Protocol of the Session on September 13, 2018

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Lenders. – Für die Landesregierung spricht der Staatssekretär Kai Klose. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dem Landtag dankbar, dass wir in der letzten Plenarwoche dieser Legislaturperiode auch noch einmal Gelegenheit haben, über die Vielfalt unseres Bundeslandes und den Wert, den die offene und freie Gesellschaft für uns hat, zu sprechen, gerade in diesen Zeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Hessische Landesregierung hat sich schon mit dem Regierungsprogramm Ende 2013 selbst zum Ziel gesetzt – ich darf zitieren –, „das gesellschaftliche Miteinander in einem Land, das wie kein zweites von seiner Internationalität und Vielfalt und damit von Respekt vor der Unterschiedlichkeit geprägt ist“, zu fördern.

Denn wir sind der festen Überzeugung, dass Vielfalt nicht nur schlicht eine Zustandsbeschreibung ist, sondern dass sie uns als Gesellschaft stark macht. Das ist ein grundlegendes Handlungsprinzip unserer Politik, und es gilt für die kulturelle Vielfalt der Menschen, die in unserem Land leben, genauso wie für andere Merkmale, die uns vielleicht unterscheiden.

Eine zivilisierte Gesellschaft zeichnet aus, dass sie mit dieser Unterschiedlichkeit trotz aller Herausforderungen, die das unstreitig auch bedeutet, auch zivilisiert umgeht. Ich bin der Koalition und in aller Regel dem gesamten Landtag auch dankbar, dass wir in den letzten viereinhalb Jahren in diesen Fragen im Kern zusammengeblieben sind. Das ist wichtig, und es wird künftig noch wichtiger werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Denn Migration ist nicht das, wozu der Bundesinnenminister sie erklärt hat; das werde ich hier sicherlich nicht wiederholen. Migration ist eine schlichte Zustandsbeschreibung seit Beginn der Menschheitsgeschichte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb ist Integration auch nichts, was irgendwann endet, sondern eine gesellschaftliche Daueraufgabe. Migration ist Realität. Wie wir mit ihr umgehen, ist entscheidend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Wer wüsste das besser als wir Hessinnen und Hessen? Wir leben in einem Land, in dem mehr als 30 % der Bürgerinnen und Bürger einen sogenannten Migrationshintergrund haben und das heute von einem Bouffier und einem AlWazir – beides sind keine urhessischen Namen – regiert wird.

Meine Damen und Herren, vielleicht haben auch Sie ein paar der Erfahrungen gelesen, die Menschen unter #MeTwo mit uns geteilt haben. Ich glaube, sie lassen niemanden unberührt zurück. Wir dürfen aber beim Berührtsein nicht stehen bleiben. Mit Blick auf das, was wir, was vor allem aber diese Menschen in den letzten Wochen und Monaten in diesem unserem Land ertragen mussten – nicht nur im Osten, auch bei uns, Stichwort: Birstein –, war es klar und nötig, zu sagen: Ihr vielen, die ihr als Zugewanderte friedlich mit uns lebt, die ihr euch an die Grundregeln haltet und zu Wohlstand sowie zur Entwicklung dieses Landes beitragt, seid nicht nur willkommen, sondern ihr bereichert dieses Land. Wir wollen, dass ihr an dieser Gesellschaft genauso teilhaben könnt und sie als eure Heimat selbstverständlich mitgestaltet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, das kommt mir in den letzten Wochen, in denen ständig über Unterschiede oder Schwierigkeiten gesprochen wird, viel zu kurz. Eigentlich ist es doch banal: Wer anerkannt wird, wer teilhaben kann und nicht ausgegrenzt wird, ist eher bereit, sich einzubringen und sich für die Gesellschaft, in der er lebt, zu engagieren.

Daran müssen wir genauso weiterarbeiten wie daran, deutlich zu machen, dass Integration nicht nur eine Aufgabe der Hergekommenen ist, sondern genauso eine Aufgabe derjenigen, die schon da sind. Das ist deshalb auch eine Kernbotschaft unseres ersten Hessischen Integrationsplans.

(Turgut Yüksel (SPD): Und was ist passiert?)

Meine Damen und Herren, das gesamte Haus hat am vergangenen Dienstag klare Worte zu denen gefunden, die sich hier schon ante portas fühlen. Deren Mechanismen sind uralt. Einer davon ist, Minderheiten zu Sündenböcken zu machen und zu marginalisieren. Auch dem stellen wir uns entgegen. Deshalb ist es ein wirklicher Meilenstein, dass wir hier im Land eine eigene Antidiskriminierungsstelle geschaffen haben, um Menschen konkret zu helfen, die ausgegrenzt werden.

Mit dem Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt haben wir in dieser Legislaturperiode eine Marke gesetzt, die vergangenen Freitag am runden Tisch der LSBT*IQ-Gruppen auch noch einmal ausdrücklich gewürdigt wurde. Die Botschaft unserer Arbeit seit 2014 ist: Hier in Hessen wollen wir zusammen dafür arbeiten, unsere Unterschiedlichkeit nicht nur auszuhalten, sondern zur Stärke zu machen, so anstrengend das manchmal auch ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb gilt auch für diejenigen, die heute Nachmittag wieder Ausgrenzung, Ressentiments und Konflikt in einem mit widerwärtigen Unwahrheiten beschrifteten Bus in dieses Bundesland karren: Euer Lied von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit will hier im offenen, bunten und vielfältigen Hessen niemand hören.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Es gilt, was wir uns als Demokratinnen und Demokraten für die uns vielleicht auch hier bevorstehende Zukunft immer wieder vor Augen führen müssen. Der ehemalige US

Präsident Barack Obama hat dies vor wenigen Tagen gesagt, und mit diesem Zitat will ich schließen:

Wir sollen Diskriminierung die Stirn bieten. Und wir sollen ganz sicher, klar und eindeutig Nazisympathisanten die Stirn bieten. Wie schwer kann es eigentlich sein, zu sagen, dass Nazis schlecht sind?

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 53 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 54 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Zwei Millionen ehrenamtlich Tätige verdienen Respekt und Anerkennung – nicht die Einführung eines Ehrenamts erster und zweiter Klasse, wie es die CDU in Hessen will) – Drucks. 19/6774 –

Das Wort hat der Kollege Günter Rudolph, SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis zum 28. Oktober werden wir erleben, dass der Ministerpräsident immer wieder neue interessante Vorschläge macht. Das ist die freundliche Formulierung. Ich könnte auch von kruden Vorschlägen sprechen.

Der eine war: Wir wollen einen feierlichen Tag der Demokratie einführen. – Na ja, das Verhalten der Öffentlichkeit und von vielen war übersichtlich. Es ist fraglich, ob man dadurch die Wahlbeteiligung erhöht, dass man die Wahl an einem Mittwoch durchführt, wenn an einem Sonntag auch arbeitsfrei ist.

Ein weiterer Vorschlag war, für die 15.000 Besitzer von Ehrenamts-Cards kostenlos das sogenannte Landesticket zur Verfügung zu stellen. Für diejenigen, die es nicht wissen, und auch für die Zuhörer: Die Ehrenamts-Card besitzen in Hessen 15.000 Personen. Die bekommt man, wenn man mindestens fünf Stunden pro Woche ehrenamtlich tätig ist. Diese 15.000 Personen sollen nun kostenlos den ÖPNV nutzen können.

Meine Damen und Herren, das klingt bei der ersten oberflächlichen Betrachtung – so ist es auch angelegt – gut. Man kann eigentlich nicht dagegen sein. Wenn man sich etwas näher mit dem Thema auseinandersetzt, kommt man zu der Erkenntnis, dass es in Hessen zwei Millionen ehrenamtlich Tätige gibt, die unterschiedlich arbeiten, auch im Hinblick auf die zeitliche Beanspruchung. Ich will nur auf 75.000 Feuerwehrfrauen und -männer hinweisen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Ich will nur auf 75.000 Menschen in der Jugendarbeit hinweisen. Ich will nur auf über 130.000 Menschen in Sportvereinen hinweisen. Was macht denn der Übungsleiter, der sich beispielsweise um Flüchtlingskinder kümmert? – Er fährt sie zum Training und zum Spiel. Das sind locker

mehr als fünf Stunden. Was sage ich der Dame im Hospizverein, die sich um Todkranke kümmert, den Mitarbeitern der Tafel, den Mitarbeitern bei den Maltesern, beim Deutschen Roten Kreuz? Ich könnte die Liste der ehrenamtlich Tätigen weiter fortsetzen.

Diese Menschen haben nicht die formalisierte EhrenamtsCard. Es gibt 7.500 überwiegend junge Menschen, die die Jugendleitercard besitzen. Dafür muss man sich anmelden. In 40 Stunden muss man sie erwerben. Das ist auch ein formalisiertes Verfahren. Diese sollen das Landesticket nicht bekommen. Warum eigentlich nicht, Herr nicht anwesender Ministerpräsident? Warum wird 7.500 jungen Menschen, die die Jugendleitercard besitzen, nicht dieses Angebot gemacht? Warum? Warum greifen Sie sich eine Personengruppe heraus?

(Beifall bei der SPD – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch noch gar nicht entschieden!)

Ist noch gar nicht entschieden. Der Vorschlag kommt nächste Woche. – Gestern war der Hessische Jugendring hier im Landtag. Der eine oder andere Kollege war auch da.

(Manfred Pentz (CDU): Wir auch!)

Ich sagte doch, dass der eine oder andere Kollege da war. Ich habe doch niemanden ausgegrenzt. Sie waren da. Wir waren da.

(Claudia Ravensburg (CDU): Viele waren da!)

Der Jugendring will sich um politische Arbeit kümmern. Ein Thema war natürlich: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag zur Ehrenamts-Card? – Es wurde gesagt: Wenn, dann bitte für alle ehrenamtlich Tätigen und keine Ausgrenzung.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist der Ansatz falsch. Wir brauchen kein Ehrenamt erster, zweiter und dritter Klasse. Wir haben doch ein anderes Problem in der Gesellschaft. Es geht um den Kitt, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Oft fragen wir – und an dieser Frage ist auch etwas dran –: Was hält die Gesellschaft zusammen? – Das Ehrenamt ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Deswegen verändert sich das Ehrenamt auch nicht. Deswegen ist im Hochtaunuskreis beim Ehrenamt die Welt in Ordnung, und Sie machen als Landesregierung alles toll.

(Holger Bellino (CDU): Natürlich!)