Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 2 Millionen ehrenamtlich tätige Menschen in Hessen verdienen unser aller Respekt und Anerkennung. Unser Dank und unsere Anerkennung gelten den unzähligen Menschen, die sich in Vereinen, Verbänden und Initiativen ehrenamtlich für das Gemeinwohl und für das Gemeinwesen engagieren.
Da wir vorhin über die Pluralität in unserer Gesellschaft gesprochen haben, finde ich es wichtig, noch einmal zu betonen, dass eine Pluralität auch im ehrenamtlichen Engagement vorhanden ist, dass dieses groß und vielfältig sein kann. Es reicht vom Engagement in den Sportvereinen und in der freiwilligen Feuerwehr über das Engagement in Sozialverbänden, Gewerkschaften, Eine-Welt-Läden und Umweltgruppen bis zum Engagement als Flüchtlingshelfer, in antifaschistischen Initiativen und in der Bildungsarbeit. Ihnen allen – ich sage ausdrücklich: allen – gehören unser Dank und unsere Anerkennung.
Aber bei dem Thema Ehrenamt gibt es auch eine andere Seite. Seit Jahren zieht sich der Staat aus der öffentlichen Daseinsvorsorge zurück und überträgt die Aufgaben dem Ehrenamt. Ich finde, das zunehmende und natürlich auch unterstützenswerte ehrenamtliche Engagement darf nicht dazu missbraucht werden, öffentliche Aufgaben auf die Schultern der Ehrenamtlichen abzuwälzen. Auch das haben sie nicht verdient.
Nun fürchtet die SPD die Einführung eines Ehrenamts erster und zweiter Klasse durch die CDU. Da schon der Begriff „Klasse“ fällt: Ich finde es ganz gut, dass sich die SPD den Klassenbegriff wieder aneignen will; der ist ihnen irgendwann einmal verloren gegangen.
Ich glaube, der Begriff ist an der Stelle nicht richtig verwendet. Aber zur Vollständigkeit gehört es, zu sagen: Es gibt diesen Klassencharakter im Ehrenamt – natürlich nicht in dem Sinne, wie ich den Begriff verstehen würde. Es bedarf nämlich keiner gründlicheren Auseinandersetzung damit, um festzustellen, dass es im Lande Hessen 2 Millionen ehrenamtlich Tätige gibt. Das schreibt die CDU auch in ihrer Presseerklärung.
Deswegen ist es auch wichtig, auf diese Zahlen hinzuweisen. Noch einmal: Wie viele von ihnen besitzen Ihrer Meinung nach die Ehrenamts-Card, die unter Roland Koch eingeführt wurde?
Diese Zahlen haben übrigens auch nichts mit einer Neiddebatte zu tun. Man muss sich die Zahlen einmal anschauen. Wenn man sich die Zahlen auf der Homepage dieser Ehrenamts-Card anschaut, stellt man fest, dass lediglich 15.000 ehrenamtlich tätige Hessinnen und Hessen diese Karte bekommen. Bei 2 Millionen Ehrenamtlichen und
15.000 Karten kann es demnach nur so sein, dass 0,75 % aller Ehrenamtlichen von dieser Card profitieren – oder, wie auch immer Sie es rechnen möchten, jeder 133. Damit ist völlig klar: Diese Ehrenamts-Card schafft tatsächlich ein Ehrenamt erster und zweiter Klasse; sie ist Ausdruck eines Klassencharakters im Ehrenamt – um das einmal so zu formulieren.
Wer kann die hessische Ehrenamts-Card überhaupt bekommen? Man muss sich mindestens fünf Stunden die Woche freiwillig ehrenamtlich engagieren, und man muss es bei der Stadt und beim Landkreis beantragen. Es gibt zahlreiche zusätzliche Kriterien, und viele ehrenamtlich Tätige fallen da heraus. Die Vergünstigungen müssen zum Teil von den Kommunen getragen werden. Da wiederum hängt es davon ab, ob die Kommunen überhaupt die finanziellen Mittel haben, um diese Vergünstigungen zu gewährleisten.
Daher ist es völlig klar: Diese Ehrenamts-Card erreicht bislang nur einen Bruchteil der ehrenamtlich Tätigen in Hessen. Ich glaube, der Vorstoß des Hessischen Ministerpräsidenten und CDU-Spitzenkandidaten Volker Bouffier war leider weniger ein Vorstoß, der dazu geeignet ist, zum Zusammenhalt der Gesellschaft beizutragen, sondern er war eher der bescheidene Versuch, ein wenig erfolgreiches Modell zu retten. Zur Unterstützung aller ehrenamtlich Tätigen scheint das Ehrenamts-Card-Modell nicht geeignet zu sein; das müssen Sie doch eingestehen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich begrüßen wir es ausdrücklich, wenn weitere Personen hessenweit kostenlos oder kostengünstig Bus und Bahn fahren können. Der öffentliche Nahverkehr gehört aus sozialen und ökologischen Gründen massiv gefördert.
Würden alle 2 Millionen Ehrenamtlichen in den Genuss eines solchen Tickets kommen, wären wir fast schon bei unserem Vorschlag eines Nulltarifs. Herr Pentz, das ist die Richtung, in die es gehen muss.
Zum Schluss: Über das Hessenticket für Ehrenamtliche haben wir leider schon in der letzten Woche diskutiert. Ich hatte gehofft, die CDU würde die heutige Aktuelle Stunde nutzen, um einen anderen Vorschlag ihres Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Landtag zur Diskussion zu stellen, nämlich die Einführung eines Feiertags der Demokratie. Volker Bouffier hatte die Idee, die Landtagswahl auf einen Mittwoch zu legen und diesen dann zum Feiertag zu erklären.
Dieser Vorschlag überzeugt nicht. Wir hätten einen anderen Vorschlag: Wer wirklich einen Feiertag der Demokratie haben möchte, sollte, um unsere sozialstaatliche Landesverfassung zu würdigen, den 1. Dezember, den Tag unserer Hessischen Verfassung, die in einer Volksabstimmung von den Menschen demokratisch beschlossen wurde und die weitgehende sozialstaatliche und friedenspolitische Bestimmungen enthält, zu einem staatlichen Feiertag in Hessen machen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat hätte ich bei einem Vorschlag der LINKEN eher auf den 1. Mai als Termin gesetzt. Aber die Erinnerung an die Verfassung läge auch bei uns höher im Rennen als der Vorschlag des Ministerpräsidenten, einen Mittwoch zu wählen.
Das Ehrenamt ist der Kitt der Gesellschaft. Das haben eigentlich alle Fraktionen erklärt; da sind wir uns einig. Gerade deswegen glaube ich, dass der Vorschlag des Ministerpräsidenten und der CDU, dieses Ticket einzuführen, nicht an der richtigen Stelle gemacht worden ist. Wenn wir uns einig sind, dass das Ehrenamt so wichtig ist, sollten wir nicht versuchen, damit Wahlkampf zu betreiben.
Der Zeitpunkt, zu dem dieser Vorschlag gemacht wurde, ist eindeutig in einen Zusammenhang mit dem Wahlprogramm und der Wahl zu bringen. Das ist schade. Genauso schade ist es, dass sowohl vor drei Wochen, als wir hier darüber diskutiert haben, als auch heute – Herr Pentz – versucht wird, das Thema „Ehrenamt in der Verfassung“ für die CDU zu reklamieren. Das muss doch nicht sein. Wir haben hier gemeinsam einen Einsetzungsbeschluss gefasst. Daher wünsche ich mir, dass wir das lassen.
Wenn die CDU und Herr Bouffier im Rahmen des Wahlkampfes solche Vorschläge machen, sage ich Ihnen: Ich würde das an Ihrer Stelle besser durchdenken. Wenn man nämlich sagt: „Wir machen das nur für diejenigen, die die Ehrenamts-Card haben“, bedeutet das, dass von 2 Millionen Menschen 15.000 dieses Ticket bekommen. Was heißt das denn für die 1,985 Millionen Ehrenamtler, die das Ticket nicht bekommen?
(Beifall bei der FDP – Manfred Pentz (CDU): Im Gegensatz zu euch haben wir einen Vorschlag gemacht!)
Heißt das, dass sie es nicht wert sind? Heißt das, dass ihre ehrenamtliche Tätigkeit es nicht wert ist, ein EhrenamtsTicket zu bekommen? Es ist doch traurig, wenn man so etwas vorschlägt. Man muss vorher darüber nachdenken, was das für Konsequenzen hat und was für ein Signal das für alle anderen Ehrenamtler ist. Glauben Sie im Übrigen, dass Herr Klee den Vorsitz beim FV Biebrich 02 nur deswegen übernimmt, damit er am Ende ein Ehrenamts-Ticket bekommt?
Glauben Sie, dass irgendein Ehrenamtler etwas macht, um ein solches Ticket zu bekommen? Glauben Sie, dass das ein Anreiz oder eine Motivation ist? Einfach einmal Danke zu sagen und das Ehrenamt in die Verfassung aufzuneh
men ist richtig. Aber ich glaube, wir sollten aufhören, das über solche kleinen Anreize zu versuchen. Das ist nicht das, was die Ehrenamtler wollen, und ich glaube, das ist auch nicht die Art und Weise, wie wir hier mit ihnen umgehen sollten.
(Beifall bei der FDP – Manfred Pentz (CDU): Konkret! Wie ist Ihr Vorschlag? Ihr macht gar keinen Vorschlag!)
Herr Pentz, hätten Sie dem Kollegen Rudolph zugehört, wüssten Sie das. Ich kann es Ihnen noch einmal erzählen. Sorgen Sie endlich für Erleichterungen bei der Bürokratie. Seit 19 Jahren sind Sie hier mit in der Verantwortung.
Nein, aber dann bemühen Sie sich doch einmal, die bürokratischen und die steuerlichen Vorgaben für die Vereine zu reduzieren. Warum macht denn keiner mehr mit in den Vorständen? – Es macht keiner mit, weil die Verantwortung, die man da auf sich nimmt, immer größer wird.
Das ist die Praxis. Warum machen Sie denn da nichts? Das sind doch die konkreten Vorschläge, die wir machen.