Ein wichtiger Kern des Programms ist der KOMPASS-Berater, ein Polizist, der im ständigen Dialog mit den verschiedenen Partnern vor Ort die Situation analysiert, Vorschläge erarbeitet und die Abläufe begleitet.
Was sagt uns dieser Text? – Wir wissen jetzt, dass ein männlicher Polizist – Frauen kommen nach dieser Formulierung gar nicht erst vor –
einen neuen Namen, nämlich KOMPASS-Berater, erhalten hat und dass er im ständigen Austausch mit den kommunalen Behörden und weiteren Personen an der Verbesserung der Sicherheitslage arbeitet.
Das ist etwas Neues, ja. Aber was ist daran neu? – Nichts. Meine Damen und Herren, das ist alles ganz normale, alltägliche Polizeiarbeit.
Wir erfahren auch, dass Sie mit den Ordnungsbehörden vor Ort die Sicherheitslage verbessern. – Ja, was und mit wem denn sonst? Wenn das neu wäre, so wie es auf den Pressekonferenzen des Innenministers dargestellt wurde, dann müsste man sich ja fragen: Was hat die hessische Polizei denn bisher gemacht? Hat sie vorher nicht in den Kommunen an der Sicherheitslage gearbeitet? – Meine Damen und Herren von der Koalition, das ist doch alles ganz banal.
Wir haben es hier immer wieder kritisiert: Sie sind vor zwei Jahren endlich umgeschwenkt und stellen jetzt bedarfsgerecht Polizeianwärterinnen und -anwärter ein. Aber die Lücken durch den Personalabbau unter den CDU-geführten Innenministerien in den vergangenen zwei Jahrzehnten – auch in der Polizei – sind noch lange nicht ausgeglichen.
Sie haben jahrelang den gesamten öffentlichen Dienst geschröpft und damit auch die Polizei: Gehaltseinbußen, längste Arbeitszeiten Deutschlands, immer noch 2,7 Millionen Überstunden trotz Auszahlungsprogrammen, überdurchschnittliche Krankenstände und ein autoritärer Führungsstil – das alles kennzeichnete die hessische Polizei. Nein, so kann und darf man mit dem Landespersonal nicht umgehen.
Statten Sie den gesamten öffentlichen Dienst besser aus, zahlen Sie vernünftige Gehälter, vermeiden Sie Überbelastungen. Dann haben Sie den richtigen Beitrag für eine gute Polizei und die Sicherheit in Hessen geleistet. So etwas gelingt eben nicht durch noch so viele banale Anträge und Pressekonferenzen.
Sie verbessern die Polizeiarbeit und die Kriminalitätsbekämpfung nicht durch neu erfundene Sicherheitssiegel. Was soll denn in der Kommune durch ein Siegel sicherer werden? Meine Damen und Herren, Logos oder die Aufzählung von alltäglicher Zusammenarbeit sind doch keine Sicherheitsverbesserungen.
Sie schaffen werbewirksam 14 zusätzliche Stellen und stellen weitere 30 – wörtlich – „Schutzmänner“, ein. Da sind sie wieder, die Männer; Frauen kommen in Ihrem Antrag gar nicht vor. Zusammen mit der Geschäftsstelle beim Landeskriminalamt sind das 46 zusätzliche Stellen für ganz Hessen. Das macht bei ca. 14.000 Polizeibeamtinnen und -beamten ein Plus von sage und schreibe 0,32 % aus. Herr Minister, glauben Sie wirklich, dass diese Art der Öffentlichkeitsarbeit das Land Hessen weiterbringt?
Wir als LINKE haben uns die Diskussion zum KOMPASS-Programm durchaus angeschaut. Es spricht erst einmal nichts dagegen. Die Bedeutung der Zusammenarbeit und Prävention vor Ort zu betonen, ist ja nicht falsch. Aber seien Sie bitte ehrlich: Es geht mehr darum, gegen die sogenannte gefühlte Bedrohung vorzugehen als gegen reale Probleme.
Reale Straftaten, Kriminalitätsschwerpunkte oder -milieus – dagegen muss die Polizei seit jeher vorgehen. Was denn sonst? Natürlich hat man dafür Ordnungsbehörden und weitere Akteure vor Ort, die Programme entwickeln, wie die Sicherheitslage zu verbessern ist. Man macht auch regelmäßige Lagebilder. Auch das gehört zur alltäglichen Polizeiarbeit, und auch das ist nicht neu.
Das KOMPASS-Programm tritt eine Debatte breit, die sagt: Auch wenn wir in Hessen und Deutschland so sicher leben wie kaum irgendwo anders auf der Welt, so geht es um die gefühlte Bedrohung; denn Menschen sagen aus irgendwelchen Gründen: So schlimm war es noch nie. Man traut sich ja kaum noch vor die Tür. – Genau das wollen Sie als Koalition vor den Landtagswahlen jetzt für sich und ihre eigenen Interessen ausschlachten. Um nichts anderes geht es hier.
Aber ständig Sicherheitsgesetze zu verschärfen und bürgerrechtsfeindliche Gesetze zu verabschieden, ist auf Dauer ebenso wenig hilfreich, wie sich neue Logos und Zertifikate für die Polizeiarbeit auszudenken und das Land mit Videokameras zu übersäen.
Sorgen Sie also für ein besseres personelles Fundament, und ersparen Sie uns bitte weitere Schaufensteranträge dieser Couleur. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Hätten wir nicht Blockupy gehabt! – Boris Rhein (CDU): So etwas Wildes, ei, ei, ei!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schaus, ich weiß nicht, ob wir uns mit dieser Form der Debatte über innere Sicherheit und über die Probleme, die die Menschen ja beschäftigen,
einen Gefallen tun, mit dem ritualisierten Vorbeten der Texte der letzten fünf Jahre, was Sie hier in jeder Rede zur Sicherheitspolitik machen,
ohne einen einzigen Ansatz zu haben, wie Sie es besser machen würden. Das ist schon einigermaßen erbärmlich. Das muss ich hier wirklich einmal sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann ja in der Sicherheitsdebatte unterschiedliche Auffassungen haben.
Es wäre gut, wenn Sie einmal Ihre Auffassung dazu darlegen würden, was Sie machen würden, wie Sie es anders machen würden und was genau Sie anders machen würden.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Seit Jahr und Tag fordern wir mehr Polizeianwärter! Viel früher, als Sie angefangen haben einzulenken! – Boris Rhein (CDU): Es ist ja gut, Herr Schaus! – Weitere Zurufe von der CDU und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Glockenzeichen der Präsidentin)
Ich weiß nicht, ob wir für den Blutdruck vom Kollegen Schaus irgendetwas parat haben. Aber es wird hier ja auch unterschiedliche Hilfe angeboten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, ob die Antworten, die Kollege Schaus immer gibt, die richtigen Antworten auf die Probleme sind, die die Menschen im Lande doch wirklich umtreiben. Wenn wir etwas beschließen, wo wir mehr brauchen, dann sagt Herr Schaus: Wir brauchen davon noch mehr. – Wenn wir noch mehr machen, sagt Herr Schaus: noch, noch mehr. Wenn wir Geld in die Hand nehmen, dann sagt er: noch mehr Geld.
Das ist aber kein Konzept, Herr Schaus. Es ist kein eigenes Konzept, einfach nur zu sagen: Wir legen noch etwas auf das drauf, was Schwarz-Grün macht.
Sicherheitspolitik ist ein wichtiges Thema. Wir sollten uns in diesem Landtag bei allen unterschiedlichen Ansätzen und Diskussionen, die hier geführt werden, durchaus eines Problems bewusst sein: Es gibt in der Bevölkerung eine Verunsicherung. Es gibt in der Bevölkerung Diskussionen, die mit den tatsächlichen Zahlen, die wir in den Kriminalstatistiken hinterlegt haben, wenig zu tun haben. Es gibt ein Auseinanderdriften von objektiver Sicherheit und dem subjektiven Sicherheitsempfinden von Bürgerinnen und Bürgern.
Dieses Problem aufzugreifen, sich darum zu kümmern und dafür die richtigen Ansprechpersonen zu finden, ist das Konzept, das wir bei KOMPASS verfolgen, nämlich andere Partner mit ins Boot zu nehmen. Mit Kommunen zusammen, mit anderen Partnern in den Kommunen, mit Zivilgesellschaft unternehmen wir den Versuch, sich darüber Gedanken zu machen, wie man sich mit diesem Problem der Wahrnehmung und des subjektiven Sicherheitsgefühls für die Menschen in den Städten und Gemeinden beschäftigt. Das tun wir damit. Deswegen ist das ein guter Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was haben Sie die Jahre davor gemacht?)
Für komplexe Probleme braucht man abgestufte und durchdachte Konzepte: Zusammenspiel verschiedener Institutionen, kommunale Entscheidungsträger, Partner aus der Zivilgesellschaft, Polizeipräventionsprogramme, Hilfe und Unterstützung, Gestaltung öffentlicher Räume, Beleuchtung, Gestaltung, Sauberkeit, technische Hilfsmittel – das sind die Stellschrauben, an denen man drehen und über die man mit denen, die vor Ort Verantwortung tragen, ins Gespräch kommen muss.
Wenn Sie dann noch drei Ideen von dem, was ich hier sage, aufnehmen, können Sie sich noch einmal melden, nachdem der Minister geredet hat.