Auch hier möchte ich noch einmal gesondert auf den neu zu regelnden Verkehrssektor eingehen. Mit unserem Gesetz wird sichergestellt, dass Unternehmen, die in Hessen im Verkehrsbereich tätig sind, ihren Beschäftigten ein Mindestentgelt auf der Grundlage eines einschlägigen und repräsentativen Tarifvertrags zahlen. Dazu richten wir extra einen Beirat ein, in dem die Akteure in diesem Bereich über die Fortschreibung dieses Mindestentgelts mitbestimmen. Gerade auch aufgrund der bei der Anhörung vorgetragenen Argumente haben wir sehr ausführlich beraten, wie wir faire Entlohnung unter den besonderen Rahmenbedingungen des Verkehrsbereichs – Stichwort: langfristige Verträge – rechtssicher schließen. Der jetzt eingeschlagene Weg der Verpflichtung zur vollständigen Weitergabe zukünftiger Tarifabschlüsse an die Beschäftigten trägt dem Rechnung. Denn gleichzeitig wollen wir, dass die Auftraggeber mit den Unternehmen einen Ausgleich vereinbaren, um das Risiko nicht einseitig bei den Unternehmen zu platzieren.
Er strotzt vor rechtlichen Risiken, und für ein Gesetz bleibt er viel zu diffus. Hinzu kommt, dass wir die Kostenübernahme für eine Mittelwertberechnung, kombiniert mit einem völlig unklar bleibenden Index zur Fortschreibung, komplett den Auftraggebern aufbürden. Im öffentlichen Personennahverkehr sind das in aller Regel die Kommunen. Eine solche Regelung wäre also konnexitätsrelevant. Wir alle haben sicher eine Vorstellung davon, wie das die Kommunalen Spitzenverbände beurteilen würden. Ein solches Gesetz wäre nicht verantwortlich. Meine Damen und Herren, ein solches Gesetz machen wir nicht mit.
Ich möchte noch zu den neuen Möglichkeiten kommen, ökologische und soziale Kriterien bei öffentlichen Aufträgen zu berücksichtigen. Mit unserem Gesetzentwurf räumen wir der Nachhaltigkeit bei Auftragsvergaben einen hohen Stellenwert ein. Die Landesbeschaffungsstellen dürfen künftig jede Beschaffung nicht mehr nur nach dem Kaufpreis beurteilen, sondern sie müssen die Lebenszykluskosten insgesamt bei der Angebotsbewertung berücksichtigen. Darüber hinaus eröffnen wir mit den im Gesetz gelisteten Kriterien und der Öffnung für Innovationen wichtige neue Möglichkeiten.
Ich will an diesem Punkt ausdrücklich mit dem Märchen aufräumen – das in diesem Landtag nur noch die FDPFraktion erzählt, das steht uns wahrscheinlich gleich bevor –, soziale und ökologische Kriterien seien vergabefremd.
Spätestens mit der aktuellen EU-Richtlinie und der Änderung des Bundesgesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist das auch rechtlich vollkommen klar. Es heißt nämlich in § 97 Abs. 4 GWB – ich darf zitieren, Frau Präsidentin –:
... Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben …
Exakt diese Formulierung übernehmen wir in unser hessisches Gesetz. Hören Sie also bitte endlich auf, zu behaupten, das sei vergabefremd. Welche Kriterien bei einer Vergabe angewendet werden können, bestimmt der Gesetzgeber – im zitierten Fall der Bundestag, in unserem Fall der Landtag.
Kommen wir abschließend noch zu der vereinzelt vorgetragenen Kritik, unser Gesetz sehe zu wenige Kontrollmöglichkeiten vor. Das ist schlicht falsch. Mit unserem Gesetz bekommen die Auftraggeber alle Werkzeuge in die Hand, die sie brauchen, um angemessene Kontrollen durchzuführen. Auch hier gilt: Wer ein Foul begeht, kann empfindlich sanktioniert werden. – Ich stelle aber auch fest: Wir haben offensichtlich eine grundlegend andere Sicht auf die Auftragnehmerseite in diesem Land als die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den LINKEN. Eine eigene Prüfbehörde mit erheblichen Kosten zu schaffen, weil man jeden Bieter als potenzielles schwarzes Schaf betrachtet, das mag Ihre Sicht auf die Unternehmerinnen und Unternehmer sein; unsere ist es nicht.
Ich will an diesem Punkt auch darauf hinweisen, dass beispielsweise im SPD-regierten Hamburg der gleiche Weg beschritten wurde, den wir hier in Hessen gehen. Mit dem dort geltenden Gesetz wird der Auftraggeber berechtigt, Kontrollen beim Auftragnehmer und gegebenenfalls dessen Nachunternehmen vorzunehmen. Auch in Hamburg wurde keine eigene Prüfbehörde geschaffen. Dort gibt es die Soko Bau und die Prüf- und Beratungsstelle für das Gebäudereinigerhandwerk. Gleiches erledigt in Hessen die
Hinzu kommt der Hinweis von Transparency International aus der Anhörung, den Sie gerne unterschlagen. Transparency International hat Ihre Prüfbehörde in der Anhörung sehr kritisch beurteilt und dafür plädiert, dass man die Prüfung bei den öffentlichen Auftraggebern belässt – genau so, wie es die Regierungsfraktionen vorgesehen haben. Darüber schweigen Sie natürlich dezent hinweg.
Schließlich zu Ihrer Kritik an der angeblich mangelnden Generalunternehmerhaftung: Diese existiert für Bauaufträge ab einem Schwellenwert von 245.000 € bereits im Sozialgesetzbuch des Bundes. Auch deshalb sehen wir hier keine Notwendigkeit einer weiter gehenden Regelung auf Landesebene.
Last, but not least sorgen wir mit unserem Änderungsantrag für maximale Transparenz bei öffentlichen Auftragsvergaben durch die verpflichtende Einstellung in die Hessische Ausschreibungsdatenbank HAD.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute mit diesem Gesetz Hessen ein weiteres Stück gerechter und ökologischer machen. Ich freue mich deshalb besonders, weil dieses Gesetz beispielhaft zeigt, dass man die Balance zwischen der Verpflichtung zu fairem Wettbewerb und zu sparsamem Umgang mit Steuergeldern, den Interessen der Unternehmen, ohne erheblichen Aufwand Aufträge der öffentlichen Hand ausführen zu können, dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping und dem Wunsch der Kommunen, nicht über Gebühr zusätzlichen Aufwand erbringen zu müssen, wahren kann. Mit diesem Gesetz werden die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele Realität und erfassen zusätzlich den ÖPNV.
Ich will – erlauben Sie mir, das abschließend zu tun – mit einem Zitat aus der Anhörung schließen. Es stammt vom ver.di-Vorsitzenden Jürgen Bothner und lautet:
Zum Gesetzentwurf der Regierungsparteien von CDU und GRÜNEN sei gesagt, dass es alles in die richtige Richtung geht.
Vielen Dank, Herr Kollege Klose. – Als nächster Redner spricht Kollege Lenders von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, ob Sie geahnt haben, dass Sie einmal Komplimente von ver.di bekommen würden, weiß ich nicht.
„Tariftreue- und Vergabegesetz“ – das klingt zunächst nach geordneten Strukturen, klingt nach Treue, klingt nach Vertrauen. Die von der CDU und den GRÜNEN eingeführten Neuregelungen – wie Mindestlohn, vergabefremde
Kriterien, Nachunternehmerhaftung und Einbeziehung des öffentlichen Nahverkehrs – bedeuten, dass künftig auch kleine Unternehmen massenhaft schriftliche Nachweise vorlegen müssen und der bürokratische Aufwand für solche kleinen Unternehmen ins Unermessliche steigt.
Bereits hier wird ersichtlich, welche Hürden mit diesem Gesetzesvorhaben verbunden sind. Dieser Tage sind landauf, landab Heerscharen von Steuerberatern damit beschäftigt, den von ihnen betreuten Unternehmen klarzumachen, was z. B. durch den Mindestlohn auf sie zukommt, nämlich umfangreiche Pflichten zur Dokumentation, zusätzliche Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten, wöchentliche Dokumentationen und, nicht zu vergessen, Kontrollen und drakonische Strafen, die auf die Unternehmen zukommen können und sicherlich auch zukommen werden. Meine Damen und Herren von der CDU und den GRÜNEN, was Sie hier geschaffen haben, ist ein Bürokratiemonster.
(Beifall bei der FDP – Dr. Walter Arnold (CDU): Wer sich nichts zuschulden kommen lässt, der braucht auch nichts zu befürchten!)
Das Tariftreue- und Vergabegesetz von Schwarz-Grün wird in der Praxis ebenso ein Bürokratiemonster sein, wie wir das auch in anderen Fällen erlebt haben.
Natürlich. – Der Kollege Klose hat schon beschrieben, dass es aufgrund der mit dem Gesetz verfolgten Ziele gerade für mittelständische Unternehmen und kleine Handwerksbetriebe in Hessen zu umfangreichen Vorgaben kommen wird und dass diese Betriebe am Ende davon abgehalten werden, sich um öffentliche Aufträge zu bemühen. Herr Kollege Arnold, als wir das derzeit gültige Gesetz gemacht haben, haben wir genau diese Fälle beschrieben bekommen – aus NRW und aus anderen Bundesländern, wo sich kleine Unternehmen nicht mehr an Ausschreibungen beteiligen, weil sie den erforderlichen bürokratischen Aufwand nicht mehr leisten können. Am Ende ziehen sie sich aus den Vergabeverfahren zurück.
Viele der gesetzlichen Vorgaben sind in der Praxis kaum umsetzbar. Genau das beinhaltet auch das schwarz-grüne Gesetz für die Wirtschaft in Hessen.
Ich darf Sie schon fragen, was das mit Vertrauen in die Unternehmen zu tun hat, wenn Sie als Landesregierung diese faktisch an der Teilnahme am Wettbewerb, an der Teilnahme an Ausschreibungsverfahren hindern. Was hat das mit Treue zu unserem Wirtschaftsstandort und zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen zu tun, wenn Sie deren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen quasi unmöglich machen? Wenn es sich nur noch große Firmen und Konzerne leisten können, auf alle Bedingungen und Regularien Rücksicht zu nehmen, dann wird das den Wettbewerb ein ganzes Stück weit einschränken. Es ist dann leider Gottes kein Tariftreue- und Vergabegesetz mehr, sondern es ist ein mittelstandsfeindliches Gesetz geworden.
Welche Auswirkungen hat ein solches Gesetz auf das Vertrauen der Menschen im Lande darauf, dass die zur Verfü
gung stehenden Steuermittel von der Politik sinnvoll und sachgerecht eingesetzt werden? Ist es ein sinnvoller und sachgerechter Umgang mit Steuermitteln, Herr Klose, wenn vergabefremde Kriterien angelegt werden und Aufträge und Ausschreibungen deutlich teurer werden, weil das Dickicht aus Paragrafen und Vorschriften immer dichter wird und Personalressourcen bei den Unternehmen verbrannt werden?
Wir appellieren daher an CDU und GRÜNE, nicht wider besseres Wissen diesen wirtschaftsfeindlichen Gesetzentwurf gegen den Widerstand der hessischen Wirtschaft durchzudrücken. Wir haben jetzt gehört, dass es zu einer dritten Lesung kommt. Das hätte ich nicht gebraucht, und das hätte die FDP-Fraktion nicht gebraucht. Aber wir müssen sehen, dass – zumindest aus unserer Sicht – die Anhörung bei Ihnen nicht wirklich gefruchtet hat.
Nach unserer Bewertung besteht aus kommunaler Sicht derzeit kein dringlicher Handlungsbedarf, das Vergaberecht nun schon wieder zu novellieren.
Das seit dem 1. Juli 2013 geltende Hessische Vergabegesetz ist nach unserer Einschätzung tauglich, klar und praktisch handhabbar … Ein Bedarf für Änderungen ist für uns nicht erkennbar …
Hier wird eine Fülle von neuen Anforderungen sowohl an die Unternehmen als auch an die öffentlichen Auftraggeber eingeführt, die für das Vergabeverfahren einen erheblichen zusätzlichen Aufwand verursachen.