Protocol of the Session on September 13, 2018

(Holger Bellino (CDU): Natürlich!)

Meine Damen und Herren, wir erleben gerade im ländlichen Beritt eine Veränderung der Strukturen für ehrenamtlich Tätige. Zwischen 2006 und 2016 – lesen Sie die Untersuchungen des Stifterverbandes – wurden 15.500 Vereine aufgelöst. Gerade im ländlichen Raum erleben wir, wie ehrenamtliches Engagement und Strukturen kaputtgehen, weil sich Vereine auflösen. Darauf müssen wir eine Antwort finden, weil das Teil des lebenswerten Lebens in der Fläche ist.

(Beifall bei der SPD)

Wie kann ich ehrenamtlich Tätige unterstützen? – Einen solchen Appell des Ministerpräsidenten hätte ich mir gewünscht. Die materielle Seite ist eine, über die man reden

muss. Es gibt aber auch viele Dinge, bei denen Ehrenamtliche sagen: Ich verzweifele am Ehrenamt.

Da ist die Steuergeschichte. Fragen Sie doch einmal einen Vereinskassierer. Wenn dieser Verein zwei Feste pro Jahr macht, verdient er vielleicht auch einmal 1 €, den der Verein dringend zur Finanzierung der Arbeit braucht. Das Steueramt lässt grüßen. Steuerrecht ist Bundesrecht. Damit haben wir Gott sei Dank nichts zu tun, würde der Innenminister jetzt sagen. Der Finanzminister hat ein bisschen etwas damit zu tun. Man könnte auch über den Bundesrat sprechen.

Das Steuerrecht ist ein ernsthaftes, ein dickes und fettes Problem für die Vereine. Es gibt Auflagen für die Vereinsfeste. Da ist ja fast nichts mehr durchzuführen. Die Vereine verzweifeln. Darum müssen wir uns kümmern.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ein Vorschlag wäre es, Ehrenamt zu entlasten – Stichwort: Digitalisierung –, sodass man nicht mehr zu Vereinssitzungen zusammenkommen muss, sondern das digital machen kann. Da wäre der Breitbandausbau ein Thema, da flächendeckend Breitband vorhanden sein muss.

Meine Damen und Herren, wer das Ehrenamt stärken will, weil wir das Ehrenamt in der Gesellschaft brauchen, weil die Demokratie vom Ehrenamt lebt, der muss die Rahmenbedingungen verändern. Sich aber eine Gruppe herauszugreifen, weil in ein paar Tagen Landtagswahl ist, ist der falsche Ansatz. Kein Ehrenamt erster, zweiter und dritter Klasse.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Machen Sie doch einmal einen Vorschlag!)

Vielen Dank, Kollege Rudolph. – Das Wort hat der Abg. Manfred Pentz, CDU-Fraktion.

(Holger Bellino (CDU): Nicht einen Vorschlag! – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD): Stimmt doch gar nicht!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Herr Kollege Rudolph, Sie haben es wieder einmal geschafft, sämtliche Probleme dieser Welt zu beschreiben, nur in Negativismen zu reden.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): In was?)

Das sage ich gleich zu Beginn meiner Rede, obwohl ich es eigentlich nett und höflich formulieren wollte: Sie haben wieder einmal keinen einzigen Vorschlag gemacht. Da hat der Kollege Bellino recht. Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie man es besser machen könnte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben alles beschrieben, was schlimm ist, was furchtbar ist. Dabei sollte uns doch einen, auch die Kollegen von den Sozialdemokraten, dass wir alle das Ehrenamt hochhalten. Das ist der Kitt der Gesellschaft. Das ist die tragende Säule unserer Gesellschaft. Wir sind dankbar dafür.

Meine Damen und Herren, deswegen sind wir Abgeordnete ja auch jeden Tag unterwegs bei den Vereinen und Verbänden.

(Günter Rudolph (SPD): Nicht alle!)

Doch, alle. Ich glaube, dass sogar Sie zu den Vereinen gehen und dort mithelfen. – Seien Sie mir bitte nicht böse, aber diese Rede war nun wirklich total an der Sache vorbei.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen nur ein paar Beispiele nennen. Herr Kollege Dr. Arnold hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass wir all das, was Sie hier bemängelt und kritisiert haben, ja schon angehen. Wir machen das seit Jahren, seit fünf Jahren mit den GRÜNEN, davor mit der FDP und davor allein. Wir tun das.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Wir führen die Kampagne „Gemeinsam aktiv – Bürgerengagement in Hessen“ durch. Wir haben die bundesweit einzige und erste Landesehrenamtsagentur. Es gibt eine Servicestelle für Kommunen, Verbände, Vereine, aber auch für Einzelpersonen, die sich ehrenamtlich engagieren. Wir haben ein Förderprogramm zur Qualifizierung des bürgerlichen Engagements im sozialen Bereich. Wir fördern die Vernetzung von Vereinen und Verbänden, und wir haben den Wegweiser „Ehrenamt und Flüchtlinge“. An dieser Stelle will ich sagen: Ohne die vielen ehrenamtlich Tätigen in Hessen hätten wir die Flüchtlingskrise nicht so gut bewältigen können. Deswegen: Danke dafür an alle ehrenamtlich Tätigen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dem Ehrenamt soll nun Verfassungsrang gegeben werden. Ich danke den Kollegen Banzer und Heinz sowie vielen Kollegen aus den anderen Fraktionen für die gute Vorarbeit.

Es ist doch wohl legitim, dass wir – im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, die immer sämtliche Probleme dieser Welt beschreiben – einfach einmal einen konkreten Vorschlag machen. Diesen Vorschlag haben wir gemacht, und dazu stehen wir. Wir wollen, dass ehrenamtlich Tätige ein Ticket bekommen, das sie nutzen können. Es geht hier um rund 15.000 Menschen in Hessen. Das ist ein erster Vorstoß. Den haben wir gemacht. Lieber Herr Rudolph, mitnichten kann man hier von einem Zweiklassen-Ehrenamt reden.

Herr Rudolph, wenn Sie sagen, das sei wieder einmal eine oberflächliche Betrachtung, die die Regierung und die sie tragenden Fraktionen anstellen, dann will ich Ihnen das entgegenhalten, was Kollege Boddenberg gestern zu Recht gesagt hat: Die SPD im Landtag fordert so ziemlich alles und jedes, nach dem Motto „Freibier für jeden“. 4 Milliarden €, 4.000 Millionen € würden all die Dinge kosten, die Sie fordern. Die SPD macht aber keinen einzigen Deckungsvorschlag. Sie versprechen jedem alles, und die Menschen in Hessen werden das durchschauen.

(Günter Rudolph (SPD): Da bin ich sicher, dass sie das durchschauen, was Sie erzählen!)

Deswegen werden sie sich für eine solide Politik entscheiden, und solide Politik in Hessen trägt den Namen CDU. Herzlichen Dank dafür, dass Sie uns heute Gelegenheit gegeben haben, diesen Punkt aufzugreifen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Goldbach, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist das Remake eines SPD-Beitrags aus der August-Sitzung. Das kann man auf der Homepage der SPD nachlesen. Was daran aktuell sein soll, erschließt sich mir nicht unmittelbar.

Außerdem wurde mir nicht klar, wo eigentlich das Problem der SPD-Fraktion liegt. Es gibt eine Idee, wie man die Arbeit der Ehrenamtlichen noch mehr anerkennen kann. Die Ehrenamts-Card als Kriterium oder Maßstab ist ein Aspekt, woran man das festmachen kann. Das kann aber einer von vielen sein. Das können wir miteinander beraten, das werden wir weiterentwickeln, und wer mitmacht, kann mit uns zu guten Lösungen kommen.

Das Ehrenamt braucht Anerkennung, und zwar gerade heute, wo wir oft erleben, dass Kälte, Hass, Häme und Neid unser gesellschaftspolitisches Klima verändern. Der SPDAntrag erzeugt eine Neiddebatte, und Neiddebatten können wir gar nicht gebrauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich gehe davon aus, dass der Antrag der SPD-Fraktion nicht so gemeint ist, dass Sie etwas gegen mehr Landestickets hätten, also gegen mehr öffentlichen Personennahverkehr und gegen mehr Klimaschutz. Das fordern Sie doch sonst immer. Deshalb sollten Sie da ganz bei uns sein. Die Frage bleibt also: Was wollen Sie?

Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, um beim Thema Ehrenamt einen anderen Aspekt aufzugreifen, nämlich die Frage: Haben wir eigentlich eine Gleichstellung im Ehrenamt? Es gibt dazu ausführliche Zahlen des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Das Bundesministerium hat festgestellt, dass die Anteile ehrenamtlich Engagierter in der Altersgruppe „mittleres Alter“, also von 25 bis 54 Jahre, bei Frauen und Männern etwa gleich sind. Frauen und Männer engagieren sich in gleichem Umfang ehrenamtlich in dieser Gesellschaft.

Sie engagieren sich aber in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Frauen engagieren sich häufiger in den Bereichen Religion, Kirche, Schule und Kindergarten, im Gesundheitsbereich und im sozialen Bereich, während Männer vor allem Aufgaben in den Bereichen Sport und Bewegung, in der Politik und in politischen Interessenvertretungen, außerdem im Unfall- und Rettungswesen und in der freiwilligen Feuerwehr übernehmen. Frauen organisieren Veranstaltungen und Feste, betreuen Kinder, kümmern sich um kranke Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen. Ich weiß nicht, wie viele Kuchen ich für Kindergärten und Schulen schon gebacken habe. In den Grundschulen hatten wir Lesemamas. Auch ich habe das ge

macht, und es machte mir große Freude, mich nicht nur um meine Kinder, sondern auch um die Kinder aus anderen Familien zu kümmern. Wissen Sie, was in dieser Zeit das Schönste war? – Als ein kleines Mädchen vor mir stand und sagte: „Frau Goldbach, kannst du immer meine Lehrerin sein?“

Was ich damit sagen will: Es ist zutiefst befriedigend und macht große Freude, sich zu kümmern, ehrenamtlich tätig zu sein, sich nicht nur in einem kleinen Bereich zu bewegen, sondern in die Gesellschaft hinauszugehen und mit Freude und Spaß am öffentlichen Leben teilzunehmen, sich um andere zu kümmern. Das ist der Kern des Ehrenamts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Rollenbilder von Frauen und Männern haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert, aber die Verteilung der Formen gesellschaftlich notwendiger Arbeit ist immer noch sehr unterschiedlich. Eine Geschlechtergleichstellung ist noch nicht umfassend erreicht; denn die Aufgaben in der Familie werden immer noch einer traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung unterworfen und mehrheitlich von Frauen übernommen.

Das wiederum wirkt sich direkt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus, und das ist wiederum ein Grund dafür, warum Frauen sich nicht in gleichem Maße um solche Ämter kümmern können, wie Männer sie oft ausüben. Männer haben nämlich im ehrenamtlichen Bereich signifikant höhere Anteile an Führungspositionen. Gerade bei der Feuerwehr, beim THW, also da, wo man zu bestimmten Zeiten mit einer bestimmten Stundenzahl tätig sein muss, wenn es auch um Führungs- und Leitungsfunktionen geht, sind Frauen noch unterrepräsentiert.

Meine Damen und Herren, daran müssen wir arbeiten. Wir brauchen im Ehrenamt, beim bürgerschaftlichen Engagement eine Gleichstellung von Männern und Frauen, und zwar vor allem dadurch, dass wir den Frauen dieses Engagement ermöglichen. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn ich in Zukunft mehr Männer in den Kindergärten und Schulen sehen würden, beim Betreuen der Kinder und beim Kuchenbacken; denn das wäre für uns alle eine Bereicherung. Ich denke, wir alle würden davon profitieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Wertschätzung des Ehrenamts in unserer Gesellschaft kann gar nicht groß genug sein. Ein Zeichen der Wertschätzung ist der Vorschlag, das Ehrenamt und die Förderung des Ehrenamts in die Verfassung aufzunehmen. Ein weiteres Zeichen der Wertschätzung ist, den ehrenamtlich Tätigen ein Landesticket zu geben.

All das lässt sich weiterentwickeln, aber das Wichtigste ist, immer wieder festzustellen, dass das bürgerschaftliche Engagement unser Gemeinwesen trägt. Das ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, und jeder Beitrag dazu ist wertvoll, egal, wie groß oder klein er ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Schalauske, Fraktion DIE LINKE.