Protocol of the Session on April 26, 2018

Für uns als CDU-Fraktion steht im Bereich der Mobilität das Thema Sicherheit an erster Stelle. Deswegen unterstützen wir all die Maßnahmen, die dazu führen, dass der Verkehr in Hessen sicher fließt, dass es möglichst keine Unfalltoten und möglichst keine Verletzungen mehr geben soll. Wir unterstützen alles auf dem Weg dorthin; und bisher wird dieser Weg von dieser Landesregierung sehr erfolgreich gegangen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Staatsminister Al-Wazir. Tarek, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Jahr 2017 in Hessen insgesamt 48 Verkehrsunfälle gehabt, bei denen ein abbiegender Lastwagen und ein Radfahrer oder eine Radfahrerin miteinander kollidierten – zwölf beim Linksabbiegen, 36 beim Rechtsabbiegen. Diese Unfälle haben oft einen sehr schweren, einen tödlichen Ausgang. Gegenüber vom Innenministerium befindet sich beispielsweise ein weiß angestrichenes Fahrrad als Mahnmal; wenn Sie das sehen, dann wissen Sie, an welchen Stellen genau solche Unfälle passiert sind. Auch in Darmstadt stehen leider zwei solcher weiß angestrichener Räder.

Wir hatten in Hessen im letzten Jahr die geringste Zahl an Verkehrstoten seit Beginn der Statistik überhaupt. Es waren 213. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Auf der anderen Seite sind es aber immer noch 213 Tote zu viel. Wir müssen daran arbeiten, dass es im Verkehr insgesamt sicherer wird.

(Allgemeiner Beifall)

Wir reden heute über das Fahrrad und vor allem über die Lastwagen und über die Kollisionen zwischen beiden. Ich will trotzdem darauf hinweisen, dass von den 213 Toten des letzten Jahres ein Viertel Motorradfahrer waren. Es waren Motorradfahrer, Mopedfahrer, also alle, die mit motorisierten Zweirädern fuhren. Am Ende hat das natürlich auch etwas damit zu tun, dass die Autos immer sicherer werden. Man ist sozusagen von Airbags umgeben. Ich sage das in Anführungszeichen.

Es gibt die Zweiradfahrer. Dazu gehören die Motorradfahrer. Dazu gehören aber auch die Radfahrerinnen und Radfahrer. Sie haben keine Knautschzone und keine Airbags um sich herum. Deswegen müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Situation verbessern.

Wir sind einer Bundesratsinitiative beigetreten, die von meiner Kollegin Regine Günther aus Berlin am 9. April 2018 auf den Weg gebracht wurde. Ich darf das einmal so sagen: Leider wird in der Öffentlichkeit oft erst wahrge

nommen, dass die Politik in bestimmten Bereichen aktiv wird, wenn beispielsweise eine Woche später in Frankfurt etwas passiert.

Ich glaube, dass diese Debatte aus mehreren Gründen gut ist. Wir reden über die Frage, wie wir Assistenzsysteme und technische Hilfsmittel in die Fahrzeuge bekommen, damit weniger geschieht. Die Debatte, die wir hier führen, hilft vielleicht auch ein bisschen, Öffentlichkeit zu schaffen, damit am Ende bei allen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern ein Bewusstsein für die Situation des jeweils anderen vorhanden ist. Die Autofahrer und vor allem die Lkw-Fahrer müssen wissen, dass die Radfahrer keine Knautschzone haben. Im Zweifel müssen sie gerade beim Abbiegen ganz besonders vorsichtig sein.

Auf der anderen Seite ist auch klar, dass wir immer dafür werben, dass auch die anderen Verkehrsteilnehmer um die besondere Situation der Lkw-Fahrer wissen. In einem Lkw hat man keine Rundumsicht. Die Spiegel, die inzwischen zusätzlich angebracht wurden, helfen zwar, aber den toten Winkel bekommen Sie dadurch nicht komplett weg. Deswegen reden wir über die Assistenzsysteme.

Natürlich müssen die Kommunen auch über bauliche Maßnahmen nachdenken. An Kreuzungen sollte es bauliche Trennungen geben. Aufstellzonen für Radfahrer im Blickfeld des Lkw-Fahrers vor der Haltelinie sind ein Beispiel dafür, wie man mit baulichen Maßnahmen bestimmte gefährliche Orte entschärfen kann. Wir reden auch über die Unterstützung der Lkw-Fahrer durch technische Assistenzsysteme.

Natürlich ist klar, dass ein Abbiegeassistent bei eingeschränkter Sicht oder schwierigen Verkehrssituationen eine große Hilfe sein kann. Er kann den Lkw-Fahrer unterstützen und aktiv vor möglichen Personen im sogenannten toten Winkel warnen. Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer kommt zu dem Ergebnis, dass mit einem solchen System mehr als 40 % aller Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern vermieden werden könnten.

Deswegen müssen wir aktiv werden. Wir müssen aktiv werden und uns an die Hersteller wenden. Wir brauchen diese Systeme. Wir müssen uns auch an den Bund und die Europäische Union wenden. Denn wenn diese Systeme nicht vorgeschrieben werden, wird es viel zu lange dauern, bis diese Technik kommt.

Wir müssen vor allem auch über die Frage reden, was wir mit den Fahrzeugen im Bestand machen. Wenn neue Fahrzeuge mit irgendetwas ausgerüstet werden, stellt sich immer die Frage der Nachrüstungen bei den Fahrzeugen im Bestand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Ich glaube deswegen, dass da alle aktiv werden müssen. Es sollte eine gesetzliche Verpflichtung zum Einbau solcher Systeme geben.

Ich glaube, auch die Versicherer könnten etwas dazu beitragen, indem sie in solcher Art nachgerüstete Fahrzeuge mit einem Rabatt belohnen würden. Auch darüber werden wir reden müssen.

Natürlich ist klar, dass eine rein nationale Regelung weder möglich noch sinnvoll ist. Denn viele Lkw, die in Deutschland unterwegs sind, sind in Nachbarländern zugelassen. Das heißt, wir brauchen eine europaweite Regelung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vorletzter Punkt. Das wurde ebenfalls angesprochen. Unfälle zwischen Lkw und Radfahrern auf der Autobahn sind schlechterdings unmöglich. Aber ich weiß natürlich, dass wir auch auf der Autobahn große Probleme haben. Von den 213 Verkehrstoten des letzten Jahres sind 35 auf hessischen Autobahnen ums Leben gekommen. 19 dieser Toten sind bei Unfällen ums Leben gekommen, bei denen es eine Beteiligung eines Lkw gab.

Auch deswegen diskutierten wir in der letzten Woche auf der Verkehrsministerkonferenz über die Frage des Einsatzes der Abstandswarnsysteme. Das ist der Hintergrund der Initiative der Länder Brandenburg und Niedersachsen. Diese beiden Themen werden übrigens morgen gemeinsam im Bundesrat aufgerufen werden. Wir müssen etwas tun, damit die Systeme, die in den Fahrzeugen vorhanden sind, nicht ausgeschaltet werden können bzw. sich selbsttätig wieder anschalten, wie es Herr Kollege Caspar erwähnt hat.

Letzter Punkt. Das Stichwort lautet Lkw-Stellplätze. Wir haben in dieser Legislaturperiode bisher ungefähr 500 Lkw-Stellplätze zusätzlich an hessischen Autobahnen gebaut. Ich habe übrigens die Antwort auf die Kleine Anfrage des, so glaube ich, Herrn Kollegen Eckert vor einer Woche unterschrieben. Ist sie schon da? Sie ist auf dem Weg.

Wir haben aber das Problem, dass die Zunahme des Güterverkehrs schneller geschieht, als wir sozusagen hinterherbauen können. Deswegen wird man über die Frage nachdenken müssen, wie wir fairer miteinander im Verkehr umgehen, und zwar alle miteinander. Wir müssen immer die Situation des anderen mitbedenken. Wir alle müssen das. Denn am Ende ist im Straßenverkehr das größte Problem, wenn die Leute denken: Ich habe recht. – Dann kracht es.

Deswegen freue ich mich, dass wir uns heute Morgen ausnahmsweise einmal alle einig sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, herzlichen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Das war Tagesordnungspunkt 86.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 87:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Verleihung des Big Brother Awards an Schwarz-Grün erfolgt zu Recht – weniger Eingriffsbe- fugnisse für den hessischen Verfassungsschutz und mehr echte Kontrollrechte für den Hessischen Land- tag) – Drucks. 19/6318 –

Es beginnt Frau Kollegin Nancy Faeser. Sie spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Regierungsfraktionen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben letzte Woche Freitag den Negativpreis Big Brother Awards 2018 in der Kategorie Politik für ihr geplantes Verfassungsschutzgesetz und für die geplante Novellierung des

hessischen Polizeigesetzes in Bielefeld verliehen bekommen. Ich finde, sie haben ihn sich redlich verdient.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Eine Jury aus prominenten Bürgerrechtlern verleiht diesen Datenschutznegativpreis jährlich an Firmen, Organisationen und Politiker.

Lassen Sie mich einfach einmal aus der Begründung für die Verleihung dieses – so nennt man ihn auch – Oscars für Überwachung zitieren. Er wird immer an die größten Datensünder des vorhergehenden Jahres verliehen. Ich zitiere aus der Begründung:

Ihre Gesetzesinitiative enthält eine gefährliche Ansammlung gravierender Überwachungsermächtigungen, die tief in Grundrechte eingreifen und den demokratischen Rechtsstaat bedrohen. Die schlimmsten Regelungen im Überblick:

(Zuruf: Hört, hört!)

Erstens. Der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ soll auch vorbestrafte V-Leute rekrutieren und kriminell gewordene Verfassungsschutz-Mitarbeiter/-innen weiter einsetzen und abschöpfen können. …

Zweitens geht es um die elektronische Speicherung der Daten von Menschen unter 14 Jahren.

Viertens. Der Verfassungsschutz soll ermächtigt werden, personenbezogene Überwachungsdaten an öffentliche Stellen zu übermitteln – und zwar zur „Überprüfung der Verfassungstreue von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben“. Das erinnert fatal [an Gesinnungskontrolle und] an die menschenrechtswidrige Berufsverbotspraxis früherer Zeiten.

Fünftens. Spionageprogramme, also sogenannte Staatstrojaner, sollen künftig über gefundene oder aufgekaufte Sicherheitslücken in Computern oder Smartphones Verdächtiger eingeschleust werden, um sie präventiv per Onlinedurchsuchung oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung … umfassend ausforschen zu können.

Meine Damen und Herren, so weit die Begründung der Jury, die wir mehr als nachvollziehbar finden und die auch der Anhörung vom 8. Februar zu Ihrem Gesetzentwurf entspricht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich glaube, wir haben hier eine einmalige Situation, weil wir immer noch einen Gesetzentwurf in der Beratung haben, der einen steinigen Weg hinter sich hat. Sie würden wahrscheinlich sagen: Der Weg dieses Gesetzentwurfs ist historisch.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, einmalig!)

Einmalig. – 2015 wurde der Öffentlichkeit bereits ein Gesetzentwurf zur Novellierung des Verfassungsschutzes vom Innenminister und den beiden Fraktionen CDU und GRÜNE vorgestellt, der nie in den Landtag gekommen ist. Dieser Gesetzentwurf wurde von der Expertenkommission beraten und als nicht tauglich empfunden. Er wurde daraufhin zurückgezogen. – Herr Innenminister, das kann man nachlesen.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Jetzt gibt es einen neuen Gesetzentwurf vom 14. November 2017, der zunächst die gesamte Zivilgesellschaft, die im Bereich der Extremismusberatung unterwegs ist, wegen der Extremismusklausel in § 21 extrem verärgert hat. Das hat dann dazu geführt, dass der Gesetzentwurf in der Anhörung am 8. Februar dieses Jahres total zerrissen wurde, weil Sie einen massiven Eingriff in Grundrechte planen,

(Günter Rudolph (SPD): Wie in Bayern!)

der jetzt durch den Big Brother Award ausgezeichnet wurde.