Protocol of the Session on April 26, 2018

In der Tat ist es gut und richtig, dass wir in diesem Bereich mit großer Einmütigkeit voranschreiten wollen. Traurig ist es, dass immer erst etwas passieren muss, so wie das in Frankfurt geschehen ist, damit diese Diskussionen tatsächlich vorankommen.

Es geht aber in der Tat nicht nur um Sicherheit im Radverkehr und für Radverkehrsteilnehmer, sondern es geht auch um Sicherheit von und für Lkw. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass Sie es mit angesprochen haben; denn LkwFahrer haben am Ende des Tages in Hessen erhebliche Herausforderungen, um die gesetzlichen Ruhefristen einhalten zu können.

Bei all diese Themen, die auch sicherheitsrelevant sind, die auf der einen Seite etwas mit guter Arbeit zu tun haben, mit Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, aber auf der anderen Seite direkt Auswirkungen auf Themen wie Sicherheit und Fahrersicherheit haben, hätten wir in der Tat, liebe Kollegin Müller, in Hessen einige Hausaufgaben zu erledigen. Dabei geht es um die Bereitstellung von Parkplätzen entlang der Autobahn und viele Dinge mehr.

Ich bin der festen Überzeugung: Da schaffen wir ein Mehr an Sicherheit für die Beschäftigten, aber auch für alle Verkehrsteilnehmer, ob sie sich mit dem Fahrrad, dem Pkw oder wie auch immer im Straßenverkehr bewegen.

(Beifall bei der SPD und der Abg Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Deswegen am Ende: Es gibt, was diese Themen angeht, sicherlich Nachholbedarf. Es gibt eigene Baustellen, die wir in Hessen zu diskutieren haben, die wir umzusetzen haben. Wir könnten auch über moderne Mobilitätspolitik und die Frage diskutieren, welchen Stellenwert der Fahrradverkehr dabei haben muss, über die Frage, was wir als Bundesland Hessen dort an weiteren Aktivitäten mit zu unternehmen haben, damit wir tatsächlich in einer vernetzten Mobilitätsgesellschaft diesem Verkehrsträger einen hinreichenden Platz zuweisen können.

All das gibt sicherlich Möglichkeiten, es in weiteren Runden immer wieder zu diskutieren. Dem Anliegen stimmen wir zu. Das ist vielleicht etwas ungewöhnlich für Aktuelle Stunden, aber die anderen kommen ja noch. Doch bei diesem Thema ist das Anschließen an diese Bundesratsinitiative durch das Bundesland Hessen richtig und notwendig. Wir freuen uns aber auch, wenn das Bundesland Hessen ab und an bei ähnlichen Themen vielleicht Vorreiter ist und selbst mit eigenen Ideen auftrumpfen kann und nicht immer erst etwas passieren muss und man sich dann bei anderen anhängt.

In der Tat, über die Reihenfolge könnten wir streiten. Aber egal, seien wir heute Morgen einmal friedlich. Von daher sehe ich an dieser Stelle eine große Einmütigkeit. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei Abgeordneten des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Vielen Dank, Kollege Tobias Eckert. – Das Wort hat der Abg. Jürgen Lenders, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich kann nur sagen: Ich glaube, es besteht über alle Fraktionen hinweg große Einigkeit, dass die Initiative gut und richtig ist. Sie ist auch bei Weitem nicht dafür geeignet, politischen Streit zu provozieren. Das ist in Anbetracht der Verkehrsopfer überhaupt nicht angemessen.

Es ist richtig, dass die Initiative der Landesregierung beinahe wortgleich mit einem Appell des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, BGL, aus dem November 2017 einhergeht. Wer jetzt der Urheber dieser Idee ist, spielt am Ende aber keine Rolle, sondern man muss in diesen Fragen weiterkommen. Wenn technische Assistenzsysteme dazu führen, dass wir Verkehrsopfer vermeiden können, dann müssen wir das tun und alles technisch Mögliche machen.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist aber ganz klar – Tobias Eckert hat es richtigerweise angesprochen –, dass wir eigene Baustellen haben. Er hat es benannt: Das sind die fehlenden Lkw-Stellplätze.

Meine Damen und Herren, wenn man sich in der Praxis anschaut, dass Lkw mittlerweile an Autobahnabfahrten und -auffahrten stehen

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das hat jetzt damit aber nichts zu tun!)

Herr Kaufmann, ich weiß, Sie sind das politische Allroundtalent –, wenn man weiß, dass an Parkplätzen Lkw bis vorne heraus auf der Autobahn abgestellt werden, weil nicht ausreichend Parkplätze da sind, dann muss ich ehrlich sagen: Das ist auch lebensgefährlich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung bei der Bundesregierung vorstellig werden und sagen würde: Die Prognose, die Sie für die Verkehrsentwicklung in Hessen getroffen haben, kann nie und nimmer stimmen. Der Zu

bau an Lkw-Stellplätzen ist viel zu gering. Dort muss viel schneller viel mehr passieren.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Tobias Eckert (SPD))

Wir haben eine sehr eigene Baustelle, und zwar das Baustellenmanagement von Hessen Mobil. Meine Damen und Herren, wir haben für Lkw Assistenzsysteme, die dazu geeignet sind, Lkw in der Spur zu halten. Dafür ist aber Grundvoraussetzung, dass die Beflaggung intakt ist, sprich: die gelben Aufklebestreifen, die Sie vielleicht kennen. Vielfach ist es aber bei hessischen Baustellen so, dass diese Markierungen in einem solch desolaten Zustand sind, dass Lkw-Fahrer ihre Assistenzsysteme abschalten. Ich muss Ihnen nicht erzählen, dass es ebenfalls lebensgefährlich ist, wenn Sie in einer dichten Baustelle mit einem Lkw kollidieren. Hier trägt die Landesregierung ureigene Verantwortung. Da haben wir auch eine Baustelle, die bearbeitet werden muss.

(Beifall bei der FDP)

Bei allem Richtigen, was Staatsminister Al-Wazir in der Sache Abbiegesysteme vorhat, sage ich: Wir haben auch eigene Baustellen, die es zu bearbeiten gilt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Lenders. – Das Wort hat Frau Abg. Janine Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mehr als 300 Radfahrerinnen und Radfahrer sterben in Deutschland jedes Jahr bei Verkehrsunfällen, Tendenz steigend. Das ist alarmierend, und hier muss dringend gehandelt werden.

Von den 383 getöteten Radfahrern im letzten Jahr starben nach ADFC-Recherchen 38, also jeder zehnte, bei Unfällen mit abbiegenden Lkw. Die traurige Liste der Fälle in Hessen ist lang. Erst letzte Woche wurde eine 34-jährige Frau in Frankfurt von einem abbiegenden Lkw lebensgefährlich verletzt. Oft sind rechts abbiegende Lkw die Verursacher, die neben ihnen geradeaus mit dem Rad Fahrenden die Vorfahrt nehmen.

Schätzungen von Unfallforschern gehen sogar davon aus, dass jeder Dritte getötete Radfahrer Opfer eines Abbiegeunfalls wird. Dass diese Menschen Vorfahrt hatten, nutzt ihnen dann leider nichts mehr. Assistenzsysteme, die in einem solchen Falle laut warnen oder bremsen, können für wenig Geld Leben retten. Jeder Tote ist einer zu viel, und daher: her mit dem Abbiegeassistenten. Es ist gut, dass sich Hessen der Bundesratsinitiative aus Berlin anschließen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das kann aber nur ein Schritt sein, um die Sicherheit für Radfahrer zu verbessern. Kein Radfahrer kommt aus dem Nichts. Wer aufmerksam den Verkehr beobachtet und mit der nötigen Aufmerksamkeit fährt, weiß, wenn neben ihm ein Radfahrer steht. In der Regel hat er ihn kurz vorher überholt. Das korrekte Einstellen von Spiegeln und deren Nutzung, rechtzeitiges und deutliches Blinken vor dem

Abbiegen, defensives Fahren und der Schulterblick können Leben retten. Das sollte man eigentlich von jedem Führerscheinbesitzer erwarten können.

(Beifall bei der LINKEN – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das Kernproblem bleibt aber die Infrastruktur in den Städten. Städte sind nach wie vor an den meisten Stellen vom Auto her gedacht. Die Rad- und Fußwege werden meist irgendwie am Rand an die Fahrbahn rangepfropft. Gern werden sie – ich glaube, das ist ein bekanntes Problem – als Parkplätze genutzt von Menschen, die „nur mal schnell“ irgendwohin wollen, weil viele glauben, mit Warnblinker dürfe man alles und sich überall mal kurz hinstellen. Wiesbaden belegt routinemäßig den letzten Platz im ADFCFahrradklima-Test.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, traurig!)

Wer in Wiesbaden Rad fährt, weiß warum. Aber auch andere hessische Städte schneiden bis auf wenige Ausnahmen schlecht ab. Zwar wird mancherorts die Situation verbessert, aber leider noch immer auf schlechtem Niveau. An manchen Ampelkreuzungen entstehen vorgezogene Aufstellflächen für Radfahrer, damit diese nicht übersehen werden können; neue Fahrradfahrstreifen auf der Straße werden geschaffen, allerdings oft lückenhaft bei sowieso anstehenden Sanierungen und dadurch oft im Nichts endend. Auch das ist ein Problem, wenn es Radstreifen gibt, dass sie eine Weile da sind und auf einmal im fließenden Verkehr im Nichts enden. Auch das ist natürlich eine Gefahr für die Sicherheit.

Oft werden die gestrichelten Schutzstreifen angelegt, weil der Platz angeblich nicht für einen echten Radweg oder Radstreifen genügt. Diese Streifen sind besser als nichts, aber in der Praxis werden sie einfach von vielen Autofahrern ignoriert und schaffen neue Unsicherheiten. Wir sagen ganz klar: Weiße Farbe auf der Fahrbahn ist keine Fahrradinfrastruktur.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen brauchen wir eine Anstrengung zum Ausbau der Radwege. Im Ruhrgebiet wird gerade ein über 100 km langes Radschnellwegenetz gebaut. Hier sind wir in Hessen hinterher. Wir brauchen dringend eine Anstrengung zum Ausbau der Fahrradwege. Wie eine vom Fahrrad her gedachte Infrastruktur aussehen kann, kann man sich in Kopenhagen oder in den Niederlanden ansehen, oder derzeit auch in einer Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt. Nötig sind vom Auto- und Fußverkehr getrennte Radwege – Radwege, die durchgängig sind, ohne zu viele Anhaltezwänge, die breit genug sind, um sicher fahren und überholen zu können, damit man Menschen von jung bis alt aufs Fahrrad locken kann.

Ich finde, man sieht doch in Holland ganz gut, wie es aussieht, wenn das Fahrrad ein Verkehrsmittel für alle ist, weil sich die Verkehrsteilnehmer ernst genommen, weil sie sich sicher fühlen und die Infrastruktur stimmt. Aus all diesen Gründen haben auch die angestrebten Bürgerentscheide beispielsweise in der Stadt Frankfurt und in Darmstadt unsere Sympathie und Unterstützung. Die Menschen fordern zu Recht ein, was ihnen bisher vorenthalten wird: eine fahrradfreundliche und damit menschenfreundlichere Stadt. In diesem Sinne: alle Macht den Rädern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat Abg. Ulrich Caspar, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass sie diese Aktuelle Stunde aufgerufen hat, und der Landesregierung, dass sie dieses Thema im Bundesrat aufgegriffen hat;

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

denn diejenigen, die sich entscheiden, mit dem Fahrrad durch unsere Städte zu fahren, haben einen Anspruch darauf, dass wir alles tun, dass sie das sicher machen können. Wir stellen fest, dass mit die schwersten Unfälle eben dadurch passieren, dass im sogenannten toten Winkel, rechts von den Lkw, ein Fahrradfahrer steht; und wenn der Lkw dann abbiegt und diesen nicht registriert, kommt es oft zu diesen schweren Unfällen. Das ist sehr bedauerlich. Wenn wir technische Systeme haben – diese gibt es ja –, dann ist es sinnvoll, dass wir verpflichtend regeln, dass diese Systeme in die Lkw eingebaut werden, damit das vermieden werden kann.

Ich mache aber auch darauf aufmerksam, dass wir einiges tun müssen, damit sich die Fahrradfahrer in anderen Situationen selbst schützen. Denken Sie an das Thema des Schutzhelms, der in vielen Fällen Leben schützt und schwere Unfälle vermeidet. Oder denken Sie daran, dass Fahrradfahrer oft in die falsche Richtung fahren und ihnen gar nicht bewusst ist, welche Gefährdung sie damit eingehen, wenn sie auf der falschen Straßenseite fahren. Denn wenn ein Lkw- oder Pkw-Fahrer aus einer Seitenstraße in eine Hauptverkehrsstraße nach rechts einbiegen will, dann schaut er nach links, weil er eben dort den Verkehr erwartet; wenn dann aber verkehrswidrig von rechts ein Fahrradfahrer kommt, wird er eben oft erst spät oder gar nicht bemerkt. Auch dadurch kommt es zu Unfällen. Daher müssen wir noch mehr an Aufklärungsarbeit leisten und uns engagieren.

Ich nenne noch einen weiteren Punkt – dieser wurde vorhin schon angesprochen; Herr Lenders hat darauf hingewiesen –, dass nämlich Lkw-Fahrer in langen Baustellen die Assistenzsysteme oft abschalten. Das hat aber oft nicht nur mit der Qualität der Markierungen zu tun, sondern auch damit, dass die Spuren so eng sind, dass aufgrund dieser Enge sozusagen automatisch Warnsysteme ausgelöst werden, weil die benachbarte Fahrspur relativ dicht dran ist oder die Absperrbaken auf der anderen Seite sehr dicht dran sind. Daher werden diese Systeme bei langen Baustellen abgeschaltet. Sie schalten sich anschließend eben nicht mehr automatisch wieder an, sodass oft vergessen wird, diese Systeme wieder anzuschalten, sodass es dann zu den schweren, zumeist tödlichen Auffahrunfällen kommt.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Daher haben am 24. April zwei Bundesländer, unter anderem Niedersachsen, die Initiative in den Bundesrat eingebracht, dass sich diese Assistenzsysteme, wenn sie abgeschaltet werden, nach einer gewissen Zeit automatisch wie

der anschalten. Auch das ist, glaube ich, eine Initiative. Ich möchte anregen, dass die Landesregierung ihre Position zu dieser Bundesratsinitiative überprüft und dies gegebenenfalls mit unterstützt. Das scheint mir jedenfalls auch eine sinnvolle Forderung zu sein, um die Sicherheit im Verkehr zu erhöhen.

Für uns als CDU-Fraktion steht im Bereich der Mobilität das Thema Sicherheit an erster Stelle. Deswegen unterstützen wir all die Maßnahmen, die dazu führen, dass der Verkehr in Hessen sicher fließt, dass es möglichst keine Unfalltoten und möglichst keine Verletzungen mehr geben soll. Wir unterstützen alles auf dem Weg dorthin; und bisher wird dieser Weg von dieser Landesregierung sehr erfolgreich gegangen. – Vielen Dank.