschen wollen; und auf der anderen Seite sind die, die der Ausbeutung Vorschub leisten wollen –, sorry, so einfach ist die Welt nicht. Es gibt Graustufen. Es mag sein, dass wir nicht ganz auf der gleichen Seite stehen, aber die Ziele, die wir verfolgen, die sind in wesentlichen Teilen doch näher beieinander, als Sie das jetzt dargestellt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, mit unserem neuen Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetz setzen die Regierungsfraktionen von CDU und GRÜNEN einen weiteren wesentlichen Bestandteil ihrer Koalitionsvereinbarung um. Gerade in der letzten Legislaturperiode haben wir hier sehr ausführlich um das Vergaberecht und die Vergabepraxis gestritten. Genau aus dieser Erfahrung schaffen wir jetzt gemeinsam ein Gesetz, das im besten Sinne eine echte Balance zwischen den unterschiedlichen Interessen der Akteure herstellt. Damit ist dieses Gesetz ein Meilenstein für die öffentlichen Auftraggeber in Land und Kommunen, für die Firmen, die öffentliche Aufträge ausführen, und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ökonomische, ökologische und soziale Belange erfahren eine neue, eine bessere Gewichtung als mit dem bisherigen Hessischen Vergabegesetz.

Meine Damen und Herren, gerade aufgrund der Debatten in der vergangenen Legislaturperiode will ich deshalb nochmals an eines erinnern. Oberstes Ziel eines jeden Vergabegesetzes ist es, für fairen Wettbewerb zu sorgen, den sparsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln – Stichwort: Wirtschaftlichkeit – sicherzustellen und durch ein Höchstmaß an Transparenz der Korruptionsgefahr entgegenzuwirken. Zugleich soll jedes Vergabegesetz insbesondere für die kleinen und mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetriebe keine überbordenden Belastungen nach sich ziehen.

All diesen Zielen kommen wir mit unserem Gesetz beispielhaft nach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dabei bleiben wir aber auch nicht stehen. Nach unserer Auffassung muss ein solches Gesetz für Wirtschaft und Kommunen nicht nur einfach handhabbar, sondern auch gleichermaßen effektiv sein. Neben den genannten Zielen haben wir uns deshalb entschieden, mit unserem neuen Gesetz weitere Ziele zu verwirklichen, nämlich die Sicherung der Tariftreue und des Mindestlohns auch für den Verkehrssektor sowie die Möglichkeit, die Einhaltung von sozialen und ökologischen Kriterien von öffentlichen Auftragnehmern zu verlangen.

Lassen Sie mich zunächst einmal darstellen, wie wir der Tariftreue einen wesentlichen neuen Schwerpunkt widmen. Wer in Hessen einen öffentlichen Auftrag ausführen will, der muss künftig erklären, dass er sich zur Zahlung des allgemein verbindlichen Tariflohns verpflichtet. Das Gleiche gilt für seine möglichen Subunternehmer. Damit ist Tariftreue in Hessen für jeden verpflichtend, der im öffentlichen Auftrag tätig werden will.

Mit unserem Änderungsantrag korrigieren wir außerdem die zugegeben unpräzise Formulierung, die in unserem ursprünglichen Gesetzentwurf vereinzelt zu dem Eindruck geführt hat, unterhalb eines Auftragswerts von 10.000 € sei Tariftreue nach unserem Gesetz nicht verpflichtend. Das war nicht beabsichtigt. Das ändern wir jetzt. So greifen wir wichtige Anregungen aus der Anhörung auf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wie Sie am Volumen unseres Änderungsantrags sehen können, gilt das im Übrigen für zahlreiche konstruktive Vorschläge aus diesem Prozess, für die wir offen waren.

Was die Tariftreue angeht, ist es notwendig, nochmals gesondert auf den öffentlichen Personennahverkehr zu schauen. Wie Sie wissen, betreten wir mit diesen Regelungen in Hessen Neuland. In der Folge der Anhörung hat das dazu geführt, dass wir noch etwas umfangreichere Änderungen in diesem Sektor vornehmen, um die Tariftreue wirklich rechtssicher zu regeln. Von den dort tätigen Unternehmen fordern wir nicht nur die Zahlung der tariflich fixierten Entgelte, sondern auch die in den Tarifverträgen enthaltenen entgeltrelevanten Bestandteile, sprich: die Zuschläge zum Grundentgelt. Außerdem gilt die Tariftreueverpflichtung mit unserem Änderungsantrag auch für die sogenannten flexiblen Bedienformen, wie z. B. Anrufsammeltaxis und die freigestellten Schülerverkehre.

Warum ausgerechnet die SPD in diesem Bereich Ausnahmen von der Tariftreue zulassen will, erschließt sich mir übrigens überhaupt nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Damit klar ist, dass Verstöße gegen die Pflicht zur Tariftreue auch empfindliche Folgen für die Unternehmen haben: Natürlich ist es so. Einem tarifuntreuen Unternehmer kann nicht nur gekündigt und eine Vertragsstrafe aufgebrummt werden, sondern wessen Verpflichtungserklärung sich als falsch herausstellt, der wird in Hessen von künftigen öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): So ist es!)

So garantieren wir den fairen Wettbewerb. Denn wir schützen die guten Dienstleister vor denen, die sich mit unfairen Mitteln auf Kosten ihrer Beschäftigten einen Vorteil ver

schaffen. Wer foulspielt, wird vom Platz gestellt, und das ist gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil unseres neuen Gesetzes ist die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns. Hier hat es sich als klug erwiesen, dass wir nicht den Weg von SPD und LINKEN gewählt haben, einen vergabespezifischen hessischen Mindestlohn festzulegen, sondern uns auf das Mindestlohngesetz des Bundes zu beziehen. Nur dieser Weg ist mit Blick auf die entsprechenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs rechtssicher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Warum? Weil das Bundesgesetz eben nicht zwischen dem Mindestlohn bei öffentlichen und privaten Aufträgen unterscheidet – im Gegensatz zu dem, was SPD und LINKE in ihren Gesetzentwürfen vorhaben. Ihr Weg kann nach dem Rüffert-Urteil nur als höchst unsicher bezeichnet werden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Jetzt kommen Sie auch noch mit dem Rüffert-Urteil!)

Aktuell ist auch ein Vorabentscheidungsverfahren bei dem Europäischen Gerichtshof anhängig. In diese rechtlichen Unsicherheiten sollten wir als verantwortungsvoller Gesetzgeber weder das Land noch die Kommunen steuern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)