Der Antrag betrifft mich. Das ist die einzige Chance, die ich habe, dazu etwas zu sagen. Ich bin heute ab 18 Uhr offiziell entschuldigt. Die Debatte kann dann nicht in meiner Anwesenheit geführt werden. Das würde ich nicht für in Ordnung halten.
Deshalb gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Sie machen das, wenn ich da sein kann, oder aber ich nehme jetzt kurz Stellung. Ich stelle anheim, wie Sie es haben wollen; aber ich finde, da es ausschließlich um mich geht, darf sich das Haus nicht überfordert fühlen, wenn ich darum bitte, darüber zu diskutieren, wenn ich anwesend bin.
Meine Damen, meine Herren! Herr Kollege Schaus hat es ja schon begründet. Ich hätte es begrüßt, wenn mich jemand von den antragstellenden Fraktionen zuvor gefragt hätte. Dann hätte ich begründet, warum ich das so mache.
Ich habe noch nie irgendeiner Zeitung bei einer Pressekonferenz oder bei was auch immer eine Antwort verweigert. Das hat überhaupt nichts mit Pressefreiheit zu tun. Ich entscheide aber immer noch selbst, wem ich ein Interview gebe. Ich habe begründeten Anlass dazu.
Ich will das sehr klar sagen. Kollege Hahn hat vorhin von unserer gemeinsamen Regierungszeit gesprochen. Mein Vorgänger im Amt, Roland Koch, ist hier oft Gegenstand des Zitats oder der Erörterung. Ich war damals hessischer Innenminister. Der Innenminister war immer auch für das Pressewesen verantwortlich. Es war ausgerechnet die damalige Regierung, die die „Frankfurter Rundschau“ vor dem Bankrott gerettet hat. Das hat nicht jeder verstanden. Das entsprach jedoch unserer Grundüberzeugung.
Insolvenz. – Ungeachtet der Frage, ob mir das politisch gefällt oder nicht, war das eine Grundsatzentscheidung.
Warum habe ich mich entschieden, der „Frankfurter Rundschau“ kein Interview mehr zu geben? – Die „Frankfurter Rundschau“ hat es für richtig gehalten, sich mit meiner Politik auseinanderzusetzen. Das muss ich akzeptieren. Ich werde es aber niemals akzeptieren, dass die „Frankfurter Rundschau“ Kinder und Jugendliche meiner Familie an den Pranger gestellt hat – für ewig. Das Netz vergisst nichts. Das Archiv vergisst nichts. Diese Kinder müssen ihr ganzes Leben lang damit leben.
Das geht über das hinaus, was man als Innenminister, als Ministerpräsident und als politisch tätiger Mensch ertragen muss.
Das ist der Grund, warum ich mich entschieden habe, dass es Grenzen gibt. Ich respektiere den journalistischen Auftrag. Ich respektiere, wenn jemand etwas schreibt, was mir nicht gefällt. Ich verweise niemanden des Saales, wenn er seiner journalistischen Arbeit nachgeht. Von mir kann aber niemand verlangen, dass ich ein solches Verhalten auch noch dadurch würdige, dass ich persönliche Interviews gebe.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Das Wort hat der Kollege Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.
(Holger Bellino (CDU): Wir würden die Entschuldigung annehmen! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Ach du lieber Gott!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, zunächst herzlichen Dank für Ihre Erklärung. Ich will das in aller Offenheit sagen: Ich kann die Emotionalität Ihrer Erklärung nachvollziehen. Wir haben mehrfach über den Vorgang geredet. Das wissen Sie. Wir haben auch über die Probleme geredet, die auch aus Fraktionsanträgen entstanden sind, mit entsprechender Erklärung unsererseits. Ich kann nur wiederholen, dass wir mehrfach darüber gesprochen haben. Ich verstehe die Emotionalität an dieser Stelle ausdrücklich.
Das ist einer der Punkte, der Menschen wie Sie und auch alle anderen – dazu könnte ich jetzt auch ein paar Bemerkungen machen – immer und immer wieder an Grenzen führt: Bis zu welchem Punkt ist das, was mit einem und über einen gemacht wird, noch erträglich, und wie geht man mit denen um, die man für die Berichterstattung für verantwortlich hält? – Ich kann dieses Argument – das sage ich ausdrücklich – nachvollziehen.
Ich will zur Redlichkeit der Debatte aber auch sagen, dass das, was Sie für sich in Anspruch nehmen, nicht nur für Sie gilt.
Wir haben und werden nicht vergessen, dass in einem Landtagswahlkampf aus der Staatskanzlei heraus an der Schule, auf die der Sohn von Andrea Ypsilanti ging, eine Pressekonferenz organisiert wurde, in der das Kind von Andrea Ypsilanti in die Öffentlichkeit gezerrt und zum Gegenstand der Politik gemacht wurde. Die Tatsache, dass die hessische Union bis heute nicht die Kraft hatte, sich dafür öffentlich klar vernehmbar zu entschuldigen, liegt auf Ihrer Erklärung vom heutigen Tag; denn das, was Sie für sich in Anspruch nehmen, müssen Sie auch für andere gelten lassen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will die sowohl vom Ministerpräsidenten als auch von Herrn Schäfer-Gümbel gerade angesprochene Emotionalität in dieser Debatte in keinster Weise wegreden, sondern ich habe hohen Respekt davor.
Ich will aber daran erinnern, dass wir alle Politikerinnen und Politiker sind, die in der Öffentlichkeit – ich erinnere an andere Debatten am heutigen Vormittag – eine große Verantwortung dafür tragen, dass das demokratische Gemeinwesen funktioniert. Wir alle stellen uns zu Recht immer wieder hinter die Pressefreiheit, wenn sie in anderen Ländern verletzt wird. Pressefreiheit heißt aber auch, dass die Öffentlichkeit darüber informiert werden muss, für welche Inhalte wir stehen.
Wir alle haben uns vor Verwunderung die Augen gerieben, als wir in den letzten Tagen das fingierte Interview mit dem Ministerpräsidenten in der „Frankfurter Rundschau“ gelesen haben. Das war der Versuch der Zeitung, die Öffentlichkeit zumindest darüber zu informieren, dass eine direkte Information aus dem Munde, aus der Feder des Ministerpräsidenten in der „Frankfurter Rundschau“ nicht möglich ist. Das ist aus meiner Sicht eine klare Verletzung der Pressefreiheit, der Arbeit der freien Presse und des Journalismus in unserem Land.
Herr Ministerpräsident, Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen: Wollen Sie es – sowohl als Ministerpräsident als auch als CDU-Vorsitzender in Hessen – wirklich durchhalten, dass Sie den Teil der Bevölkerung, den die „FR“ mit Informationen bedient, nicht mehr als einen Teil Hessens betrachten, mit dem Sie kommunizieren? Dieser Frage müssen Sie sich stellen.
Ich werbe dafür, dass Sie diese Ausgrenzung beenden. Wir könnten und müssten an dieser Stelle eigentlich über andere Bedrohungen der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit in diesem Land reden, insbesondere wenn wir nach Sachsen schauen. Das erspare ich uns allen am heutigen Tag. Ich werbe aber dringend dafür: Lassen Sie es nicht so weit kommen, dass auch in unserem Land die freie Arbeit von Journalistinnen und Journalisten und der Presse behindert wird.
(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Das machen wir doch nicht! Die können doch machen, was sie wollen! Unerhört! – Weitere Zurufe von der CDU)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wilken. – Das Wort hat der Abg. Boddenberg, Fraktionsvorsitzender der CDU.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nur zwei Bemerkungen machen. Die erste Bemerkung geht in Richtung der LINKEN. Herr Wilken, ich sage in aller Klarheit: Solange sich die LINKEN nicht eindeutig, vorbehaltlos und konsequent von der Geschichte und Verantwortung ihrer Vorgängerpartei SED distanzieren,
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie haben nichts gelernt! Wie erbärmlich! – Weitere Zurufe von der LINKEN)