Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Bouffier hat gestern zu Beginn seiner Regierungserklärung gesagt: „Hessen ist eines der sichersten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland.“
Je nach den politischen Bedürfnissen hörten wir aber in der Vergangenheit immer wieder ganz andere Töne. Von „Bedrohung der Sicherheitslage“ war da immer wieder die Rede. Aber weil vor den Wahlen angesagt ist, dass die CDU alles gut gemacht haben will, wird derzeit keinem Bedrohungsszenario das Wort geredet. Das kommt dann aber garantiert wieder, wenn man das Polizei- oder das Verfassungsschutzgesetz erneut verschärfen will.
Heute ist also seitens der CDU angesagt, nur das Sicherheitsgefühl, also nicht die Verbesserung der Sicherheit an sich, der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu stärken. Das ist eine Sicherheitspolitik, gerade wie man sie eben braucht.
Die CDU macht zum dritten Mal in diesem Jahr das Thema „Sicherheit“ zu ihrem zentralen Thema im Landtag. Im Februar gab es eine Regierungserklärung zur inneren Sicherheit und zur Kriminalstatistik. Im Mai gab es einen Setzpunkt zum Thema „Mehr Sicherheit durch KOMPASS“. Da ging es auch schon mehr um das Sicherheitsgefühl. Jetzt zum dritten Mal das Thema „Sicherheit und Sicherheitsgefühl“. Herr Innenminister Beuth, das Land wird durch Wiederholungen doch nicht sicherer oder unsicherer.
Wenn man Ihre Reden vergleicht, dann tragen Sie mit Sicherheit zum dritten Mal dieselben Zahlen, Programme und Floskeln vor. Meine Damen und Herren, es ist ziemlich öder Wahlkampf und geht meiner Meinung nach an den eigentlichen Problemen vollkommen vorbei.
Herr Beuth, schon in Ihrer Rede im Mai hatten Sie nichts anderes als Satzbausteine aus CDU-Anträgen vom Januar und dem Vorjahr zu bieten. Zum KOMPASS-Programm ist auch schon alles diskutiert. Da kann selbst ich mich nur noch wiederholen, wenn ich also erneut feststelle, dass es sich hierbei um nichts anderes als um die ganz normale Zusammenarbeit der Polizei mit den Behörden und Organisationen vor Ort handelt. Das ist auch nichts Neues mehr.
Da sind wir bei dem Punkt. Sie wollen also einer gefühlten Bedrohung eine gefühlte Sicherheit entgegenstellen. Ich fände es aber viel wichtiger, diejenigen zu bekämpfen, die die Leute ununterbrochen verunsichern, als ob man sich nicht mehr auf die Straße trauen könnte. Das sind allen voran die AfD und der Bundesinnenminister Seehofer.
Die AfD redet den Leuten ein, hinter jeder Ecke lauere ein Flüchtling mit einem Messer, unsere Bevölkerung solle
durch Muslime ausgetauscht werden, Frauen würden scharenweise von Flüchtlingen vergewaltigt. – Hier wünschte ich mir, dass der Innenminister das öffentlich zurückweist und dieser täglichen Hetze und den wiederholten Lügen öffentlich entgegentritt.
Wenn der Bundesinnenminister Seehofer, wie hier in Wiesbaden, davon spricht, dass islamistische Anschläge jederzeit und unmittelbar bevorstünden, dann ist doch klar, dass die Leute Angst bekommen. Damit stellt er sich übrigens auch gegen die Aussagen von Ministerpräsident Bouffier. Seit vielen Jahren erleben wir also dieses Gerede von „jederzeit und überall möglichen Anschlägen“. Wie sollen die Leute denn da keine Angst haben?
Seit vielen Jahren erleben wir eine ständige Verschärfung der Sicherheitsgesetze und der Überwachung. All das schürt aber doch neben dem Gerede zusätzliche Angst in der Bevölkerung. Angst war noch nie ein guter Ratgeber.
Ich würde mir wünschen, dass ein Bundesinnenminister und auch ein Innenminister in Hessen endlich einmal über die tatsächlichen Probleme sprechen. Die mit Abstand meisten politischen Straftaten gibt es im Bereich der politischen Rechten, des Neonazismus und des Rechtsterrors. Deutschland hat seit Jahrzehnten ein Neonaziproblem. Das wissen wir nicht erst seit dem schrecklichen NSU-Komplex und dem Rechtsterror.
Aber was machen der Bundesinnenminister und sein Geheimdienstchef Maaßen jetzt? – Sie leugnen ernsthaft, dass es in Chemnitz rechte Gewalt, Hetzjagden und einen Neonazimob gegeben habe. Sie stellen sich damit nicht nur gegen Hunderte Augenzeugen und gegen die Verletzten, sondern negieren sogar Angriffe auf ein jüdisches Restaurant und gegen eine hessische SPD-Gruppe. Maaßen stellte sich damit zudem gegen den ermittelnden Oberstaatsanwalt vor Ort, der 120 Ermittlungsverfahren führt.
Wir hingegen stellen uns hinter die Aussage von Bundeskanzlerin Merkel, die diese rechten Straftaten in Chemnitz zu Recht scharf verurteilt hat.
Was dort marschierte, war ein Zusammenschluss von AfD, Pegida, NPD, Drittem Weg, Neonazihooligans und sonstigen Schlägern. Aber das wird vom Geheimdienstchef und vom Bundesinnenminister einfach so weggeleugnet.
Ich wünschte mir, Herr Beuth, dass die Hessen-CDU sich offensiv hinter die eigene Kanzlerin stellt und mit dafür sorgt, dass diese Leugnung rechter Gewalt von Amts wegen endlich ein Ende findet.
Eine wichtige kriminalistische Herausforderung liegt hingegen im Internet: Hasskommentare, Internetbetrug, Datenklau und Datenhandel, Pädokriminalität, Wirtschaftskriminalität, Cyberkrieg – das sind die ganz großen Herausforderungen für die Sicherheit, sowohl für die Bürgerinnen und Bürger wie auch für Unternehmen und Staat.
Es hätte mir gefallen, wenn Sie endlich einmal erklären würden, wie dem zu begegnen ist, wie der öffentliche Dienst die Spezialisten bekommt, die man dafür zwingend braucht, wie Sie in diesem hoch technischen und oft international agierenden Bereich weiterkommen wollen.
Die Polizei stößt da auf große Probleme und schafft es oft leider nicht, Daten, die sie bekommt, eigenständig und ohne externe Hilfe umfassend zu bearbeiten, um dann zu ermitteln. Ohne Externe geht da gar nichts mehr, und das ist ein großes Problem.
Es hätte mir gefallen, wenn Sie hier endlich darstellen würden, wie Hessen zu einer Kriminalitätsverlaufsstatistik kommt. DIE LINKE fordert das schon seit Jahren, und nun haben dies sogar alle Fraktionen in den Abschlussberichten zum NSU-Untersuchungsausschuss gefordert – alle Fraktionen.
Noch ein letzter Punkt, das Personal der Polizei. Herr Klee, den ich sehr schätze und dem ich alles Gute wünsche, hat es schon angesprochen. Aber ich werfe einmal einen anderen Blick darauf: Die CDU hat in der Zeit bis 2015 kontinuierlich Stellen bei der Polizei abgebaut. Selbst wir als LINKE forderten über Jahre hinweg, mehr Polizeibeamtinnen und -beamte auszubilden.
Man hat uns immer wieder gesagt, 600 neue Anwärter pro Jahr auszubilden sei die absolute Obergrenze, die man in allen hessischen Fachhochschulen ausbilden könne, mehr gehe gar nicht, dafür gebe es überhaupt keine Kapazitäten. Erst nach vielen Jahren hat nun auch die CDU endlich dazugelernt – immerhin, wenn auch sehr spät. Aber aufgrund der Versäumnisse der vorangegangenen Jahre werden nun über 1.100 in einem Jahrgang ausgebildet. Die hessischen Fachhochschulen platzen aus allen Nähten, und die Ausbildungskapazität, vor allem aber die Qualität leiden erheblich. Ich muss schon sagen: Die CDU hat in Sachen Personalpolitik einfach nichts drauf.
Dieses Hin und Her – Personalabbau und plötzlich die Schleusen auf, alles rein – hat nichts mit vernünftiger Planung und Personalentwicklung zu tun, aber auch gar nichts, Herr Bellino.
Die Aufrüstung der Polizei überschreitet im Übrigen inzwischen jedes Maß. Jeder Polizist trägt inzwischen 45 Schuss Munition bei sich, neben Schlagstock, Pfefferspray und Taser macht das 90 Schuss pro Polizeistreife. Und jetzt soll jede Polizeistreife mit einem Sturmgewehr ausgestattet werden, einem G 36, meldet die „FAZ“.
Meine Damen und Herren, wir sind doch nicht im Krieg. 1.500 Sturmgewehre – man fragt sich bei dieser absurden Aufrüstung langsam, ob Ihnen jedes Maß verloren gegangen ist. Dies als Verbesserung des Sicherheitsgefühls zu bezeichnen, ist doch mehr als absurd.
Was soll denn das alles, wo wir doch – nach Ministerpräsident Bouffier, ich sagte es eingangs – in Hessen in einem der sichersten Bundesländer leben?
Sie brauchen nicht abzulenken, Herr Boddenberg, wir reden jetzt über Hessen. Es ist Ihr Setzpunkt, und Sie wollten darüber reden. Deswegen müssen Sie sich das auch anhören.
Stattdessen erleben wir sozusagen, wie die AfD und die CSU ein selbst geschaffenes Gespenst der gefühlten Bedrohung zu verjagen versuchen. Aber gegen Gespenster hilft nur ein gesunder Menschenverstand. Den aber vermisse ich in dieser Debatte zunehmend.
Vielen Dank, das war eine Punktlandung. Ich wollte gerade an die Redezeit erinnern. – Nächster Redner ist Kollege Frömmrich, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Anfang dem Kollegen Klee für die gute und freundschaftliche Zusammenarbeit danken, die wir in den letzten Jahren im Innenausschuss erleben konnten. Er hat in dieser Legislaturperiode über 100 Sitzungen des Innenausschusses geleitet. Wenn wir gestern Abend getagt hätten, wäre es die 108. Sitzung gewesen. Sie tun das in einer unnachahmlichen Art und Weise. Ich sage schon jetzt, dass wir Sie vermissen werden. Herzlichen Dank.
Sie hatten immer den Traum, dass irgendwann einmal der Vorsitzende des Innenausschusses für die vielen Sitzungen vielleicht noch eine zusätzliche Anerkennung erhält. Das haben wir leider nicht durchgesetzt. Ich glaube aber, Sie haben sich mit Ihrer Arbeit und der Art, wie Sie ihr nachgegangen sind, etwas anderes verdient, nämlich das Vertrauen und die Zustimmung der Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss. Das ist wohl ein Verdienst, das sich mit Geld gar nicht aufwiegen lässt. Ich danke Ihnen sehr für die freundschaftliche und gute Zusammenarbeit während der letzten Jahre – herzlichen Dank für meine Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind schon ritualisierte Debatten, die wir hier führen. Ich finde, der Kollege Klee hat eigentlich sehr gut eingeleitet und auf die Problematik hingewiesen, was Sicherheit eigentlich bedeutet, was der Staat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gewährleisten muss und warum wir ein Problem in unserem Land damit haben, dass die objektiven Zahlen, die wir vorlegen, eigentlich gut sind, wir in Deutschland und in Hessen in einem der sichersten Länder der Welt leben, viele Menschen – auch Flüchtlinge – zu uns kommen, weil wir in einem so sicheren Land leben, und es auf der anderen Seite innerhalb der Bevölkerung ein subjektives Sicherheitsgefühl gibt, das mit den objektiven Gegebenheiten nicht übereinstimmt.
Hier ist es Aufgabe der Politik, sich darüber Gedanken zu machen, wie man subjektives und objektives Sicherheitsgefühl wieder zusammenbringen kann. Deshalb widerspreche ich in dieser Frage ausdrücklich dem Kollegen Schaus.