Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um beim Letzten anzuknüpfen: In der Tat empfehle ich die Diskussion mit einer gewissen Grundentspannung, aber ein Konzentrieren auf die dahinter liegenden Sachfragen. Die Zahlen, die Kollege Schmitt angesprochen hat, hat er nicht erfunden, sondern sie stammen aus der Präsentation des Finanzministeriums, die wir in der Pressekonferenz, als wir das Programm vorgestellt haben, auf den Tisch gelegt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, insofern sind die Zahlen, die Herr Schmitt vorgetragen hat, richtig, aber unvollständig. Sie sind richtig, was die Zusammensetzung der 300 Millionen € angeht, die cum grano salis jährlich benötigt werden. Allerdings hat er vergessen, darauf hinzuweisen, dass Bestandteil des Gesamtkonzepts ein Investitionsprogramm von 500 Millionen €, verteilt auf fünf Jahre, ist, mit dem wir aus Landesmitteln sicherstellen wollen, dass der Effekt eintritt, den der Kollege Hahn geschildert hat: dass Kommunen, die es nicht nötig hatten, Kassenkredite aufzunehmen, obwohl sie von ihrer Sozialstruktur eigentlich in einer Situation waren, dass das Risiko hoch gewesen wäre, dass sie darauf angewiesen wären, gefördert werden sollen.
Wenn Sie diese Mittel hineinrechnen, kommen Sie in den nächsten Jahren auf eine Gesamtjahresscheibe von 400 Millionen € und einen Anteil des Landes von 40 %. Jetzt können Sie immer noch sagen, es müsste höher sein. Aber jedenfalls ist die Quote schlapp doppelt so hoch, als Sie sie geschildert haben.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Der Kollege hat sich knapp verrechnet!)
Jetzt können wir versuchen, die Schlachten der Vergangenheit, wer an was schuld gewesen ist, zu wiederholen. Ich glaube, das macht keinen Sinn. Wir haben ausreichend Gelegenheit und Notwendigkeit, über das zu sprechen, was jetzt ansteht, was für die Zukunft erforderlich ist. Ich habe jedenfalls der Debatte keinen kritischen Unterton dahin ge
hend entnommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, das Kassenkreditproblem zu lösen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Das Schicksal der Bertelsmann-Studie ist wie das fast jeder Studie. Zwischen Ende der wissenschaftlichen Arbeit und Vorstellung und Drucklegung liegen immer Zeiträume, und die Wissenschaftler haben immer die große Hoffnung, dass zwischendrin nicht viel passiert, um die Aktualität ihrer Untersuchungen zu erhalten. Diesmal hat die Bertelsmann Stiftung richtig Pech gehabt; denn durch unser Konzept der Hessenkasse fallen wesentliche Teile der Analyse weg. Man muss eines sagen: Ein solches Konzept wie das der Hessenkasse ist bundesweit einmalig. Es gibt kein einziges Bundesland, das so in die Vollen geht.
Wir sind das einzige Bundesland, das zum 01.07. des kommenden Jahres die Kassenkredite der Kommunen auf null stellen wird. Das gibt es nirgendwo anders, nicht in Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, die noch viel höhere Kassenkredite haben. Auch in Nordrhein-Westfalen hat es solche Konzepte in den letzten Jahren nicht gegeben – um sozusagen die Frage der politischen Farbschattierung von Regierungskonstellationen in der Debatte kurz aufscheinen zu lassen.
Jetzt sind wir in der Situation: Was passiert jetzt? – Der Kollege Schmitt hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es ein falscher Weg wäre, wenn der Tilgungsbeitrag von 25 € je Einwohner, den die Kommune selbst zu erbringen hat, am Ende dazu führen würde, dass an anderer Stelle Gebühren, Beiträge und Abgaben erhöht werden müssten. Dazu lohnt auch wieder ein Blick in die Zahlen. Wir haben jetzt bei den Kommunen abgefragt, welche Kassenkreditbestände sie haben, wie sie sich wahrscheinlich entwickeln werden, und Ähnliches.
Wir kommen darauf, dass die durchschnittliche Verzinsung der Kassenkredite bei ungefähr 0,4 % im Jahr liegt, allerdings mit einer beträchtlichen Varianz. Wir haben auch Kassenkredite, wo die Kommune sich festgelegt hat – die Frage, ob das mit dem Haushaltsrecht vereinbar war, schenke ich mir einmal –, mit Zinsen von teilweise 4,88 % in der Spitze. Es ist also eine enorme Varianz bei der Zinsbelastung.
Wenn Sie sich anschauen, wie die Kommunen in den nächsten Jahren ihre Zinsbelastung aus den Kassenkrediten geplant haben, dann sehen Sie, dass im Haushaltsplan 2017 aller Kommunen zusammen fast 72 Millionen € für Zinsen von Kassenkrediten geplant waren. Wir erwarten mit den 25 € je Einwohner einen Drittelbetrag von den 300 Millionen €, also einen Beitrag von 100 Millionen €. Das heißt, von diesem Jahresbeitrag von 100 Millionen € sind 72 Millionen € schon dadurch gedeckt, dass die Kommunen die Zinsen aus den Kassenkrediten nicht mehr zahlen müssen.
Dann bleibt ein Betrag zwischen 20 und 30 Millionen €, vielleicht auch 40 Millionen €, sei es drum, den die Kommunen zusätzlich an Liquiditätsbelastung werden aufbringen müssen. Wenn wir wiederum dagegenhalten, wie sich der Kommunale Finanzausgleich in den kommenden Jahren nach aller Wahrscheinlichkeit entwickeln wird – 4,6
Milliarden € in diesem Jahr, knapp 5 Milliarden € im kommenden Jahr, 5,2 Milliarden € 2019, 5,6 Milliarden € 2020 und 5,8 Milliarden € 2021 in der mittelfristigen Finanzplanung, eine Steigerung um 1,2 Milliarden € oder 26 % in fünf Jahren –, dann spricht angesichts der Tatsache, dass die Steigerung der letzten fünf Jahre 21 % betrug, sehr viel dafür, dass hinlängliche Spielräume entstehen werden, um diesen Betrag von jährlich 30, 40 oder 50 Millionen € so finanzieren zu können, dass das Abfinanzieren der Altschulden ohne jedwede Veränderung in der Gebühren- und Beitragssituation der Kommunen erreicht werden kann.
Um das sicherzustellen, haben wir eine Arbeitsgruppe von Kassenkreditprüfern zusammengestellt. Sie werden in den kommenden Wochen beginnen, nachdem die Rückmeldungen zurückgekommen sind, mit jeder einzelnen Kommune darüber zu sprechen: Was ist der genaue Kassenkreditbestand? Wo geht es hin? Wie ist die Liquiditätsplanung, die ihr habt?
Wir haben aber auch festgestellt, dass es Kommunen gibt, die hohe Kassenkredite haben und gleichzeitig Guthaben auf Termingeldkonten unterhalten haben. Ob das immer so wirtschaftlich war, weiß ich nicht. Das ist kein kleines Phänomen. Das sind fast 400 Millionen € bei Kommunen, die eigentlich Kassenkredite haben, aber auf der anderen Seite liquide Geldanlagen vorgehalten haben.
Deshalb reden wir mit jeder einzelnen Kommune. Deshalb hat Kollegin Goldbach völlig recht: Auch die Ursachen für Kassenkredite sind von Kommune zu Kommune extrem unterschiedlich. Die beiden Beispiele Lauterbach und Alsfeld sprechen für sich. Ich könnte weitere hinzufügen, wo bei strukturell vergleichbaren Kommunen in enger räumlicher Entfernung offensichtlich, weil in der Vergangenheit nicht nur richtige politische Entscheidungen vor Ort getroffen wurden, die einen kräftig in den Kassenkrediten hängen, während die anderen grundsolide gewirtschaftet haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das zum Schluss hinzufügen: Deshalb ist dieses 500-Millionen-€Investitionsprogramm auch ein wichtiger integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts. Denn genau das soll es nicht geben, dass die, die eigentlich schwierige strukturelle Voraussetzungen haben und trotzdem nicht der Versuchung erlegen sind, über ihre Verhältnisse zu leben, das Gefühl haben, dass sie am Ende des Spiels die Dummen sind. Das darf nicht passieren.
Das heißt aber auch, dass nicht jeder, der keinen Kassenkredit hat, sich Hoffnungen machen darf, von dem Programm zu profitieren. Die Eschborner mögen es mir nachsehen, dass ich immer wieder gerne auf dieses Beispiel zurückgreife. Dass Eschborn keinen Kassenkredit hat, ist vermutlich kein Kunststück örtlicher Kommunalpolitik, sondern den äußeren Umständen geschuldet.
Wenn wir jetzt ausschließlich die Frage zum Maßstab machen würde, wer keinen Kassenkredit hat, müssten wir Eschborn an diesem Investitionsprogramm beteiligen. Ich glaube, dann wären die anderen zu Recht noch eine Spur saurer,
wenn am Ende ein solches Programm, das sich tendenziell an die Gemeinden wendet, die finanziell schlechter gestellt sind, dafür sorgt, dass bei den anderen das Geld landet, das sie eigentlich bräuchten. Deshalb werden wir bei der Entwicklung des Kennzahlenzettels sehr genau schauen, wer keine Kassenkredite hat, weil er ordentlich gewirtschaftet hat, aber auch die Voraussetzungen vor Ort hatte, die dieses ordentliche Wirtschaften ermöglicht haben, und wer jeden Cent wirklich viermal umgedreht hat, weil er einfach nicht die Situation hatte, etwas machen zu können. An die müssen wir uns wenden. Da sind wir eher in Breitenbach am Herzberg als in Eschborn. Das ist am Ende die Gesamtkonzeption.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Sätze hinzufügen. Zu dieser großen Leistung der Solidargemeinschaft – Bundesmittel, Landesmittel und kommunale Gemeinschaftsmittel – kommt am Ende eines hinzu. Nach Abschluss des Verfahrens sollen die Kommunen keine Kassenkredite mehr haben. Der Kassenkredit muss künftig wieder das sein, was er einmal war:
eine Ausnahme zur unterjährigen Liquiditätssicherstellung, um Zahlungstermine einhalten zu können. Am Jahresende muss das wieder bei null stehen, so wie es am Jahresanfang auch gestanden hat. Es gibt davon Ausnahmen, wenn z. B. einmal die Einnahmen aus der Gewerbesteuer wegbrechen. Das kennen wir alles. Aber die regelmäßige Finanzierung des laufenden Haushalts über Kassenkredite muss ein Ende haben.
Das ist zunächst die gemeinsame Aufgabe derer vor Ort. Es ist aber auch die Arbeit der Aufsichtsbehörden, die – ich wiederhole es – bei der Tätigkeit der gemeinsamen Arbeitsgruppen dafür Sorge tragen werden, dass das in partnerschaftlicher Atmosphäre diskutiert, entschieden und in Zukunft so praktiziert wird, wie es in den südlichen Bundesländern in den vergangenen Jahrzehnten immer der Fall war. Das hat einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, dass es dort eine Verschuldung in dieser Dimension nicht gibt. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Herr Minister Dr. Schäfer, vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Die Debatte ist damit beendet.
Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/5169, direkt ab. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Mitglieder der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Mitglieder der Fraktion der SPD. Wer enthält sich der Stimme?
Dann ist es ja gut. Ihr müsst mir es sagen, oder man muss es sehen. – Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE sind
dagegen. Wer enthält sich? – Das sind die Mitglieder der FDP-Fraktion. Damit ist der Entschließungsantrag mit Mehrheit angenommen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Kindergesundheitsschutz-Gesetzes und zur Aufhebung der Verordnung zur Bestimmung des Hessischen Kindervorsorgezentrums – Drucks. 19/5142 –
Der Gesetzentwurf wird von Sozialminister Stefan Grüttner eingebracht. Bitte sehr, du hast das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hessische Kindergesundheitsschutz-Gesetz wird im nächsten Jahr zehn Jahre in Kraft sein. Im Rahmen der Evaluierung des Gesetzes und der damit verbundenen Verbändeanhörung durch die Landesregierung konnten wir feststellen, dass die gesetzlichen Regelungen mittlerweile auf große Zustimmung stoßen. Das ist vor allen Dingen so, nachdem es uns im letzten Jahr durch die Einführung einer Clearingstelle im Zentrum gelungen ist, die von den Kommunen immer wieder kritisierte hohe Zahl an Fehlmeldungen wegen vermeintlich nicht durchgeführten Kindervorsorgeuntersuchungen deutlich zu reduzieren. Ich habe lieber eine Fehlmeldung zu viel als eine verpasste Untersuchung zu viel.
Das Universitätsklinikum Frankfurt nimmt nunmehr seit fast zehn Jahren als Hessisches Kindervorsorgezentrum auf eine ganz hervorragende Art und Weise eine wesentliche Aufgabe für den Kinderschutz und den Gesundheitsschutz für unsere Kinder in Hessen wahr. Es ist für das Einladungs- und Kontrollwesen für die in Hessen gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U9 zuständig. Des Weiteren führt es das Neugeborenen-Stoffwechselscreening durch. Schließlich ist die Trackingzentrale für das Neugeborenen-Hörscreening hier angesiedelt.
Aus diesem Grund werden wir nun unmittelbar im Gesetz regeln, dass das Universitätsklinikum Frankfurt die Aufgaben des Hessischen Kindervorsorgezentrums wahrnimmt. Eine gesonderte Rechtsverordnung braucht es dafür nicht mehr. Hierzu gehört auch die gesetzliche Regelung der Fach- und Rechtsaufsicht über das Hessische Kindervorsorgezentrum. Wir werden mit dem Gesetz explizit festlegen, dass das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium für diese Fach- und Rechtsaufsicht zukünftig zuständig sein wird.
Im Weiteren werden wir den Hessischen Kindervorsorgebeirat, der die Aufgabenwahrnehmung des Hessischen Kindervorsorgezentrums begleitet, um zwei weitere Mitglieder erweitern. Das sind die Landesärztin für hör- und sprachbehinderte Menschen und eine Vertreterin des Landesverbandes der Hessischen Hebammen. Damit wird die Fachkompetenz dieses Gremiums noch einmal deutlich erhöht werden.