Protocol of the Session on November 22, 2017

Ich will aber auch auf das Thema Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz zu sprechen kommen, weil das angesprochen wurde. Das ist natürlich sehr wichtig, wie Herr Kollege Warnecke schon gesagt hat. Dazu haben Sie in der Antwort auf die Große Anfrage ein wenig geschrieben. Ich will noch einmal daran erinnern, dass das Hessische Ver

gabe- und Tariftreuegesetz nicht nur eine große Hintertür gelassen hat. Vielmehr ist das ein riesiges Scheunentor, das den Unternehmern ermöglicht, die Mindeststandards zu unterlaufen. Dabei geht es um die fehlende Generalunternehmerhaftung. Das haben wir Ihnen schon damals gesagt.

Ich will das noch einmal deutlich machen: Dadurch, dass die Generalunternehmerhaftung in dem Gesetz fehlt, ermöglichen Sie es den Unternehmen, dass sie sich zwar verpflichten, die Tariftreue einzuhalten, dann aber Aufträge an Subsubsubunternehmen weitergeben. Sie haften dann als Generalunternehmer dafür nicht. Sie sind nicht dafür verantwortlich, ob diese Subsubsubunternehmer auch die tariflichen Standards einhalten.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist falsch!)

Sie haben die Generalunternehmerhaftung nicht hineingeschrieben. Genau das ist das Problem an diesem Gesetz. Deswegen ist Ihr Gesetz löchrig wie ein Schweizer Käse.

(Beifall der Abg. Marjana Schott und Jan Schalaus- ke (DIE LINKE) – Dr. Walter Arnold (CDU): Nein, sie sind verantwortlich!)

Sie können mir gerne den Paragrafen zeigen, in dem das mit der Generalunternehmerhaftung steht. Den haben Sie nicht. Das wissen Sie auch.

Die ILO-Kernarbeitsnormen sind genauso ein Thema. Deutschland hat die ILO-Kernarbeitsnormen anerkannt. Das betrifft z. B. das Verbot der Kinderarbeit. Verbot der Kinderarmut wäre auch schön. Aber da geht es um das Verbot der Kinderarbeit.

Die ILO-Kernarbeitsnormen sind zwar anerkannt, aber sie sind überhaupt nicht implementiert. Auch hinsichtlich der ILO-Kernarbeitsnormen gibt es eine Leerstelle im Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetz.

Ich finde, die ILO-Kernarbeitsnormen festzuschreiben wäre natürlich das Mindeste, was man machen muss. Denn die ILO-Kernarbeitsnormen sind keine wirklichen Errungenschaften. Vielmehr sind das die absoluten Mindeststandards. Da geht es darum, dass man das Recht hat, Gewerkschaften zu gründen. Es steht da drin, dass es keine Kinderarbeit geben darf. Ich finde, weil das nicht gesetzlich implementiert ist, haben wir in Deutschland schon ein Problem.

(Beifall der Abg. Marjana Schott und Jan Schalaus- ke (DIE LINKE))

Ich wollte eigentlich gar nicht so lange reden. – Ich komme auf das Thema Nachhaltigkeitskonferenz zu sprechen. Ich habe an sehr vielen Sitzungen der Nachhaltigkeitskonferenz teilgenommen. Dort wurde die Nachhaltigkeitsstrategie immer wieder diskutiert. Ich finde, in der Antwort auf die Große Anfrage zeigt sich das Problem, das die Nachhaltigkeitskonferenz hat. Es gibt sehr viele Hochglanzbroschüren. Es gibt aufwendige Homepages. Es gibt auch das eine oder andere kleine Projekt. Aber das Problem ist, dass das, was die Menschen dort einbringen, durch andere Dinge völlig konterkariert wird.

Man macht einen Klimaschutzplan, baut aber gleichzeitig den Flughafen aus. Es gibt mehr Verkehr auf der Straße. Wir haben doch das Problem, dass das letztlich alles wieder aufgefressen wird. Die Nachhaltigkeitskonferenz hat das Problem – ich glaube, das frustriert auch viele Teilnehmer –, dass dort auf sehr kleinteilige Lösungen und Maßnahmen gesetzt wird. Das wird dann mit viel Rummel in

szeniert. Zum Beispiel kocht Dr. Thomas Schäfer für eine 9. Schulklasse in der Domäne Mechthildshausen. Das hat mit Nachhaltigkeit überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf von der SPD: Es kommt darauf an! Vielleicht kann man es aufwärmen!)

Herr Kollege Merz, auch wenn er davon etwas einfrieren würde, wäre das noch lange nicht nachhaltig. – Ich denke, darin besteht die Schwierigkeit in der Antwort auf die Große Anfrage. Es gibt viele kleine symbolische Projekte. Bei manchen Dingen fragt man sich, was das da eigentlich zu suchen hat.

Wenn wir über Nachhaltigkeit und nachhaltige Beschaffung reden, dann muss man sehr viel größer denken und deutlich machen, dass die Arbeitnehmerstandards und die ökologischen Standards gelten müssen. Um die Umweltschutz- und Klimaziele endlich einzuhalten, müssen wir an mehr als an kleine Showprojekte denken.

In der Antwort auf die Große Anfrage werden einige gute Projekte aufgezeigt. Das ist keine Frage. Aber es wird auch viel genannt, das sehr kleinteilig ist und bei dem der Showeffekt die Nachhaltigkeit überwiegt. – Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Marjana Schott und Jan Schalaus- ke (DIE LINKE) sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Frau Kollegin Wissler, vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Dr. Schäfer. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Zuruf von der SPD)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu durchaus vorgerückter Stunde ein Thema mit unterschiedlicher politischer Breitenwirkung – dass Frau Kollegin Wissler mit ihrer Rede im Wesentlichen die närrische Saison eingeläutet hat,

(Heiterkeit und Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

spricht auch dafür, dass die Intensität der Beratungen möglicherweise überschaubar sein kann.

Dass Sie mir vorwerfen, bei einer Werbeaktion für nachhaltige Beschaffung, für nachhaltige Ernährung in erster Linie an meine eigene Ernährung gedacht zu haben, dem wohnt ein gewisses Maß an Diskriminierung inne – anhand von phänotypischen Besonderheiten.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Dadurch, dass Sie den Kollegen Banzer noch ins Spiel gebracht haben, wird es nicht besser, meine Damen und Herren.

(Michael Boddenberg (CDU): Bitte keine Altersdiskriminierung!)

Deshalb wäre ich an der Stelle etwas zurückhaltender, bei solchen nachhaltig diskriminierenden Anmerkungen.

(Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zur Sache selbst. Wir haben eine ganze Bandbreite von Anmerkungen gehört: von dem Hinweis der Kollegin Knell, dass alles zu dirigistisch sei, was dort gemacht werde – vom rechtlichen Rahmen über das, was wir in praxi machen –, bis hin zu Hinweisen, dass das alles ja noch viel zu wenig sei und man noch viel mehr machen müsste. Das spricht dafür, dass die Frage von Beschaffung in diesem Hause nicht zwingend vollständig konsensual zu lösen ist.

(Heiterkeit)

Ich will aber auf den eigentlichen Kern der Anfrage und ihrer Beantwortung hinweisen, wobei ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, aber auch den anderen Beteiligten sehr herzlich bedanken will. Das war durchaus Kärrnerarbeit, die Dinge so zusammenzutragen, dass sie eine Beratungsgrundlage für dieses Haus darstellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wir haben bei dem Projekt versucht, sehr darauf zu referenzieren, welche Bedürfnisse, welche Bedarfe Beschaffungsstellen – durchaus auch kleinere Beschaffungsstellen – haben. Wir haben versucht, ihnen hilfreich zur Seite zu stehen und uns ihnen nicht mit irgendwelchen vermeintlich dirigistischen Vorgaben in den Weg zu stellen. Deshalb haben wir bewusst bei den einzelnen Projekten jede Menge Praktiker sowohl von der kommunalen Ebene als auch von größeren öffentlichen Instituten, wie dem Hessischen Rundfunk, aber auch der Fraport AG, hinzugezogen, um zu versuchen, dort Erkenntnisse zu gewinnen.

Lassen Sie mich zwei, drei Hinweise geben. Zu den Leitfäden, die Frau Kollegin Knell eher kritisch gesehen hat, sind uns von den Praktikern jedenfalls keine kritischen Anmerkungen übermittelt worden. Ganz im Gegenteil: Sogar außerhalb Hessens ist darum gebeten worden, die erste Auflage zu aktualisieren und eine zweite hinzuzufügen, weil das eine gute Orientierungshilfe, gerade für kleinere Beschaffungsstellen, darstelle. Deshalb sind wir dem auch gerne nachgekommen.

Die Entwicklung dieser Tool-Picker genannten Software hilft beispielsweise kleineren Beschaffungsstellen, aber auch Mitarbeitern, die sich nicht jeden Tag mit Beschaffung beschäftigen, die aber sagen: Ich will nicht nur auf den unmittelbaren Erwerbspreis der zu beschaffenden Sache schauen, sondern ich will gerne auch deren Lebenszykluskosten betrachten, um zu sehen, was an Energieverbrauch dahinter steckt. Was hängen für Folge- und Verbrauchskosten daran? – Diese Software hilft den Beteiligten, das mit einzubeziehen und damit eine noch validere und in der Langzeitbetrachtung kostengünstigere sowie gleichzeitig nachhaltige Beschaffungsentscheidung zu treffen.

Lassen Sie mich auf ein Weiteres hinweisen. Auf die Frage des Ökostroms ist schon hingewiesen worden. Gelegentlich ergeben bestimmte Zeiträume auch nachhaltige Erfolgsmodelle. Das schließt manche Dinge auch nicht aus. Ich will aber auf das Thema der Verbrauchsmaterialien im Büro hinweisen. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Gegensatz von nachhaltiger und kostengünstiger Beschaffung, der in der Debatte thematisiert worden ist, ein konstruierter ist. Durch die Sammelausschreibung – das Zusammenführen, das Standardisieren gerade der regelmäßigen Büroverbrauchsmaterialien – sind am Ende die

nachhaltig beschafften Anteile von 22 auf 41 % gesteigert worden, d. h. verdoppelt worden. Gleichzeitig ist aber der Preis für das Beschaffte um 20 % gesunken. Das heißt, beides ist vereinbar: nachhaltige Beschaffung und gleichzeitig noch bessere wirtschaftliche Ergebnisse bei unseren Ausschreibungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb darf ich mich sehr herzlich für diese Debatte bedanken. Ich leiste meinen Beitrag zur Nachhaltigkeit, indem ich meine Redezeit nicht weiter in Anspruch nehme. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen und erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Große Anfrage der Abg. Löber, Hofmann, Gremmels, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, Siebel, Warnecke, Dr. Sommer (SPD) und Fraktion betreffend Trinkwasserversorgung in Hessen – Drucks. 19/5004 zu Drucks. 19/3931 –

Als Erste hat sich Frau Kollegin Löber zur Wort gemeldet. Sie haben das Wort. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Erinnern Sie sich noch, wie das war, als Sie in die Schule gingen und nachmittags vor den Hausaufgaben saßen, wenn draußen die Sonne schien? Oft wurde dann lieber draußen gespielt, und die Hausaufgaben waren vergessen.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Es fühlt sich direkt jemand angesprochen. – Im Entdecken von Ausreden waren wir als Schüler dann sehr erfinderisch. Eine plausible Ausrede, die der Lehrer akzeptieren würde, war aber nicht immer leicht zu finden. Meine Damen und Herren, genau so liest sich die Beantwortung der Großen Anfrage meiner Fraktion bezüglich der Trinkwasserversorgung in Hessen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Frau Ministerin Hinz, Sie scheinen mir eine plausible Ausrede präsentieren zu wollen. Sie winden sich, sind zögerlich, halten sich zurück, schieben von sich, ganz nach dem Motto: „Was ich nicht richtig weiß, macht mich nicht heiß.“ Mir scheint, Sie wollen keine Verantwortung für unser Trinkwasser übernehmen.

An diesem Punkt stellt sich mir die Frage nach dem Warum. – Warum geben Sie uns keine detaillierten Antworten auf unsere Fragen?