Protocol of the Session on April 24, 2018

Das haben Sie, Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, mit dem, was Sie uns hier vorgelegt haben, leider verpasst. Daran ändert auch die Vorlage Ihres Änderungsantrags nichts, der die umfassende Kritik aus der Anhörung nur zu einem geringen Teil aufgreift.

Ich möchte deshalb auch die Kritik an dem Informationsfreiheitsgesetz an den Beginn meiner Rede stellen, weil wir uns hier schon oft über Sinn und Zweck einer solchen Regelung ausgetauscht haben und Ihnen leider trotzdem nicht umzusetzen gelungen ist, was mittlerweile der Bund sowie alle Bundesländer bis auf Bayern und Sachsen ihren Bürgerinnen und Bürgern zugestehen.

Transparenz und Zugang zu Informationen sind notwendige Voraussetzungen für Partizipation, für Teilhabe und Mitbestimmung in einer modernen, lebendigen Demokratie. Das haben wir hier bei den vielen Diskussionen rund um ein Transparenzgesetz, unter anderem auch in unserer Vorlage, formuliert. Ohne Transparenz und ohne Mitbestimmung fehlt staatlichem Handeln die Legitimationsgrundlage. Informationsfreiheit und Zugangsfreiheit sind elementare Bürgerrechte. Staat und Politik müssen sich öffnen und Vorhaben und Entscheidungsgrundlagen nachvollziehbar machen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb war die Kritik in der Anhörung gerade an dieser Stelle auch so groß. Da teile ich Ihre Einschätzung eben nicht, Herr Heinz: Es war an dieser Stelle, was den Transparenzteil betrifft, eine vielfältige Kritik vorhanden. Insbesondere Transparency International, die Stiftung Datenschutz, Mehr Demokratie e. V., die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit, die Datenschützer RheinMain: Alle haben formuliert, dass eine Chance vertan wurde, statt eines Informationsfreiheitsgesetzes ein Transparenzgesetz zu schaffen. Damit wären die betroffenen Behörden gefordert, initiativ Informationen zur Verfügung zu stellen, ohne dass sich die Bürgerinnen und Bürger erst auf einen aufwendigen Auftragsweg begeben müssten.

Die Einschätzung, dass sich Hessen mit diesem Gesetz aus dem kleinen Kreis der Bundesländer ohne gesetzlich geregelten Informationszugang löst und wenigstens zu den anderen zwölf mit Regelungen aufschließt, ist nur ein schwacher Trost; denn jetzt – das haben alle festgestellt – haben wir das schlechteste Gesetz der Länder, die eines haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Und das, obwohl auch der Datenschutzbeauftragte, Herr Prof. Ronellenfitsch, noch einmal herausgestellt hat, dass Hessen als Vorreiter beim Datenschutz gegolten hat. Leider erfüllt dieses Gesetz an dieser Stelle die Vorreiterrolle auf keinen Fall.

(Beifall bei der SPD)

Was unsere Auffassung bestätigt hat, ist, dass fast alle diese Bereichsausnahmen, die jetzt auch von Herrn Dr. Hahn angesprochen wurden, derartig umfassend und vor allem pauschal gestaltet wurden. Diese pauschale Regelung, dass unter anderem die Kommunen erst einmal ausgenommen sind und erst mit einer eigenen Satzung erklären müssen, dass dieses Gesetz auch für sie selbst gilt, hat kein anderes Bundesland – und ich glaube auch, zu Recht.

Zu was führt das in der Praxis? – Die meisten Kommunen werden solch eine Satzung gar nicht verabschieden, zumindest, wenn vor Ort CDU-Mehrheiten das Sagen haben. Wenn sich ein Kreis, eine Stadt oder eine Gemeinde entschließt, eine eigenen Regelung zu treffen, besteht doch die Gefahr, dass wir uns zu einer zersplitterten Landschaft mit unterschiedlichen Satzungen entwickeln, die den Begriff „Transparenz“ geradezu ad absurdum führen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Eiermann hat uns in der Anhörung von den Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz berichtet. Dabei zeigt sich: Es ist nicht so, wie behauptet wird, ein immenser Aufwand bei den Verwaltungen mit unzähligen Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern sowie ausufernden Kosten und, wie ich eben gehört habe, Schnüffeln beim Nachbarn. Das ist doch nicht die Intention eines Transparenzgesetzes, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Teilweise haben wir Erfahrungen aus den anderen Ländern. Wir haben beispielsweise in Brandenburg schon seit 20 Jahren ein solches Gesetz, beim Bund immerhin schon seit zehn Jahren: Nirgends, aber auch nirgendwo wird davon berichtet, dass irgendwelche Verwaltungen lahmgelegt worden seien. Vielmehr geht es doch um das berechtigte Interesse an Entscheidungsgründen, dass die Beschlüsse der Gremien verständlich gemacht werden, dass Informationen zugänglich gemacht werden, die dabei helfen, das Wie und das Warum zu verstehen. Genau das wurde uns von unseren Pfälzer Nachbarn berichtet. Die Informationsmöglichkeiten dort sind umfassend, und die moderierende Funktion des Landesbeauftragten kann vielfach eher zum Rechtsfrieden beitragen und eben nicht zu Streit zwischen Kommune und Bürger.

Deutschlandweit einmalig – Herr Dr. Hahn hat es angesprochen, es war auch ein Hauptkritikpunkt in der Anhörung – und absolut nicht nachvollziehbar ist, warum Polizei und Landesverfassungsschutz pauschal von den Regelungen des IFG ausgenommen sind. Das kann so wirklich nicht stehen bleiben und wird auch bei uns zur Ablehnung dieses Gesetzes führen. Das ist absolut nicht zeitgemäß.

(Beifall bei der SPD)

Es wurde unter anderem vom Innenminister darauf hingewiesen, dass es spezialgesetzliche Regelungen gibt, und auf die wurde auch verwiesen – aber das stimmt ganz einfach nicht. Das stimmt nur dort, wo direkt betroffene Personen auskunftsberechtigt sind. Es geht doch gerade nicht darum, dass es die direkt betroffene Person betrifft, sondern dass man Verfahren überprüft, dass man Regelungen der allgemeinen Sache überprüft, eben auch dann, wenn Dritte davon betroffen sind – genau das muss man mit einem solchen Gesetz regeln, und genau das ist hier nicht geregelt.

(Beifall bei der SPD)

Vielfach – das haben wir in der Anhörung auch gehört, und da müssen die GRÜNEN heute durch – wurde erhebliche Kritik an der Umsetzung wie auch an handwerklichen und technischen Fragen geäußert. Es scheitert offensichtlich daran, dass die Ansätze von CDU und GRÜNEN diametral auseinanderliegen. Das aber werden Sie der Öffentlichkeit erklären müssen, und das werden Sie nachher sicher auch noch tun.

Die Kritik, die vielen Ausnahmebereiche seien meist nicht begründet, und die Änderungen, die Sie uns vorgelegt haben, und der Versuch, das eine oder andere noch zu heilen, ändern nichts an der grundlegenden Ablehnung durch unsere Fraktion. Es zeigt vielmehr, dass es eben nicht funktioniert, wenn man die Gesetze, bei denen man sich nicht einig ist, bis zum Schluss aufhebt. Was dabei herauskommt, kann man hier recht gut sehen: vor lauter Kompromissen nur noch ein „Allen wohl und niemand weh“.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu den Teilen kommen, die sich mit der Umsetzung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung beschäftigen. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich die Vereinheitlichung der Datenschutzregeln aller 28 Mitgliedstaaten. Zunehmend – das erkennt man in der aktuellen Diskussion, unter anderem auch zu Facebook in den letzten Wochen – erkennen auch Unternehmen, wie wichtig es ist, einen entsprechenden Datenschutz zu bieten und Transparenz hinsichtlich der Verwendung der Daten ihrer Kunden zu schaffen.

Facebook wäre sicher nicht bereit gewesen, die Regelungen so transparent zu machen, wie sie es momentan versuchen, wenn nicht die Europäische DatenschutzGrundverordnung und die Regelungen in Europa dazu geführt hätten, dass der Druck auch auf solche Unternehmen steigt.

Ich habe 28 Gesetze gezählt, die in dem Gesetzentwurf Berücksichtigung finden und geändert bzw. angepasst werden. Dies alles handwerklich gut auf den Weg zu bringen, war eine absolute Fleißarbeit. Ich möchte mich bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung bedanken, die den Regierungsfraktionen von CDU und GRÜNEN diesen Gesetzentwurf erstellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Besonders auch das Team rund um den Hessischen Datenschutzbeauftragten Herrn Prof. Ronellenfitsch hat uns in den Sitzungen des Unterausschusses Datenschutz, aber auch im Innenausschuss immer mit Fachkompetenz zur Seite gestanden. Das hat es uns in der Bewertung einfacher gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Wie schwer es war, alles zu berücksichtigen und vor allem die schwierige europäische Richtliniengebung unter Beachtung von Bundesrecht umzusetzen, hat sich in der Anhörung gezeigt. Wir alle waren wohl überrascht, wie viele – vor allem auch grundsätzliche – Änderungen von den Anzuhörenden vorgetragen wurden. Jeder, der sich schriftlich oder mündlich geäußert hat, hatte eine Vielzahl von Vorschlägen, unter anderem auch der Hessische Datenschutzbeauftragte, aber auch andere, die fachlich sehr dezidiert ihre Meinung zu Gehör gebracht haben. Leider hat fast nichts davon Eingang in Ihre Änderungsvorschläge gefunden.

Schade; denn vieles von dem, was in der Anhörung kritisiert wurde, wurde Ihnen sicher auch schon im Vorfeld bei der Erstellung des Fraktionsgesetzentwurfs zugetragen, und entsprechend haben Sie die Informationen eingeholt. Es ist schon erstaunlich, dass empfohlen wurde – vorhin wurde es vorgetragen –, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen, und jetzt haben Sie einen Änderungsantrag vorgelegt, der 16 Seiten hat. Es gehört ganz schön viel Chuzpe dazu, das so vorzutragen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Herr Kollege, Sie müssen, bitte, dringend zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende. – Es wurde zwar schon gesagt, dass wir uns am Donnerstag noch einmal darüber unterhalten. Aber ich glaube, bis jetzt hat keiner förmlich die dritte Lesung beantragt. Das tue ich hiermit. Ich denke, wir müssen zumindest im Ausschuss über die Änderungen beraten und am Donnerstag eine dritte Lesung machen.

Wir haben mit den vorgelegten Änderungen zwar ein bisschen das Fahrrad verbessert. Immerhin kommt man damit auch voran. Aber es macht noch lange keinen Opel Insignia daraus. Über die Änderungen

Herr Kollege, bitte, allerletzter Satz.

werden wir uns im Laufe dieser Woche noch unterhalten. – Ich danke, dass Sie mir zugehört haben.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Holschuh. – Als Nächster spricht Herr Abg. Dr. Wilken für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich am Anfang zu sagen: Dieses Gesetz ist und wird nicht zustimmungsfähig für DIE LINKE, egal wie weit Sie daran herumdoktern.

Ich will uns alle daran erinnern, dass die Regierungsfraktionen es nicht geschafft haben, ihre Verbesserungsvorschläge, also Änderungsanträge, rechtzeitig für den Ausschuss bereitzustellen, weswegen es notwendig ist, dass wir heute in einer Nachtsitzung noch einmal darüber beraten. Auch das ist schlechtes Handeln seitens der Regierungsfraktionen, sich eben nicht an die Zeitläufe dieses Parlaments zu halten.

Apropos Zeitläufe – das kommt jetzt vollkommen überraschend, dass bis Mai, also bis zum nächsten Monat, die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung passieren

muss. Sie hatten zwei Jahre Zeit, das zu machen. Aber jetzt sollen wir es auf den letzten Drücker hier durchboxen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr Heinz, Sie müssen sich entscheiden, ob es so ist, wie Sie es eben dargestellt haben, dass das Gesetz in der Anhörung prinzipiell als gut beurteilt worden ist und ein paar kleine formale Sachen mit Ihren Änderungsanträgen verbessert werden, oder ob Sie Ihrer eigenen Begründung des Änderungsantrags glauben. Daraus lese ich jetzt kurz vor:

In der Anhörung des Innenausschusses und Unterausschusses Datenschutz wurden von Sachverständigen teilweise deutliche Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit einzelner Vorschriften mit den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung … vorgetragen. Soweit diese rechtlichen Bedenken durch eine kritische Überprüfung nicht ausgeräumt werden konnten, werden mit dem Änderungsantrag Anpassungen der betreffenden Regelungen an die EU-Datenschutzvorschriften vorgenommen und – wo dies nicht möglich ist – auch Bestimmungen aus dem Gesetzentwurf gestrichen.

Das sind keine kleinen formalen Änderungen, sondern in der Anhörung ist deutlich geworden: Sie haben uns Quatsch vorgelegt, Sie haben nicht gut gearbeitet.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch mit Ihrem Änderungsantrag ist es nicht möglich, die Fehler, die Sie ins Gesetz hineingebaut haben, zu beheben. Allein deswegen bleibt es nicht zustimmungsfähig.

Dass die FDP mit ihrem Änderungsantrag – das war auch schon Thema im Ausschuss – den formalen Fehler korrigiert hat, ist schon ganz gut. Aber auch diesem Antrag werden wir so nicht zustimmen können, weil er an den falschen Stellen repariert.

Jetzt noch zwei Gedanken zu diesem Nicht-Informationsfreiheitsgesetz, das BÜNDNIS 90/Die Schwarzen uns hier vorlegen. Ich zitiere Herrn Prof. Ronellenfitsch aus der letzten Sitzung, wo er gesagt hat: Na ja, es ist bestenfalls die Grundlage, auf der man ein Informationsfreiheitsgesetz schaffen kann. – Ich stimme dieser Aussage von Herrn Prof. Ronellenfitsch zu. Das, was wir bzw. Sie hier jetzt beschließen werden, ist kein Informationsfreiheitsgesetz. Es ist vor allem kein Transparenzgesetz. Es ist offensichtlich das, was BÜNDNIS 90/Die Schwarzen hier vorlegen können. Aber uns reicht das hinten und vorne nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will als letzte Bemerkung zu diesem Gesetz heute ganz klar sagen: Herr Heinz, Sie haben es weit von sich gewiesen; Sie wollten keinen gläsernen Staat haben, weil das gläserner Bürger heißt. Ich widerspreche Ihnen ausdrücklich. Wir wollen ein gläsernes Rathaus, wir wollen gläserne Ministerien, und wir wollen eine gläserne Staatskanzlei, weil diese Daten, mit denen dort gearbeitet wird, nicht dem Staat gehören, sondern Bürgerinnen und Bürgern, die zu Recht ein Auskunftsrecht gegenüber der Verwaltung – nichts anderes ist es – einfordern können wollen, damit wir alle im Zweifelsfall verstehen und kontrollieren können, wie dieser Staat handelt. Da geht es nicht um Schnüffelei, sondern da geht es um Transparenz. – Vielen Dank.