Protocol of the Session on September 24, 2014

Davor kann man doch die Augen nicht verschließen. Wir haben einen gültigen Planfeststellungsbeschluss, in dem die Rede von 700.000 Flugbewegungen ist. Das bedeutet – würde das eintreten – eine Zunahme um fast ein Drittel.

Wir haben eine Baugenehmigung für das Terminal 3, das die Kapazität weiter erhöhen wird. Gleichzeitig tun Sie so, als würde es leiser werden, während quasi fast schon die Bagger rollen und die Baugenehmigung erteilt ist. Deswegen sage ich: Das ist eine Mogelpackung, wenn es nicht geschafft wird, das Terminal 3 zu verhindern und die Flugbewegungen zu reduzieren. Das sind grüne Forderungen. Die Lärmpausen werden eine Farce sein, weil sie überhaupt nicht umsetzbar sind und wirkungslos bleiben werden.

Herr Minister, deshalb stellt sich uns die Frage, auf welcher Seite Sie in dem Konflikt stehen. Stehen Sie auf der Seite der Menschen, die Montag für Montag im Terminal für mehr Ruhe und mehr Schutz vor Fluglärm demonstrieren? Stehen Sie auf der Seite der Menschen, die Angst um ihre Gesundheit und um die Gesundheit ihrer Kinder haben? Oder finden Sie sich damit ab, dass es nicht mehr leiser wird, und reden Sie nur noch darüber, wie viel es lauter wird?

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Bei der Frage müssen Sie sich positionieren. Es gibt Hoffnungen in der Region. Viele haben gehofft, es würde mit einem grünen Wirtschaftsminister wirklich anders werden. Mein Eindruck ist, wenn Sie das Terminal 3 nicht verhindern, wenn Sie jetzt Abstand vom achtstündigen Nachtflugverbot nehmen, dann wäre das der Bruch von Wahlversprechen. Herr Minister, davor will ich Sie nur warnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Als nächster Redner spricht Herr Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich nach dem Beitrag des Kollegen Boddenberg zu Wort gemeldet, weil ich finde, dass er bedenkenswerte und wichtige Punkte angesprochen hat. Deswegen will ich, ebenfalls wie er, sehr grundsätzlich beginnen.

Die Geschichte des Frankfurter Flughafens ist für die gesamte Region und unser Bundesland die Geschichte des wirtschaftlichen und sozialen Erfolgs. Der Flughafen bietet in der Tat Zigtausenden von Menschen Arbeit und Einkommen, er ist das Tor zu Welt – all die Argumente, die wir in den letzten Jahren immer wiederholt haben. Damit wollten wir auch begründen, warum wir für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Frankfurter Flughafens sind, zumindest in den Ausbaupositionen der Fraktionen der CDU, der FDP und der Sozialdemokratischen Partei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gehört aber auch – das ist insbesondere der Punkt, der in den letzten Jahren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vertreten wurde, in der neueren Geschichte dann auch von der Linkspartei und in Teilen in allen unseren Parteien – die Geschichte der gebrochenen Versprechungen und Erwartungen. Dabei ging es beispielsweise um den Ausbau der Startbahn 18 West, aber auch um all die Erwartungen, die mit dem Mediationsergebnis verbunden waren.

Deswegen bin ich sehr froh über Ihre Bemerkungen, weil sie die Chance bieten, mehr Redlichkeit in die Debatte zu bringen. Deswegen möchte ich gern an ein paar Punkte erinnern, ohne die die heutige Debatte nicht erklärbar ist.

Das rot-grüne Mediationsverfahren unter Hans Eichel hat die Grundlagen für den Ausbau des Frankfurter Flughafens gelegt, die von der nachfolgenden schwarz-gelben Landesregierung fahrlässig gefährdet wurden. Das gilt für die klare politische Setzung der Nordwestbahn durch die damalige Regierung.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Boddenberg zu?

Nein, Herr Boddenberg darf sich gern anschließend melden. – Das Mediationsverfahren wurde zweitens durch den Wortbruch der ehemaligen Landesregierung bei der Frage des Nachtflugverbots, das in der Mediation versprochen war und das gerichtlich gegen Ihren erbitterten Widerstand durchgesetzt werden musste, gefährdet.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Hinzu kommen all die Punkte, die bis heute aus dem Mediationsergebnis nicht umgesetzt sind, wie beispielsweise die Frage der Lärmobergrenze. Herr Wirt

schaftsminister Al-Wazir hat dazu einiges angemerkt. Herr Boddenberg, dazu gehört auch, dass es in all unseren Parteien kritische Debatten gibt. Ich erspare mir regelmäßig, heute kann ich es nicht, die kritischen Positionierungen des ehemaligen Oberbürgermeisterkandidaten der CDU Frankfurt, Boris Rhein, oder die kritischen Anmerkungen des Staatsministers Grüttner, oder aber auch die Klage des CDU-geführten Main-Taunus-Kreises gegen den Planfeststellungsbeschluss, oder aber auch die politische Verabredung der schwarz-grünen Koalition in Frankfurt, keinerlei Entscheidungen zu treffen, um den Ausbau und die widerstreitigen Positionen ausdrücklich nicht zu gefährden.

Herr Boddenberg, all das gehört zur Redlichkeit ausdrücklich dazu. Dazu gehört auch, dass es in der Sozialdemokratie immer noch sehr kontroverse und kritische Debatten zu der Frage gibt, was die Konsequenz aus bestimmten Entscheidungen ist und ob man mit bestimmten Entscheidungen seinen Frieden geschlossen hat. Am Ende entscheiden allerdings die Wahlprogramme bzw. die Beschlusslagen der Landesparteitage der CDU, der FDP, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der Linkspartei. Sie sind in den allermeisten Fällen sehr klar pro Ausbau unter den Bedingungen der Mediation und des Planfeststellungsbeschlusses.

(Beifall bei der SPD)

Die aktuelle Debatte ist deswegen so interessant, weil auf der Grundlage der Entscheidungen, die die Parteien getroffen haben, sowohl was die Regierungsprogramme als auch was den Koalitionsvertrag angeht, die aktuellen und tatsächlichen Handlungen gemessen werden. Kollege Weiß hat das sehr präzise mit den Fragen herausgearbeitet: Sind die Lärmpausen, so wie sie im Koalitionsvertrag verabredet wurden, regelmäßig, sind sie kapazitätsunabhängig, also planbar, und welche Form von Lärmverdichtung ist eigentlich mit Lärmpausen verbunden? – Dass die Modelle, die jetzt vorgelegt worden sind, dazu untauglich sind, nicht mehr oder weniger an Redlichkeit hat Kollege Marius Weiß eingefordert. Das ist eine ziemlich berechtigte Kritik angesichts dessen, was Sie, nicht wir, erneut an Erwartungen in der Region geweckt haben mit dem, was im Koalitionsvertrag steht.

Lieber Kollege Al-Wazir, es geht nicht um einsame Entscheidungen. Das haben wir Ihnen nicht vorgeworfen. Wir haben von Ihnen wissen wollen, was passiert, wenn die Fluglärmkommission, die nicht die Region ist – die Fluglärmkommission bildet nur einen Teil der Region ab; wir haben mehrfach darüber gestritten, wer Mitglied in dieser Kommission sein darf und wer Mitglieder entsenden darf –, vor dem realen Konflikt steht, dass alle ihre Modelle dazu führen werden, dass die eine Region gegen die andere Region ausgespielt wird, weil die Entlastung auf der einen Seite zur Belastung auf der anderen Seite führt, ob Sie dann entscheiden, die Regierung oder wer auch immer. Diese Antwort sind Sie uns auch heute schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in den letzten fünf Jahren völlig zu Recht immer wieder kritisiert, dass das Modell, Regierung fragt und Opposition antwortet, angesichts der Rollenverteilung in einem Parlament nicht das Richtige ist. Das muss am heutigen Tag ausdrücklich an Sie zurückgegeben werden.

Wir erwarten von Ihnen schlicht und einfach eine Antwort auf eine einfache Frage. Das hat nichts damit zu tun, dass wir die Folgen des Ausbaus beklagen würden. In keiner

unserer Positionen stellen wir als Landespartei den Ausbau infrage. Wir sagen sehr klar: Es gibt Bedingungen der Mediation, die in Teilen bis heute nicht umgesetzt sind, und deswegen muss an dieser Stelle nachgearbeitet werden. Ich bin sehr gespannt, wie das weitergeht, z. B. bei der Lärmpause, beim Terminal 3, bei der Frage der Lärmobergrenzen.

Ich will nur noch einmal wiederholen, was der Kollege Rentsch völlig zu Recht gesagt hat und warum wir immer noch verwundert sind, dass Sie nicht einmal in der Lage waren, eine Anhörung zum Terminal 3 zuzulassen. Sie haben rechtlich überhaupt kein Instrument zur Überprüfung in der Hand, sondern wecken wieder eine Erwartung, für die es tatsächlich kein Instrument gibt. Deswegen werden Sie an diesen Stellen erneut Enttäuschungen produzieren. Auf diesen Widerspruch werden wir Sie auch in den kommenden Jahren immer wieder hinweisen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ein letzter Satz. Herr Al-Wazir, wenn Sie am Ende Max Weber zitieren und die Verantwortungsethik für sich in Anspruch nehmen, sage ich Ihnen am heutigen Tag allerdings auch sehr deutlich: Ja, Verantwortungsethik ist etwas Gutes, etwas ausdrücklich Richtiges. Aber es gibt keine geteilte Verantwortungsethik in eine, die vor dem 22. September 2013 galt, und eine, die danach gilt. Auch daran werden Sie sich messen lassen müssen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Boddenberg von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege Boddenberg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schäfer-Gümbel, ich will nur auf zwei oder drei Punkte eingehen, weil ich glaube, dass Sie ein Anrecht darauf haben, dass ich auf das antworte, was Sie sagen, aber Sie uns auch an einer Stelle erklären müssen, was Sie denn mit dem Begriff der hier angeblich geschürten Erwartungen verbinden, wenn Sie eine Anhörung im Hessischen Landtag zu einer Frage durchführen wollen, von der Sie selbst feststellen, dass sie rechtlich völlig eindeutig geklärt ist.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Transparenz, Herr Boddenberg!)

Wenn Sie eine Anhörung zu der Frage durchführen wollen, ob es da noch ein Fragezeichen gibt, schlage ich Ihnen vor, beantragen Sie eine Anhörung im Hessischen Landtag und sagen: Wir holen fünf Verwaltungsjuristen und unterhalten uns mit denen über die Frage der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses. – Was Sie wollen, ist aber genau das, was Sie behaupten, nicht zu wollen: Sie wollen Erwartungen wecken. Das ist die erste Feststellung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die zweite Feststellung. Herr Schäfer-Gümbel, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, ich muss dafür noch einmal auf die jüngere Vergangenheit der letzten Wahlauseinandersetzung zurückgreifen. Im Zusammenhang mit meinem damaligen Gegenkandidaten, leider viel zu früh verstorben – hier geht es nicht um eine geheuchelte Betroffenheit, sondern das hat uns alle betroffen gemacht –,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Dann lassen Sie es doch weg!)

schicke ich vorweg, dass Sie wissen, dass in seinem Wahlkampf und im Wahlkampf der ihn tragenden Ortsverbände im gesamten Wahlkreis eine Politik in Sachen Flughafen betrieben wurde, die mit dem, was Sie hier sagen, nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hatte.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Sie werden auch nicht bestreiten, dass ich in diesem Wahlkampf und dieser Wahlauseinandersetzung keinen einzigen Satz anders formuliert habe, als ich es nach der Wahl umgesetzt habe.

Jetzt will ich dafür nicht gelobt werden, sondern ich halte das für dringend notwendig. Ich will einmal einen Sozialdemokraten ausdrücklich loben, nämlich Herrn Gabriel, der in diesen Tagen vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie sagt, wir müssen in Deutschland eines hinbekommen, dass nämlich die Frage von Glaubwürdigkeit und Akzeptanz von großen und wichtigen Infrastrukturprojekten eine ganz entscheidende für die künftige Entwicklung unserer Volkswirtschaft ist, Herr Schäfer-Gümbel. Da bin ich sehr bei Herrn Gabriel und bei Ihnen, wenn Sie es so bestätigen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Aber dann bitte ich Sie – und das ist mein letzter Punkt – wirklich sehr herzlich darum, dass Sie nicht das genaue Gegenteil dessen praktizieren, was Sie vorgeblich gemeinsam mit mir und Herrn Gabriel und hoffentlich vielen anderen wollen.

Ich mache das noch mal fest an dem von Ihnen bemühten Begriff des Wortbruchs. Für das Publikum: Wir müssen uns über die Frage, wer hier für Wortbrüche zuständig ist, wohl nicht unterhalten.

(Judith Lannert (CDU): Nein, das weiß jeder!)

Der größte Wortbruch in der Geschichte dieses Landes war Ihr Wahlversprechen „Nicht mit den LINKEN“, und seitdem versuchen Sie, diesen Begriff so zu inflationieren, weil Sie hoffen, dass so dieser wirkliche Wortbruch am Ende relativiert wird. Das wird er ausdrücklich nicht.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Und weil Sie den Begriff Wortbruch im Zusammenhang mit dem Nachtflugverbot in den Mund nehmen, sage ich Ihnen zum wiederholten Male: Es ist unverschämt, wenn Sie das tun. Ich verstehe unter Wortbruch, dass man vor einer Wahl etwas anderes sagt, als man nachher umsetzt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das hat Herr Bouffier getan! „Fuldaer Zeitung“, im September 2013! Vom Wortbruch verstehen Sie auch etwas! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Hören Sie doch einmal zu. – Beim Thema Nachtflugverbot hat es im Dezember 2007 einen Planfeststellungsbeschluss gegeben. Dieser Planfeststellungsbeschluss mit den

von Ihnen kritisierten Ausnahmen – das stelle ich nicht infrage, aber aus unserer damaligen juristischen Sichtweise notwendigen Ausnahmeregelungen von 17 Nachtflügen – ist veröffentlicht worden, er ist öffentlich diskutiert worden, alles zwei Monate vor dem Wahltermin. Das ist redlich. Man kann immer noch der Auffassung sein, dass man damals klüger gewesen ist. Aber allen voran mir darf man nicht vorwerfen, dass es sich um einen Wortbruch handelt, wenn ich vor der Wahl genau sage, was auf die Menschen zukommt. Sie hatten danach die Wahl, das Kreuz bei Ihnen oder uns zu machen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Die Entscheidung ist schon vorher gefallen, und das wissen Sie auch! Das ist nicht redlich, was Sie hier tun!)