Natürlich kann man als Landesregierung nicht glaubwürdig an die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen appellieren, wenn das Land selbst sich aus der Ausbildung zurückzieht und keine Ausbildungsplätze schafft. Das Erste, was man tun muss, ist doch, als Land mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, wenn man der Meinung ist, dass die Unternehmen das ebenfalls tun sollten, meine Damen und Herren.
Herr Minister, Sie sollten das Thema Ausbildung endlich zu einem verbindlichen Kriterium im Vergabegesetz machen, damit Betriebe, die nicht ausbilden, nicht noch mit öffentlichen Aufträgen belohnt werden.
Nötig wäre generell ein Vergabegesetz, das die enorme Marktmacht der öffentlichen Hand nutzt, um wirkliche Verbesserungen zu erreichen: Aufträge, die nur noch an Betriebe vergeben werden, die nach Tarif bezahlen, die fair einkaufen und die ausbilden – statt an Billigheimer, die die Aufträge an Subunternehmen weitergeben und an deren Ende dann eben ein Wanderarbeiter oder ein Arbeiter steht, der für weniger als den Mindestlohn auf den Baustellen arbeitet.
Aber auch das gehört zu Ihrer Bilanz: ein wachsweiches Vergabegesetz ohne Kontrollmöglichkeiten. Das wissen Sie auch, Herr Minister, und das ist vermutlich der Grund dafür, warum Sie die Evaluierung über den Wahltermin verschleppen.
Dort, wo sie es direkt in der Hand hätte, sorgt die Landesregierung für noch mehr Druck auf die Arbeitsbedingungen. Beispielsweise sorgt der hessische Weg der Ausschreibungen im ÖPNV für wahnwitzige Arbeitsbedingungen und Pausenzeiten für Busfahrerinnen und Busfahrer. Oft konkurrieren mehrere Staatsunternehmen miteinander
um die niedrigsten Löhne und Arbeitsbedingungen, z. B. die DB gegen die Hessische Landesbahn und gegen kommunale Gesellschaften. Hessen könnte sich im öffentlichen Personennahverkehr ganz konkret für gute Arbeitsbedingungen einsetzen, und Sie könnten sich auch für gute Arbeitsbedingungen in der Pflege einsetzen, indem Sie endlich Personalmindeststandards festlegen, was wir seit Jahren fordern.
Das gilt auch für den Flughafen – eine wichtige Arbeitsstätte, auch und gerade für gering Qualifizierte. Sie als Fraport-Miteigentümer schauen aber zu, wie sich die Arbeitsbedingungen immer mehr verschlechtern. Jeder Ausbaukritiker, jeder Fluglärmkritiker muss sich immer wieder anhören, man gefährde die guten Arbeitsplätze am Jobmotor Flughafen. Die sind Ihnen aber doch vollkommen egal, sonst würden Sie nicht dabei zuschauen, wie eine Dumping-Airline wie Ryanair mit Rabatten und beschleunigter Abfertigung nach Frankfurt gelockt und damit Druck auf die Jobs nicht nur bei anderen Fluggesellschaften, sondern auch und gerade bei den Bodenverkehrsdiensten ausgeübt wird, wo Menschen hart arbeiten und sicherheitsrelevanten Tätigkeiten nachgehen. Deshalb stehen wir LINKE natürlich an der Seite dieser Menschen am Flughafen, die harte Arbeit leisten; sie müssen vor Dumpinglöhnen geschützt werden, meine Damen und Herren.
Herr Minister, den Frankfurter Flughafen haben Sie in Ihrer Rede zum nachhaltigen Wirtschaften in Hessen nicht ein einziges Mal erwähnt. In der Tat kann beim Flughafen von Nachhaltigkeit keine Rede sein – abgesehen von dem nachhaltigen Schaden, den Schadstoffe und Fluglärm bei Gesundheit, Klima und Umwelt anrichten. Was ist unter Schwarz-Grün aus den grünen Flughafenausbaugegnern geworden? – Unter einem grünen Verkehrsminister wird der Flughafen mit dem Terminal 3, einem Billigfliegerflugsteig, weiter ausgebaut. Ryanair wurde mit Rabatten nach Frankfurt gelockt. Ein achtstündiges Nachtflugverbot gibt es nicht; derzeit gibt es nicht einmal ein sechsstündiges Nachtflugverbot. Allein im letzten Monat wurde das Nachtflugverbot 185-mal gebrochen, im Durchschnitt also sechsmal pro Nacht. Viele Menschen in den von Fluglärm betroffenen Gebieten haben mittlerweile die Schnauze voll. Viele gehen auf dem Zahnfleisch. Viele sind vollkommen übermüdet, weil sie keine Nacht mehr wenigstens sechs Stunden durchschlafen können. Herr Minister, mit der von Ihnen geplanten Lärmobergrenze kann es noch lauter werden. Ihre viel gepriesenen Lärmpausen, Herr Minister, machen jetzt erst einmal ein halbes Jahr Pause.
Von Ihrem grünen Wahlprogramm ist nichts übrig geblieben. Es ist nicht leiser geworden. Es ist stattdessen noch lauter geworden. Warum? – Weil Sie nicht bereit sind, sich mit Lufthansa und Fraport anzulegen, um die Gesundheit der Menschen in der Region zu schützen, Herr Minister.
Es gibt einen in diesem Hause, der sich beim Thema Flughafen noch mehr verbogen hat als Sie, Herr Minister, nämlich Frank-Peter Kaufmann. Was sagt Frank-Peter Kaufmann den Anwohnern, die um ihre Gesundheit fürchten, im Jahre 2018? – Ich habe es gelesen. Ich möchte Ihnen das Zitat vorlesen – O-Ton Frank Kaufmann –:
Ich will gar nicht bestreiten, dass die Leute so empfinden, aber die subjektive Komponente ist sehr hoch bei Lärmwahrnehmungen. Ich vermute auch, dass durch unser hektisches Leben, die ständige Erreichbarkeit per Smartphone und all diese Dinge, die einem weniger mentale Pausen ermöglichen, das Nervenkostüm stärker strapaziert wird. Möglicherweise werden auch deshalb solche Effekte als viel störender wahrgenommen.
Das ist in der „FNP“ nachzulesen. Frank-Peter Kaufmann spricht von einer „subjektiven Komponente“, als gäbe es keine eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Auswirkung von Lärm. Den Leuten in Flörsheim, in Sachsenhausen, in Offenbach oder in Neu-Isenburg zu erzählen,
sie würden „Effekte als störender“ wahrnehmen, weil sie halt ein stressiges Leben führen, ist schon dreist. Herr Minister, dass Sie das auch noch verteidigen, wundert mich dann doch.
Einen Zusammenhang zwischen einem stressigen Leben, das man aufgrund von Smartphones führt, und dem Umstand herzustellen, dass man den Lärm stärker empfindet, und den Leuten zu erzählen, dass das eine „subjektive Komponente“ sei, ist wirklich absolut dreist, Herr Minister. Dass das Frank Kaufmann gesagt hat, der früher auf jeder Montagsdemonstration war, macht es noch dreister.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Beantragen Sie doch einfach, den Flughafen zu schließen!)
Was die Situation bei der Energiewende angeht: Ich halte Ihre Zufriedenheit für fahrlässig. Zur Zufriedenheit gibt es überhaupt keinen Grund, ganz im Gegenteil. Erst am vergangenen Mittwoch hat die Bundesregierung eingeräumt, was schon seit Langem absehbar war: Deutschland hängt bei den Klimaschutzzielen meilenweit hinterher.
Auch in Hessen werden wir unsere Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien verfehlen. Ihre Feststellung, dass wirtschaftliche Entwicklungen auch ohne einen steigenden Strom- und Energieverbrauch möglich seien, dass das Wirtschaftswachstum in Hessen „vom Energieverbrauch entkoppelt“ worden sei, wie Sie gesagt haben, entbehrt doch jeder Grundlage. Ich habe mir Ihren Monitoringbericht angeschaut. Darin ist nachzulesen, dass der Energieverbrauch in Hessen nicht gesunken, sondern in den letzten Jahren gestiegen ist.
Wenn wir über die Energiewende reden, dürfen wir nicht nur über den Austausch von Energieträgern reden, sondern es muss vor allem um einen Umbau der Energiewirtschaft insgesamt gehen – in Richtung Dezentralisierung, Demokratisierung und Rekommunalisierung, weil die Energieversorgung ein Teil der Daseinsvorsorge ist und deshalb in die öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle gehört.
Hessen ist eben kein Vorreiter der Energiewende, sondern ein Hinterhertraber. Das liegt natürlich auch an CDU-Abgeordneten, die sich hier im Landtag zur Energiewende bekennen und dann nach Hause, in ihre Wahlkreise fahren und gegen jedes Windrad mobilisieren. Das ist angesichts
Wir alle wissen: Ein entscheidender Teil der Energiewende ist die Verkehrswende. Es reicht eben nicht, Benzin gegen Akku zu tauschen. Dann haben wir zwar elektrische Autos, aber immer noch verstopfte Straßen, überteuerte Busse und Bahnen und auf dem Land vielerorts nicht existente ÖPNV-Angebote. Wir brauchen nicht weniger als eine neue Art, Mobilität zu denken – aus ökologischen, vor allem aber auch aus sozialen Gründen. Kein Mensch sollte auf ein eigenes Auto angewiesen sein, um seine täglichen Wege zurückzulegen – auch nicht auf dem Land.
Bei Schwarz-Grün bleiben davon nur noch Mitnahmebänke und Bürgerbusse übrig, wo Ehrenamtliche einspringen und die Aufgaben des Staates übernehmen. Nichts gegen dieses ehrenamtliche Engagement, aber das ist ein bisschen wie bei den Tafeln: toll, dass es jemand macht, aber schlimm, dass es sie überhaupt geben muss. Nein, das ist Mobilität als Almosen, für Senioren und Mobilitätseingeschränkte.
Das ist aber doch kein attraktiver ÖPNV auf dem Land, und es ist erst recht kein Beitrag zur Energiewende.
Busse und Bahnen müssen billiger und für die Nutzer am besten zum Nulltarif angeboten werden. Wir wollen, dass viel mehr Menschen als heute Busse und Bahnen benutzen. Das ist notwendig, um das Klima zu retten, um die Luft in den Städten zu verbessern und eben auch um ein Leben ohne Auto zu ermöglichen. Von daher ist es klar, dass wir einen Ausbau des Angebots und der Infrastruktur benötigen. Das muss mit Preissenkungen einhergehen und darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das wäre um einiges gerechter als Ihr Modell mit Flatrates für einige Gruppen, während andere 200 € für eine Monatskarte bezahlen.
Herr Minister, auch beim Thema Barrierefreiheit gibt es noch eine Menge zu tun. Auch hier geht es sehr langsam voran. Das Wort Barrierefreiheit kam in Ihrer Rede gar nicht vor. Gerade da, wo seit Jahrzehnten ein Ausbau geplant ist, ist die Lage oft verheerend. Die zügige Modernisierung der noch nicht barrierefreien Bahnhöfe ist ebenso notwendig wie die Umsetzung eines sinnvollen Bahnsteighöhenkonzepts. Umständliche Rampen an den Zügen können nur Übergangslösungen sein. „ÖPNV“ muss bedeuten, dass jeder ihn nutzen kann – auch der, der eine Behinderung hat. Deshalb brauchen wir endlich einen barrierefreien ÖPNV, meine Damen und Herren.
Der Autoverkehr stößt vielerorts an seine Grenzen. Er vergiftet unsere Städte. Aber hier bräuchten wir eben Preissenkungen beim ÖPNV und sollten diese auch in die Luftreinhaltepläne schreiben. Stattdessen lässt sich die grüne Umweltministerin lieber von der Umwelthilfe verklagen.
Während Sie für den überhandnehmenden Lkw-Verkehr die Autobahnen mit Oberleitungen versehen, verfallen die Straßen im Land munter weiter, gerade die kommunalen Straßen. Entweder kann man existenzbedrohende Straßenausbaubeiträge zahlen oder aber auf den Straßen Schlagloch-Minigolf spielen, wie das einige pfiffige Anwohnerin
Hessen Mobil wurde systematisch kaputtgespart. Auch das kritisieren wir seit Jahren. Hier brauchen wir endlich mehr Investitionen. Genauso brauchen wir mehr Investitionen in den Radverkehr; denn es ist wirklich halbherzig, was dort passiert, gerade in den unterfinanzierten Kommunen. Wir brauchen eine gute und sinnvolle Fahrradinfrastruktur, damit es wirklich eine attraktive Alternative ist, auf das Fahrrad umzusteigen.
Insgesamt: Nach Ihren Plänen bleibt die Investitionsquote des Landes bis 2021 auf einem extrem niedrigen Niveau. Dabei reden wir auch über Breitbandversorgung, Sanierungen usw. Herr Minister, Sie können noch so viele symbolische Bänder durchschneiden, aber Sie müssen auch Geld in die Hand nehmen.
Dann haben Sie auch die schöne neue Welt des Finanzplatzes Frankfurt mit seinen Banken und Fintechs beschrieben. Auch diese Beschreibung hält dem Realitätscheck nicht unbedingt stand; denn die Banken bauen ebenfalls in großem Stil Arbeitsplätze ab. Wie erst letzten Monat bekannt wurde, sollen allein bei der Deutschen Bank und bei der Postbank Tausende Mitarbeiter gehen, während sich die Manager weiter dicke Boni einstecken. Es ist auch nicht so, dass man aus der Finanzmarktkrise irgendetwas gelernt hätte. Es ist überhaupt nichts reguliert worden. Jederzeit können die Finanzmärkte in neue Krisen stürzen.
Ich könnte jetzt noch einige Dinge finden, die ich für fragwürdig halte. Sie freuen sich, trotz aller ökonomischen Ungleichgewichte, die das mit sich bringt – auch auf der europäischen Ebene –, über die Exportstärke Hessens. Sie reden von einer grünen Wirtschaftspolitik, und morgen demonstrieren die Bürgerinitiativen aus Langen vor dem Landtag, weil immer mehr schützenswerter Bannwald für den Kiesabbau der Firma Sehring geopfert wird.
Was ist mit den dringend notwendigen Zukunftskonzepten für die Automobilindustrie – oder generell für die Industrie in Hessen? Ihre grüne Wirtschaftspolitik ist weder grün, noch ist sie gut für alle. Sie ist vielerorts einfach die Weiterführung von schwarz-gelber Politik. Immer wieder nach der Energiewende und der Verkehrswende zu rufen nutzt nichts – auch nicht, wenn man zwischendurch möglichst oft von „Digitalisierung“ und „Innovationen“ redet. Das allein macht noch keine neue Politik. Der Politikwechsel – das muss man nach fünf Jahren Schwarz-Grün attestieren – ist leider ausgefallen.
Letzter Satz, Herr Präsident. – Den grünen Kapitalismus wird es nicht geben; denn wer die Energie- und die Verkehrswende durchsetzen will, wird sich mit den Konzernen wegen deren Interessen anlegen müssen. Oder – um es mit den Worten von Naomi Klein zu sagen –: Wir müssen uns entscheiden, was wir retten wollen, das Klima oder den Kapitalismus. Wir wären für Ersteres. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Wissler. – Herr Abg. Kaufmann hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte sehr, Sie haben zwei Minuten Zeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Wissler, zunächst bedanke ich mich; denn es ist für mich eine Ehre, dass Sie gesagt haben, ich sei noch schlimmer als der Minister. Ich betrachte das zumindest als eine Ehre. Dann aber sage ich Ihnen: Sie haben mit dem Beitragsteil, in dem Sie über den Fluglärm und über meine Person geredet haben, eindeutig klargestellt, dass es Ihnen überhaupt nicht um die Sache, sondern ausschließlich um Polemik geht.