Protocol of the Session on November 26, 2014

Ich erinnere mich auch an die Reden von Frau Müller, die von einer „Verkehrspolitik von gestern“ gesprochen und anlässlich des Planfeststellungsbeschlusses vor zwei Jahren gesagt hat, das sei ein „Zeichen der gescheiterten Betonpolitik“. Außerdem erinnere ich mich daran, dass Herr Kaufmann im Jahr zuvor, als Herr Posch den Baubeginn des Abschnitts nach Schwalmstadt zelebriert hat, gesagt hat: „Der Spatenstich ist ein Stich mitten ins Herz der Schwälmer Heimat“.

Wenn man sich jetzt anschaut, was im Koalitionsvertrag daraus geworden ist, stellt man ganz viel Geeiere fest. Aber es handelt sich zunächst einmal um ein grundsätzliches Bekenntnis zur A 49 und zum Weiterbau.

Wenn man sich den Antrag anschaut, den die Regierungsfraktionen heute vorgelegt haben, stellt man fest, dass es dort ebenfalls ein Bekenntnis zum Weiterbau der A 49 gibt, auch wenn dieser unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt wird. Dann habe ich dort auch einen Verweis darauf gelesen, dass das alles bereits rechtsverbindlich planfestgestellt ist, es also gar keine Möglichkeit mehr gibt, den Bau zu verhindern.

(Michael Boddenberg (CDU): Mit dem Rechtsstaat haben Sie es ja nicht so, Frau Kollegin!)

Herr Boddenberg, ich finde, das, was Sie gerade dazwischengerufen haben, ist eine ziemlich unverschämte Unterstellung.

(Michael Boddenberg (CDU): Nein, das ist die Wahrheit! – Manfred Pentz (CDU): Unverschämtheiten sind wir von Ihnen gewöhnt!)

Ich möchte an der Stelle den Herrn Minister zitieren, der, wenn es um das Terminal 3 des Frankfurter Flughafens geht, immer so schön sagt: Baurecht ist keine Baupflicht. – Ich finde, das ist auch bezogen auf die A 49 ein schönes Zitat. Ein sinnloses Projekt sollte man nicht bauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch einmal deutlich machen, was das eigentlich für ein Straßenbauprojekt ist, über das wir hier reden. Wir reden bei den drei Bauabschnitten von insgesamt ungefähr 43 km neu asphaltierter Strecke und von mehr als einem halben Dutzend Talbrücken. Somit würde die Region zwischen dem Vogelsberg und der Schwalm durchschnitten; sie würde verändert. Dabei ist das eine Region, die gemeinsam mit dem Knüll für sich mit der Beschreibung „märchenhaftes Rotkäppchenland“ wirbt.

Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, es geht bei dem Bau der A 49 nicht darum, dass die Menschen aus Schwalmstadt oder aus Stadtallendorf schneller vorankommen. Wir sprechen hier mitnichten über eine Erschließungsstraße für die Region. Ich darf einmal aus der Begründung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zitieren. Das Bundesverwaltungsgericht erklärt nämlich, das sei eine Strecke des transeuropäischen Verkehrsnetzes mit „europäischer wie auch nationaler Verbindungsfunktion“.

(Kurt Wiegel (CDU): Auch! Das ist beides richtig!)

Herr Wiegel, eigentlich geht es um eine Abkürzung, nämlich um die kürzeste Strecke von Frankfurt nach Kassel, aber auch um die kürzeste Strecke aus der Schweiz oder aus Ostfrankreich nach Norddeutschland und nach Skandinavien. Diese würde dann nicht mehr über das Hattenbacher Dreieck führen, sondern wir hätten es von Anfang an mit einer hoch belasteten zweispurigen Autobahn durch die Schwalm zu tun.

(Beifall bei der LINKEN – Kurt Wiegel (CDU): Arbeitsplätze überall!)

Man sollte sich noch einmal vor Augen halten, worüber wir hier reden. Wir reden über eine Abkürzung von etwa 10 km; der Weg würde um etwa 10 km kürzer, wenn man nicht mehr über das Hattenbacher Dreieck fahren müsste.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Das muss man sich einmal vor Augen führen: Wir sprechen von einer Abkürzung von wenigen Kilometern, die mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten soll. Eine Abkürzung von 10 km für 569 Millionen €, wovon im Moment 60 Millionen € finanziert sind.

(Zurufe von der CDU: Ei, ei, ei!)

Das ist doch ein Irrsinn. 569 Millionen €, was könnte man mit dem Geld machen? – Das steckt man in eine Autobahn, die dazu führt, dass man von Kassel nach Gießen 10 km weniger fahren muss. Das ist wirklich eine absurde Verkehrspolitik.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Das ist Ihr komisches Zeug, was Sie hier vortragen!)

Das sind nicht meine komischen Zahlen; das sind die Zahlen Ihres Antrags, Herr Boddenberg. – Das Interessante ist aber: Wenn es um 569 Millionen € für ein paar Kilometer Autobahn geht, dann redet niemand mehr von der Schuldenbremse. Dann redet auch keiner von der schwarzen Null. Dann ist das Geld auf einmal da.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Dann hat man auch überhaupt kein Problem mehr damit, sich beim Bund dafür einsetzen zu wollen, dass es dieses Geld gibt. Dazu sage ich ganz ehrlich: Wenn die GRÜNEN, die bis zur Landtagswahl den Weiterbau der A 49 abgelehnt haben, jetzt einen Antrag mit einbringen, in dem steht, dass die Landesregierung aufgefordert werde, sich beim Bund für die Finanzierung dieses Wahnsinnsprojekts einzusetzen, dann können wir dem nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass dies völlig falsch investiertes Geld wäre. Mit diesem Geld könnte man eine ganze Menge Sinnvolles machen, aber keine paar Kilometer Autobahn in die Landschaft bauen, was zu einer Natur- und Landschaftszerstörung führt.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU)

Es ist natürlich auch ein Paradebeispiel für die Verlagerung von bestehendem Verkehr, weil neue Straßen auch wieder mehr Verkehr verursachen, beispielsweise weil die durchgehende A 49 die A 5 und die A 7 zwischen Alsfeld und Kassel entlasten soll. Die Autobahn zu bauen, wird die Verkehrsprobleme, die wir in der Region haben, nämlich auf der B 3, überhaupt nicht lösen, wenn diese dann baulich weitgehend unverändert bliebe. Kurzum: Die Menschen in der Region hätten außer mehr Verkehr, Lärm und Schadstoffen überhaupt nichts gewonnen.

Ich habe die Initiative „Rotkäppchenland“ mit Sitz in Schwalmstadt erwähnt, mit der sich die Region touristisch vermarkten möchte und beispielsweise Lust auf das Radfahren oder Wandern machen möchte. Ich bin überzeugt: In der Weiterentwicklung des sanften Tourismus in der Region liegen sehr viel größere Potenziale für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum als in 40 weiteren Kilometern Beton, die sich durch das Land schneiden und die Gegend kilometerweit beschallen.

Meine Damen und Herren, neben dem enormen Flächenverbrauch, dem Zerschneiden von Wäldern und FFH-Gebieten sowie dem Versiegeln von wertvollen Äckern werden natürlich auch die Lebensräume von vielen Wildtieren beeinträchtigt. Und es wird dazu führen, dass in dieser Region die Lebensqualität sinkt.

Mit dem Unterhalt der bisherigen Straßen, insbesondere auch der Brücken, ist die öffentliche Hand schon derzeit überfordert. Wir halten es für keine Lösung, dass man jetzt PPP-Projekte macht, wie Sie, Herr Lenders, dies vorgeschlagen haben. Ich halte PPP-Projekte für eine absolute Schummelei. Sie führen eben nicht dazu, dass irgendetwas günstiger wird. Der einzige „Vorteil“ für die öffentliche Hand bei PPP-Projekten ist, dass die Gesamtkosten nicht im aktuellen Haushalt auftauchen, sondern – Stichwort: Generationengerechtigkeit; das ist sonst immer Ihr Stichwort – dass die Kosten in die Zukunft verschoben werden. Wenn man alles addiert, sind PPP-Projekte viel teurer, als wenn die öffentliche Hand einfach selbst investieren wür

de. Deshalb halten wir PPP-Projekte, ob beim Brückenoder Straßenbau, für völlig verfehlt. Wir sind der Meinung, die öffentliche Hand muss für die Infrastruktur aufkommen und keine Public-private-Partnership, wo sich dann die Investoren eine goldene Nase verdienen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Wir halten die Prämisse, „Erhalt vor Neubau“, die im schwarz-grünen Koalitionsvertrag auch festgehalten wird, für absolut richtig, weil wir der Meinung sind: Wir dürfen nicht immer mehr Straßen bauen, sondern man muss schauen, dass man auch in Hessen mit einer Verkehrswende vorankommt.

Meine Damen und Herren, das Planungsziel für die A 49 war früher einmal, die Zentren Kassel und Gießen direkt zu verbinden. Heute ist das Ziel ein anderes; heute soll im Süden die A 5 möglichst schnell erreicht werden. Es war einmal geplant, dass sich die A 49 noch weiter durch die Wetterau bis nach Darmstadt ziehen sollte. Dieses Vorhaben wurde bereits in den Achtzigerjahren ad acta gelegt. Dazu sagen wir: Legen Sie den kläglichen Rest dieses Projekts, dieser Weiterbaupläne, den es noch gibt, bitte dazu. Der Status quo ist nicht die einzige Alternative, wie den Menschen in der Region erzählt wird. Natürlich müssen wir die Anwohner entlasten.

(Kurt Wiegel (CDU): Wie machen wir das denn?)

Das werde ich Ihnen jetzt sagen. – Die A 49 endet heute quasi im Nichts und in die umliegenden Orte hinein. Wir brauchen einen ordentlichen Autobahnanschluss direkt an die B 3, nahe der jetzigen Stelle, und diese Bundesstraße, also die B 3, muss dann mit Lärmschutzmaßnahmen und Ortsumfahrungen lokal verbessert werden. Wenn man eine halbe Milliarde Euro einspart, könnte man einmal überlegen, was man mit dem Geld machen kann. Dazu gibt es aus der Region sehr konkrete Vorschläge. Es gibt vor Ort eine Bürgerinitiative; es gibt sehr konkrete Vorschläge, was man stattdessen machen könnte.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen der Präsiden- tin)

Eine solche optimierte, neue B 3 wäre eine wirkliche Straße für die Menschen der Region, keine A 49, die im Nirgendwo endet. Aber darum geht es nicht. Das Ziel, das mit dem Weiterbau der A 49 verfolgt wird, ist, eine weitere transeuropäische Lkw-Piste durch Nordhessen führen zu lassen. Dazu sagen wir: Damit ist den Menschen in der Region überhaupt nicht geholfen. So schafft man einfach noch mehr Durchgangsverkehr.

Ich will es noch einmal benennen, weil diese Zahl so gigantisch ist: 569 Millionen € für eine Abkürzung von 10 km. Das steht in überhaupt keinem Verhältnis. Wenn wir hier darüber diskutieren, ob wir uns Schulsozialarbeit leisten können, wenn wir darüber diskutieren, wo überall gekürzt wird, wenn von den Schulen der Putz von der Decke bröckelt, dann ist es einfach unverhältnismäßig, auch wenn es teilweise Bundesmittel sind,

(Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit!)

für ein solches Projekt so viel Geld auszugeben. Dieses Geld könnte man sehr viel sinnvoller investieren, auch in die Verkehrsinfrastruktur, aber nicht in diesen Irrsinn einer Autobahn. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. – Als Nächster spricht Herr Kollege Caspar, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über die A 49. Die A 49 ist hier eben unter unterschiedlichen Gesichtspunkten diskutiert worden. Zuletzt hat Frau Kollegin Wissler erklärt, die Region anzubinden, sei nicht der Grund,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sagt das Bundesverwaltungsgericht!)

sondern es gehe darum, den überregionalen Verkehr schneller fließen zu lassen. Richtig ist, dass sie aus beiden Gründen notwendig ist. Es ist nun einmal so, dass die Nord-Süd-Verbindung um 12 km kürzer wird. Das bedeutet, dass diejenigen, die die Strecke zurückzulegen haben – es sind Hunderttausende Verkehrsbewegungen, um die es da geht, erst einmal Benzin oder Diesel sparen und damit natürlich auch weniger Abgase produzieren als bisher.

(Janine Wissler (DIE LINKE): 12 km, das ist ein Witz!)

Zweitens ist es mit erheblich weniger Kosten verbunden. Es sind also beides Gesichtspunkte, die dazu geführt haben, dass auch in diesem Koalitionsvertrag steht: Der Bau ist notwendig, er wird fortgesetzt, und er wird vollendet werden.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn Sie sich die wohnungspolitischen Herausforderungen, die wir in Hessen haben, anschauen, dann stellen Sie fest, dass wir einen starken Trend, einen Zuzugsdruck in die Ballungszentren haben. Wir können dem doch nur entgegenwirken, indem wir dafür sorgen, dass die Infrastruktur in anderen Bereichen, wo Menschen bisher wegziehen, gut ausgebaut wird, dass es für Unternehmen attraktiv ist, sich dort anzusiedeln, dass für Unternehmen, die dort vorhanden sind, weiter ausgebaut wird, damit dort mehr Arbeitsplätze entstehen, damit die Menschen in diesen Regionen Zukunftschancen haben und in diesen Regionen wohnen bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Also kurzum: Die A 49 ist wegen des überregionalen Verkehrs notwendig, wegen der Unternehmen und der Arbeitsplätze sowie der Menschen, die vor Ort leben.

Meine Damen und Herren, wenn das im Grundsatz sinnvoll ist, ist es natürlich auch richtig, dass es in den Koalitionsvertrag hineingekommen ist. Wenn Sie sich die Situation vor Ort anschauen, werden Sie feststellen, dass sich der Abschnitt 20 zurzeit im Bau befindet. Herr Kollege Frankenberger, wenn Sie Bagger sehen wollen, dann fahren Sie einfach einmal hin; denn die stehen dort, und dort wird gearbeitet. Ihre Wahrnehmung, dass dort keine Bagger rollen würden, trifft nicht zu. Der Tunnel wird dort gerade gebaut. Das können Sie sich anschauen.

Herr Frankenberger, richtig ist, dass die Verfahren, d. h. von dem Zeitpunkt an, wenn wir erkennen, dass wir ein Infrastrukturprojekt brauchen, bis wir es realisieren können, viel zu lange dauern. Herr Frankenberger, Sie sind als ver