Protocol of the Session on August 31, 2017

Zweitens, Frau Kollegin Beer, sollten Sie sich ein bisschen mit der Materie auseinandersetzen. Wir haben hier geltendes Recht. Wir haben einen geltenden Grenzwert, und wir haben Gerichtsurteile, die man nicht ignorieren kann. Wie sind wir denn in Hessen so weit gekommen? – Wir mussten fast Zwangszahlungen leisten, weil Ihre Wirtschaftsminister, die ehemaligen Kollegen Posch und Rentsch, die Einrichtung von Umweltzonen blockiert haben. Das wollte damals die Umweltministerin, Sie haben es blockiert. Fast wäre es zu Zwangszahlungen gekommen. Durch Sie haben wir wertvolle Zeit verloren, wertvolle Zeit, die wir jetzt gut brauchen könnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Ihre Politik des Aussitzens und des Ignorierens. Sie ist aber gänzlich gescheitert. Was ich wirklich nicht akzeptabel finde, ist, dass Sie sich auf die verunsicherten Verbraucherinnen und Verbraucher aufsetzen. Wir alle verstehen, warum diese Menschen so verunsichert sind. Sie wissen gar nicht mehr, welches Auto sie kaufen sollen. Sie wissen gar nicht mehr, welche Werte gelten. Dazu sage ich ganz deutlich: In allererster Linie liegt es an der Automobilindustrie, die diese Fehler gemacht hat, das Vertrauen dieser Menschen wiederherzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir nehmen unsere politische Verantwortung auch wahr. Deswegen ist es so wichtig, dass wir gemeinsam die Automobilindustrie in die Zukunft führen.

Sie nutzen aber diese Verunsicherung für Ihre Zwecke. Frau Kollegin Beer, Sie verbreiten Halbwahrheiten. Die eine Halbwahrheit, die Sie gerade eben wieder verkündet haben, ist, die Hessische Landesregierung würde Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in einigen Städten in Hessen planen, weil wir GRÜNE angeblich ein Wahlkampfthema brauchten. Frau Kollegin Beer, das ist absolut falsch.

(Gerhard Merz (SPD): Ihr habt gar keins!)

Fakt ist, es gibt eine gerichtliche Auflage, die wir erfüllen müssen. Da müssen wir ganz viele Maßnahmen und ihre Wirksamkeit vorstellen. Eine dieser verschiedenen Maßnahmen, die dabei vorgestellt werden, ist ein generelles Fahrverbot.

Was wird die Landesregierung tun? – Sie wird erklären, dass sie das nicht für verhältnismäßig hält. Wir als Koalition, wir als Regierung, wir als GRÜNE wollen keine generellen Fahrverbote, Frau Kollegin Beer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die zweite Halbwahrheit, die Sie hier verkündet haben, ist, die blaue Plakette bedeute generelles Fahrverbot. Das ist falsch. Fakt ist, dass die GRÜNEN zur blauen Plakette stehen, weil es ein milderes Mittel ist. Es würde den sauberen Diesel vom schmutzigen trennen. Der saubere Diesel könnte überall hinfahren, und der schmutzige könnte in wenige Straßenzüge nicht hineinfahren. Wir würden das erst dann machen, wenn 90 % aller Pkw das erfüllen. Das ist die grüne Position. Es ist richtig, dass wir zur blauen Plakette stehen; aber was Sie daraus machen, ist die absolute Unwahrheit.

Was Sie machen würden, wäre Nichtstun. Mit Nichtstun hätten wir am Ende generelle Fahrverbote. Sie würden zur neuen FDP werden, der Fahrverbotspartei Deutschlands. Sie würden das Ganze immer nur ignorieren und so tun, als gäbe es kein Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nächste Unwahrheit: Frau Kollegin Beer, Ihr Kollege Lindner hat in einem Interview in der „Rheinischen Post“ gesagt: „Wer im Büro arbeitet, darf dauerhaft sehr viel mehr Stickoxid einatmen, als auf der Straße für einen kurzen Moment erlaubt ist“. Das ist falsch. Ich danke tagesschau.de für ihren Faktenfinder. Da kann man das wunderbar nachlesen. Für Straße und Büros gelten gleiche Werte, Frau Kollegin Beer.

Es gibt Ausnahmen in der Industrie. Ja, die gibt es. Da geht es um Menschen, die in der Industrie arbeiten. Das sind gesunde Menschen, die regelmäßig überwacht werden. Aber auf einer Straße müssen Grenzwerte gelten, die auch für die Schwächsten ausreichend sind. Da werden kleine Babys mit dem Kinderwagen langgeschoben. Da laufen ältere Menschen. Da leben viele Menschen und verbringen dort tagtäglich ihre Zeit. Frau Kollegin Beer, Sie müssen sich einmal mit den Fakten beschäftigen, statt einfach nur Stimmung zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Beer, was Sie hier auch angekündigt haben und was Ihr Kollege Lindner da gesagt hat, das ist schon der Gipfel. Das zeigt nämlich, wie Sie agieren, wenn Sie Probleme vertuschen wollen. Herr Lindner hat diese Falschbehauptung genommen, die ich gerade vorgelesen habe, und dann gesagt, die Grenzwerte würden gar keine Wahrheit abbilden, sondern sie seien nur politisch bestimmt, und man müsse jetzt einmal darüber nachdenken, sie anzupassen.

Was macht also die FDP? – Sie sagt: Gibt es Probleme, dann passen wir eben die Zahlen an. – Aber dass diese Werte aus einer Empfehlung der WHO resultieren, dass die EU diese übernommen hat und dass der Sachverständigenrat für Umweltfragen sogar strengere Grenzwerte fordert, dass es hier um Gesundheitsstudien geht, die ganz langfristig angelegt sind, interessiert Sie alles nicht. Sie machen sich einfach Ihre eigene Wahrheit. Das ist doch keine Verantwortung für die Gesundheit der Menschen, sehr geehrte Frau Kollegin Beer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Kollegin Dorn, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Aber es passt zu Ihnen, Frau Kollegin Beer. Heute haben wir ja gelesen: Sie zweifeln auch an der Zunahme von Starkwetterereignissen. Das ist eigentlich unglaublich. Texas und Bangladesch müssen sich Sorgen über die Wasserfluten machen. Sie sagen, das seien alles Fake-News. Wenn Sie hier anfangen, den Klimawandel zu leugnen, dann ist das schon wirklich problematisch. Sie setzen hier auf Stimmungen, statt sich um die echten Probleme zu kümmern, die in diesem Land und weltweit existieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Eckert für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Beer, der Titel der Aktuellen Stunde klingt vielleicht nach Aufreger, aber ich finde, ein Stück weit können wir uns alle beruhigen. Nur weil die GRÜNEN vor der Bundestagswahl auf Bundesebene irgendetwas im Bereich Fahrverbote fordern, ist das kein Grund zur Aufregung. Wir haben es in Hessen leidlich erlebt, wie das wechseln kann, falls man nachher tatsächlich in Verantwortung kommt. Deswegen können wir ganz entspannt und zurückhaltend das Thema angehen.

(Beifall bei der SPD)

Aber in der Tat reden wir heute hier über eine Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von großem Ausmaß.

(Zuruf von der SPD)

Nicht nur die von der FDP genannten Städte haben Probleme mit der Qualität ihrer sogenannten frischen Luft in den Innenstädten. Hessenmeister ist Limburg, was die Schadstoffbelastungen in den Innenstädten in Hessen angeht. Das Problem ist größer und herausfordernder und insgesamt fordernder, als dass man es vielleicht mit plumpen Fahrverboten vor Ort einfach lösen könnte.

Die Klimaziele von Paris 2015 und der Klimaschutzplan für Deutschland geben bis 2050 klare Ziele vor. Es betrifft bei der Mobilität, über die wir heute sprechen, nicht nur saubere Antriebe, sondern erfordert ganzheitliche Mobilitätskonzepte. Auf die Debatte am Dienstag sei dabei verwiesen. Über die vielen anderen herausfordernden Baustellen in diesem gesamten Paket wollen wir heute nicht reden. Mobilität ist nur eines von vielen Feldern.

Wir als SPD wollen nicht nur eine ökologisch verträgliche, sondern auch eine sozial verträgliche Mobilität der Zukunft. Dabei wollen wir unseren Status als weltweit füh

rende Autonation stabilisieren und in die Zukunft führen. Denn für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist auch klar: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Automobilindustrie tragen nicht die Verantwortung für die Vertrauenskrise der Branche in unserem Land.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Aber auch sie sind die Leidtragenden der aktuellen Debatte, ausgelöst durch unverantwortliches Handeln der Unternehmensführungen großer Unternehmen in unserem Land. Das ist ein Handeln, das in keinster Weise zu rechtfertigen und zu billigen ist.

Aber was ist unsere Aufgabe als Politik? – Ins Lamento von Scheinlösungen zu verfallen oder gemeinsam mit den Akteuren aus Betriebsräten und Gewerkschaften, den Verbraucher- und Umweltschützern Lösungen für die Zukunft zu entwickeln – kurzfristige wie langfristige Lösungen? – Ich glaube, das ist unsere Aufgabe und eigentlich auch unser Thema heute hier.

Um bei der Überschrift zu bleiben: Niemand will Fahrverbote. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher haben nämlich das Problem, dass sie veraltete Fahrzeuge haben, denen der neueste Standard der Abgasreinigungstechnologie fehlt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind betroffen, aber sie haben keine Schuld.

Man darf natürlich nicht bei den Minimallösungen mit Software-Updates und Ähnlichem bleiben. Wir brauchen die Nachrüstung der Hardware – aber nicht zulasten der gutgläubigen Verbraucherinnen und Verbraucher.

(Beifall bei der SPD)

Es müssen rechtliche Grauzonen beseitigt werden, die Kontrollen müssen verschärft und unabhängig von den Herstellern gewährleistet werden. Wir müssen als Staat die Gewähr dafür bieten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit Vertrauen in ihre Kaufentscheidung leben und ohne Einschränkungen mobil sein können.

Ja, es ist eine Veränderung. Ja, es ist auch ein Strukturwandel, den es geben wird und geben muss. Aber gerade auch in Hessen angesichts der Bedeutung der Automobilbranche in Süd- und Nordhessen ist es geradezu leichtfertig, nicht auch die Herausforderungen eines solchen Strukturwandels für Wirtschaft und Arbeit mit zu bedenken und gestalten zu wollen.

Die Entwicklung alternativer Antriebe und eine immer stärker werdende Digitalisierung der Mobilität entscheiden in unseren Augen über die Perspektiven des Standorts Deutschland und auch des Automobilstandortes Hessen. Ich spreche bewusst nicht von E-Mobilität allein, sondern von alternativen Antriebsformen.

Die Politik im Bund ist gefordert, aber auch wir im Land haben unseren Teil dazu beizutragen. Wir müssen den betroffenen Städten und den Bürgern vor Ort helfen.

Dafür nutzt es wenig, wenn wir, wie am Dienstag der Verkehrsminister, in wolkigen Worten abstrakt Prognosen für Sankt Nimmerlein abgeben und rosafarbene Bildchen malen. Wir brauchen im Hier und Jetzt entsprechende Ansätze und Lösungen für einen konkreten Wandel auch bei uns in Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es auch so unambitioniert, Herr Al-Wazir, wenn Sie das, was Sie am Dienstag vorgestellt haben, als den großen Wurf z. B. in der Elektrobusförderung anpreisen, wo Sie 25 der 3.000 Busse umrüsten können. Wir merken, was dort noch an Weg vor uns liegt und welche Anstrengungen tatsächlich unternommen werden müssen, um in diesen Bereichen wirklich eine Veränderung hinzubekommen.

Deswegen brauchen wir gerade für Veränderungen im innerstädtischen Verkehr die Umrüstung der dauerhaften Verkehre, um fit zu werden für die Zukunft. Das betrifft den ÖPNV im Bereich der Busse, das betrifft aber auch Taxen und Ähnliches, die permanent vor Ort sind und zusätzliche Emissionen ausstoßen.

Herr Kollege Eckert, kommen Sie bitte zum Schluss.

All das ist für uns wichtig. Wir brauchen entsprechende Lösungen. Wir brauchen aber auch die gemeinsame Transformation im Bereich der Automobilwirtschaft. Wir brauchen entsprechend keine Veränderung auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn am Ende kann es nicht sein, dass Mobilität nur mit Einschränkungen in der Zukunft möglich ist. Dafür haben wir Herausforderungen im Interesse der Umwelt, im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier in Hessen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der sogenannte Dieselskandal ist in Wahrheit kein Dieselskandal, sondern in allererster Linie ein politischer Skandal. Es ist ein Skandal um einen Filz aus Politik und Automobilindustrie. Es ist ein Skandal um einen Bundesminister und ein Kraftfahrt-Bundesamt, die ihren Kontrollpflichten nicht nachgekommen sind.

Es gab ein kriminelles Vorgehen in den Autokonzernen. Ingenieure haben leider viel Zeit und Energie darauf verwendet, durch Betrugssoftware Grenzwerte zu unterlaufen, statt eine umweltfreundliche Technik zu entwickeln. Aber – und das muss man auch sagen – das alles wurde von der Bundesregierung und den Verantwortlichen auch nicht unterbunden – trotz klarer Hinweise. Deswegen trägt natürlich diese Bundesregierung eine Mitverantwortung für die Debatte, die wir jetzt gerade führen, und die Verunsicherung, die herrscht.