Wir haben 20 noch nicht vollstreckte Haftbefehle im Bereich PMK Ausländerkriminalität und im Bereich Sonstiges acht. Wenn man darüber diskutiert, sollte man die Fakten zur Kenntnis nehmen.
Zweiter Punkt, den ich nennen möchte. Herr Kollege Schaus, ich möchte Ihnen raten – das haben wir gestern Abend schon im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit gesagt –, einfach auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, wie bei uns der Rechtsstaat funktioniert. Sie betreiben gezielte Desinformation mit einer Überschrift, die lautet: Neue Panne beim hessischen Verfassungsschutz.
Bei uns in Deutschland liegt die Strafverfolgung nicht in der Zuständigkeit des Verfassungsschutzes. Gott sei Dank ist bei uns in Deutschland für Strafverfolgung und Strafermittlung nicht der Verfassungsschutz zuständig.
Das ist eine der großen Erfahrungen aus der Nazidiktatur, dass Verfassungsschutz und Polizei getrennt wurden. Das ist das Trennungsgebot des Grundgesetzes. Sie sollten diese Tatsachen zur Kenntnis nehmen, bevor Sie mit solchen Dingen den Versuch unternehmen, Effekthaschereien zu betreiben.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Gleichwohl wollen wir uns des Problems annehmen, überhaupt keine Frage. Wir fordern Polizei und Staatsanwaltschaften auf, noch mehr zu unternehmen, als sie überhaupt schon tun. Was aber auch nicht geht, das haben Sie im Innenausschuss getan, das finde ich nicht in Ordnung: dass Sie den Anschein erwecken, dass es in Hessen so weit sei, dass Polizeibeamte absichtlich Rechtsextremisten, die mit Haftbefehl gesucht würden, laufen ließen. Herr Kollege Schaus, dieser Vorwurf geht nicht.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Das habe ich nicht gesagt! Das ist eine Lüge!)
Ich gebe Ihnen hier keinen Ordnungsruf, ich will Sie nur freundschaftlich darauf hinweisen, dass das Wort „Lüge“ in diesem Parlament nicht angebracht ist.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich werde es nicht wiederholen! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Es waren im Innenausschuss genügend Kolleginnen und Kollegen anwesend, die werden das auch bestätigen.
Herr Kollege Schaus, es geht nicht, auf der einen Seite morgens bei der Gewerkschaft der Polizei eine Grußadresse abzugeben und andererseits mittags im Innenausschuss die Polizeibeamtinnen und -beamten zu beschimpfen. So funktioniert das nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, wir sollten uns diesen Themenkomplex zu Recht vornehmen. Wir sollten mit sehr viel Sensibilität darangehen. Wir sollten dort, wo Haftbefehle nicht vollzogen werden können, alles daransetzen, dass diese Haftbefehle vollzogen werden, insbesondere auch mit Blick auf Straftaten mit politisch motivierter Kriminalität. Das sollte unser Ziel sein, und das sollte uns einigen. Wir sollten diese Debatten nicht führen, um Effekthascherei in der Öffentlichkeit zu betreiben. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es noch einmal wiederholen: Natürlich sind in unserem Rechtsstaat Haftbefehle dafür da, wenn sie erlassen sind, dass sie auch vollstreckt werden. Ich glaube, das ist in diesem Hause unstreitig. Jeder sollte sich hüten, hier einen anderen Eindruck zu erwecken.
Ich verstehe, dass bei vielen Menschen die Frage im Fokus der Betrachtung steht: Was tut sich im Bereich des Extremismus, was tut sich am rechten Rand unserer Gesellschaft nach diesen schrecklichen NSU-Morden? Es wird erwartet, dass wir vernünftig hinschauen. Deswegen diskutieren wir heute auch noch einmal über die Frage eines Untersuchungsausschusses. Dazu will ich jetzt nichts sagen.
Ich frage mich, was eigentlich diese Aktuelle Stunde in diesem Zusammenhang soll. Was bezweckt DIE LINKE? Was will Herr Schaus? – Ich glaube, es ist deutlich geworden. Sie wollen ein Bild stellen. Sie wollen ein Bild stellen, das in Ihre Welt passt, mit dem Sie den Eindruck erwecken wollen, dass in diesem Land Rechtsextremismus geduldet würde, dass Sicherheitsbehörden möglicherweise gar bewusst wegschauten.
Was Sie hier erheben, ist der implizierte Vorwurf an die Polizei: Ihr macht wissentlich im Interesse der Rechtsextremisten eure Arbeit nicht richtig. – Die andere Alternative wäre: Ihr seid unfähig. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das können wir als Parlament nicht akzeptieren. Das können wir als FDP-Fraktion nicht akzeptieren.
Herr Schaus, das Schlimme an der Geschichte ist, dass es Ihnen nicht um die Sache geht. Hier geht es nur darum, Stimmung zu machen, Bilder zu stellen, diesen Staat in Misskredit zu bringen und diejenigen, die für den Staat im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf hinhalten, in ein schlechtes Licht zu stellen. Hiergegen müssen wir uns stellen, und das erst recht, wenn man sich anschaut, wie agiert wird, wie verfälscht wird, um ein solches Bild zu stellen. Herr Kollege Schaus, dann wird es schon dreist, um andere Worte zu vermeiden.
Wie sind denn die Fakten? – Es geht um 21 bis heute nicht vollstreckte Haftbefehle gegen 17 Personen zum Stichtag im November 2013, nicht etwa seit November 2013, wie die Linkspartei in ihren Pressemeldungen verlautbart hat. Es geht um den Stand November 2013. Es geht um den Zeitraum 2006 bis 2013. Das wurde erst verschwiegen und dann skandalisiert. Das ist ein Zeitraum von acht Jahren.
Das hat er heute gesagt, indem er sich beschwert hat, dass ein Haftbefehl aus 2006 noch offen ist, während er vorher mit Ihrem Briefkopf verkündet hat, das sei seit November 2013 gewesen.
Herr Kollege Schaus, das ist ein kleiner Unterschied. Jetzt sind Sie erwischt worden und regen sich deswegen so auf.
Um was für Straftaten geht es denn? – Auch das muss man sich einmal anschauen. Wir haben Täter, die in den rechtsextremistischen Bereich einzusortieren sind. Es geht aber bei keinem einzigen dieser Haftbefehle um einen rechtsextremistischen Hintergrund bzw. einen rechtsextremistischen Hintergrund unter dem Aspekt politisch motivierter Gewalt von rechts.
Es geht um drei Fälle, die überhaupt einen politischen Bezug haben. Das sind zwei Fälle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und ein Fall von Volksverhetzung. Alle anderen sind völlig anders zu sortieren. Nun sind zwei Fälle von Körperverletzung dabei, allerdings ohne jeden Bezug zu irgendwelchen extremistischen Situationen. Der ganze Rest sind Vermögensdelikte, Straßenverkehrsdelikte usw. – völlig unpolitisch.
Zusammenfassend kann man sagen, es geht nicht darum, irgendwelche Tatsachen zu beschönigen, rechtsradikale Verbrecher zu schützen oder was auch immer. Was wir aber nicht hinnehmen, ist, dass Sie das Bild zu stellen versuchen, als ließen unsere Ermittlungsbehörden rechte Gewalttäter trotz Haftbefehl frei herumlaufen.
Ich will nur einmal festhalten, dass Sie ja gut mit Ihrer Bundestagsfraktion vernetzt sind und das Thema aufgreifen, das schon im Bundestag mit der Drucksache 18/385 abgefragt wurde. Dort wurde von der Bundesregierung berichtet, dass kein einziges Gewaltverbrechen in Hessen aus diesem Bereich politisch motiviert gewesen sei, auch wenn sie von Personen aus der rechtsradikalen Szene begangen wurden. Diese Fälle offener Haftbefehle fallen nicht darunter.
Ich sage zum Schluss: Diese Fakten lassen nüchtern betrachtet nur den einen Rückschluss zu, dass Sie auf Kosten eines der furchtbarsten Ereignisse in der Nachkriegsgeschichte Politik zu Ihren Gunsten machen und Ihr politisches Süppchen kochen wollen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Erschrecken haben wir durch die Antwort der Landesregierung festgestellt, dass 17 rechtsextreme Straftäter gesucht werden, deren Haftbefehle nicht vollstreckt werden konnten, darunter gefährliche Gewalttäter. Die Gewaltdelikte reichen von Erpressung über gefährliche Körperverletzung bis hin zu schwerem Diebstahl. Wir wissen nicht, für was diese Menschen diese Straftaten begangen haben und wofür sie dieses Geld möglicherweise brauchen.
Ja, die Polizei fahndet mit Nachdruck nach diesen Menschen, und das erkennen wir ausdrücklich an. Aber uns geht es hier um die politische Verantwortung. Mich hat die Tatsache bestürzt, dass die Landesregierung vorgibt, es gebe keinerlei Erkenntnisse über den Unterstützerkreis und das Gefahrenpotenzial dieses rechtsextremen Personenkreises.
In Ihrer Antwort geben Sie vor, Sie wüssten nichts über die Vernetzungsstrukturen in der hessischen rechten Szene. Ich frage mich, wie Menschen ohne einen entsprechenden Unterstützerkreis und ohne entsprechende Vernetzungsstruktur über Jahre hinweg untertauchen und im Untergrund leben können.
Wenn man den Bericht der Landesregierung liest, scheint sich diese Regierung diese Frage nicht zu stellen; denn Sie sagen, dass Sie zu dem für ein Untertauchen notwendigen Unterstützerkreis keine belastbaren Aussagen hätten. Angesichts dieser Aussage frage ich mich, ob Sie entweder tatsächlich nichts wissen oder ob Sie nichts wissen wollen.
Sie sagen, die hessische Neonaziszene sei nur lose organisiert und agiere nur anlassbezogen im engen regionalen Umfeld. Meine Erfahrung sagt mir – und das haben wir bei der Anfrage gesehen, als es um die Vernetzungsstrukturen in den Gefängnissen ging –, dass Sie erst durch eine Anfrage auf dieses Netzwerk gestoßen werden mussten. Ich sage Ihnen: Auch in Hessen gibt es eine Neonaziszene, es gibt Personen in dieser Szene, die sehr wohl auch überregional vernetzt sind und agieren.