Protocol of the Session on May 21, 2014

Wenn ich dann sehe, dass der Energieexperte der SPD im Hessischen Landtag sitzt, frage ich mich, warum in Berlin nicht gehandelt wird. Wollen Sie hier prophylaktisch eine Diskussion führen, weil Sie erwarten, dass die SPD-Minister in Berlin Fehler machen?

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Liebe Kollegen, ich glaube, diesen Eindruck vermitteln Sie mit Ihrem heutigen Beitrag.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns diese Debatte mit der nötigen Gelassenheit betrachten. Es gibt bisher nichts als Spekulationen. Es gibt keine Gespräche, nur Gesprächsangebote. Es gibt schon gar keine Ergebnisse aus irgendwelchen Gesprächen.

Wenn die Betreiber den Eindruck haben, in einer anderen Rechtsform könnten sie die Thematik besser angehen, sollen sie es sagen. Dann muss man auch darüber reden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie reden also doch mit ihnen!)

Wenn die Betreiber meinen, dass sie ihre Rückstellung in einer anderen Form einbringen wollen – in dem Fall in einen Fonds –, muss man darüber reden. Man darf das nicht von vorneherein ablehnen, nach dem Motto: Das ist im Moment eine Vergesellschaftung von Verlusten. – So kann man mit dem schwierigen Thema nicht umgehen.

(Timon Gremmels (SPD): Das tut doch keiner! – Norbert Schmitt (SPD): Unser Antrag sagt das Gegenteil!)

Das machen Sie, Herr Gremmels.

(Timon Gremmels (SPD): Wer macht das denn? – Weitere Zurufe von der SPD)

Man kann darüber reden, wie die Verantwortlichkeit der Betreiber ausgestaltet und sichergestellt werden kann.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, an dem Prozess müssen wir uns alle – die ganze Gesellschaft – beteiligen, und zwar konstruktiv. Das ist zunächst – ich sage es noch einmal – eine Aufgabe der Bundespolitik. Dort sitzen SPD-Ministerinnen und SPD-Minister an den Schaltstellen. Das kann in zweiter Linie auch eine Positionierung unsererseits sein.

Ich glaube, diese Positionierung hat die Landesregierung mit den Ausführungen von Herrn Ministerpräsident Volker Bouffier heute Morgen ganz klar vorgenommen. Daran gibt es keine Zweifel.

Ich glaube auch, die Beiträge, die gerade von Frau Hammann von den GRÜNEN und von mir geleistet wurden, machen sehr deutlich: Es gibt keine Bereitschaft, jetzt Verluste zu übernehmen. Die Unternehmen müssen in ihrer Verantwortung bleiben. Aber wir müssen gemeinsam dazu beitragen, eine Lösung für den Rückbau und auch eine Lösung für die Endlagerfrage zu finden.

Machen wir also heute keinen Skandal. Dafür gibt es keinen Grund.

Vielleicht rufen Sie von der SPD das Thema hier wieder auf, wenn Sie der Meinung sind, dass Ihre Parteifreunde in Berlin nicht ordentlich gehandelt haben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ihre Parteifreunde auch bereits!)

Das wäre dann der Ansatzpunkt, um zu sagen: Hier muss die Landesregierung ersatzweise einsteigen, weil der SPDTeil der Bundesregierung in Berlin nicht in der Lage war, ordentlich zu verhandeln und ein ordentliches Ergebnis für die Bürger zu erreichen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja, und dann auch Ihre Parteifreunde beteiligen!)

Kolleginnen und Kollegen, Ministerpräsident Bouffier hat es ausgeführt: Es gibt durchaus zwei Absätze in diesem Antrag, denen wir zustimmen können.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Was hat er ausgeführt?)

Aber es gibt auch die anderen Absätze, die wir mit Sicherheit ablehnen werden. Wir werden die Diskussion dann – so habe ich das verstanden – im Ausschuss führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Atomkraft ist sicher, umweltfreundlich und billig – das bekam man jahrzehntelang von der Atomlobby und ihren politischen Freunden zu hören.

Dass Atomkraft sicher ist, hat spätestens der zweite SuperGAU in nur 25 Jahren widerlegt – ein Ereignis, das eigentlich nur alle zehn Millionen Jahre einmal passieren dürfte. Dass Atomkraft alles andere als umweltfreundlich ist, belegen das radioaktiv verseuchte Wasser vor der Küste von Fukushima und die Umweltzerstörung durch den Uranabbau.

Das Argument, Atomkraft sei billig, das die Atomkonzerne über Jahrzehnte hinweg wie eine Monstranz vor sich hergetragen haben, widerlegen sie gerade selbst. Wenn die Atomenergie nämlich so kostengünstig wäre, wie man im

mer behauptet hat, würden die Konzerne ihre Atomkraftwerke wohl kaum an den Staat übergeben wollen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

E.ON, RWE und EnBW wird die Abwicklung der Atomkraftwerke zu teuer. Der Betrieb lohnt sich nicht. Deswegen rufen sie jetzt nach dem Staat. Da fragt man sich wirklich, ob die Herren in den Vorstandsetagen noch ganz bei Trost sind. Über Jahrzehnte hinweg bereichert man sich schamlos auf Kosten der Stromkunden und der Steuerzahler, und jetzt will man sich aus der Verantwortung stehlen.

Der Aufbau der Atomenergie hat Milliarden gekostet. Wie viel das Ende kosten wird, ist heute noch nicht absehbar. Dieselben Politiker, die in anderen Debatten gern über Generationengerechtigkeit sprechen, haben offensichtlich keine Skrupel, den nächsten Generationen immense Kosten und hoch radioaktiven Müll zu hinterlassen, der über Hunderttausende von Jahren sicher verwahrt werden muss und für den es immer noch kein Endlager gibt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist noch lange nicht Schluss. Es werden bis 2022 weiter Atomkraftwerke betrieben, und es wird damit auch weiter Atommüll produziert.

Nun wollen die Konzerne ihre Atomkraftwerke loswerden. Sie wollen die Risiken auf die Allgemeinheit übertragen und eine Art Bad Bank für Atomkraftwerke schaffen. Dabei gilt im Umweltrecht das Verursacherprinzip.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Es liegt in der Verantwortung der Betreiber, die Atomkraftwerke sicher zurückzubauen. Das wird eine teure und aufwendige Angelegenheit. Die Kosten für den Rückbau der deutschen AKWs werden auf 40 bis 60 Milliarden € geschätzt. Die Erfahrungen zeigen: Bisherige Rückbauten waren immer teurer als vorher angenommen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Diese Kosten wurden oft zu einem großen Teil der Allgemeinheit aufgehalst, wie beispielsweise bei der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe. Die Kosten verdreifachten sich, und am Ende zahlte der Staat mehr als 80 % davon, weil die Rücklagen nicht ausgereicht haben.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Rückbau der DDR ist auch nicht billig! – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Auch die prognostizierten Kosten für die Räumung der Asse stiegen über die Jahre immer weiter. Leider hat die Große Koalition 2009 ins Atomgesetz geschrieben, dass für diese Kosten der Bund aufkommen soll. Bisher haben die Konzerne insgesamt 35 Milliarden € an Rückstellungen gebildet, und zwar durch Aufschläge auf den Strompreis, also bezahlt durch die Stromkunden. Auch das sollte man nicht vergessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Rückstellungen sind steuerfrei, und vor allem können sie völlig frei investiert werden. Das heißt also, dieses Geld ist überhaupt nicht sicher. Es heißt vor allem auch, dass die Konzerne gleich doppelt profitieren: Zum einen sparen sie Steuern, und zum anderen müssen sie auch we

niger Kredite aufnehmen, weil sie mit diesem Geld arbeiten können.

Damit ist das Problem Folgendes: Die Rücklagen sind nicht sicher. Das Geld ist beispielsweise in Kohlekraftwerken oder in Beteiligungen an anderen Unternehmen angelegt. Sollten diese Geldanlagen an Wert verlieren, sollten Konzerne in wirtschaftliche Schieflage geraten oder sogar pleitegehen, wäre dieses Geld futsch. Das ist ein Risiko, das man endlich ausräumen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

In dem Fall hätte nämlich allein der Staat die finanzielle Verantwortung für den Rückbau und auch für die Lagerung.

Offenbar hat die Hessische Landesregierung überhaupt keine Ahnung und auch kein Interesse daran, zu erfahren, wie hoch die Rücklagen für den Rückbau des Atomkraftwerks in Biblis sind. Auf eine Anfrage der SPD-Fraktion hat die Umweltministerin geantwortet, die Höhe der Rückstellungen für den Rückbau von Biblis sei ihr zwar nicht bekannt, man gehe aber davon aus, dass ausreichend große Rückstellungen gebildet wurden. Unterschrift: Priska Hinz.

(Lachen bei der LINKEN und der SPD – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich muss sagen: Das ist ein bemerkenswert großes Vertrauen, das ein grün geführtes hessisches Umweltministerium in RWE setzt, und das, obwohl es gerade von diesem Konzern verklagt wird.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)